5.2. Maßnahmen und Strategien zur Zielerreichung

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Erstellung von Richtlinien mit
integrierter Gender Perspektive
im Rahmen des Projektes
KLARSICHT
Clearing unter der Gender Perspektive
Wien, Jänner 2010
VORWORT
EINLEITUNG
Der vorliegende Leitfaden soll dabei unterstützen, bei der Erstellung von Richtlinien
und Dokumenten den Blickwinkel der Gleichstellung von Frauen und Männern
einzunehmen.
Der Leitfaden adressiert jene Personen, die damit beauftragt sind, politische Ziele
und Vorgaben in operative Maßnahmen zu übersetzen.
 Im ersten Absatz werden der Hintergrund und die Rahmenbedingungen im
Kontext von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting beleuchtet. Das
politische Bekenntnis auf nationaler Ebene und die daraus folgenden
Rechtsgrundlagen werden dargestellt.
 Im zweiten Absatz werden Gender Mainstreaming als Leitstrategie zur
Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und Gender Budgeting
- integrierter Bestandteil eines Gender Mainstreaming Prozesses beschrieben.
 Absatz drei stellt in einer Übersicht zusammengefasst dar, welche Merkmale
eine Richtlinie, die eine Gleichstellungsorientierung integriert hat,
kennzeichnen.
 Im Absatz fünf sind die Aufgaben der unterschiedlichen AkteurInnen im
Prozess der Erstellung einer gleichstellungsorientierten Richtline beschrieben.
 Der fünfte Absatz stellt am Beispiel des Handlungsfeldes „Jugendliche mit
Behinderung“
den
Prozess
der
Erarbeitung
übergeordneter
Gleichstellungsziele und dessen Auswirkung auf die Richtlinie xxx dar.
Leitfaden Richtlinienerstellung
-2-
BMASK
1.
Hintergrund und Rahmenbedingungen
Die Verpflichtung zur aktiven Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern
basiert auf einem internationalen und nationalen Prozess, der in Vereinbarungen und
gesetzlichen Vorgaben seinen Niederschlag findet.

Auf internationaler Ebene hat Österreich die UNO-Konvention zur Beseitigung
der Diskriminierung von Frauen ratifiziert.

Österreich ist als EU-Mitgliedsstaat der Förderung der Gleichstellung von Frauen
und Männern verpflichtet. Im Art. 3 des Amsterdamer Vertrages heißt es: „Bei
allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin,
Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu
fördern.“

In der Österreichischen Bundesverfassung sind die Verpflichtung zur
Gleichstellung von Frauen und Männern und das Diskriminierungsverbot
festgeschrieben (Art. 7 Abs. 2 B-VG).

Gender Mainstreaming wurde in den letzten Jahren auf Bundesebene mit
Ministerratsbeschlüssen vom 11. Juli 2000, vom 3. April 2002 und vom 9. März
2004 institutionell verankert.

Novelle des Bundes- Verfassungsgesetzes 2008, mit dem das BundesVerfassungsgesetz und das Bundeshaushaltsgesetz: Bund, Länder und
Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von
Frauen und Männern anzustreben haben. Weiters wurde die Verpflichtung des
Bundes verankert, bei seiner Haushaltsführung die Grundsätze der
Wirkungsorientierung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der
tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern zu beachten.

Über die Verpflichtung zur aktiven Gleichstellung im Kontext von öffentlichen
Förderungen sagt das Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom
30.September 2009 (317: Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der
die Verordnung über Allgemeine Rahmenrichtlinien für die Gewährung von
Förderungen aus Bundesmitteln (ARR 2004) geändert wird) folgendes aus:
§ 7 (2): Das anweisende Organ hat dafür Sorge zu tragen, dass die tatsächliche
Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Gewährung, Durchführung und
Evaluierung der Förderung berücksichtigt wird.
Leitfaden Richtlinienerstellung
-3-
BMASK
2.
Gender Mainstreaming und Gender Budgeting
2.1.
Gender Mainstreaming – die Strategie zur Gleichstellung von Frauen und
Männern
Die Wurzeln von Gender Mainstreaming liegen in der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit. In der internationalen Auseinandersetzung um die
Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern wurde ein Konzept
entwickelt, das in allen Ländern und Politiken unabhängig von deren Struktur und
Demokratisierungsstatus umgesetzt werden kann.
Gender Mainstreaming ist der strategische Ansatz, die Gleichstellung von Frauen
und Männern in allen Politikbereichen, in allen Handlungsfeldern und auf allen
Ebenen zu verfolgen.
Gleichstellung
von Frauen und Männern ist die auf gleichen Rechten und gleichen
Ressourcen basierende Partizipation beider Geschlechter in allen
Bereichen der Gesellschaft.
Definition TEP (Territorialer Beschäftigungspakt) Österreich:
Gleichstellung
ist
erreicht,
wenn
alle
Strukturen
und
Entscheidungsprozesse so gestaltet sind, dass Frauen und Männer
aufgrund ihrer Geschlechterrollen in Bezug auf

individuelle Lebensgestaltung

Verteilung von Macht, Ressourcen und Arbeit weder bevorzugt
noch benachteiligt sind
Diese Definition legt klar, dass die Menschen so bleiben dürfen wie sie
sind – es geht darum, die Strukturen und Prozesse auf ihre
Genderwirkung zu überprüfen und dahingehend zu ändern, dass
Frauen und Männer durch Geschlechtszuschreibungen nicht
bevorzugt oder benachteiligt werden.
BEGRIFFSKLÄRUNG
Der Begriff Gender bezeichnet im Gegensatz zum „biologischen“ (engl. „sex“) das
„soziale“ Geschlecht bzw. die „Geschlechtsidentität“ (engl. „gender“). Mit Gender sind
gesellschaftliche Geschlechterrollen gemeint, also Vorstellungen und Erwartungen,
wie Frauen und Männer sind bzw. sein sollen. Der Begriff Gender soll verdeutlichen,
dass Unterschiede zwischen Frauen und Männern erlernt sind bzw. von der
Gesellschaft zugewiesen werden und sich Geschlechterrollen somit mit der Zeit auch
verändern können.
Leitfaden Richtlinienerstellung
-4-
BMASK
Wenn wir von „Gender“ reden …
... meinen wir ökonomische, soziale, kulturelle Zuschreibungen (Konstrukte) in Bezug
auf geschlechtsspezifische Rollen, Rechte und Pflichten.
... gehen wir von der Erkenntnis aus, dass (soziale) Geschlechterdifferenzen nicht
angeboren sondern im historischen Wandel konstruiert und daher veränderbar sind.
... haben wir das Ziel (soziale) Geschlechter- differenzen kritisch zu reflektieren und
Veränderungen zugunsten von Gleichstellung zu fördern.
Mit Gender Mainstreaming wird die Auswirkung von Gender
Zuschreibungen auf Chancen und Möglichkeiten von Frauen und
Männern in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Arbeitsmarkt bei allen
Entscheidungen und Vorhaben integriert betrachtet.
Gender Mainstreaming ist eine innovative und nachhaltige Top-Down-Strategie,
eine Methode zur Identifizierung des Handlungsbedarfes mittels systematischer
Berücksichtigung der Dimension Gleichstellung von Frauen und Männern in allen
Bereichen.
Gender Mainstreaming (Definition Europarat 1998)
Gender Mainstreaming besteht in der (Re-) Organisation,
Verbesserung,
Entwicklung
und
Evaluierung
der
Entscheidungsprozesse, mit dem Ziel, dass die an politischer
Gestaltung beteiligten Akteure und Akteurinnen den Blickwinkel der
Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und
auf allen Ebenen einnehmen.
Die sehr komplexe Definition des Europarates legt klar, dass Gender
Mainstreaming eine Strategie ist, die sich an jene AkteurInnen richtet,
die im jeweiligen Kontext Entscheidungsfunktion haben.
Leitfaden Richtlinienerstellung
-5-
BMASK
Besonders wichtig für das Verständnis des Konzepts Gender Mainstreaming ist
folgende Unterscheidung:
Gender Mainstreaming
► ist kein Ziel
► ist kein Inhalt
► ist die Strategie (eine angelegte Vorgehensweise) zur Erreichung
der Gleichstellung von Frauen und Männern
Das heißt:
Gleichstellung
…ist das (politische) Ziel
Gender Mainstreaming
…ist die Strategie (die Vorgehensweise) zur Zielerreichung
Frauen/Männerförderung
… ist eine Option, bestehende Ungleichstellungen auszugleichen
Leitfaden Richtlinienerstellung
-6-
BMASK
2.2.
Das Verfahren zur Umsetzung Gender Mainstreaming
Die Umsetzung von Gender Mainstreaming erfolgt nach einem systematischen
Vorgehen. Das Sechs-Schritte-Verfahren (nach Krell/Thondorf) ist eine Methodik, die
sich gut in alle Planungslogiken in öffentlichen und öffentlichkeitsnahen Bereichen
integrieren lässt.
Sechs-Schritte-Verfahren
1. Gleichstellungsziel
Beschreibung des IST- Zustandes
Beschreibung der Anspruchsgruppe
Definition des SOLL-Zustandes
2. Analyse der Hemmnisse
Thesen in Bezug auf die Hemmnisse
3. Entwicklung von Optionen
Ausformulierte Optionen zur
Überwindung der Hemmnisse
4. Analyse der Optionen
Auswahl der Option(en)
Indikatoren/Evaluierung festlegen
5. Umsetzung
Controlling
6. Evaluierung
Bericht zum Gleichstellungsziel
Ursachenanalyse b. Zielabweichung
4-R-Methode
Schritt 1
ist der schwierigste und langwierigste im gesamten Verfahren. Erfordert er doch eine
genaue Analyse der Ausgangssituation sowie eine Beschreibung der Ziel- und
Anspruchsgruppe.
Die zentralen Fragestellungen dieses Schrittes lauten: „Wie sieht der Ist-Zustand
bezüglich Gleichstellung von Frauen und Männern im entsprechenden Handlungsfeld
aus?“ und „Welcher Soll-Zustand wird durch das zu entscheidende Vorhaben
angestrebt?“
Voraussetzungen dafür sind das Wissen um relevante gesetzliche Grundlagen und
Rahmenbedingungen sowie die genaue Kenntnis über den IST-Zustand und ein
daraus erkennbarer Handlungsbedarf
Schritt 2
Die Aufgabe besteht darin, auszumachen welche – bezogen auf das Vorhaben – die
konkreten Hemmnisse auf dem Weg zu Gleichstellung sind. Diskriminierende
Regeln, Verfahren, Instrumente, Praktiken, die Frauen (bzw. auch Männer)
benachteiligen, sind zu identifizieren.
Die zentrale Frage, die in diesem Schritt geklärt werden muss, lautet also: Welches
sind die konkreten Hemmnisse auf dem Weg zu Gleichstellung?
Voraussetzung für die Analyse der Hemmnisse ist Wissen über die
Gleichstellungsproblematik.
Leitfaden Richtlinienerstellung
-7-
BMASK
Schritt 3
fällt meist nicht schwer. Es ist ein sehr interessanter und kreativer Prozess,
Lösungen zur Überwindung der Hemmnisse zu entwickeln, um die
Gleichstellungsziele erreichen zu können.
Zur Erreichung der vorab definierten Gleichstellungsziele bestehen meistens
verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Auf Basis der Analyseergebnisse des
zweiten Schrittes und des bereichspezifischen Fachwissens werden verschiedene
Lösungsansätze formuliert.
Schritt 4
Die im Schritt 3 entwickelten Optionen müssen nun einerseits auf ihre
voraussichtlichen Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern
untersucht und bewertet werden, damit Sie sich für eine bzw. mehrere
Handlungsoptionen entscheiden können, die Sie umsetzen möchten. Anderseits
muss realistisch betrachtet werden, welche Optionen finanziell machbar und
(politisch) durchsetzbar sind.
Die gewählten Optionen müssen mit Messkriterien und Indikatoren (inhaltlich und zur
Umsetzung von Gender Budgeting budgetär) versehen werden.
Schritt 5
Zentral in Schritt 5 ist die Integration der verfolgten Gleichstellungsziele ins
allgemeine Controlling. Bei Abweichungen von den angestrebten Zielen ist
entsprechend gegenzusteuern.
Schritt 6
Evaluierungen, die zum Abschluss einer Maßnahme durchgeführt werden, haben die
Aufgabe die Wirksamkeit dieser zu bestimmen. Weiters werden Faktoren, die den
Erfolg bzw. den Misserfolg bestimmt haben, identifiziert und es wird die
Nachhaltigkeit der Ergebnisse eingeschätzt. Aus den Erkenntnissen der Evaluierung
können Schlussfolgerungen für neue Projekte erarbeitet
Leitfaden Richtlinienerstellung
-8-
BMASK
2.3.
Gender Budgeting
Gender Budgeting ist eine Strategie, die zum Ziel hat, den gesetzlichen Auftrag der
Gleichstellung zu erfüllen (siehe dazu Absatz 1 Hintergrund und
Rahmenbedingungen). Die Haushaltspolitik und der konkrete Haushalt sollen
demnach so ausgerichtet sein, dass durch Schwerpunktsetzungen sowie
Mittelverteilungen und deren Effekte die Chancengleichheit zwischen Frauen und
Männern vergrößert wird.
Gender Budgeting (Europarat 2005, S. 12).
besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und
Evaluierung von budgetpolitischen Prozessen. Es bedeutet eine
genderbasierte Beurteilung von Budgets, die Einbeziehung einer
Gender Perspektive auf allen Ebenen des Budgetprozesses und die
Umgestaltung von Einnahmen und Ausgaben im Hinblick auf eine
Förderung der Geschlechtergleichstellung.
Gender Budgeting besteht deswegen nicht aus einem gesonderten Haushalt – weder
für Frauen noch für spezifische Maßnahmen der Gleichstellung.
Vielmehr geht es um die gleichstellungspolitischen Wirkungen der Haushaltspolitik
und aller Einnahmen und Ausgaben einer Regierung – also einer insgesamt
geschlechtergerechten Haushaltspolitik.
Der Grundgedanke von Gender Budgeting ist also, die Auswirkungen des
Verwaltungshandelns und der Aufbringung öffentlicher Mittel auf Frauen und Männer
zu analysieren und gegebenenfalls korrigierende Maßnahmen zu ergreifen.
Im Prozess des Gender Mainstreaming werden die Gleichstellungsziele für die
Ressorts bzw. innerhalb der einzelnen Aufgabenbereiche festgelegt. Diese Ziele und
Indikatoren orientieren den Prozess des Gender Budgeting.
Gender Budgeting ist nur möglich, wenn der Zielzustand in Bezug auf die
Gleichstellung von Frauen und Männern definiert ist. Über die Integration von
Gleichstellungszielen in alle Aktivitäten werden die budgetären Wirkungen bestimmt
und die aus der Integration resultierenden finanziellen (Um)verteilungsprozesse
eingeleitet (Gender Budgeting)
Der erste Schritt zu Gender Budgeting ist also unabdingbar die Integration von
Gender Mainstreaming.
Leitfaden Richtlinienerstellung
-9-
BMASK
2.4.
Umsetzung von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting
Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind dann
umgesetzt wenn:
basierend auf einer geschlechtsspezifischen Analyse formuliert ist,
welcher Zustand in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und
Männern erreicht werden soll (Gleichstellungsziel)
Maßnahmen getroffen werden, die
formulierten Zielzustand zu erreichen
dazu
geeignet
sind
den
Inhaltliche und budgetäre Indikatoren formuliert sind, anhand derer die
Umsetzung kontrolliert und evaluiert werden kann.
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 10 -
BMASK
3.
Kennzeichen einer gleichstellungsorientierten Richtlinie
Förderziel und
Förderzweck
Maßnahmen
Rahmenbedingungen
Förderwerbende
Controlling /
Evaluierung
Leitfaden Richtlinienerstellung
… machen eine Aussage darüber, welcher
Zielzustand in Bezug auf die
Gleichstellung von Frauen und Männer
erreicht werden soll (welchem Zielkorridor
mit der Richtlinie zugearbeitet wird).
… der Förderung sind daraufhin
analysiert, ob sich Gender
Zuschreibungen bevorzugend oder
benachteiligend auswirken könnten. Sie
sind so gestaltet, dass sie dem
Zielzustand der Gleichstellung förderlich
sind.
Die Rahmenbedingungen der Förderung
sind strukturell so gestaltet und
dahingehend überprüft, dass sie keinerlei
Hemmnis für die Erreichung der
Gleichstellungsziele darstellen.
Die Richtlinie fordert von den
Förderwerbenden den Nachweis der
erforderlichen Kompetenz zur Verfolgung
der Gleichstellungsziele ein.
Die Richtlinie macht Aussagen darüber,
wie die Vorgaben in Bezug auf die
Gleichstellung von Frauen und Männern
controlled und evaluiert werden (Erstellung
von Indikatoren und Vorgaben für das
Berichtswesen).
- 11 -
BMASK
3.1.
Erläuterungen
Förderziel und Förderzweck machen eine Aussage darüber, welcher Zielzustand in Bezug
auf die Gleichstellung von Frauen und Männer erreicht werden soll (welchem Zielkorridor mit
der Richtlinie zugearbeitet wird).
Mit einer Richtlinie werden (politische) Zielsetzungen in operative
Handlungen übersetzt. Gender Mainstreaming kann bei der Erstellung
von Richtlinien nur dann umgesetzt werden, wenn die über die
Richtlinie umzusetzenden Ziele ein Gleichstellungsziel integriert haben!
Die Maßnahmen der Förderung sind daraufhin analysiert, ob sich Gender Zuschreibungen
bevorzugend oder benachteiligend auswirken könnten. Sie sind so gestaltet, dass sie dem
Zielzustand der Gleichstellung förderlich sind.
In der Praxis entsteht oft eine Bruchstelle zwischen Zielsetzung und
den Maßnahmen zur Zielerreichung. Daher ist es wichtig, die gesetzten
Maßnahmen dahingehend zu überprüfen, ob sie tatsächlich zur
Zielerreichung geeignet sind.
Die Rahmenbedingungen der Förderung sind strukturell so gestaltet und dahingehend
überprüft, dass sie keinerlei Hemmnis für die Erreichung der Gleichstellungsziele darstellen.
Die zweite Bruchstelle in der Arbeitspraxis entsteht oft zwischen
Anspruch, der im Ziel ausgedrückt ist und den Rahmenbedingungen,
unter denen die Ziele verfolgt werden sollen. So muss im Kontext von
Gender Mainstreaming z.B. berücksichtigt werden, dass sich die
Forderung nach Erweiterung des Berufswahlspektrums in niedrigeren
Vermittlungsquoten niederschlagen könnte.
Die Richtlinie fordert von den
Förderwerbenden den Nachweis der erforderlichen
Kompetenz zur Verfolgung der Gleichstellungsziele ein.
Die Kompetenz und Qualifikation der handelnden Personen
entscheidet über die Qualität. Besonders im Kontext von Gender
Mainstreaming ist es wichtig, dass alle handelnden AkteurInnen ein
gemeinsames Verständnis in Bezug auf die Strategie haben und das
für den Arbeitsbereich erforderliche Fachwissen (von der Konzeption
bis zur Durchführung geschlechtersensibler Beratung und Begleitung
von Berufswahlprozessen).
Die Richtlinie macht Aussagen darüber, wie die Vorgaben in Bezug auf die Gleichstellung
von Frauen und Männern controlled und evaluiert werden (Erstellung von Indikatoren und
Vorgaben für das Berichtswesen).
Damit Gender Mainstreaming nicht beim Verfassen des Konzeptes
endet, braucht es Vorgaben, wie in der Umsetzung das Controlling
und die Evaluierung erfolgen.
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 12 -
BMASK
3.2.
Fragestellungen im Richtlinienerstellungsprozess
Fragestellungen zu Analyse und Zieldefinition
Generelles Ziel:
 Was soll mit der Förderung (für wen) erreicht werden? Wer sind die Ziel- und
Anspruchsgruppen?
Analyse der Ausgangssituation unter der Gender Perspektive:
 Wie ist die Situation von Frauen und Männern aufgrund ihrer Gender Rollen in
der Zielgruppe/Anspruchsgruppe – gibt es relevante Unterschiede, die wirksam
werden und unterschiedliche Chancen nach sich ziehen? (4 R-Methode als
Hilfestellung, Berichte und Statistiken als Grundlage)
 Wie stellt sich die Situation für Frauen und Männer aufgrund von GenderZuschreibungen im Handlungsfeld, in das die Richtlinie wirkt, dar?
Gleichstellungsziel:
 Was von den in der Analyse festgestellten Unterschieden soll im Rahmen der
Förderung ausgeglichen werden (dem Ausgleich zugearbeitet werden)?
 Was soll in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern mit der
Förderung erreicht werden?
 Gibt es übergeordnete Gleichstellungsziele, die uns den Zielkorridor vorgeben?
Fragestellungen zur Umsetzung der Gleichstellungsziele
Maßnahmen zur Zielerreichung:
 Wie wirken die geplanten Maßnahmen/Aktivitäten auf das formulierte
Gleichstellungsziel?
 Welche Maßnahmen/Aktivitäten sind zu setzen, damit das Gleichstellungsziel
erreicht werden kann?
Abwicklung der Förderung:
 Sind die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass sie kein Hemmnis für die
Erreichung des Gleichstellungszieles darstellen?
 Haben wir Vorgaben integriert, die gewährleisten, dass die Maßnahmen, die
gefördert werden gleichstellungsorientiert umgesetzt werden?
Controlling/Evaluierung:
 Haben wir festgelegt, wie die Erreichung des Gleichstellungszieles gemessen
werden kann?
 Haben wir festgelegt, dass die Erreichung der Gleichstellungsziele in das
Controlling integriert ist?
 Haben wir festgelegt, wie im Berichtswesen und in der Evaluierung die
Erreichung der Gleichstellungsziele integriert ist?
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 13 -
BMASK
4.
4.1.
Integration der Gleichstellungsorientierung
Prozess der Richtlinienerstellung
in
den
Dimensionen und Aufgaben
Die
Integration
der
Gleichstellungsorientierung
in
den
Prozess
Richtlinienerstellung fokussiert eine strukturelle und eine inhaltliche Dimension.
►
der
Sicherung der strukturellen Qualität: auf struktureller Ebene geht es darum, zu
gewährleisten, dass in den einzelnen Prozessschritten der Blickwinkel der
Gleichstellung der Geschlechter eingenommen bzw. eingefordert wird.
Aufgaben auf struktureller Ebene
►

Einfordern der Definition eines Gleichstellungszieles – die
Verantwortlichen legen fest, welche Wirkung mit dem Vorhaben
auf die Gleichstellung von Frauen und Männern erzielt werden soll

Anleitung zur Einnahme der Gender Perspektive – die
AkteurInnen werden dazu angeleitet, im Entwicklungsprozess
integriert der Gleichstellung von Frauen und Männern
zuzuarbeiten
Sicherung der inhaltlichen Qualität: auf inhaltlicher Ebene muss gewährleistet
sein, dass in den einzelnen Prozessschritten die nötige Gender Expertise
(Wissen um Geschlechterverhältnisse, Gender Zuschreibungen und deren
Wirkung) vorhanden ist.
Aufgaben auf inhaltlicher Ebene

Durchführung von geschlechtsspezifischen Analysen –
Beschreibung der im Regelungsgegenstand fokussierten
unmittelbaren und mittelbaren Zielgruppen und auf Basis von
Studien und Expertisen

Reflexion der Gleichstellungwirkung von Maßnahmen und
Aktivitäten – Betrachtung aus ExpertInnensicht und Einbringen
von Vorschlägen in den Diskussionsprozess
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 14 -
BMASK
4.2.
AkteurInnen und Auftrag
ENTSCHEIDUNGSTRÄGERINNEN
Gender Mainstreaming ist eine Top-down Strategie. Dies bedeutet, dass jene
AkteurInnen, die einen (Entscheidungs)prozess bestimmen, gewährleisten, dass im
Rahmen des Prozesses der Blickwinkel der Gleichstellung von Frauen und Männern
integrierter Bestandteil des Handelns ist.
Diese EntscheidungsträgerInnen
► beauftragen, dass im Procedere der Richtlinienerstellung integriert die
Gleichstellung von Frauen und Männern verfolgt wird.
► gewährleisten dass, wenn ein/e Experte/in dafür hinzugezogen wird, diese/r
mit einem klaren Auftrag ausgestattet (Definition der Aufgaben, der
Verantwortung, der Kompetenz) und in den relevanten Schritten im
Erstellungsprozess eingebunden ist
► sorgen dafür, dass alle Prozessbeteiligten über den Auftrag zur Integration der
Gleichstellungsorientierung Bescheid wissen
EXPERTINNEN für Prozessbegleitung und Gender-Kompetenz
Im Auftrag von EntscheidungsträgerInnen unterstützen diese ExpertInnen die
AkteurInnen dabei, dass im Richtlinienprozess das Verfahren von Gender
Mainstreaming angewendet und inhaltlich qualitätsvolle Ergebnisse erzielt werden.
ExpertInnen für Prozessbegleitung
► beraten
die
EntscheidungsträgerInnen
dahingehend,
in
welchen
Prozessschritten welche Aktivitäten hinsichtlich der Integration der
Gleichstellungsorientierung notwendig sind
► sorgen für das Vorliegen einer Analyse, als Basis für die Formulierung von
Gleichstellungszielen und die Entwicklung von Maßnahmen seitens der
EntscheidungsträgerInnen
► sorgen dafür, dass Gender Expertise zur Verfügung steht
ExpertInnen für Gender Kompetenz
► leiten die EntscheidungsträgerInnen und Beteiligte dazu an, die Gender
Perspektive einzunehmen
► erstellen geschlechtsspezifische Analysen der Zielgruppen, die mit der
Richtlinie adressiert werden
► beraten die EntscheidungsträgerInnen hinsichtlich der Gleichstellungswirkung
der gesetzten Ziele und Maßnahmen
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 15 -
BMASK
5.
Beispiel: Handlungsfeld „Jugendliche mit Behinderung“
Im Rahmen des Projektes „KLARSICHT – Clearing unter der Gender Perspektive“
wurde das Verfahren von Gender Mainstreaming angewandt, um für die Integration
der Gleichstellungsorientierung in das Handlungsfeld „Jugendliche mit Behinderung“
einen Zielkorridor zu definieren, der Orientierung für alle Aktivitäten am Übergang
Schule-Beruf bietet.
Grundsätzlich wird in der Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung folgendes
übergeordnetes Ziel verfolgt:
Alle Maßnahmen und Angebote fördern die umfassende Integration in
Erwerbstätigkeit und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von
Menschen mit Behinderung.
Die generellen Zielsetzungen für Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderung
wurden folgendermaßen definiert:
 Alle Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderung fördern die
Ermöglichung einer Existenz sichernden Erwerbstätigkeit und einer
dauerhaften Integration in den ersten Arbeitsmarkt.
Durch Clearing und andere unterstützenden Maßnahmen
 haben die Jugendlichen realistische und umsetzbare berufliche Ziele
entwickelt und können die nächsten Schritte dahin gehend setzen.
 liegt ein Entwicklungsplan vor.
 können die Jugendlichen klare Schritte in Richtung Integration in den
ersten Arbeitsmarkt setzen.
5.1.
Entwicklung von Gleichstellungszielen
Integriert in die allgemeinen Ziele wurden basierend auf den Analyseergebnissen
Gleichstellungsziele für den Übergang Schule-Beruf formuliert.
GLEICHSTELLUNGSZIEL 1
Existenzsicherung über Beschäftigung hat für Frauen und Männer in der Zielgruppe
dieselbe Bedeutung.
Nachhaltige Existenzsicherung im erwerbsfähigen Alter als auch in der
Pension ist nur über Beschäftigung möglich. Aus der Analyse ist
ersichtlich, dass Frauen mit Behinderungen stärker von Armut bedroht
und betroffen sind. Bei der Analyse der Zielgruppe Jugendliche mit
Behinderung lässt sich feststellen, dass es eklatante Unterschiede
zwischen Burschen und Mädchen hinsichtlich der Bedeutung
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 16 -
BMASK
eigenständiger Existenzsicherung über Beschäftigung gibt. Ein
Unterschied, der sich nicht nur in der Zielgruppe selbst sondern auch in
den Zuschreibungen der relevanten Umwelten (Eltern, Schule)
widerspiegelt. Beim Übergang Schule und Beruf ist darauf zu achten, den
Focus der Existenzsicherung für beide Geschlechter gleichermaßen
zentral zu beachten.
GLEICHSTELLUNGSZIEL 2
Nicht das Geschlecht, sondern die individuellen Fähigkeiten bestimmen die
Berufswahl.
Die Analyse zeigt, dass Mädchen und Burschen sich stark in der
Berufswahl unterscheiden; die Teilung des Arbeitsmarktes verweist
Burschen und Mädchen auf unterschiedliche Berufsbereiche. Die
unterschiedliche Zuschreibung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zu
Frauen und Männern schränkt die Möglichkeit, sich aufgrund individueller
Fähigkeiten für einen Beruf zu entscheiden massiv ein. Im Übergang
Schule und Beruf gilt es, die Zuschreibungen nicht zu reproduzieren,
sondern durch gezielte Aktivitäten die individuellen Fähigkeiten in den
Vordergrund treten zu lassen.
GLEICHSTELLUNGSZIEL 3
Die traditionellen Rollenzuschreibungen werden sowohl für Frauen als auch für
Männer irritiert und verändert.
Mädchen und Burschen werden durch traditionelle Rollenzuschreibungen
gleichermaßen sowohl in ihren beruflichen Möglichkeiten als auch ihren
privaten Lebenskonzepten eingeengt und eingeschränkt. Traditionelle
Rollenzuschreibungen zu irritieren bedeutet, die Zuschreibungen zu
BEIDEN Geschlechtern nicht (bewusst oder unbewusst) zu verstärken
oder fortzuschreiben sondern die Rahmenbedingungen und Angebote so
zu gestalten, dass eine Anschlussfähigkeit der Jugendlichen zu
Alternativen hergestellt werden kann.
GLEICHSTELLUNGSZIEL 4
Burschen und Mädchen haben gleichermaßen Zugang zu den Angeboten an
Förderungen unter besonderer Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen
Unterschiede, auf welche Weise sich der Bedarf zeigt.
Der Bedarf an Förderungen zeigt sich bei Burschen und Mädchen oft
unterschiedlich – daher ist der Zugang zu Förderungen dahingehend zu
überprüfen, ob die Zugangsbestimmungen sich für Burschen und
Mädchen unterschiedlich auswirken. Die Kriterien/ Diagnosevorgehen/
Richtlinien sind auf ihre Genderimplikationen hin zu betrachten, damit
tatsächlich Chancengleichheit im Zugang zu Angeboten und
Förderungen besteht.
Leitfaden Richtlinienerstellung
- 17 -
BMASK
5.2.
Maßnahmen und Strategien zur Zielerreichung
Die definierten Gleichstellungsziele schaffen den Korridor für das Ministerium, die
nachgelagerte Organisation BSB sowie alle Organisationen, die im Auftrag des
Ministeriums und des BSB Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderung umsetzen.
Aus dem Zielkorridor wurden auf Ebene von Ministerium und BSB folgende
Maßnahmen abgeleitet:
►
►
►
►
►
►
►
Als Hemmnis für die Erreichung von Ziel 4 (gleichermaßen Zugang zu den
Angeboten an Förderungen unter besonderer Berücksichtigung der
geschlechtsspezifischen Unterschiede, auf welche Weise sich der Bedarf
zeigt) wurde die Koppelung des Clearings an den SPF identifiziert. Als
Maßnahme wird auf Ministeriumsebene reflektiert und diskutiert, wie die
Koppelung des SPF an Förderungen in Bezug auf die Gleichstellung von
Frauen und Männern wirkt und in welche Richtung eine Veränderung möglich
wäre, um eine ausgewogene Beteiligung beider Geschlechter im Clearing zu
erreichen. Es können Überlegungen angestellt werden, neben dem SPF
andere Auswahlkriterien zu entwickeln.
Ziel ist die Positionierung des Instrumentes Clearing als allgemeines
Steuerungssystem. In einer Kooperation mit dem AMS könnte das Clearing
vom SPF entkoppelt werden. Dazu sind Verhandlungen mit den betroffenen
Organisationen und Organisationsteilen notwendig (AMS, Land, Abteilungen
im BMASK).
Um die Entwicklung in Richtung Gleichstellung zu verfolgen wird zur
Durchführung eines geschlechtsspezifischen Monitorings das bestehende
Controllingsystem weiterentwickelt.
Das Bundessozialamt schafft Rahmenbedingungen und Vorgaben für die
geschlechtergerechte Umsetzung des Clearings. Im Rahmen dieser Vorgaben
werden die Trägerorganisationen beauftragt, in ihren Konzepten abgeleitete
Gleichstellungsziele zu definieren und darzulegen, mit welchen Aktivitäten und
Maßnahmen sie die geschlechtergerechte Umsetzung gewährleisten.
Das BMASK analysiert seine Vorgaben und deren Auswirkungen auf den
Auftrag zur Umsetzung von Gender Mainstreaming und passt diese
gegebenenfalls an.
Das
Bundessozialamt
analysiert
seine
geförderten
Ausbildungsmöglichkeiten/Projekte für Jugendliche mit Behinderung unter
dem Aspekt, ob deren Angebot den Gleichstellungszielen am Übergang
Schule-Beruf dienlich ist.
Die jeweils Auftrag gebende Organisation analysiert die Rahmenbedingungen
der Projektvergabe unter der Gender Perspektive.
Maßnahmen auf Ebene der Trägerorganisationen
Auswirkung auf Richtlinien und Vorgaben
Leitfaden Richtlinienerstellung
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BMASK
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