Erstellung von Richtlinien mit integrierter Gender Perspektive im Rahmen des Projektes KLARSICHT Clearing unter der Gender Perspektive Wien, Jänner 2010 VORWORT EINLEITUNG Der vorliegende Leitfaden soll dabei unterstützen, bei der Erstellung von Richtlinien und Dokumenten den Blickwinkel der Gleichstellung von Frauen und Männern einzunehmen. Der Leitfaden adressiert jene Personen, die damit beauftragt sind, politische Ziele und Vorgaben in operative Maßnahmen zu übersetzen. Im ersten Absatz werden der Hintergrund und die Rahmenbedingungen im Kontext von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting beleuchtet. Das politische Bekenntnis auf nationaler Ebene und die daraus folgenden Rechtsgrundlagen werden dargestellt. Im zweiten Absatz werden Gender Mainstreaming als Leitstrategie zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und Gender Budgeting - integrierter Bestandteil eines Gender Mainstreaming Prozesses beschrieben. Absatz drei stellt in einer Übersicht zusammengefasst dar, welche Merkmale eine Richtlinie, die eine Gleichstellungsorientierung integriert hat, kennzeichnen. Im Absatz fünf sind die Aufgaben der unterschiedlichen AkteurInnen im Prozess der Erstellung einer gleichstellungsorientierten Richtline beschrieben. Der fünfte Absatz stellt am Beispiel des Handlungsfeldes „Jugendliche mit Behinderung“ den Prozess der Erarbeitung übergeordneter Gleichstellungsziele und dessen Auswirkung auf die Richtlinie xxx dar. Leitfaden Richtlinienerstellung -2- BMASK 1. Hintergrund und Rahmenbedingungen Die Verpflichtung zur aktiven Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern basiert auf einem internationalen und nationalen Prozess, der in Vereinbarungen und gesetzlichen Vorgaben seinen Niederschlag findet. Auf internationaler Ebene hat Österreich die UNO-Konvention zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen ratifiziert. Österreich ist als EU-Mitgliedsstaat der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern verpflichtet. Im Art. 3 des Amsterdamer Vertrages heißt es: „Bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.“ In der Österreichischen Bundesverfassung sind die Verpflichtung zur Gleichstellung von Frauen und Männern und das Diskriminierungsverbot festgeschrieben (Art. 7 Abs. 2 B-VG). Gender Mainstreaming wurde in den letzten Jahren auf Bundesebene mit Ministerratsbeschlüssen vom 11. Juli 2000, vom 3. April 2002 und vom 9. März 2004 institutionell verankert. Novelle des Bundes- Verfassungsgesetzes 2008, mit dem das BundesVerfassungsgesetz und das Bundeshaushaltsgesetz: Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben haben. Weiters wurde die Verpflichtung des Bundes verankert, bei seiner Haushaltsführung die Grundsätze der Wirkungsorientierung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern zu beachten. Über die Verpflichtung zur aktiven Gleichstellung im Kontext von öffentlichen Förderungen sagt das Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 30.September 2009 (317: Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der die Verordnung über Allgemeine Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln (ARR 2004) geändert wird) folgendes aus: § 7 (2): Das anweisende Organ hat dafür Sorge zu tragen, dass die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Gewährung, Durchführung und Evaluierung der Förderung berücksichtigt wird. Leitfaden Richtlinienerstellung -3- BMASK 2. Gender Mainstreaming und Gender Budgeting 2.1. Gender Mainstreaming – die Strategie zur Gleichstellung von Frauen und Männern Die Wurzeln von Gender Mainstreaming liegen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. In der internationalen Auseinandersetzung um die Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern wurde ein Konzept entwickelt, das in allen Ländern und Politiken unabhängig von deren Struktur und Demokratisierungsstatus umgesetzt werden kann. Gender Mainstreaming ist der strategische Ansatz, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Politikbereichen, in allen Handlungsfeldern und auf allen Ebenen zu verfolgen. Gleichstellung von Frauen und Männern ist die auf gleichen Rechten und gleichen Ressourcen basierende Partizipation beider Geschlechter in allen Bereichen der Gesellschaft. Definition TEP (Territorialer Beschäftigungspakt) Österreich: Gleichstellung ist erreicht, wenn alle Strukturen und Entscheidungsprozesse so gestaltet sind, dass Frauen und Männer aufgrund ihrer Geschlechterrollen in Bezug auf individuelle Lebensgestaltung Verteilung von Macht, Ressourcen und Arbeit weder bevorzugt noch benachteiligt sind Diese Definition legt klar, dass die Menschen so bleiben dürfen wie sie sind – es geht darum, die Strukturen und Prozesse auf ihre Genderwirkung zu überprüfen und dahingehend zu ändern, dass Frauen und Männer durch Geschlechtszuschreibungen nicht bevorzugt oder benachteiligt werden. BEGRIFFSKLÄRUNG Der Begriff Gender bezeichnet im Gegensatz zum „biologischen“ (engl. „sex“) das „soziale“ Geschlecht bzw. die „Geschlechtsidentität“ (engl. „gender“). Mit Gender sind gesellschaftliche Geschlechterrollen gemeint, also Vorstellungen und Erwartungen, wie Frauen und Männer sind bzw. sein sollen. Der Begriff Gender soll verdeutlichen, dass Unterschiede zwischen Frauen und Männern erlernt sind bzw. von der Gesellschaft zugewiesen werden und sich Geschlechterrollen somit mit der Zeit auch verändern können. Leitfaden Richtlinienerstellung -4- BMASK Wenn wir von „Gender“ reden … ... meinen wir ökonomische, soziale, kulturelle Zuschreibungen (Konstrukte) in Bezug auf geschlechtsspezifische Rollen, Rechte und Pflichten. ... gehen wir von der Erkenntnis aus, dass (soziale) Geschlechterdifferenzen nicht angeboren sondern im historischen Wandel konstruiert und daher veränderbar sind. ... haben wir das Ziel (soziale) Geschlechter- differenzen kritisch zu reflektieren und Veränderungen zugunsten von Gleichstellung zu fördern. Mit Gender Mainstreaming wird die Auswirkung von Gender Zuschreibungen auf Chancen und Möglichkeiten von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Arbeitsmarkt bei allen Entscheidungen und Vorhaben integriert betrachtet. Gender Mainstreaming ist eine innovative und nachhaltige Top-Down-Strategie, eine Methode zur Identifizierung des Handlungsbedarfes mittels systematischer Berücksichtigung der Dimension Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen. Gender Mainstreaming (Definition Europarat 1998) Gender Mainstreaming besteht in der (Re-) Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse, mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteure und Akteurinnen den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen. Die sehr komplexe Definition des Europarates legt klar, dass Gender Mainstreaming eine Strategie ist, die sich an jene AkteurInnen richtet, die im jeweiligen Kontext Entscheidungsfunktion haben. Leitfaden Richtlinienerstellung -5- BMASK Besonders wichtig für das Verständnis des Konzepts Gender Mainstreaming ist folgende Unterscheidung: Gender Mainstreaming ► ist kein Ziel ► ist kein Inhalt ► ist die Strategie (eine angelegte Vorgehensweise) zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern Das heißt: Gleichstellung …ist das (politische) Ziel Gender Mainstreaming …ist die Strategie (die Vorgehensweise) zur Zielerreichung Frauen/Männerförderung … ist eine Option, bestehende Ungleichstellungen auszugleichen Leitfaden Richtlinienerstellung -6- BMASK 2.2. Das Verfahren zur Umsetzung Gender Mainstreaming Die Umsetzung von Gender Mainstreaming erfolgt nach einem systematischen Vorgehen. Das Sechs-Schritte-Verfahren (nach Krell/Thondorf) ist eine Methodik, die sich gut in alle Planungslogiken in öffentlichen und öffentlichkeitsnahen Bereichen integrieren lässt. Sechs-Schritte-Verfahren 1. Gleichstellungsziel Beschreibung des IST- Zustandes Beschreibung der Anspruchsgruppe Definition des SOLL-Zustandes 2. Analyse der Hemmnisse Thesen in Bezug auf die Hemmnisse 3. Entwicklung von Optionen Ausformulierte Optionen zur Überwindung der Hemmnisse 4. Analyse der Optionen Auswahl der Option(en) Indikatoren/Evaluierung festlegen 5. Umsetzung Controlling 6. Evaluierung Bericht zum Gleichstellungsziel Ursachenanalyse b. Zielabweichung 4-R-Methode Schritt 1 ist der schwierigste und langwierigste im gesamten Verfahren. Erfordert er doch eine genaue Analyse der Ausgangssituation sowie eine Beschreibung der Ziel- und Anspruchsgruppe. Die zentralen Fragestellungen dieses Schrittes lauten: „Wie sieht der Ist-Zustand bezüglich Gleichstellung von Frauen und Männern im entsprechenden Handlungsfeld aus?“ und „Welcher Soll-Zustand wird durch das zu entscheidende Vorhaben angestrebt?“ Voraussetzungen dafür sind das Wissen um relevante gesetzliche Grundlagen und Rahmenbedingungen sowie die genaue Kenntnis über den IST-Zustand und ein daraus erkennbarer Handlungsbedarf Schritt 2 Die Aufgabe besteht darin, auszumachen welche – bezogen auf das Vorhaben – die konkreten Hemmnisse auf dem Weg zu Gleichstellung sind. Diskriminierende Regeln, Verfahren, Instrumente, Praktiken, die Frauen (bzw. auch Männer) benachteiligen, sind zu identifizieren. Die zentrale Frage, die in diesem Schritt geklärt werden muss, lautet also: Welches sind die konkreten Hemmnisse auf dem Weg zu Gleichstellung? Voraussetzung für die Analyse der Hemmnisse ist Wissen über die Gleichstellungsproblematik. Leitfaden Richtlinienerstellung -7- BMASK Schritt 3 fällt meist nicht schwer. Es ist ein sehr interessanter und kreativer Prozess, Lösungen zur Überwindung der Hemmnisse zu entwickeln, um die Gleichstellungsziele erreichen zu können. Zur Erreichung der vorab definierten Gleichstellungsziele bestehen meistens verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Auf Basis der Analyseergebnisse des zweiten Schrittes und des bereichspezifischen Fachwissens werden verschiedene Lösungsansätze formuliert. Schritt 4 Die im Schritt 3 entwickelten Optionen müssen nun einerseits auf ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern untersucht und bewertet werden, damit Sie sich für eine bzw. mehrere Handlungsoptionen entscheiden können, die Sie umsetzen möchten. Anderseits muss realistisch betrachtet werden, welche Optionen finanziell machbar und (politisch) durchsetzbar sind. Die gewählten Optionen müssen mit Messkriterien und Indikatoren (inhaltlich und zur Umsetzung von Gender Budgeting budgetär) versehen werden. Schritt 5 Zentral in Schritt 5 ist die Integration der verfolgten Gleichstellungsziele ins allgemeine Controlling. Bei Abweichungen von den angestrebten Zielen ist entsprechend gegenzusteuern. Schritt 6 Evaluierungen, die zum Abschluss einer Maßnahme durchgeführt werden, haben die Aufgabe die Wirksamkeit dieser zu bestimmen. Weiters werden Faktoren, die den Erfolg bzw. den Misserfolg bestimmt haben, identifiziert und es wird die Nachhaltigkeit der Ergebnisse eingeschätzt. Aus den Erkenntnissen der Evaluierung können Schlussfolgerungen für neue Projekte erarbeitet Leitfaden Richtlinienerstellung -8- BMASK 2.3. Gender Budgeting Gender Budgeting ist eine Strategie, die zum Ziel hat, den gesetzlichen Auftrag der Gleichstellung zu erfüllen (siehe dazu Absatz 1 Hintergrund und Rahmenbedingungen). Die Haushaltspolitik und der konkrete Haushalt sollen demnach so ausgerichtet sein, dass durch Schwerpunktsetzungen sowie Mittelverteilungen und deren Effekte die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern vergrößert wird. Gender Budgeting (Europarat 2005, S. 12). besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung von budgetpolitischen Prozessen. Es bedeutet eine genderbasierte Beurteilung von Budgets, die Einbeziehung einer Gender Perspektive auf allen Ebenen des Budgetprozesses und die Umgestaltung von Einnahmen und Ausgaben im Hinblick auf eine Förderung der Geschlechtergleichstellung. Gender Budgeting besteht deswegen nicht aus einem gesonderten Haushalt – weder für Frauen noch für spezifische Maßnahmen der Gleichstellung. Vielmehr geht es um die gleichstellungspolitischen Wirkungen der Haushaltspolitik und aller Einnahmen und Ausgaben einer Regierung – also einer insgesamt geschlechtergerechten Haushaltspolitik. Der Grundgedanke von Gender Budgeting ist also, die Auswirkungen des Verwaltungshandelns und der Aufbringung öffentlicher Mittel auf Frauen und Männer zu analysieren und gegebenenfalls korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Im Prozess des Gender Mainstreaming werden die Gleichstellungsziele für die Ressorts bzw. innerhalb der einzelnen Aufgabenbereiche festgelegt. Diese Ziele und Indikatoren orientieren den Prozess des Gender Budgeting. Gender Budgeting ist nur möglich, wenn der Zielzustand in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern definiert ist. Über die Integration von Gleichstellungszielen in alle Aktivitäten werden die budgetären Wirkungen bestimmt und die aus der Integration resultierenden finanziellen (Um)verteilungsprozesse eingeleitet (Gender Budgeting) Der erste Schritt zu Gender Budgeting ist also unabdingbar die Integration von Gender Mainstreaming. Leitfaden Richtlinienerstellung -9- BMASK 2.4. Umsetzung von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind dann umgesetzt wenn: basierend auf einer geschlechtsspezifischen Analyse formuliert ist, welcher Zustand in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht werden soll (Gleichstellungsziel) Maßnahmen getroffen werden, die formulierten Zielzustand zu erreichen dazu geeignet sind den Inhaltliche und budgetäre Indikatoren formuliert sind, anhand derer die Umsetzung kontrolliert und evaluiert werden kann. Leitfaden Richtlinienerstellung - 10 - BMASK 3. Kennzeichen einer gleichstellungsorientierten Richtlinie Förderziel und Förderzweck Maßnahmen Rahmenbedingungen Förderwerbende Controlling / Evaluierung Leitfaden Richtlinienerstellung … machen eine Aussage darüber, welcher Zielzustand in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männer erreicht werden soll (welchem Zielkorridor mit der Richtlinie zugearbeitet wird). … der Förderung sind daraufhin analysiert, ob sich Gender Zuschreibungen bevorzugend oder benachteiligend auswirken könnten. Sie sind so gestaltet, dass sie dem Zielzustand der Gleichstellung förderlich sind. Die Rahmenbedingungen der Förderung sind strukturell so gestaltet und dahingehend überprüft, dass sie keinerlei Hemmnis für die Erreichung der Gleichstellungsziele darstellen. Die Richtlinie fordert von den Förderwerbenden den Nachweis der erforderlichen Kompetenz zur Verfolgung der Gleichstellungsziele ein. Die Richtlinie macht Aussagen darüber, wie die Vorgaben in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern controlled und evaluiert werden (Erstellung von Indikatoren und Vorgaben für das Berichtswesen). - 11 - BMASK 3.1. Erläuterungen Förderziel und Förderzweck machen eine Aussage darüber, welcher Zielzustand in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männer erreicht werden soll (welchem Zielkorridor mit der Richtlinie zugearbeitet wird). Mit einer Richtlinie werden (politische) Zielsetzungen in operative Handlungen übersetzt. Gender Mainstreaming kann bei der Erstellung von Richtlinien nur dann umgesetzt werden, wenn die über die Richtlinie umzusetzenden Ziele ein Gleichstellungsziel integriert haben! Die Maßnahmen der Förderung sind daraufhin analysiert, ob sich Gender Zuschreibungen bevorzugend oder benachteiligend auswirken könnten. Sie sind so gestaltet, dass sie dem Zielzustand der Gleichstellung förderlich sind. In der Praxis entsteht oft eine Bruchstelle zwischen Zielsetzung und den Maßnahmen zur Zielerreichung. Daher ist es wichtig, die gesetzten Maßnahmen dahingehend zu überprüfen, ob sie tatsächlich zur Zielerreichung geeignet sind. Die Rahmenbedingungen der Förderung sind strukturell so gestaltet und dahingehend überprüft, dass sie keinerlei Hemmnis für die Erreichung der Gleichstellungsziele darstellen. Die zweite Bruchstelle in der Arbeitspraxis entsteht oft zwischen Anspruch, der im Ziel ausgedrückt ist und den Rahmenbedingungen, unter denen die Ziele verfolgt werden sollen. So muss im Kontext von Gender Mainstreaming z.B. berücksichtigt werden, dass sich die Forderung nach Erweiterung des Berufswahlspektrums in niedrigeren Vermittlungsquoten niederschlagen könnte. Die Richtlinie fordert von den Förderwerbenden den Nachweis der erforderlichen Kompetenz zur Verfolgung der Gleichstellungsziele ein. Die Kompetenz und Qualifikation der handelnden Personen entscheidet über die Qualität. Besonders im Kontext von Gender Mainstreaming ist es wichtig, dass alle handelnden AkteurInnen ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf die Strategie haben und das für den Arbeitsbereich erforderliche Fachwissen (von der Konzeption bis zur Durchführung geschlechtersensibler Beratung und Begleitung von Berufswahlprozessen). Die Richtlinie macht Aussagen darüber, wie die Vorgaben in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern controlled und evaluiert werden (Erstellung von Indikatoren und Vorgaben für das Berichtswesen). Damit Gender Mainstreaming nicht beim Verfassen des Konzeptes endet, braucht es Vorgaben, wie in der Umsetzung das Controlling und die Evaluierung erfolgen. Leitfaden Richtlinienerstellung - 12 - BMASK 3.2. Fragestellungen im Richtlinienerstellungsprozess Fragestellungen zu Analyse und Zieldefinition Generelles Ziel: Was soll mit der Förderung (für wen) erreicht werden? Wer sind die Ziel- und Anspruchsgruppen? Analyse der Ausgangssituation unter der Gender Perspektive: Wie ist die Situation von Frauen und Männern aufgrund ihrer Gender Rollen in der Zielgruppe/Anspruchsgruppe – gibt es relevante Unterschiede, die wirksam werden und unterschiedliche Chancen nach sich ziehen? (4 R-Methode als Hilfestellung, Berichte und Statistiken als Grundlage) Wie stellt sich die Situation für Frauen und Männer aufgrund von GenderZuschreibungen im Handlungsfeld, in das die Richtlinie wirkt, dar? Gleichstellungsziel: Was von den in der Analyse festgestellten Unterschieden soll im Rahmen der Förderung ausgeglichen werden (dem Ausgleich zugearbeitet werden)? Was soll in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern mit der Förderung erreicht werden? Gibt es übergeordnete Gleichstellungsziele, die uns den Zielkorridor vorgeben? Fragestellungen zur Umsetzung der Gleichstellungsziele Maßnahmen zur Zielerreichung: Wie wirken die geplanten Maßnahmen/Aktivitäten auf das formulierte Gleichstellungsziel? Welche Maßnahmen/Aktivitäten sind zu setzen, damit das Gleichstellungsziel erreicht werden kann? Abwicklung der Förderung: Sind die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass sie kein Hemmnis für die Erreichung des Gleichstellungszieles darstellen? Haben wir Vorgaben integriert, die gewährleisten, dass die Maßnahmen, die gefördert werden gleichstellungsorientiert umgesetzt werden? Controlling/Evaluierung: Haben wir festgelegt, wie die Erreichung des Gleichstellungszieles gemessen werden kann? Haben wir festgelegt, dass die Erreichung der Gleichstellungsziele in das Controlling integriert ist? Haben wir festgelegt, wie im Berichtswesen und in der Evaluierung die Erreichung der Gleichstellungsziele integriert ist? Leitfaden Richtlinienerstellung - 13 - BMASK 4. 4.1. Integration der Gleichstellungsorientierung Prozess der Richtlinienerstellung in den Dimensionen und Aufgaben Die Integration der Gleichstellungsorientierung in den Prozess Richtlinienerstellung fokussiert eine strukturelle und eine inhaltliche Dimension. ► der Sicherung der strukturellen Qualität: auf struktureller Ebene geht es darum, zu gewährleisten, dass in den einzelnen Prozessschritten der Blickwinkel der Gleichstellung der Geschlechter eingenommen bzw. eingefordert wird. Aufgaben auf struktureller Ebene ► Einfordern der Definition eines Gleichstellungszieles – die Verantwortlichen legen fest, welche Wirkung mit dem Vorhaben auf die Gleichstellung von Frauen und Männern erzielt werden soll Anleitung zur Einnahme der Gender Perspektive – die AkteurInnen werden dazu angeleitet, im Entwicklungsprozess integriert der Gleichstellung von Frauen und Männern zuzuarbeiten Sicherung der inhaltlichen Qualität: auf inhaltlicher Ebene muss gewährleistet sein, dass in den einzelnen Prozessschritten die nötige Gender Expertise (Wissen um Geschlechterverhältnisse, Gender Zuschreibungen und deren Wirkung) vorhanden ist. Aufgaben auf inhaltlicher Ebene Durchführung von geschlechtsspezifischen Analysen – Beschreibung der im Regelungsgegenstand fokussierten unmittelbaren und mittelbaren Zielgruppen und auf Basis von Studien und Expertisen Reflexion der Gleichstellungwirkung von Maßnahmen und Aktivitäten – Betrachtung aus ExpertInnensicht und Einbringen von Vorschlägen in den Diskussionsprozess Leitfaden Richtlinienerstellung - 14 - BMASK 4.2. AkteurInnen und Auftrag ENTSCHEIDUNGSTRÄGERINNEN Gender Mainstreaming ist eine Top-down Strategie. Dies bedeutet, dass jene AkteurInnen, die einen (Entscheidungs)prozess bestimmen, gewährleisten, dass im Rahmen des Prozesses der Blickwinkel der Gleichstellung von Frauen und Männern integrierter Bestandteil des Handelns ist. Diese EntscheidungsträgerInnen ► beauftragen, dass im Procedere der Richtlinienerstellung integriert die Gleichstellung von Frauen und Männern verfolgt wird. ► gewährleisten dass, wenn ein/e Experte/in dafür hinzugezogen wird, diese/r mit einem klaren Auftrag ausgestattet (Definition der Aufgaben, der Verantwortung, der Kompetenz) und in den relevanten Schritten im Erstellungsprozess eingebunden ist ► sorgen dafür, dass alle Prozessbeteiligten über den Auftrag zur Integration der Gleichstellungsorientierung Bescheid wissen EXPERTINNEN für Prozessbegleitung und Gender-Kompetenz Im Auftrag von EntscheidungsträgerInnen unterstützen diese ExpertInnen die AkteurInnen dabei, dass im Richtlinienprozess das Verfahren von Gender Mainstreaming angewendet und inhaltlich qualitätsvolle Ergebnisse erzielt werden. ExpertInnen für Prozessbegleitung ► beraten die EntscheidungsträgerInnen dahingehend, in welchen Prozessschritten welche Aktivitäten hinsichtlich der Integration der Gleichstellungsorientierung notwendig sind ► sorgen für das Vorliegen einer Analyse, als Basis für die Formulierung von Gleichstellungszielen und die Entwicklung von Maßnahmen seitens der EntscheidungsträgerInnen ► sorgen dafür, dass Gender Expertise zur Verfügung steht ExpertInnen für Gender Kompetenz ► leiten die EntscheidungsträgerInnen und Beteiligte dazu an, die Gender Perspektive einzunehmen ► erstellen geschlechtsspezifische Analysen der Zielgruppen, die mit der Richtlinie adressiert werden ► beraten die EntscheidungsträgerInnen hinsichtlich der Gleichstellungswirkung der gesetzten Ziele und Maßnahmen Leitfaden Richtlinienerstellung - 15 - BMASK 5. Beispiel: Handlungsfeld „Jugendliche mit Behinderung“ Im Rahmen des Projektes „KLARSICHT – Clearing unter der Gender Perspektive“ wurde das Verfahren von Gender Mainstreaming angewandt, um für die Integration der Gleichstellungsorientierung in das Handlungsfeld „Jugendliche mit Behinderung“ einen Zielkorridor zu definieren, der Orientierung für alle Aktivitäten am Übergang Schule-Beruf bietet. Grundsätzlich wird in der Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung folgendes übergeordnetes Ziel verfolgt: Alle Maßnahmen und Angebote fördern die umfassende Integration in Erwerbstätigkeit und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Die generellen Zielsetzungen für Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderung wurden folgendermaßen definiert: Alle Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderung fördern die Ermöglichung einer Existenz sichernden Erwerbstätigkeit und einer dauerhaften Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Durch Clearing und andere unterstützenden Maßnahmen haben die Jugendlichen realistische und umsetzbare berufliche Ziele entwickelt und können die nächsten Schritte dahin gehend setzen. liegt ein Entwicklungsplan vor. können die Jugendlichen klare Schritte in Richtung Integration in den ersten Arbeitsmarkt setzen. 5.1. Entwicklung von Gleichstellungszielen Integriert in die allgemeinen Ziele wurden basierend auf den Analyseergebnissen Gleichstellungsziele für den Übergang Schule-Beruf formuliert. GLEICHSTELLUNGSZIEL 1 Existenzsicherung über Beschäftigung hat für Frauen und Männer in der Zielgruppe dieselbe Bedeutung. Nachhaltige Existenzsicherung im erwerbsfähigen Alter als auch in der Pension ist nur über Beschäftigung möglich. Aus der Analyse ist ersichtlich, dass Frauen mit Behinderungen stärker von Armut bedroht und betroffen sind. Bei der Analyse der Zielgruppe Jugendliche mit Behinderung lässt sich feststellen, dass es eklatante Unterschiede zwischen Burschen und Mädchen hinsichtlich der Bedeutung Leitfaden Richtlinienerstellung - 16 - BMASK eigenständiger Existenzsicherung über Beschäftigung gibt. Ein Unterschied, der sich nicht nur in der Zielgruppe selbst sondern auch in den Zuschreibungen der relevanten Umwelten (Eltern, Schule) widerspiegelt. Beim Übergang Schule und Beruf ist darauf zu achten, den Focus der Existenzsicherung für beide Geschlechter gleichermaßen zentral zu beachten. GLEICHSTELLUNGSZIEL 2 Nicht das Geschlecht, sondern die individuellen Fähigkeiten bestimmen die Berufswahl. Die Analyse zeigt, dass Mädchen und Burschen sich stark in der Berufswahl unterscheiden; die Teilung des Arbeitsmarktes verweist Burschen und Mädchen auf unterschiedliche Berufsbereiche. Die unterschiedliche Zuschreibung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zu Frauen und Männern schränkt die Möglichkeit, sich aufgrund individueller Fähigkeiten für einen Beruf zu entscheiden massiv ein. Im Übergang Schule und Beruf gilt es, die Zuschreibungen nicht zu reproduzieren, sondern durch gezielte Aktivitäten die individuellen Fähigkeiten in den Vordergrund treten zu lassen. GLEICHSTELLUNGSZIEL 3 Die traditionellen Rollenzuschreibungen werden sowohl für Frauen als auch für Männer irritiert und verändert. Mädchen und Burschen werden durch traditionelle Rollenzuschreibungen gleichermaßen sowohl in ihren beruflichen Möglichkeiten als auch ihren privaten Lebenskonzepten eingeengt und eingeschränkt. Traditionelle Rollenzuschreibungen zu irritieren bedeutet, die Zuschreibungen zu BEIDEN Geschlechtern nicht (bewusst oder unbewusst) zu verstärken oder fortzuschreiben sondern die Rahmenbedingungen und Angebote so zu gestalten, dass eine Anschlussfähigkeit der Jugendlichen zu Alternativen hergestellt werden kann. GLEICHSTELLUNGSZIEL 4 Burschen und Mädchen haben gleichermaßen Zugang zu den Angeboten an Förderungen unter besonderer Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Unterschiede, auf welche Weise sich der Bedarf zeigt. Der Bedarf an Förderungen zeigt sich bei Burschen und Mädchen oft unterschiedlich – daher ist der Zugang zu Förderungen dahingehend zu überprüfen, ob die Zugangsbestimmungen sich für Burschen und Mädchen unterschiedlich auswirken. Die Kriterien/ Diagnosevorgehen/ Richtlinien sind auf ihre Genderimplikationen hin zu betrachten, damit tatsächlich Chancengleichheit im Zugang zu Angeboten und Förderungen besteht. Leitfaden Richtlinienerstellung - 17 - BMASK 5.2. Maßnahmen und Strategien zur Zielerreichung Die definierten Gleichstellungsziele schaffen den Korridor für das Ministerium, die nachgelagerte Organisation BSB sowie alle Organisationen, die im Auftrag des Ministeriums und des BSB Maßnahmen für Jugendliche mit Behinderung umsetzen. Aus dem Zielkorridor wurden auf Ebene von Ministerium und BSB folgende Maßnahmen abgeleitet: ► ► ► ► ► ► ► Als Hemmnis für die Erreichung von Ziel 4 (gleichermaßen Zugang zu den Angeboten an Förderungen unter besonderer Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Unterschiede, auf welche Weise sich der Bedarf zeigt) wurde die Koppelung des Clearings an den SPF identifiziert. Als Maßnahme wird auf Ministeriumsebene reflektiert und diskutiert, wie die Koppelung des SPF an Förderungen in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern wirkt und in welche Richtung eine Veränderung möglich wäre, um eine ausgewogene Beteiligung beider Geschlechter im Clearing zu erreichen. Es können Überlegungen angestellt werden, neben dem SPF andere Auswahlkriterien zu entwickeln. Ziel ist die Positionierung des Instrumentes Clearing als allgemeines Steuerungssystem. In einer Kooperation mit dem AMS könnte das Clearing vom SPF entkoppelt werden. Dazu sind Verhandlungen mit den betroffenen Organisationen und Organisationsteilen notwendig (AMS, Land, Abteilungen im BMASK). Um die Entwicklung in Richtung Gleichstellung zu verfolgen wird zur Durchführung eines geschlechtsspezifischen Monitorings das bestehende Controllingsystem weiterentwickelt. Das Bundessozialamt schafft Rahmenbedingungen und Vorgaben für die geschlechtergerechte Umsetzung des Clearings. Im Rahmen dieser Vorgaben werden die Trägerorganisationen beauftragt, in ihren Konzepten abgeleitete Gleichstellungsziele zu definieren und darzulegen, mit welchen Aktivitäten und Maßnahmen sie die geschlechtergerechte Umsetzung gewährleisten. Das BMASK analysiert seine Vorgaben und deren Auswirkungen auf den Auftrag zur Umsetzung von Gender Mainstreaming und passt diese gegebenenfalls an. Das Bundessozialamt analysiert seine geförderten Ausbildungsmöglichkeiten/Projekte für Jugendliche mit Behinderung unter dem Aspekt, ob deren Angebot den Gleichstellungszielen am Übergang Schule-Beruf dienlich ist. Die jeweils Auftrag gebende Organisation analysiert die Rahmenbedingungen der Projektvergabe unter der Gender Perspektive. Maßnahmen auf Ebene der Trägerorganisationen Auswirkung auf Richtlinien und Vorgaben Leitfaden Richtlinienerstellung - 18 - BMASK