10 wissenschaftsmanager NACHGEFRAGT Durch den Dschungel der Forschungsförderer Dr. Andreas Becker ist Leiter des Referats Niederschlagsüberwachung & Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach am Main 1 Foto: privat Wie sind Sie Wissenschafts-­ manager geworden? Andreas Becker ist Makler der Informationen, Wissenschaftler und Manager. Wahrscheinlich in klassischer Weise durch die Erweiterung des beruflichen Themenspektrums aus einem fachlich sehr engen Forschungsbereich im Rahmen meiner Diplom- und Promotionsstudien in Bonn und Forschungsaktivitäten in Cottbus, die im Rahmen eines Verbundforschungsvorhabens des BMBF stattfanden, wobei es auch darauf ankam, die Resultate der eigenen Arbeiten in einen größeren Kontext zur Verfügung stellen zu können. Und genau diese Fähigkeit war dann bei meiner nächsten langjährigen Tätigkeit als erster sogenannter Atmospheric Sciences Officer bei der Atomteststoppbehörde in Wien, einer mit den Mechanismen der UN arbeitenden internationalen Vertragsstaatenorganisation, essenziell. Bei der Aufgabe, ein technisches Regime aufzubauen, welches mit vertretbar finanziellem Aufwand jederzeit und in jedem Winkel der Erde einen Atomtest aufspüren kann, müssen Sie auch Wissenschaftsmanager werden. Denn es ist völlig undenkbar, diese lediglich mit den eigenen Ressourcen zu bewältigen. Vielmehr bedarf es dabei der Mobilisierung des ständigen fachlichen Dialoges zu den Stakeholdern, aber auch der Sichtung und des Anstoßens von geeigneten wissenschaftlichen Methoden und Techniken, die bisher noch nicht existierten oder den zur Aufgabenstellung korrespondierenden Anforderungen nicht genügten. Für meinen meteorologischen Aufgabenbereich habe ich den zum Capacity Building der Organisation benötigten Technology Push stark auf den Austausch mit der wissen- wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2012 schaftlichen Forschungsgemeinschaft, durch die Einberufung spezieller Fachsitzungen zu den eigenen relevanten Fragestellungen, fokussieren können. Und auch beim Deutschen Wetterdienst mit einem deutlich anderen fachlichen Umfeld sind wie zuvor in Wien die Herausforderungen ohne die Anwendung von Methoden des Wissenschaftsmanagements nicht effizient zu lösen. 2 Worin besteht Ihre aktuelle Tätigkeit? Mit der Leitung des Referates Niederschlagsüberwachung beim Deutschen Wetterdienstes bin ich inhaltlich mit der quasi-operationellen Überwachung der globalen Niederschlagsverteilungen sowie der Analyse der regionalen, grenzüberschreitenden europäischen Niederschlagsverteilungen unter Einsatz von Fernerkundungsverfahren in Echtzeit und NichtEchtzeit insbesondere im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz und Klimaschutz im europäischen und internationalen Verbund unter dem Weltklimaforschungsprogramm für die Fachkommissionen für Klimatologie und Hydrologie der Weltmeteorologieorganisation (WMO) betraut. Dabei kommen Aufgaben des Wissenschaftsmanagements insbesondere bei Planungs- und Koordinierungsaufgaben im Bereich der europäischen und globalen Abstimmung und intern bei der Entwicklung und Überwachung von Fachkonzepten zum Tragen. Der Deutsche Wetterdienst ist den Weg von einem reinen „Amt“ zu einem Dienstleister mit Kundenorientierung schon weit gegangen. Es macht Spaß, hier die weiteren Schritte entlang dieses Weges mitsetzen zu können. wissenschaftsmanager11 3 Welche beruflichen Ziele haben Sie? Inhaltlich möchte ich mit meinen Mitarbeitern erstmals eine in Auflösung und Qualität noch nie dagewesene Reanalyse des deutschen Niederschlagsgeschehens der vergangenen zehn Jahre unternehmen. Als Leiter des Weltniederschlagszentrums, welches bereits jetzt das weltweit umfangreichste Archiv monatlicher direkter Niederschlagsmessungen besitzt und pflegt, möchte ich zu dessen verstärkter Sichtbarkeit und damit zur erfolgreichen Positionierung des Deutschen Wetterdienstes sowohl international gegenüber der Gemeinschaft der Wetterdienste, aber auch national beitragen. Letzteres auch, weil internationale Engagements von Bundesbehörden in Zeiten schrumpfender Ressourcen der öffentlichen Hand immer stärker auf den Prüfstand gestellt werden. 4 Ihr gelungenstes Projekt? Unter den vollendeten Projekten ist sicherlich der erfolgreiche Aufbau des Systems zur automatischen Rückverfolgung hoch-sensitiver Radioaktivitätsmessungen für die Atomteststoppbehörde in Wien zu erwähnen. Hätte die internationale Atomenergiebehörde dieses System übernommen, hätte sie nach dem Unfall in Fukushima ihrer Beratungs- und Koordinationsrolle im vergangenen Jahr deutlich effektiver gerecht werden können. 5 Die größte Herausforderung für das Wissenschaftsmanagement? Wissenschaftsmanagement muss eine hilfreiche Rolle in einer insbesondere in Deutschland zunehmend unübersichtlich werdenden Forschungsförderlandschaft spielen. Ich kann hier nur für den Bereich Meteorologie und Klimatologie sprechen, der sich im Spannungsfeld befindet aus (zu) hohen politischen Erwartungen und den enormen zusätzlichen finanziellen Mitteln zur Klimaforschung, die nur aufgrund des Klimawandels in einer kaum überschaubaren Anzahl von Fördertöpfen landen. Ganz wichtig für den Wissenschaftsmanager ist die konstruktive Mitwirkung bei der Formulierung von Programmatiken, mit dem Ziel der Kohärenz von Forschungsaktivitäten, finanziert aus all diesen öffentlichen und privaten Töpfen. 6 Wohin wird sich das Wissenschaftsmanagement entwickeln? 7 Ihre Botschaft an die Kolleginnen und Kollegen? ” Für meine Begriffe steht Wissenschaftsmanagement vor einer rasanten, wenn nicht revolutionären Entwicklung bezüglich seiner Hauptinstrumente, der Kommunikation und der Verfügbarkeit von Information in verschiedenster Qualität und Integrität. Neue Wissensund Kommunikationsplattformen (Stichwort: Social Media) werden die jetzigen Strukturen nachhaltig erschüttern. Der Zugang zu Informationen und Wissen wird sich zunehmend unabhängig von den Institutionen abspielen, die nicht auf diese Entwicklungen eingehen. Wissenschaftsmanagement wird sich daher für die Bereiche Marketing, Kommunikation, Projektmanagement und Drittmittelakquise verstärkt bei Formulierung und Vermittlung von Programmatiken mit den neuen Kommunikationsplattformen auseinandersetzen müssen, auch um deren Problematiken hinsichtlich der Integrität von Informationen in Angriff nehmen zu können. Meine Hochachtung an die hauptberuflichen Wissenschaftsmanager, die vermutlich meinen Rat nicht brauchen. Falls doch: Seien Sie faire Makler der Informationen, welche Ihnen anvertraut werden, dann wächst Ihr Netzwerk schneller und Sie können der Wissenschaft dienen, indem Sie effektiver die richtigen Partner mit Synergiepotenzial zusammenbringen! Für meine Begriffe steht Wissenschaftsmanagement vor einer rasanten, wenn nicht revolutionären Entwicklung bezüglich seiner Hauptinstrumente, der Kommunikation und der Verfügbarkeit von Information in verschiedenster Qualität und Integrität. Neue Wissensund Kommunikationsplattformen werden die jetzigen Strukturen nachhaltig erschüttern. Kontakt: Dr. Andreas Becker Leiter Referat Niederschlagsüberwachung (KU42) & Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie (WZN) Abteilung Hydrometeorologie Deutscher Wetterdienst Frankfurter Straße 135 63067 Offenbach am Main Tel.: +49 69 8062 2900 Fax: +49 69 8062 3987 E-Mail: [email protected] wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2012