R (66)26

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EUROPARAT
ENTSCHLIESSUNGEN DES MINISTERKOMITEES
(1966)
ENTSCHLIESSUNG (66) 26
(Angenommen von den Ministerbeauftragten am 30. April 1966)
STELLUNG, REKRUTIERUNG UND AUSBILDUNG
VON VOLLZUGSBEDIENSTETEN
Das Ministerkomitee –
In Anbetracht von Punkt 1 und 2 der Empfehlung 195 (1959) der Beratenden Versammlung;
in der Erkenntnis, dass es Ziel der zentralen Vollzugsverwaltungen ist, in ihren Anstalten die sichere Unterbringung von Strafgefangenen zu gewährleisten wie auch deren Resozialisierung zu fördern;
in der Erwägung, dass ein wirksamer Vollzugsdienst die Beschäftigung und den Einsatz hinlänglich qualifizierter Bediensteter gebietet -
I.
Empfiehlt den Regierungen, den Vollzugsbediensteten eine Stellung zu verleihen, die
ihrer sozialen Funktion entspricht;
II.
Empfiehlt, dass die Vollzugsbediensteten in Übereinstimmung mit den im Anhang
bezeichneten Grundsätzen rekrutiert, ausgewählt und ausgebildet werden;
III.
Fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, dem Generalsekretär des Europa-
rats alle fünf Jahre Bericht zu erstatten und ihn von den Maßnahmen zu unterrichten, die
zwecks Verbesserung der Stellung, Rekrutierung und Ausbildung von Vollzugsbediensteten
getroffen worden sind.
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ANHANG
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE
1.
Die Vollstreckung freiheitsentziehender Strafen ist einem besonderen Sektor des öf-
fentlichen Dienstes zu überantworten.
2.
Die Auswahl und die Ausbildung von Vollzugsbediensteten stellen eine der wichtigs-
ten Aufgaben der Vollzugsverwaltungen dar. Die mit diesen Tätigkeiten betrauten Bediensteten sollten die Möglichkeit haben, die unterschiedlichen Auswahl- und Ausbildungssysteme
in anderen Ländern zu studieren, um eingehend prüfen zu können, inwieweit die eigenen
innerstaatlichen Strukturen hierdurch verbessert werden können. Sie sollten soweit wie möglich an Programmen zum Austausch von Vollzugsbediensteten teilnehmen, wie sie vom Europarat angeboten werden.
3.
Die Wirksamkeit der Auswahlverfahren sollte einer ständigen Überprüfung unterlie-
gen, wobei es zu diesem Zweck geboten erscheint, regelmäßig Informationen zu sammeln;
zweckdienlich wäre es ebenfalls, systematische Untersuchungen über die Ergebnisse von
Rekrutierungsprogrammen und den Erfolg von Ausbildungsmethoden durchzuführen.
REKRUTIERUNG VON AUFSICHTSPERSONAL DER UNTEREN GEHALTSGRUPPEN
4.
Die wesentliche Aufgabe des Aufsichtspersonals der unteren Gehaltsgruppen be-
stand und besteht weiterhin in der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit. Es scheint
jedoch offensichtlich, dass dieses Aufsichtspersonal auch aktiv an zeitgemäßen Methoden
der Behandlung von Strafgefangenen beteiligt werden könnte und sollte.
5.
Die Erweiterung des vom Aufsichtspersonal geforderten Arbeitsumfangs bedeutet
selbstverständlich, dass die Vollzugsverwaltungen sich nicht mit Mitarbeitern begnügen können, die nur über minimale persönliche Fähigkeiten und Ausbildungsstandards verfügen. Da
jedoch in zunehmendem Maße Personen benötigt werden, die eine bessere Qualifikation als
ihre Vorgänger aufweisen, sollten Vergütung und Arbeitsbedingungen dieser Tatsache
Rechnung tragen. Gefordert sind insbesondere Personen mit ausreichender Intelligenz und
Bildung, Integrität und ausgeglichenem Charakter sowie der Fähigkeit, mit Gefangenen umzugehen und diese zu betreuen.
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6.
Da zahlreiche Vollzugsverwaltungen in Europa feststellen, dass sie eine Personalauf-
stockung und einen höheren Standard benötigen, muss die Öffentlichkeit auf die Bedürfnisse
des Vollzugsdienstes aufmerksam gemacht werden, damit genügend Bewerber angesprochen werden. Die Öffentlichkeit muss auch auf die soziale Bedeutung der betreffenden Tätigkeiten hingewiesen werden, damit eine angemessene Bezahlung und geeignete Arbeitsbedingungen sichergestellt werden können.
STELLUNG DES AUFSICHTSPERSONALS DER UNTEREN GEHALTSGRUPPEN
7.
Da die modernen Vollzugsmethoden eine Erweiterung des Aufgabenbereichs der
Vollzugsbediensteten erfordern, damit sie in die Aufgabe der Resozialisierung von Straffälligen im Rahmen eines wichtigen staatlichen Dienstes eingebunden werden können, sollten
diese Bediensteten stets dem öffentlichen Dienst angehören.
8.
Das Mindesteinstellungsalter für Vollzeitbeschäftigte sollte allgemein nicht unter 21
Jahren liegen. Jüngere Bewerber sollten gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, sofern sie
über einen überdurchschnittlichen Reifegrad und die für den Dienst erforderlichen Fähigkeiten verfügen.
9.
Das Höchsteinstellungsalter sollte grundsätzlich 40 Jahre nicht überschreiten, obwohl
die Erfahrungen in einigen Ländern gezeigt haben, dass Bedienstete mit einer gewissen Lebenserfahrung vollwertige Leistungen erbringen können.
10.
Angesichts der zunehmenden Bedeutung und Vielfalt der Aufgaben von Vollzugsbe-
diensteten in einigen Ländern sollte dieser Faktor im Hinblick auf die Ruhestandsregelung
sorgfältig geprüft werden. Allgemein sollte den Angehörigen des Aufsichtspersonals die Versetzung in den Ruhestand ermöglicht werden, bevor sie ein fortgeschrittenes Alter erreicht
haben, vorausgesetzt, dass ein früheres Ausscheiden als bei anderen Staatsbediensteten
üblich für sie keine finanziellen Nachteile bewirkt. Dabei sollte jedoch die Möglichkeit einer
Weiterbeschäftigung von (qualifizierten) Bediensteten - auf deren Wunsch hin - über das im
Vollzugsdienst übliche Rentenalter hinaus in Funktionen, die ihrem Lebensalter entsprechen,
nicht ausgeschlossen sein, sondern weiter geprüft werden.
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AUSWAHL DES AUFSICHTSPERSONALS DER UNTEREN GEHALTSGRUPPEN
11.
Bei der Auswahl sollten Charaktereigenschaften wie auch geistige Fähigkeiten und
Bildungsgrad berücksichtigt werden. Ziel muss es sein, Personal auszuwählen, das sich
durch einen gefestigten und ausgeglichenen Charakter, durch Integrität, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit zur Herstellung guter menschlicher Beziehungen auszeichnet und geeignet ist, die Gefangenen in dem schwierigen und künstlichen Umfeld einer Vollzugsanstalt
erfolgreich zu betreuen.
Besonders erstrebenswert ist es, einen erfahrenen Psychologen oder eine Fachkraft
mit ähnlicher Ausbildung und umfassender Kenntnis der beruflichen Erfordernisse bei Vollzugsbediensteten an den notwendigen Beurteilungen zu beteiligen.
12.
Gelegentlich werden gleichzeitig mit der Schulung erste intensive Auswahlverfahren
betrieben. Diese Vorgehensweise hat aber gravierende Nachteile, wenn sie zu einer hohen
Ablehnungsrate führt. Intensive Auswahlverfahren führen unweigerlich dazu, dass die Bewerber verunsichert sind und eine etwaige Ablehnung befürchten. Eine solche Haltung kann
einer wirksamen Schulung nicht förderlich sein. Außerdem wird die Rolle des für die Auswahl
und die Ausbildung zuständigen Personals unklar – besonders dann, wenn ihm auch Bedienstete des Aufsichtspersonals angehören, wobei die Gefahr besteht, dass der Nachdruck
eher auf die Auswahl und weniger auf die Ausbildung gelegt wird beziehungsweise umgekehrt. Es erscheint daher wünschenswert, das anfängliche Auswahlverfahren möglichst zügig und wirksam durchzuführen, unbeschadet des Rechts der Verwaltungen, ungeeignete
Bewerber jederzeit abzulehnen.
13.
Die Auswahlverfahren sollten nicht nur bezwecken, zwischen geeigneten und unge-
eigneten Bewerbern zu unterscheiden, sondern auch dem Ziel dienen, Informationen zu erlangen, die es der Vollzugsverwaltung ermöglichen zu entscheiden, in welcher Anstalt die
Fähigkeiten des Bewerbers am wirkungsvollsten eingesetzt und weiterentwickelt werden
können.
GRUNDAUSBILDUNG DES AUFSICHTSPERSONALS
DER UNTEREN GEHALTSGRUPPEN
14.
Von wesentlicher Bedeutung ist es, dem nicht spezialisierten Aufsichtspersonal eine
Grundausbildung anzubieten. Ihr Inhalt sollte von den Funktionen abhängen, die von diesen
Bediensteten auszuüben sind. Da aber jede zeitgemäße Vollzugsordnung zum Ziel hat, die
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Menschenwürde der Gefangenen zu achten und gleichzeitig deren Resozialisierung zu fördern, sollte diese Ausbildung auf zwei allgemeinen Grundsätzen beruhen.
15.
Die Ausbildung soll zunächst theoretisch und praktisch sein, sowohl inhaltlich wie
auch in der Art, in der sie vermittelt wird. Sie sollte mit anderen Worten theoretische Kenntnisse darüber, wie eine Strafanstalt zu führen ist, sowie über die Persönlichkeit und das Vorleben der Gefangenen mit der praktischen Erfahrung des Dienstes in einer Strafanstalt und
der Behandlung von Gefangenen verknüpfen. Hierbei wäre der körperlichen Ertüchtigung
insbesondere in Form von Übungen zur Selbstverteidigung die gebührende Aufmerksamkeit
zu widmen.
16.
Zweitens sollte die Ausbildung stets mit einer gewissen Beobachtung der Anwärter
einhergehen und somit ermöglichen, ungeeignete Bewerber nicht nur nach nicht bestandenen Prüfungen auszuschließen, sondern auch dann, wenn sie sich als unfähig erweisen,
praktische Situationen im Vollzugsdienst zu bewältigen.
17.
Bei der Grundausbildung ist zu bedenken, dass ein Anwärter nicht auf alle Eventuali-
täten vorbereitet werden kann. Mangels Erfahrung dürften bei ihm nicht immer die Bezugspunkte verfügbar sein, um den gesamten Lehrstoff verstehen zu können.
18.
In allen Phasen der Ausbildung sollte angestrebt werden, Unterrichtsmethoden zu
entwickeln, die auf eine aktive Beteiligung des Bewerbers ausgerichtet sind. Der Unterricht
sollte, soweit dies möglich ist, in kleinen Gruppen erfolgen.
19.
Das Lernprogramm ist so zu gestalten, dass ein Grundverständnis der nachstehen-
den Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt wird:
grundlegende Fertigkeiten der Aufsicht (Sicherung von Örtlichkeiten, zahlenmäßige
Kontrolle und Durchsuchung der Gefangenen, Selbstverteidigung und allgemeine Überwachung usw.);
organisatorische Fähigkeiten (Fähigkeit zur wirksamen Erfüllung der notwendigen
Pflichten und wirksamen Betreuung der Gefangenen);
Fähigkeiten der Beobachtung (Fähigkeit zur objektiven Beobachtung des Verhaltens
von Gefangenen, Einstufung des verbalen wie des nicht-verbalen Ausdrucks sowie in gewissem Maße Deutung des beobachteten Verhaltens);
Kommunikationsfähigkeit (Fähigkeit, die Beobachtungen anderen Bediensteten
mündlich und schriftlich mitzuteilen);
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Fähigkeiten im Umgang mit Menschen (Fähigkeit des Vollzugsbediensteten, seine
eigene Persönlichkeit positiv in den Dienst der Gefangenenbehandlung zu stellen).
FORTBILDUNG DES AUFSICHTSPERSONALS
DER UNTEREN GEHALTSGRUPPEN
20.
Da nicht alle Kenntnisse zu Beginn vermittelt werden können, ist die dienstbegleiten-
de Fortbildung zur Weiterentwicklung der Bediensteten nach der Probezeit von grundsätzlicher Bedeutung.
Diese Fortbildung sollte verstärkt darauf ausgerichtet sein, dass die Bediensteten
lernen, die Entwicklung der Persönlichkeit von Menschen, soziale Abweichung, Gruppenarbeit und andere Behandlungsmethoden sowie Regelungserfordernisse zu verstehen. In Anlehnung an diese Leitlinien können Programme entwickelt werden, die dem Grad der Beteiligung des Aufsichtspersonals an der Behandlung entsprechen und von den innerstaatlichen
Verwaltungen als wünschenswert erachtet werden.
21.
Die dienstbegleitende Fortbildung sollte allen Kategorien des Aufsichtspersonals in
den unteren Gehaltsgruppen offen stehen. Diese Fortbildung sollte nicht nur aus Lehrgängen
bestehen, sondern auch viel Raum für Diskussionen lassen. Die Fortbildung und der Meinungsaustausch zwischen den Bediensteten sollte, sofern dies möglich ist, sowohl in den
einzelnen Haftanstalten wie auch in einem Schulungszentrum erfolgen.
22.
Findet die dienstbegleitende Fortbildung (in der Anfangsphase oder zu späteren Zeit-
punkten) in den einzelnen Haftanstalten statt, ist der Einsatz von besonderem Lehrpersonal
unerlässlich. Die Fortbildung sollte aber nicht ausschließlich in den einzelnen Haftanstalten
angeboten werden. Lehrveranstaltungen unter den anderen Bedingungen eines Schulungszentrums oder in Form eines auswärtigen Seminars mit der Möglichkeit, Angehörige aller
Dienstgrade aus anderen Haftanstalten zu treffen und Gespräche mit diesen zu führen, sind
erstrebenswert.
TECHNISCHES PERSONAL
23.
Die Bediensteten des technischen Personals (Werkmeister, Ausbilder usw.) sollten,
obwohl sie mit den für ihre Fachaufgaben notwendigen Fähigkeiten und Erfahrungen in den
Vollzugsdienst übernommen werden, dennoch eine Grundausbildung ähnlich der vorstehend
beschriebenen Schulung für das gewöhnliche Aufsichtspersonal erhalten, soweit sie eine
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vergleichbare Verantwortung bei der Aufsicht und Behandlung der mit ihnen arbeitenden
Gefangenen tragen.
ALLGEMEINE ORGANISATION
24.
Soweit das Aufsichtspersonal verstärkt neue Aufgaben übernimmt, dürften einige
organisatorische Schwierigkeiten auftreten. Wenn diese Bediensteten beispielsweise besondere Verantwortung für eine bestimmte Gruppe von Gefangenen übernehmen, muss diese
Gruppe ausgewählt und einbestellt werden. Da gegenwärtig aber angestrebt wird, ein umfassendes Arbeits- und Bildungsprogramm vorzusehen und umzusetzen, dürften die Gefangenen in geringerem Maße verfügbar sein als vorher. Dies bedeutet hauptsächlich, dass der
Tag der Gefangenen länger wird und zusätzliches Personal am Abend und an den Wochenenden benötigt wird. Aus diesem Grunde ist ein flexibles Schichtsystem erforderlich, damit
genügend Personen in dieser Zeit dienstbereit sind. Unter diesen Bedingungen dürfte vermutlich eine Personalaufstockung erforderlich sein, die aber auf ein Mindestmaß reduziert
werden kann, indem auf eine möglichst wirksame und wirtschaftliche Organisation zurückgegriffen wird.
KOMMUNIKATION
25.
Damit die Angehörigen des Aufsichtspersonals die ihnen verstärkt zugewiesene Rolle
begreifen und akzeptieren können, müssen gewisse Missverständnisse ausgeräumt werden.
Einige davon sind auf das unzulängliche Verständnis der von der zentralen Vollzugsverwaltung verfolgten Ziele zurückzuführen oder aber auf das unzureichende Verständnis seitens
der Vollzugsverwaltung für die Probleme des Aufsichtspersonals. Aber selbst innerhalb der
Anstalten bestehen Missverständnisse zwischen den einzelnen Abteilungen oder Personalebenen, was die Ziele, Schwierigkeiten und Arbeitsmethoden anbelangt. Zahlreiche Missverständnisse sind dabei nicht auf objektive Erwägungen zurückzuführen, sondern beruhen auf
irrationalen Überlegungen und Überzeugungen. Deshalb erscheint es unmöglich, umfassende Listen von Schwierigkeiten zu erstellen: Sie müssen erst erkannt und danach gelöst werden. Zu diesem Zweck ist Kommunikation in beiden Richtungen unerlässlich. Gemeinsame
Beratungen mit dem Aufsichtspersonal sind wichtig, sowohl in Bezug auf die Einzelbehandlung von Strafgefangenen als auch in Bezug auf die allgemeine Verwaltung. Diese Konsultationen sind für das Erkennen von Problemen nützlich und können in Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsmethoden münden.
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26.
Zahlreiche Angehörige des Aufsichtspersonals haben das Gefühl, dass die Vollzugs-
verwaltungen sich zwar in erheblichem Maße um die Belange der Strafgefangenen kümmern, weniger jedoch um die Interessen des Personals. Alle Vollzugsverwaltungen müssen
ihre Aufmerksamkeit auf die sozialen Bedürfnisse und die Arbeitsbedingungen des Personals richten, und es sollten daher Maßnahmen ergriffen werden, um die Gründe für dieses
Gefühl zu beseitigen, indem beispielsweise Personalbetreuer ernannt und Lösungen für
Probleme gefunden werden, die mit Fragen der Kantine, der Unterkunft, der Erziehung und
der familiären Verhältnisse bedingt durch die Art der Tätigkeit zusammenhängen.
27.
Die Aufsichtsbeamten könnten möglicherweise meinen, dass die Vollzugsverwaltun-
gen die Kenntnisse und das Verständnis, die sie aufgrund ihres persönlichen Umgangs mit
den Strafgefangenen erworben haben, nicht hinreichend nutzen. Wenn man ihre Beteiligung
an der Behandlung der Gefangenen erreichen will, muss man ihnen die Möglichkeit geben,
ihre Ansicht bezüglich der Gefangenenbehandlung zu bekunden, sowohl bei mündlichen
Erörterungen als auch bei Personalversammlungen sowie durch schriftliche Berichte.
28.
Die engere Beziehung zwischen dem Aufsichtspersonal und dem Strafgefangenen
sollte dem Bediensteten einen gewissen Ermessensspielraum lassen, um diese Grundlagen
festlegen zu können. Auf diese Weise wären die Bediensteten möglicherweise in der Lage,
das Verhalten der Gefangenen zu steuern, indem sie sich die Beziehungen zwischen Personal und Gefangenen zu Nutze machen, statt auf Disziplinarmaßnahmen zurückgreifen zu
müssen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie Strafen verhängen oder von ihrer Pflicht entbunden werden müssen, die Vorgesetzten von ihrem Tun zu unterrichten.
29.
Regelmäßige Gespräche auf allen Personalebenen stellen in zahlreichen Anstalten
ein geeignetes Verfahren dar. Sie sind ein wirkungsvolles Mittel, um zu Gunsten des gesamten Personals und danach auch der Strafgefangenen festzulegen, welches die erlaubten
Grenzen und die Behandlungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Situationen sind. Bei solchen Gesprächen können besonders geschulte Kräfte wie z.B. Psychologen eine wichtige
Rolle spielen und die Dynamik der erörterten Situationen schildern.
30.
Das Bestreben im Hinblick auf die Beteiligung des Aufsichtspersonals an der Aufgabe
der Behandlung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der zentralen Vollzugsverwaltung.
Infolgedessen sind überholte Regelungen und Erlasse, die eine Beteiligung des Aufsichtspersonals an Behandlungsaufgaben nicht widerspiegeln, durch andere zu ersetzen.
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AUSWAHL DES FÜHRUNGSPERSONALS
31.
Die Vollzugsverwaltung mit all ihren menschlichen Problemen spielt eine wichtige
soziale Rolle und stellt das Führungspersonal vor komplexe und oft widersprüchliche Aufgaben. Die Anstaltsleiter und ihre Stellvertreter müssen über Eigenschaften verfügen, die über
diejenigen des Personals der unteren Gehaltsgruppen hinausgehen. Diese Fähigkeiten können nicht nur im Wege von Eignungsprüfungen festgestellt werden. Daher sollten Länder, die
bei ihren Auswahlverfahren keine angemessenen Methoden zur Beurteilung der Persönlichkeit anwenden, entsprechende Möglichkeiten prüfen.
32.
Der vorige Absatz ist so auszulegen, dass er ebenfalls auf Leiter und Stellvertreter
anzuwenden ist, die früher Angehörige des Verwaltungspersonals von Vollzugsanstalten
oder des öffentlichen Dienstes gewesen sind. Um die Bediensteten dieser Gruppe für die
Wahrnehmung von Führungsaufgaben zu befähigen, sollten diese eine ähnliche Ausbildung
genießen wie diejenige, die nachstehend in Bezug auf Führungspersonal beschrieben wurde, das in anderer Weise rekrutiert worden ist.
33.
Das Führungspersonal (die künftigen Leiter) muss verglichen mit den unteren Lauf-
bahnen größere Kenntnisse nicht nur in Bezug auf die Vollzugsverwaltung und die diese
Verwaltung regenden Gesetze und Verordnungen haben, sondern auch hinsichtlich des kriminellen Verhaltens, der modernen Methoden zur Behandlung Strafgefangener, der Menschenführung und gelegentlich spezieller Techniken wie der Sozialbetreuung im Einzelfall und
der Gruppenarbeit. Die Anwärter für Leitungsaufgaben sollten also, besonders in den Ländern, die keine Form der Fachausbildung bei der Rekrutierung verlangen, eine ziemlich ausgedehnte Schulung erfahren, die es ihnen ermöglicht, ihre neuen Aufgaben wirkungsvoll zu
erfüllen, und ihnen dabei hilft, die oft schwierigen neuen Aufgaben besser zu begreifen. Die
Möglichkeit, eine solche Schulung von mindestens sechs Monaten durchzuführen, sollte in
den Ländern geprüft werden, in denen es diese Ausbildung nicht gibt.
34.
Praktische Erfahrung mit der Tätigkeit des Personals der unteren Gehaltsgruppen
dürfte bei der Schulung der Führungskräfte ebenfalls von großer Bedeutung sein und sollte
gegebenenfalls angeboten werden.
35.
Die dienstbegleitende Fortbildung sollte für alle Kategorien des Führungspersonals
angeboten werden. Sofern die Zielsetzungen und die Organisation des Vollzugssystems dafür geeignet erscheinen, sollten Schulungsmethoden bevorzugt werden, die die Beziehungen
10
zwischen den einzelnen Kategorien von Führungskräften sowie zwischen diesen und dem
Personal der unteren Gehaltsgruppen erleichtern.
FACHPERSONAL
36.
Grundsätzlich sollten vollzeitbeschäftigte Ärzte dem öffentlichen Dienst angehören
und es sollte ihnen nicht gestattet sein, weiterhin Privatpatienten zu betreuen, wenn dies mit
ihren amtlichen Aufgaben unvereinbar ist. Es sollte anerkannt werden, dass die Erfahrung
mit Privatpatienten nützlich sein kann, um einerseits mit den neuesten Methoden auf ihrem
Fachgebiet vertraut zu sein und andererseits Kontakt zu Patienten außerhalb des Vollzugs
zu pflegen.
37.
Grundsätzlich sollten vollzeitbeschäftigte Sozialarbeiter in Vollzugsanstalten die ge-
forderte fachliche Befähigung nachweisen.
38.
Angesichts der wichtigen Aufgaben derjenigen, die für die religiöse und moralische
Betreuung der Strafgefangenen zuständig sind, sollte es diesen ermöglicht werden, an Schulungen teilzunehmen, bei denen sie auf die besonderen Probleme in Vollzugsanstalten vorbereitet werden.
39.
Grundsätzlich sollten dem vollzeitbeschäftigten Fachpersonal Aufstiegsmöglichkeiten
geboten werden, damit eine ausreichende Zahl an geeignetem Personal auf Dauer gewonnen werden kann.
40.
Äußerst wichtig dürfte sein, dass das vollzeitbeschäftigte Fachpersonal eine anfängli-
che dienstbegleitende Schulung erhält. Um dieses Ziel zu erreichen, können diverse Möglichkeiten empfohlen werden: Einweisungs- oder Einführungskurse für Neubeschäftigte in
spezialisierten oder gemischten Gruppen, Praktikum bei Fachkollegen in höherer Stellung
usw. Was das teilzeitbeschäftigte Personal anbelangt, so sollte es ebenfalls die geeigneten
Möglichkeiten haben, um sich mit dem Vollzugswesen und den Strafgefangenen vertraut zu
machen und die Tätigkeit der anderen Bediensteten zu verstehen.
41.
Es ist auch wünschenswert, den Fachkräften eine dienstbegleitende Fortbildung an-
zubieten. Gemischte Gruppen bestehend aus Fachpersonal und Nichtfachpersonal sind besonders nützlich. Sie bieten den Fachkräften die Möglichkeit, Informationen weiterzugeben
und zu erhalten, und gestatten eine engere Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen des
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Personals. Die Möglichkeit zur Schaffung eines solchen Systems sollte in den Ländern geprüft werden, in denen es dieses noch nicht gibt.
WEITERBILDUNG (AUSSERHALB DES VOLLZUGS)
42.
Zu prüfen wäre insbesondere in Bezug auf die Führungs- und Fachkräfte, inwieweit
eine externe Weiterbildung in Form von Lehrgängen, Konferenzen usw. angeboten werden
kann, um die Ausbildungsangebote zu vervollständigen und diesem Personal zu gestatten,
die Stellung und das Ansehen zu erhalten, wie es zumindest demjenigen ihrer Kollegen in
vergleichbaren Stellungen außerhalb des Vollzugsdienstes entspricht. In diesem Zusammenhang sollte ebenfalls den Möglichkeiten nachgegangen werden, Fachpersonal über einen bestimmten Zeitraum in andere vergleichbare Dienste wie Bewährungshilfe, Entlassenenfürsorge oder Psychiatrie abzuordnen.
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