Genveränderte Pflanzen: Chance oder Risiko? Dunja Harthout Kontroversen in der Genmanipulationsdebatte Gegen Ende der 1980er Jahre begann man in vielen Laboratorien, Organismen gentechnisch zu verändern und läutete damit die Geburtsstunde der Grünen Gentechnik ein. Heute wird die gesellschaftliche, aber auch politische Debatte um genmanipulierten Pflanzen (GVO), deren Anbau und die potenziellen Konsequenzen, weltweit sehr kontrovers geführt. Vor allem die Verknüpfung der Gentechnik mit menschlichen Werten und die technischen Schwierigkeiten, die ökologischen Konsequenzen objektiv zu bewerten, spielen dabei die ausschlaggebende Rolle. Das Hauptproblem mit genmanipulierten Pflanzen ist, dass es weder einen Konsens darüber gibt wie die Auswirkungen ihrer Existenz sein könnten noch welche Eindämmungsmöglichkeiten bestehen: die Wissenschaft kann weder endgültig beweisen, dass der Anbau genmanipulierter Pflanzen schädlich, noch dass er gänzlich unschädlich ist. Die Frage, die in Zusammenhang mit dem Anbau genmanipulierter Pflanzen am häufigsten gestellt wird, lautet: Welche Art und welches Ausmaß an Beeinflussung des Ökosystems ist wünschenswert und akzeptabel? Die Befürchtung ist: Wenn genmanipulierte Pflanzen angebaut werden, könnte es Wechselwirkungen mit dem Ökosystem geben. Einmal in die Natur ausgesetzt, lässt sich die Verbreitung und Kreuzung mit „natürlichen“ Pflanzen vielleicht nicht mehr vollständig kontrollieren. Dabei herrscht aber kein Konsens darüber, was als „ökologischer Schaden“ bewertet werden sollte, noch darüber, wie dieser verhindert werden kann. Ökologischer Schaden? Was also ist ein „ökologischer Schaden“ und wie kann er gemessen werden? Um diese Frage zu beantworten, müsste vorausgesetzt werden können, dass es eine einheitliche Vorstellung davon gibt, wie ein intaktes Ökosystem zu sein hat. Da aber z. B. die heute angewandten Methoden der Agrarwirtschaft in Bezug auf ihre Auswirkungen auf das Ökosystem strittig beurteilt werden, kann kein einheitlicher und objektiver Bewertungsmaßstab festgelegt werden. Die Einschätzung der Qualität des Ökosystems unterliegt den gesellschaftlich unterschiedlichen Erwartungen und Bewertungen. Biodiversität, … aber wie? Einigkeit herrscht allenfalls darüber, dass eine möglichst hohe Biodiversität (Artenvielfalt) erhalten bleiben soll. Ob dabei der Anbau genmanipulierter Pflanzen überwacht werden muss, wie dies praktisch umgesetzt werden soll und ob es denn überhaupt nötig ist, führt erneut zu Streitigkeiten. Grob kann man drei Thesen in Bezug auf den Umgang mit und die Konsequenzen der Gentechnik unterscheiden: 1. These: Genmanipulierte Pflanzen üben keinen erheblichen Schaden auf die Umwelt aus. Sie können sogar die Biodiversität fördern. 1 US-amerikanische Wissenschaftler stellten in einer Studie fest, dass genveränderte Kulturpflanzen sich innerhalb weniger Generationen in Wildpopulationen ausbreiten können. Dr. Detlef Bartsch ist stellvertretender Leiter des Zentrum Gentechnologie am Robert Koch Institut Berlin und erläuterte in einem Interview mit BioSicherheit diese These. Die Wissenschaftler stellten damit in ihrer Studie fest, dass die befürchtete Einschränkung oder Ausrottung „natürlicher“ Wildpflanzen durch genmanipulierte Pflanzen nicht zwangsläufig ist. Vielmehr können durch die kontrollierte Erhaltung beider Gruppen einige vorteilhafte genveränderte Pflanzen im Gesamtsystem fixiert werden ohne dass es dabei zu Schäden kommen müsste. Insofern wäre die Einführung genveränderter Pflanzen eine Erweiterung der Biodiversität. 2. These: Genmanipulierte Pflanzen können einen erheblichen Schaden auf die umgebende Umwelt ausüben und bergen potenzielle Risiken in sich, die vorsorglich erfasst werden müssen. Die EU-Kommission, die dieses Vorsorgeprinzip vertritt, hat Anfang 2000 einen Orientierungsrahmen für eine einheitliche Interpretation innerhalb der EU vorgegeben. Das Vorsorgeprinzip innerhalb der EU besagt daher: Wenn ein Schaden droht, ein begründeter Anlass zur Besorgnis besteht, darf der Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Hinderungsgrund sein, um Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Solche Maßnahmen können sehr unterschiedlich sein. Sie reichen von Umweltverträglichkeitsprüfungen über strenge Zulassungsverfahren für den Anbau bis hin zu anbaubegleitendem Monitoring, also langfristigen Beobachtungen der Umwelt. Dabei wird davon ausgegangen, dass man auf der Basis des neusten Wissenstandes individuell reagieren kann. Gentechnik-Kritikern ist diese Interpretation jedoch zu pragmatisch und einseitig. Sie interpretieren das Vorsorgeprinzip so, dass solange die Unbedenklichkeit des Anbaus nicht erwiesen ist, auf den Anbau genmanipulierter Pflanzen verzichtet werden sollte. 3. These: Genmanipulierte Pflanzen können müssen beim Anbau so überwacht werden, dass z.B. Kreuzungen mit „natürlichen“ Pflanzen ausgeschlossen werden. Die Sicherheitsforschung, die diese These vertritt, beschäftigt sich u.a mit dem Pollenflug und die Art und Weise, wie Transgene sich verbreiten würden. Sie erforscht die Bedingungen und Wahrscheinlichkeiten eines Gentransfers und versucht verschiedene Lösungen zu entwickeln, die eine ungewollte Verbreitung der manipulierten Pflanzen verhindern würden. Angedacht sind z. B. Pflanzen, die keine Pollen besitzen oder deren Pollen kein Fortpflanzungsvermögen haben. Die Forschung kann jedoch keine endgültigen Antworten liefern. So können z. B. Effekte, die auf Transgene zurückgeführt werden, weder eindeutig bestätigt noch verneint werden. Vor allem langfristige Effekte können nur sehr schwierig eingeschätzt werden und unterliegen wiederum der individuellen Bewertung der Forscher und der Gesellschaft. China, die Entwicklungsländer und Deutschland China - Ernährung vs. Sicherheit? Chinas Umgang mit genmanipulierten Pflanzen ist im Westen wenig bekannt. Dennoch gaben die chinesischen Vertreter auf dem 7. Symposion der Biosicherheit 2002 in Peking durchaus zu, dass transgene Tomaten, Paprika, Petunien und Baumwolle für den Anbau und die Vermarktung in China zugelassen sind. Auch die weitere Forschung in diesem Bereich, die großen finanziellen Mittel der Regierung für die Forschung und neue Entwicklungen von insektenresistenten Mais-, Reis- und Sojasorten wurden angegeben. 2 Obwohl Sicherheitserwägungen in China lange keine große Rolle zu spielen schienen, versicherten die Vertreter des Landes, nicht unbedacht zu handeln. Vor der Freisetzung genveränderter Pflanzen würde auch in China ihre Sicherheit nach internationalen Standards bewertet und Monitoringprogamme zur Beobachtung installiert werden. Sollten dabei Grundsätze wie das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Konsumenten nicht den europäischen Standards genügen, so hinge dies vor allem mit der immer noch stark wachsenden Bevölkerung des Landes zusammen. China setzte die Forschungspriorität in Richtung Ernährungssicherheit statt Sicherheitsforschung. Heute zeigt China aus zwei Gründen größeres Interesse an Sicherheitsstandards für Agrarprodukte aus genveränderten Pflanzen. Erstens beginnen sich die chinesischen Bürgerinnen und Bürger über das Thema mehr zu informieren. Kritische Artikel und Produkte mit der Kennzeichnung „gentechnikfrei“ zeigen dabei eine eher abweisende Einstellung gegenüber der Gentechnik. Andererseits kann sich China aufgrund der großen Bevölkerung und deren Ernährungsbedarf dem Welthandel nicht entziehen und muss daher Sicherheitsstandards transparent nachweisen können, um weiterhin Exportmärkte zu haben. Neue Chancen in Entwicklungsländern? Nachdem die chinesische Regierung zunächst genveränderte Pflanzen verbreitete, um Ernährungssicherheit zu gewährleisten und dabei nicht ausreichend an Sicherheitsvorkehrungen zu denken schien, wollte man gerade in den Entwicklungsländern einen solchen Umgang verhindern. Daher setzten die Experten der Biotechnologie auf dem 8. Biosicherheit Symposium 2004 in Montpellier, Frankreich neue Akzente in Bezug auf die Sicherheitsforschung. Mit einem Nord-Süd-Workshop versuchte man, angemessene Konzepte zur Erfor- schung der Umweltsicherheit im Süden anzuregen. Dabei ging man davon aus, dass die Verfahren, die im Norden verwendet werden, aufgrund von unterschiedlichen ökologischen und ökonomischen Bedingungen nicht ohne weiteres auf den Süden übertragen werden können. Außerdem versuchte man durch den Workshop, die Entwicklungsländer für die Risken zu sensibilisieren und präsentierte ihnen neue Untersuchungen über Umweltauswirkungen der genmanipulierten Baumwolle und genveränderten Reises. Da in den Entwicklungsländern vor allem hohes Interesse an insektenresistenter Baumwolle herrscht, machte man ausdrücklich auf die Gefahr von Resistenzdurchbrüchen der Insekten aufmerksam. Deutschland – Monitoring und Kontrolle Der Anbau und die Vermarktung genveränderter Pflanzen werden in der EU gesetzlich reguliert. Dadurch soll dem Vorsorgeprinzip Rechnung getragen werden, indem z. B. Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden. Um das Risiko des Anbaus genveränderter Pflanzen abschätzen zu können, einigte man sich außerdem auf ein anbaubegleitendes Monitoring. Die europäische Gesetzgebung stellt allerdings keine einheitlichen Haftungsregeln oder verbindliche Bestimmungen zum Schutz der Biodiversität auf. Diese Regelungen müssen stattdessen von den einzelnen Staaten der Gemeinschaft konkretisiert werden. In Deutschland wurde nach intensiver Kontroverse im November 2004 das Gentechnikgesetz (GenTG) erlassen. Das Gesetz legt fest, dass für die Überwachung des Anbaus genveränderter Pflanzen die Länder verantwortlich sind. Um dabei eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips einzuhalten, müssten anbaubegleitende Monitoringprogramme durchgeführt werden, die genveränderte Pflanzen in ihrer Umgebung beobachten und ungewollte Effekte erfassen. Außerdem müssten diese Beobachtungen über längere Zeit3 räume durchgeführt werden, um eventuell indirekte Auswirkungen zu dokumentieren. Das anbaubegleitende Monitoring in Deutschland wird von den jeweiligen Bauern bezahlt und durchgeführt. Dabei ist weder festgelegt, wer die Basis (Baseline) bestimmt, die den Zustand des Ökosystems vor dem Anbau genveränderter Pflanzen markiert, noch ab wann ein Versuch abgebrochen werden muss, da ökologische Schäden eintreten könnten. Die Objektivität der dabei gesammelten Daten ist daher sehr umstritten. Aufgrund solcher und anderer Kritikpunkte am Gentechnikgesetz wurde schon beim Erlass festgelegt, dass es binnen zweier Jahre auf seine Umsetzung überprüft und ggf. verändert werden soll. durchaus zu Vorteilen kommen kann. Das Beispiel Deutschland hingegen hat gezeigt, dass trotz der Ausformulierung eines Gesetzes, dass den Umgang mit genveränderten Pflanzen reguliert, sich die Umsetzung weiterhin schwierig gestaltet. Ob sich weltweit einheitlich oder regional unterschiedlich das Vorsorgeprinzip, die Sicherheitsforschung oder die These der Biodiversitätsförderung durch genveränderte Pflanzen durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. In jedem Falle wäre es aber unerlässlich eine eindeutige Kennzeichnung solcher Produkte zu gewährleisten, um dem Endverbraucher zumindest die Wahl zu überlassen. Risiken bedenken und Möglichkeiten erforschen Das Grundproblem bleibt ungelöst: Die Wissenschaft kann bislang keine objektiven Kriterien liefern, die einen sinnvollen und ungefährlichen Umgang mit genmanipulierten Pflanzen, endgültig regulieren. Allenfalls kann die Wissenschaft ihre Daten immer wieder aktualisieren und den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Trotzdem sind die Chancen, die mit genveränderten Pflanzen zusammenhängen könnten, nicht zu unterschätzen. Wenn „Goldener Reis“ und genmanipulierter Mais Hungersnöte lindern können, wenn Krankheiten eingedämmt werden könnten oder die Möglichkeit bestünde, Genome zu entwickeln, die die Benutzung von Pestiziden überflüssig machen, dann dürfen die Befürchtungen vor ungewollten Konsequenzen zwar nicht verschwiegen werden, aber auch nicht dazu führen, dass das Thema tabuisiert und vom Tisch gekehrt wird. Die Beispiele China und die Entwicklungsländer haben gezeigt, dass das Interesse an genveränderten Pflanzen groß ist und wahrscheinlich weiter wachsen wird. Dabei ist auch nicht zu verkennen, dass es 4