Herr Pollmann Interview-Fragen

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Interview-Fragen für Zeitschrift „Baugewerbe“
RA Lutz Pollmann, Hauptgeschäftsführer Baugewerbliche Verbände, Düsseldorf
Frage:
Herr Pollmann, die Baubranche befindet sich seit 1995 in der Krise. Wie schätzen Sie die konjunkturelle Lage der Branche für 2005 ein?
Antwort:
Obwohl ich mir wünschte, in Nordrhein-Westfalen liefe es besser: Die Rezession wird sich auch 2005
fortsetzen, wir werden auch im zehnten Krisenjahr die baukonjunkturelle Talsohle noch nicht erreichen! Die drei wichtigsten Bausparten Wohnungsbau, Wirtschaftsbau und öffentlicher Bau werden
umsatzmäßig weiter zurückgehen. Einziger Hoffnungsschimmer: Der durch die jahrelange Vernachlässigung der öffentlichen Infrastruktur erzeugte Leidensdruck und die endlich anlaufenden LKWMauteinnahmen könnten die öffentlichen Auftraggeber dazu bringen, verstärkt in den Erhalt unserer
Straßen zu investieren und/oder mehr privatwirtschaftliche Finanzierungsmodelle zuzulassen.
Frage:
Neue Geschäftsfelder sind für jedes Bauunternehmen ein wichtiges Thema. In welchen Feldern sehen
Sie Möglichkeiten erfolgreich zu agieren?
Antwort:
In gleichem Maße, wie der Neubau Jahr für Jahr zurückgeht, wächst der Bestandsbau. Zwischenzeitlich liegt der Anteil des Bauens im Bestand bei weit über 50 Prozent mit zunehmender Tendenz. Und
genau in diesem Bereich haben unsere baugewerblichen Betriebe Zukunftschancen, sich zu profilieren – entweder durch Spezialisierung oder Generalisierung. Hierzu gehören beispielsweise die Bereiche energetische Nachrüstung von Gebäuden oder der Riesenmarkt des altersgerechten Bauens.
„Alles aus einer Hand“, qualifiziert und kompetent: Jeder Baubetrieb, der seine Leistung nach solchen
Kriterien anbietet und auch tatsächlich erbringt, hat gute Chancen, sich auf dem Baumarkt der Zukunft in gesamteuropäischer Dimension erfolgreich durchzusetzen.
Frage:
Stichwort PPP. Wie beurteilen Sie die jüngste Entwicklung und was erwarten Sie von solchen Modellen? Eignen sie sich auch für kleine und mittelständische Baubetriebe?
Antwort:
Leider eignen sich die bisherigen PPP-Projekte kaum für kleine und mittelständische Baubetriebe, weil
die Auftragsvolumina noch zu groß sind. Riesige Losgrößen sind derzeit aber notwendig, weil die
Vorlaufkosten noch überproportional hoch sind. Bei zunehmender Erfahrung und Routine dürften
diese Vorlaufkosten jedoch deutlich geringer werden. Dann werden auch kleinere Projekte an den
Markt kommen, an denen sich auch Mittelständler beteiligen können.
Auf Drängen der NRW-Bauverbände stehen öffentlich-private Partnerschaften im Bereich der
öffentlichen Hochbaumaßnahmen bei uns in Nordrhein-Westfalen auf der Prioritätenliste ganz oben.
Mehr noch: Mit insgesamt neun Pilotprojekten ist NRW unter den Bundesländern der PPP-Musterknabe. Dennoch ist festzustellen, dass viele aus der Finanznot der Kommunen geborenen, geplanten
PPP-Vorhaben letztendlich nicht umsetzbar sind. PPPs sind kein Allheilmittel, um den aufgelaufenen
Investitionsrückstand von Kommunen, Land oder Bund kurzfristig aufzuholen. Aber: Durch die
verstärkte Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit den Privaten profitiert natürlich auch die örtliche
Handwerkerschaft, die sich – genauso wie die Kommunen – auf die Zusammenarbeit in solchen
Projekten einstellen muss.
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Frage:
Welche Vorteile hat eine Präqualifikation für die Baubetriebe im Berufsalltag?
Antwort:
Mit Einführung des Präqualifikationsverfahrens verringert sich der tagtägliche Verwaltungs- und Bürokratieaufwand des Betriebes erheblich. Statt bei jeder einzelnen Ausschreibung einen Wust an
Unterlagen einzureichen, muss der Betrieb seine Qualifikation nur noch einmal pro Jahr nachweisen.
Außerdem sorgt die Präqualifikation für eine Verbesserung der Wettbewerbssituation des Betriebes,
denn: Der bisherige Preiswettbewerb dürfte sich zum Qualitätswettbewerb entwickeln! Damit trennt die
Präqualifikation die unternehmerische Spreu vom Weizen! Und auch für die öffentlichen Auftraggeber
bringt sie durchaus Vorteile. Denn sie leistet einen deutlichen Beitrag zur wirksameren Bekämpfung
illegaler Praktiken am Bau, verschlankt und entbürokratisiert das Vergabeverfahren und erhöht dessen
Effizienz.
Frage:
Ihr Verband ist in jüngster Zeit sehr aktiv dabei das Thema „Geschäftsfeld Ausland“ zu kommunizieren. Wie ist die Resonanz bei den Baubetrieben auf diese Möglichkeit?
Antwort:
Im Rahmen von Projekten haben die Baugewerblichen Verbände für ihre Mitgliedsbetriebe neue internationale Geschäftsfelder in Äthiopien, Russland, Senegal, Madagaskar und osteuropäischen EUMitgliedsländern erkundet, erschlossen und angebahnt mit dem Ziel, beim Aufbau von UnternehmensKooperationen und Verbandsstrukturen behilflich zu sein. Die Resonanz unserer Mitgliedsbetriebe
hierauf ist zunehmend positiv. Bei unseren Auslands-Aktivitäten haben wir uns bewusst weniger auf
die europäischen Nachbarstaaten konzentriert, weil deren Märkte für uns nicht ergiebig genug sind.
Wir engagieren uns vielmehr in Entwicklungs- und Schwellenländern, weil unsere Betriebe dort bei
gleichem Arbeitseinsatz eine wesentlich höhere Rendite zu erwarten haben.
Frage:
Wie beurteilen Sie generell die Bedeutung und Entwicklung der Bauverbände. Sind sie in der heutigen
schweren Zeit der Mitgliederrückgänge und der Baukrise noch zeitgemäß aufgestellt?
Antwort:
Verbände betreiben als Wirtschafts-, Arbeitgeber- und Fachverbände nach wie vor erfolgreiche Grundlagenarbeit für Mitgliedsinnungen und Betriebe. Wenn es keine Verbände gäbe und die Betriebe in
den Bereichen Tarif- und Sozialpolitik, Bau- und Betriebswirtschaft, Bau- und Steuerrecht, Bautechnik,
Umweltschutz, Nachwuchssicherung und Öffentlichkeitsarbeit keine Unterstützung und Interessenvertretung mehr hätten, bin ich mir sicher: Die Verbände würden morgen neu gegründet, insbesondere
auch von Trittbrettfahrern! Gerade in schwierigen Zeiten sind Interessenvertreter für die Betriebe
wichtiger denn je. Insofern sind wir zeitgemäß aufgestellt, keine Frage!
Frage:
Hat sich in Ihrem Verbandsgebiet die seit dem 1. Mai geltende EU-Osterweiterung bemerkbar gemacht? Gibt es erste Erfahrungen eigener Betriebe oder mit fremden Betrieben?
Antwort:
In unserem Verbandsgebiet zwischen Rhein und Ruhr sind die Folgen der EU-Osterweiterung bis
heute kaum spürbar. Obwohl wir hierzu verstärkt Seminare anbieten, hält sich das Interesse unserer
Betriebe an dieser Thematik in Grenzen.
Cle/uc
PI 03/05 ExBG
14.01.2005 III
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