Harnsperre - eLexikon.ch

Werbung
eLexikon
Bewährtes Wissen in aktueller Form
Harnsperre
Internet:
http://peter-hug.ch/lexikon/harnsperre
HauptteilSeite 58.830
Harnsperre 9 Wörter, 73 Zeichen
Harnsperre, gleichbedeutend mit Blasenlähmung, s. Harnblase (S. 826 a).
Harnblase, der Behälter für den in den Nieren abgeschiedenen Harn, findet sich unter den Wirbeltieren in dreierlei Formen vor:
bei manchen Fischen ist sie eine Erweiterung der Harnleiter vor oder nach deren Vereinigung zu einem einzigen Kanal, daher
entweder doppelt oder einfach;
bei den Lurchfischen und Amphibien ist sie ein durch einen kurzen Stiel mit der vordern Kloakenwand verbundener Sack
(Allantois, s. d.);
bei den Säugetieren (und ebenso bei Schildkröten und Eidechsen) geht sie aus dem in der Bauchhöhle verbleibenden Abschnitt
der Allantois, dem sogen. Urachus, hervor, dessen Fortsetzung zum Nabel hin nach der Geburt sich zum sogen. mittlern
Aufhängeband der Harnblase umwandelt (s. Tafel »Eingeweide des Menschen I u. II«).
Beim Menschen ist sie ein in der Beckenhöhle an mehreren Bändern befestigter Sack von 5-10 cm Höhe, 4-9 cm Breite und 4-7
cm Dicke, der unter normalen Umständen durchschnittlich 700, jedoch, ohne zu platzen, bis 1800 ccm Flüssigkeit enthalten kann. Die
dünne, sehr dehnbare Wandung besteht aus einer innern Schleimhaut und einer dieselbe umgebenden Schicht glatter Muskelfasern
und wird zum Teil vom Bauchfell überzogen. In sie münden die Harnleiter (s. Nieren) ein, dagegen geht von ihr an einer verengerten
Stelle, dem sogen. Blasenhals, die Harnröhre (s. d.) aus.
Von den Krankheiten der Harnblase sind folgende die wichtigsten:
1) Der Blasenkatarrh. Er besteht, wie die katarrhalischen Entzündungen aller Schleimhäute, in einer übermäßigen
Schleimabsonderung auf die Oberfläche der Blase und ist entweder von kurzer Dauer, oder er tritt als chronisches Leiden auf. Ist er
sehr heftig, oder wirken die schädlichen Ursachen, welche ihn hervorgerufen, lange Zeit fort, so geht er über in die eigentliche 2)
Blasenentzündung (Cystitis). Hierbei ist die Oberflächenkrankheit zu einer Entzündung und Schwellung der Blasenwand selbst
gesteigert.
Die Absonderung ist nicht mehr schleimig, sondern eiterig (C. purulenta) oder blutig (C. haemorrhagica);
stoßen sich Stücke der Innenfläche ab, so entstehen Geschwüre (C. ulcerosa);
werden größere Flächen in einen Schorf verwandelt, der kleinste Organismen enthält, so spricht man von einer C. diphtherica;
liegt der Geschwürsbildung eine Tuberkulose zu Grunde (C. tuberculosa), so benennt man den Vorgang auch wohl Phthisis oder
Blasenschwindsucht.
Unter den Ursachen sind am häufigsten für die leichtern Formen Genuß jungen unvergornen Biers, Gebrauch reizender
Medikamente (Spanische Fliegen, Kopaivabalsam u. dgl.), Fortpflanzung eines Harnröhrenkatarrhs (Trippers) auf den Blasenhals.
Viel ernster ist die Anwesenheit von Steinen oder andern Fremdkörpern, welche, je länger sie die Blasenwand reizen, und je
wirksamer dies durch rauhe Oberflächen oder spitzige Vorsprünge geschieht, um so tiefere und gefährlichere Entzündungen
derselben hervorrufen.
Die häufigste Ursache, welche es auch erklärt, weshalb das Leiden so überwiegend beim männlichen Geschlecht vorkommt,
beruht auf Schwellungen der Vorsteherdrüse (prostata), welche entzündlicher Art (z. B. bei alten Reitern) oder durch Tuberkulose
bedingt oder im Gefolge des Greisenalters entstanden sein kann. Die Vergrößerung dieser Drüse, welche rings um die Harnröhre
liegt (s. Tafel »Eingeweide II«, Fig. 3), führt notwendig zu einer Kompression der letztern, dadurch zu beschwertem Harnabfluß
(Dysuria oder Ischuria), zu Stauung und Erweiterung, schließlich zu Lähmung der Blase.
In der gelähmten Blase zersetzt sich der Harn, die dabei mitwirkenden niedern Organismen, die oft durch unreine Instrumente
eingeführt werden, erregen die heftigsten Entzündungen; setzen sich diese auf Harnleiter und Nieren fort, so ist der qualvollste Tod
das einzige Ende des Leidens. Dasselbe gilt von Lähmungen, die nach Quetschungen, Erschütterungen oder andern Krankheiten
des Rückenmarks (Tabes) sich entwickeln. Mit allen Formen der Blasenentzündung, selbst mit den leichtesten Katarrhen, sind mehr
oder weniger heftige Schmerzen, Drang zum Harnlassen und Brennen in der Harnröhre verbunden.
3) Der Blasenkrampf gehört oft zu den lästigsten Begleitern bei Steinkrankheit, Entzündungen der Blase, des Mastdarms oder
der Gebärmutter; er tritt in Anfällen auf, deren Dauer von wenigen Minuten zu ½ Stunde wechselt. Die Behandlung besteht in
Darreichung von Opiaten, warmen Voll- oder Sitzbädern, Klystieren von Kamillen- oder Baldrianthee. Bei chronischem Katarrh
empfiehlt sich der Gebrauch von Tannin oder eine Abkochung von Folia uvae ursi. Sehr hervorragend wirken Wildunger Brunnen,
Selter- oder Geilnauer Wasser. Der Genuß salziger und gewürziger Speisen ist zu widerraten. Alle schweren fieberhaften
Entzündungen erfordern ärztlichen Rat. Steine werden durch Operation entfernt.
Seite 1 / 2
eLexikon
Bewährtes Wissen in aktueller Form
Harnsperre
Internet:
http://peter-hug.ch/lexikon/harnsperre
4) Geschwülste der Blase entstehen entweder aus der Blasenschleimhaut selbst und sind alsdann meistens von zottiger
Oberfläche (Zottenfibrom oder Zottenkrebs), oder sie greifen von der Nachbarschaft, z. B. der Vorsteherdrüse bei Männern oder der
Gebärmutter bei Frauen, auf die Blase über. Die erstern (primären) Geschwülste sind am häufigsten bei ältern Männern, sie
verursachen heftige krampfartige Schmerzen, dem Harn sind Blut, Eiter und zuweilen zottige Geschwulstteile beigemengt. Die
sekundären, namentlich die vom Uterus fortgeleiteten, Geschwülste neigen zu jauchigem Zerfall und zur Bildung großer
Blasenscheidenfisteln (s. Urinfistel).
5) Zerreißung der Harnblase kommt außer durch Schuß- oder Stichwunden in seltenen Fällen bei Männern vor, welche bei
gefüllter Harnblase fallen oder durch eine schwere Last in der Blasengegend heftig gedrückt werden, z. B. durch Überfahren etc. Der
Riß ist meist an der hintern Wand, glatt; alle bisher bekannten Fälle verliefen tödlich.
6) Die Lähmung der Harnblase ist niemals eine selbständige Krankheit, sie wird vielmehr entweder verursacht durch andauernde
Überfüllung der Harnblase, wobei die Muskeln, welche die Zusammenziehung bewirken, in den meisten Fällen vorher stark verdickt
sind, oder sie wird verursacht durch eine Entartung derjenigen Teile des Rückenmarks, von welchen die Innervation der Blase
ausgeht (zentrale Lähmung). Die erste Gruppe von Fällen betrifft meistens ältere Männer, welche an Vergrößerung der
Vorsteherdrüse (Blasengeschwülsten, Blasensteinen) oder Verengerung der Harnröhre leiden und deshalb ihren Harn nur schwer
und unvollständig entleeren. Die Blase wird dabei mehr und mehr unempfindlich; durch das starke Pressen bildet sich eine
Verdickung der Muskulatur aus, und wenn die Ausdehnung derselben andauernd an die
forlaufend Grenze ihrer Dehnbarkeit fortgesetzt wird, so erfolgen allmählich Erschlaffung und Lähmung. Die zweite, zentrale,
Lähmung wird beobachtet bei Quetschung und Verwundung des Lendenteils vom Rückenmark, bei Schußverletzungen,
Wirbelbrüchen und in den spätern Stadien der Rückenmarksschwindsucht (Tabes dorsalis). Die Gefahr der Harnblasenlähmung
beruht darin, daß sie eine tägliche Einführung des Katheters notwendig macht, wodurch sehr leicht Zersetzungen des in der Blase
sich anstauenden Urins eingeleitet werden, welche zu Blasenentzündung und nicht selten zu tödlicher Nierenbeckenentzündung
(Pyelonephritis) führt. Die Harnblasenlähmung bietet wenig Aussicht auf Heilung, die Behandlung richtet sich auf das Grundleiden,
sofern dieses einer Besserung zugänglich ist, wie z. B. Harnröhrenstrikturen, Blasensteine etc.
Ende Harnblase
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;8. Band, Seite 171 im Internet seit 2005; Text geprüft am 28.2.2010; publiziert von Peter Hug; Abruf am
3.11.2017 mit URL:
Weiter: http://peter-hug.ch/08_0172?Typ=PDF
Ende eLexikon.
Seite 2 / 2
Herunterladen