IT-Kompaktkurs 1-to-1 Marketing im Internet Prof. Dr. Michael Ponader 1-to-1 Marketing im Internet IT- Grundstudium Personal und Marketing Folge 13 1-to-1 Marketing im Internet One-to-One-Marketing, also die gezielte, individuelle Ansprache der Kunden – wieder nur ein neues Internet- Buzzword? Sicherlich sind Marktsegmentierung und die gezielte Ausgestaltung des Marketing-Mix im Hinblick auf die Bedürfnisse der relevanten Marktsegmente wesentliche Grundgedanken des Marketing. Das klassische Marketing, zumindest im Consumer-Bereich, ist aber im wesentlichen Massenmarketing: mehr oder weniger standardisierte Erzeugnisse, Kommunikation von Werbebotschaften über Massenmedien in gleicher Form. Der Supermarkt, den Sie betreten, sieht für alle Kunden gleich aus. Jeder sieht die gleichen Produkte, die gleichen Preise, die gleichen Verkaufsförderungsaktionen. Bei One-to-one-Marketing sprechen Sie jeden einzelnen Kunden gezielt an, Sie treten mit ihm in direkten Dialog. Wie wir noch sehen werden, ist es jedoch mehr als die individuelle Ansprache im Rahmen der Kommunikationspolitik. Es ist die Ausrichtung des gesamten Marketing-Mix auf den einzelnen Kunden. Daher statt One-to-many wie bisher, one-to-oneoder auch Segment-of-One-Marketing. Das Internet bietet hier neue Chancen zur Kundenbindung. Die Marketingaufwendungen je Online-Bestellung liegen um ein Vielfaches höher als bei einer Bestellung in der realen Welt. Noch mehr als hier gilt es, einen bestehenden Kunden zu halten und ihm zusätzliche Produkte zu verkaufen. Der Kundenbindung kommt also besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig ist im Internet aber die Schwelle, zu einem anderen Anbieter zu wechseln, wesentlich niedriger als in der realen Welt. Durch ein konsequentes One-to-One-Marketing können dem Kunden Vorteile geboten werden, die ihn an einen Anbieter binden. Zunächst gilt es, die strategische Grundausrichtung zu bestimmen. Man kann hierzu die Oneto-One-Strategiematrix von Peppers und Rogers verwenden. Für die Entwicklung der Strategie ist die Charakterisierung der Kunden erforderlich. Peppers und Rogers unterscheiden hier die zwei Dimensionen Kundenwert und Kundenbedarf. Prof. Dr. Michael Ponader 1 1-to-1 Marketing im Internet Der Wert eines Kunden für ein Unternehmen kann sehr unterschiedlich sein. Man kann hier den aktuellen Wert, also den Umsatz aus den aktuellen Bestellungen, sehen. Wesentlich wichtiger aber ist der Customer Life Time Value, also die Umsätze, die der Kunde insgesamt in Zukunft bei dem Unternehmen erzeugen wird. So gibt es Branchen, bei denen der Kundenwert, also der Customer Life Time Value, über alle Kunden relativ geringe Unterschiede aufweist. Bei anderen Produkten differieren der Customer Life Time Value und damit auch die Wertschöpfungsmöglichkeiten eines Unternehmens sehr stark, z.B. bei Airlines. Die zweite Dimension ist der Differenzierungsgrad der Kundenbedürfnisse. Also wie unterschiedlich sind die Anforderungen der Kunden an das Produkt und damit wie vielfältig sind die Ausprägungsformen des Produktes. Es gibt Produkte, bei denen sind die Kundenbedürfnisse relativ undifferenziert, bei anderen sind sie sehr unterschiedlich. Damit erhalten wir eine Matrix mit vier Feldern. Beispielsweise will man mit einer Fluggesellschaft letztendlich nur fliegen. Die Bedürfnisse sind also relativ undifferenziert. Der Kundenwert allerdings unterscheidet sich sehr stark. Denken Sie an einen Kunden, der alljährlich lediglich auf eine Mittelmeerinsel will , oder den Geschäftsreisenden, der vielleicht mehrmals wöchentlich Business Class fliegt. Auf der anderen Seite gibt es Produkte, bei denen der Kundenwert relativ gering differiert, die Kundenbedürfnisse allerdings sehr stark. Bei Büchern oder CDs sind der Wert der einzelnen Transaktionen und der Kundenwert eher einheitlich. Die Kundenbedürfnisse und damit auch die Produktauswahl allerdings wesentlich vielfältiger. Große Unterschiede beim Kundenwert und den Kundenbedürfnissen gibt es z.B. bei Computern, Immobilien und Finanzmarktprodukten. Bei undifferenzierten Bedarfen und sehr unterschiedlichem Kundenwert kommt dem Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung zu den wertvollen Kunden besondere Bedeutung zu. Denken Sie hier z.B. an die Miles and More-Programme der Airlines oder begleitende Serviceleistungen, wie der Check- In über die Website der Airline. Eine andere Möglichkeit wäre der Aufbau eines Key Account Management im Vertrieb. In dem Quadranten mit geringem Kundenwert, aber differenzierten Bedürfnissen bietet das Produkt selbst den wesentlichen Ansatzpunkt. Es kommt darauf an, mit einem differenzierten Produktangebot den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden Rechnung zu tragen. Prof. Dr. Michael Ponader 2 1-to-1 Marketing im Internet Konsequent ausgestaltet spricht man hier von Mass Customization, also kundenindividueller Fertigung von Massenerzeugnissen. Das heißt also, dass die CDs oder die Jeans nicht von der Stange gekauft werden, sondern das diese Produkte individuell nach den Kundenwünschen angefertigt werden. Eine besondere Herausforderung besteht darin, diese Differenzierung mit möglichst geringen Mehrkosten zu erreichen, denn der Wert der einzelnen Transaktion bzw. die Bereitschaft, dafür auch mehr zu bezahlen, ist gering. Wirkliches one-to-one-Marketing ist am einfachsten und effizientesten in dem Quadranten rechts oben, also sehr unterschiedliche Kundenbedürfnisse bei sehr unterschiedlichem Kundenwert, zu realisieren. Denken Sie nur an Unternehmen , die Computer in einigen tausend Varianten an Kunden verkaufen, die Privatkunden, aber auch der Einkäufer eines Großunternehmens sein können. Es müssen aber bestimmte Voraussetzungen im Unternehmen erfüllt sein, damit man solche Strategien einsetzen kann. Welche das sind, sehen wir auf der linken und der unteren Seite der Matrix. Im Bereich der Mass Customization kommt der Flexibilität in Produktion und Logistik besondere Bedeutung zu. Die andere Dimension bezieht sich stärker auf die Unternehmenskommunikation. Hier kommt es darauf an, Marketingkommunikation, Customer Service und alle Formen der Kundeninteraktion zu integrieren. Es ist wichtig, mit dem Kunden in Dialog zu treten, Feedback von ihm zu bekommen, um über ihn zu lernen und ihn gezielter ansprechen zu können. Der Kunde muß darüber hinaus von der Holschuld für die von ihm benötigten Informationen befreit werden. Die Kundeninteraktionen müssen natürlich alle festgehalten und zugreifbar sein. Der Dialog mit einem bestimmten Kunden heute muss auf dem Stand der Kommunikation mit diesem Kunden von gestern aufsetzen. Für ein one-to-one-Marketing-System muß zunächst festgelegt werden, was individualisiert werden soll. Dann benötigt man natürlich Kriterien, aus denen für den einzelnen Benutzer abgeleitet werden kann, was für ihn relevant ist. Beides muß kombiniert, gematcht werden, um das individualisierte Angebot zu generieren. Man kann den Inhalt einer Website individualisieren. Welche Informationen aus welchen Themengebieten für welche Zielgruppen angezeigt werden usw. Oder auch wie ausführlich Informationen angezeigt werden. Dann natürlich auch, welche Produkte werden angezeigt bzw. empfohlen, mit welchem Preis oder welcher Werbung. Prof. Dr. Michael Ponader 3 1-to-1 Marketing im Internet Der andere Aspekt ist das Design einer Site. Die Anpassung von Farben, Anordnung der Inhalte am Bildschirm, Verwendung unterschiedlicher Medien für die Aufbereitung der Information. Eine Website kann aber auch unterschiedlichen Zielgruppen unterschiedliche Funktionen anbieten. Z.B. Bestell- oder Tracking-Funktionalität, die auf einer btob-Website nur für die Kunden des Unternehmens verfügbar ist. Dies kann schnell sehr aufwendig werden, denn es müssen z.B. unterschiedliche Informationen gepflegt werden. Ein Teil dieser Informationen existiert sicherlich in bestehenden Datenbanken, wie Artikelbezeichnung, Preise, Verfügbarkeiten. Ein anderer Teil muß eigens für die Website erstellt und permanent aktualisiert werden. Um Empfehlungen generieren zu können, müssen Komplementär-/Substitutionsbeziehungen zwischen Produkten oder Kundenbewertungen abgelegt sein. Neben den eigentlichen Inhalten benötigen die einzelnen Bestandteile natürlich auch entsprechende Metadaten. Die einzelnen Bestandteile, also Informationen, Funktionen, müssen natürlich entsprechend gekennzeichnet sein: Also für welche Kundengruppen ist diese Funktion verfügbar. Oder für welche Interessensgebiete ist eine Information relevant. Dies ist erforderlich für das Matching, also die Zuordnung der Bestandteile einer Website zu den einzelnen Benutzern. Wesentliche Grundlage für die Individualisierung sind Benutzerprofile. Man unterscheidet explizite und implizite Profile. Bei expliziten Profilen werden die Kriterien unmittelbar bei Ihnen erfragt und im System abgelegt oder z.B. von Mitarbeitern des Unternehmens eingegeben. Also z.B. welcher Kundengruppe oder Zielgruppe Sie angehören, aus welcher Region kommen Sie. Oder Sie können auf einer Seite des Webangebotes angeben, an welchen Themen/Produkten Sie Interesse haben. Oder Sie nehmen Produktbewertungen vor, also wie gut gefällt Ihnen ein Produkt, wie gut hat Ihnen eine Information weitergeholfen. Implizite Profile entstehen, indem Sie das Angebot benutzen. Es werden also Ihre Interaktionen mit dem System festgehalten. Also welche Seiten haben Sie sich angesehen bzw. welche Produkte haben Sie gekauft. Prof. Dr. Michael Ponader 4 1-to-1 Marketing im Internet Wesentliche Grundlage für die Individualisierung sind Benutzerprofile. Man unterscheidet explizite und implizite Profile. Bei expliziten Profilen werden die Kriterien unmittelbar bei Ihnen erfragt und im System abgelegt oder z.B. von Mitarbeitern des Unternehmens eingegeben. Also z.B. welcher Kundengruppe oder Zielgruppe Sie angehören, aus welcher Region kommen Sie. Oder, wie Sie sagten, Sie können auf einer Seite des Webangebotes angeben, an welchen Themen/Produkten Sie Interesse haben. Oder Sie nehmen Produktbewertungen vor, also wie gut gefällt Ihnen ein Produkt, wie gut hat Ihnen eine Information weitergeholfen. Implizite Profile entstehen, indem Sie das Angebot benutzen. Es werden also Ihre Interaktionen mit dem System festgehalten. Also welche Seiten haben Sie sich angesehen bzw. welche Produkte haben Sie gekauft. Der Betreiber einer Website muß hierbei natürlich die entsprechenden Gesetze beachten, in denen das Thema Datenschutz geregelt ist, z.B. das Teledienstedatenschutzgesetz. Gehen wir zunächst noch etwas genauer auf den Aspekt der Informationssteuerung ein. Wie wir hier auf dieser Folie sehen, reicht diese über mehrere Ebenen. Zunächst einmal müssen Sie als Informationsanbieter festlegen, wer welche Informationen zu sehen bekommt. Sie wollen sicherlich Ihren Kunden andere Informationen bieten als den Noch-Nicht-Kunden, die Ihre Site besuchen. Ein SW-Hersteller wird seinen SW-Partnern detaillierte Informationen zu Schnittstellen usw. zur Verfügung stellen. Für Noch-Nicht-Partner werden Sie eher allgemeine Informationen über Form und Konditionen der Zusammenarbeit bereitstellen. Dies wäre dann die Ausgangsmenge an Informationen für Ihre Kunden. Stellen Sie sich einen gebührenpflichtigen Informationsdienst vor, den ein Unternehmen abonniert. Aus Kostengründen wird man nicht allen Mitarbeitern im Unternehmen, also den Endbenutzern, alle Informationen anbieten. D.h., daß unter Umständen im Kundenunternehmen jemand festlegen muß, welche Mitarbeitergruppen welche Informationen aus der Gesamtmenge zu sehen bekommen. Damit wird die Informationsmenge weiter eingeschränkt. Innerhalb der verbleibenden Informationsmenge kann dann der Endbenutzer sagen, woran er besonders interessiert ist, und worauf er z.B. bei Neuerungen per Mail hingewiesen werden möchte. Prof. Dr. Michael Ponader 5 1-to-1 Marketing im Internet Für alle diese Ebenen müssen die erforderlichen Metainformationen angelegt und gepflegt werden. Und es müssen die Benutzeroberflächen vorhanden sein, mit denen jeder innerhalb seiner Kompetenzen das System an seine Bedürfnisse anpassen kann. Viele Portale bieten ihren Kunden Individualisierungsmöglichkeiten. Dies ist eine Einstiegsseite, wie sie entsprechend der Benutzerpräferenzen nach dem Login generiert wird. Ich habe die Einstiegsseite so eingestellt, dass links aktuelle Aktienkurse und rechts aktuelle politische Meldungen angezeigt werden. Sie können unterschiedliche Farbschemata auswählen oder individuell festlegen, welche Farbe Links, Überschriften, Text oder der Hintergrund haben sollen. Sie können auswählen, welche Inhaltsmodule, z.B. Börseninfos, Wetter, aktuelle Nachrichten und welche Themengebiete innerhalb dieser Module angezeigt werden sollen. Oder Sie können das Bildschirmlayout steuern, wie wir hier auf diesem Screenshot sehen. Also, wie breit sollen die Spalten sein, in welcher Reihenfolge sollen die Inhaltsmodule angezeigt werden. Wenn Sie es bevorzugen, können Sie auch eine dreispaltige Ansicht wählen. Eine derartig personalisierte Website ist technisch wesentlich aufwendiger als eine statische. Der Vorteil aber ist hier die Kundenbindung, die dadurch erreicht wird. Wenn Sie sich diese Einstiegsseite entsprechend Ihrer Bedürfnisse gestaltet haben, werden Sie diese immer wieder ansteuern. Bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter müßten Sie das Customizen der Seite erneut vornehmen. So hat sich in einigen Untersuchungen gezeigt, daß die Kundentreue bei Suchmaschinen, die eine derartige Personalisierungsmöglichkeit anbieten, wesentlich höher ist als bei Suchmaschinen ohne diese Funktionalität. Um Ihnen individualisierte Informationen anbieten oder Produktempfehlungen machen zu können, dazu benötigt ein Anbieter natürlich Informationen über Sie. Je umfangreicher diese Informationen sind, umso besser die Empfehlungen. Wie bereits besprochen muss der Betreiber einer Website natürlich die entsprechenden Gesetze beachten. Wenn Sie an Mass Customization denken, so ist hier natürlich eine extrem flexible Produktion und Logistik erforderlich. Die Produkte müssen entsprechend modularisiert sein. In der Fertigung müssen konkrete Aufträge über ähnliche Produkte gebündelt werden. Hierfür brauchen Sie die erforderlichen Planungsmechanismen. Prof. Dr. Michael Ponader 6 1-to-1 Marketing im Internet Eine individualisierte Website kann natürlich nicht als statische HTML-Seiten abgelegt werden. Je nachdem, welcher Benutzer kommt, werden andere Inhalte mit vielleicht anderem Layout angezeigt. Die Seiten werden also realtime aus verschiedenen Elementen, die meist aus einer Datenbank geholt werden, zusammengebaut und dann zu Ihrem Client geschickt. Das ist für den Server natürlich eine wesentlich größere Belastung als das Zurückschicken einer statischen HTML-Seite. Daher versucht man hier meistens einen Kompromiss zu finden und nur einen Teil der Seiten dynamisch zu erzeugen und soviel wie möglich als statische Seiten abzubilden. Darüber hinaus fällt auch redaktioneller Mehraufwand an. Wenn Sie gleiche Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedlich aufbereiten wollen , dann muß diese Inhalte natürlich jemand erstellen. Wenn Sie nicht nur eine Standardproduktbeschreibung, sondern eine Kurzversion und eine ausführlichere Version anbieten möchten, verursacht dies natürlich Mehraufwand. Neben der Erstellung der Inhalte selbst müssen die Redakteure natürlich auch alle Metainformationen anlegen und pflegen. Also für welche Zielgruppen ist eine Information, welchen Themengebieten ist diese Information zugeordnet. Ohne diese Metainformationen ist später kein Matching möglich. Literatur Peppers, D., Rogers, M., Enterprise One to One, New York u.a. 1997 www.yahoo.de www.mass-customization.de Prof. Dr. Michael Ponader 7