Mehl • Lincoln T H E R A P I E -TO O L S Psychosen E-BOOK INSIDE + ARBEITSMATERIAL ONLINE-MATERIAL Mehl / Lincoln Therapie-Tools Psychosen Stephanie Mehl / Tania Lincoln Therapie-Tools Psychosen Mit Arbeitsmaterialien Anschrift der Autorinnen: Dr. Stephanie Mehl Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Marburg Rudolf-Bultmann-Straße 8 35039 Marburg E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Tania Lincoln Arbeitsbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie Institut für Psychologie Universität Hamburg Von-Melle-Park 5 20146 Hamburg E-Mail: [email protected] Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich (ISBN 978-3-621-28155-3). Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. Haftungshinweis: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich. 1. Auflage 2014 © Beltz Verlag, Weinheim, Basel 2014 Programm PVU Psychologie Verlags Union http://www.beltz.de Lektorat: Andrea Schrameyer, Karin Ohms Herstellung: Sonja Frank Gestaltungs- und Iconkonzept: David Wolpert, Julian Zimmermann, Mannheim Umschlagsgestaltung: Sonja Frank Satz: Satzkiste GmbH, Stuttgart E-Book ISBN 978-3-621-28204-8 Inhalt Vorwort 7 1 Einführung 9 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau Einstieg in die Behandlung: Rahmenbedingungen Ablauf der Behandlung Besonderheiten in der Gestaltung der therapeutischen Beziehung Allgemeiner Ablauf einer therapeutischen Sitzung Erstgespräch 17 17 17 17 23 25 3 3.1 3.2 42 42 3.6 Diagnostik Einführung Erfassung relevanter Symptome, Entstehungsbedingungen und aufrechterhaltender Bedingungen Stellen/Überprüfen der Diagnose Diagnostik zur Unterstützung einer erfolgreichen Therapieplanung Nachbereitung der diagnostischen Phase für Therapeuten: kognitiv-verhaltenstherapeutische Fallkonzeptionalisierung Informationen über die Psychose/die Schizophrenie vermitteln 4 4.1 4.2 4.3 Therapievorbereitung: Therapieziele und Arbeitsmodelle Einführung in die Erarbeitung von Therapiezielen Einführung in die Entwicklung eines Problemmodells Kriterien für die Auswahl und Einführung der Problemmodelle 77 77 79 82 4.4 Therapeutische Haltung und therapeutisches Vorgehen während der Erarbeitung des Problemmodells 86 3.3 3.4 3.5 5 5.1 5.2 5.3 Emotionale Stabilisierung, Verbesserung der Stimmung und Reduktion der Negativsymptomatik Einführung Interventionsstrategien Therapeutisches Vorgehen/Einsatz der Arbeitsblätter 42 44 44 48 50 116 116 116 117 Inhalt /5 6/ Inhalt 6 6.1 6.2 Umgang mit Wahn und Halluzinationen Einführung Interventionsstrategien 163 163 163 7 7.1 7.2 Veränderung dysfunktionaler Grundüberzeugungen Einführung Diagnostik dysfunktionaler Grundüberzeugungen 208 208 208 8 8.1 8.2 Akzeptanz- und Achtsamkeitsstrategien Einführung Vorgehen 220 220 220 9 9.1 9.2 9.3 Rückfallprävention Einführung Vorgehen Abschied 234 234 234 238 Übersicht Arbeitsblätter Literatur 261 265 VORWORT Bei Patienten mit Psychosen bieten sich zahlreiche Ansatzpunkte für psychotherapeutische Interventionen. Die Patienten sind aufgrund ihrer Symptome wie Angst vor der Verfolgung, Halluzinationen, Denkstörungen, Traurigkeit und Antriebsprobleme deutlich belastet, was sich oft auch negativ auf ihre Lebensqualität auswirkt. Häufig kommen Probleme im Familien- und Freundeskreis hinzu, da die Angehörigen und Freunde vergeblich versuchen, die Patienten davon zu überzeugen, dass ihre Überzeugungen und Befürchtungen nicht realistisch sind. Nicht selten unterschätzen sie die Antriebsprobleme der Patienten in ihrem Schweregrad und reagieren frustriert, wenn es ihnen nicht gelingt, die Patienten zu motivieren. Zusätzlich bestehen nach Abklingen der ersten psychotischen Episode Folgeprobleme wie z. B. Probleme mit Konzentration und Gedächtnis, die zu Schwierigkeiten in der Weiterführung von Schulausbildung oder Studium führen können. Somit können die Patienten aufgrund der Störung viele Vorhaben, Pläne und Lebensträume nicht verwirklichen und verlieren manchmal den Kontakt zu ihrem sozialen Umfeld. Die zahlreichen Probleme der Patienten resultieren häufig in Hoffnungslosigkeit, trauriger Stimmung oder Depression und einem erhöhten Suizidrisiko. Viele Betroffene haben Vorbehalte, Hilfe von Psychiatern oder Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen, da sie sich durch die Annahme der Hilfe als »verrückt« stigmatisiert fühlen. Manchmal erleben die Patienten zudem, dass aufgrund des niedrigen Personalschlüssels wenige Möglichkeiten bestehen, länger über persönliche Probleme zu sprechen. Nicht selten werden Probleme der Patienten mit dem Hinweis auf biologische Ursachen erklärt. Entsprechend wird ihnen als einzige Behandlungsoption die jahrelange Einnahme antipsychotischer Medikation empfohlen. Erfreulicherweise besteht nun in Form von Kognitiver Verhaltenstherapie für Patienten mit Psychosen ein relativ gut etabliertes Verfahren, dessen Effektivität durch über 40 randomisiertkontrollierte Wirksamkeitsstudien und mehrere Metaanalysen belegt ist. Entsprechend wird Kognitive Verhaltenstherapie in nationalen und internationalen Behandlungsleitlinien für alle Phasen der Psychose empfohlen. Wir haben inzwischen umfangreiche Erfahrungen mit dem Therapieansatz im ambulanten sowie im stationären Setting sammeln können. Dabei waren und sind wir immer wieder überrascht, wie schnell es häufig gelingt, auch zu sehr misstrauischen Patienten, die sehr negative Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht haben, eine gute Therapiebeziehung aufzubauen. Zusätzlich erhält man häufig sehr persönliche Einblicke in eine ganz ungewöhnliche Erlebens- und Erfahrungswelt. Es ist sehr motivierend zu erleben, dass psychotherapeutische Interventionen auch bei dieser durch Stigmatisierung und Folgeprobleme der Störung sehr belasteten Patientengruppe wirken können. Wir haben uns daher sehr gefreut, die Anfrage des Beltz-Verlags für die Entwicklung von Therapie-Tools für Patienten mit Psychosen zu erhalten. Für kognitiv-behavioral ausgerichtete Therapeuten dürften die meisten den Arbeitsblättern zugrunde liegenden Interventionen aus der Behandlung von anderen psychischen Störungen (Angststörungen, Depression etc.), aus psychose-spezifischen Workshops oder einschlägigen Manualen grundsätzlich bekannt sein. Wir wünschen uns, dass die Therapie-Tools Ihnen die psychotherapeutische Arbeit mit Ihren Patienten erleichtern und Sie motivieren, die auf den Arbeitsblättern beschriebenen Interventionen kreativ in Ihrer Praxis umzusetzen. Vorwort /7 Aufbau des Buches Das erste Kapitel bietet zunächst eine Einführung in die verschiedenen psychotherapeutischen Techniken bei Patienten mit Psychosen sowie eine kurze Vorstellung aktueller Interventionsstudien und Metaanalysen. Das zweite Kapitel führt in den Aufbau der therapeutischen Beziehung mit Patienten mit Psychosen ein und bietet Arbeitsblätter zum Umgang mit möglichen Problemen sowie zur Vorbereitung der Therapie. Das diagnostische Vorgehen wird in Kapitel 3 thematisiert. Einen besonderen Fokus legten wir dabei auf die für die Therapieplanung relevante Diagnostik. Kapitel 4 stellt Arbeitsblätter zur Erarbeitung eines individuellen Problemmodells, zur Festlegung der Therapieziele sowie zur Vorstellung der geplanten psychotherapeutischen Schritte vor. In Kapitel 5 werden Arbeitsblätter zur emotionalen Stabilisierung und zur Veränderung von trauriger Stimmung, Grübeln, Schlafproblemen und Negativsymptomatik vorgestellt. Kapitel 6 widmet sich der Veränderung dysfunktionaler Überzeugungen durch kognitive Interventionen und Verhaltensexperimente. Dies sind meist Wahnüberzeugungen oder dysfunktionale Überzeugungen über Stimmen, die Arbeitsblätter können aber auch für andere dysfunktionale Überzeugungen verwendet werden. Kapitel 7 sind Arbeitsblätter zur Veränderung dysfunktionaler Grundüberzeugungen und Schemata zu entnehmen. Achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Interventionen finden sich auf den Arbeitsblättern in Kapitel 8. Kapitel 9 beinhaltet Arbeitsblätter zum Umgang mit Problemen mit der antipsychotischen Medikation, zur Prävention von Rückfällen und zum Abschluss der Therapie. Danksagung An der Entstehung der Materialien haben zahlreiche Menschen mitgewirkt, wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bei ihnen bedanken. Besonders bedanken wir uns bei allen Patientinnen und Patienten für ihr hilfreiches Feedback zu den Arbeitsmaterialien. Wir möchten uns gerne bei Prof. Dr. Winfried Rief und seiner Arbeitsgruppe für die positive Unterstützung bei der Durchführung der Praxisstudien herzlich bedanken, in denen wir viele Erfahrungen gemacht haben, die nun in die vorgelegten Arbeitsblätter einfließen. Bedanken möchten wir uns ebenfalls bei Prof. Dr. Tilo Kircher, Prof. Dr. Michael Wagner, PD Dr. Dirk Leube, Dr. Monika Frank, Dr. Irina Falkenberg sowie den stationären Therapeutenteams der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Marburg für fundiertes klinisches Feedback zur Umsetzbarkeit der Arbeitsmaterialien im stationären Setting. Unser besonderer Dank gilt Prof. Dr. Reinhard Maß und Prof. Dr. Steffen Moritz, deren Testverfahren wir verwenden durften. Ferner danken wir Prof. Dr. Buchanan und Prof. Dr. Morrison für die Abdruckgenehmigungen ihrer Arbeiten bzw. der übersetzten Manuale. Andrea Schrameyer und Karin Ohms vom Beltz-Verlag danken wir herzlich für die hilfreichen Verbesserungsvorschläge zum Aufbau des Buches. Marburg und Hamburg, Mai 2014 8/ Vorwort Stephanie Mehl Tania Lincoln KAPITEL 1 Einführung Personen, die eine Psychose entwickeln (Schizophrenie, Schizoaffektive Störung, Bipolare Störung, Wahnhafte Störung, Kurze psychotische Störung) gehören zu der Patientengruppe, die besonders stark unter den sozialen Folgen ihrer psychischen Störung leidet. Symptome der Störung wie C Wahnideen, C Halluzinationen, C Veränderungen der Sprache, C Verlust der Motivation oder des Interesses an ihrer Umwelt begünstigen Probleme im Familienkreis, mit Freunden und Bekannten. Diese entstehen z. B., weil Angehörige und Freunde versuchen, den Patienten1 davon zu überzeugen, dass sie nicht verfolgt werden oder weil Patienten sich aufgrund der Angst vor Verfolgung oder der Belastung durch die Halluzinationen zurückziehen. Die Probleme des Patienten, sich zu Aktivitäten zu motivieren, sind häufig ebenfalls Streitthema in Familien oder Wohngemeinschaften, da die Familie oder der Freundes- und Bekanntenkreis annehmen, dass der Patient die Antriebsprobleme leicht durch eigene Kraft überwinden kann (»Er muss sich nur aufraffen«). Auch die Aufnahme einer medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung ist für viele Patienten unangenehm, da sie sich z. B. dafür schämen, Hilfe von Psychiatern, Psychotherapeuten oder psychiatrischen Kliniken in Anspruch zu nehmen und sich als »verrückt« stigmatisiert fühlen. In den Behandlungsinstitutionen erleben Patienten häufig, dass aufgrund des niedrigen Personalschlüssels wenige Möglichkeiten bestehen, länger über persönliche Probleme (z. B. Ängste, Konflikte) zu sprechen. Nach Ängsten vor Verfolgung oder aufgrund von Stimmen wird eher selten gefragt, da viele Behandler noch immer annehmen, dass das Gespräch mit den Patienten über deren individuelle Erfahrungen und Ängste dazu führt, dass die Wahnsymptomatik zunehmen könnte bzw. die Halluzinationen stärker werden könnten. Die Patienten erleben also oft, dass die Behandler sich scheuen, mit ihnen über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen, und diese stattdessen relativ schnell als Symptome einer Schizophrenie klassifizieren. Medikamentöse Behandlung und/oder Psychotherapie? Viele Behandler versuchen, die Einsicht der Patienten in ihre »Erkrankung« sowie deren Akzeptanz zu fördern und präsentieren den Patienten häufig die medikamentöse Behandlung sowie sozialpsychiatrische Hilfen als einzige Behandlungsformen. Dabei ist die medikamentöse Behandlung in dieser Patientengruppe nicht immer suffizient. Die Responderrate liegt – genau wie bei internistischer Medikation für chronische Erkrankungen (Diabetes, Hypercholesterinämie, Hypertonie, etc.) – in Metaanalysen nur bei etwa 40 Prozent (Leucht et al., 2008). Ein Großteil der Patienten reduziert im Zeitverlauf entweder eigenverantwortlich die Dosis der antipsychotischen Medikation oder nimmt diese nicht mehr ein. Die medikamentöse Non-Compliance liegt etwa bei 40 bis 70 Prozent (Goff, 2011). Meist steht diese mit unangenehmen oder nicht 1 Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Form verwendet. KAPITEL 1 Einführung /9 tolerierbaren Nebenwirkungen der antipsychotischen Medikation (Kao & Liu, 2010), mit der Überzeugung, dass psychologische Faktoren und nicht biologische Faktoren zu der Entwicklung der Störung führten (Wiesjahn et al., 2014) sowie mit Positivsymptomen (Beeinträchtigungswahn in Bezug auf den behandelnden Arzt; Stimmen, die Befehle geben), Negativsymptomen (Antriebsmangel) oder anderen Symptomen einer psychischen Erkrankung in Beziehung (Donohoe et al., 2001; Kao & Liu, 2010; Wiesjahn et al., 2014). Die unregelmäßige Medikamenteneinnahme oder das spontane Absetzen führen häufig zu einer erneuten psychotischen Episode (Mason et al., 1996), die unter Umständen auch mit zusätzlichen neuropsychologischen Funktionseinschränkungen und sozialen Problemen verbunden sein kann und die Reintegration der Betroffenen in ihren Alltag und die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt erschweren kann. Etwa bei der Hälfte der Patienten bestehen ebenfalls andere komorbide psychische Störungen (z. B. Panikstörung mit/ohne Agoraphobie, Depressionen, Zwangsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Suchterkrankungen; Buckley et al., 2009), die Patienten benötigen häufig für diese Störungen ebenfalls eine psychotherapeutische Behandlung (Donohoe et al., 2001). Vor diesem Hintergrund erscheint es dringend notwendig, für Patienten mit Psychosen zusätzlich zu der medikamentösen Behandlung und sozialtherapeutischen Interventionen auch Kognitive Verhaltenstherapie anzubieten. Diese beinhaltet den Aufbau einer tragfähigen Beziehung mittels gesprächstherapeutischer Techniken und einer empathischen und entpathologisierenden Haltung, die Entwicklung individueller Erklärungsmodelle für psychotische Symptome, die Vermittlung von Strategien zum Umgang mit belastenden Symptomen, die gezielte Umstrukturierung wahnhafter Überzeugungen und zugrundeliegender dysfunktionaler Überzeugungen sowie Interventionen zur Rückfallprävention (Lincoln, 2014). Kognitive Verhaltenstherapie für Psychosen erwies sich in Metaanalysen als Behandlungsmethode in Kombination mit antipsychotischer Medikation als erfolgreich. Positivsymptomatik, Negativsymptomatik und das allgemeine soziale Funktionsniveau verbessern sich, depressive Symptome werden reduziert und die Wahrscheinlichkeit für eine stationäre Wiederaufnahme wird gesenkt (Wykes et al., 2008). In einer ersten Pilotstudie und einer randomisiert-kontrollierten Studie war KVT auch bei Patienten, die zusätzlich keine antipsychotische Medikation erhielten, sogar wirksamer als eine Standardbehandlung (Morrison et al., 2012, 2014). Auch im deutschsprachigen Raum wurden aktuell zwei Wirksamkeitsstudien erfolgreich abgeschlossen. Kognitive Verhaltenstherapie zeigte sich in einer multizentrischen Studie (»PositiveStudie«: Klingberg et al., 2010, 2011) bei ambulanten Patienten mit persistierender Positivsymptomatik als wirksamer in Vergleich zu einer unspezifischen supportiven Psychotherapie. In der zweiten randomisiert-kontrollierten Studie (Lincoln et al., 2012) erwies sich Kognitive Verhaltenstherapie auch in der ambulanten psychotherapeutischen Routine-Versorgung als wirksamer, machbarer und empfehlenswerter Ansatz. 10 / KAPITEL 1 Einführung Aktuelle Weiterentwicklungen des KVT-Ansatzes für die Behandlung von Psychosen Kognitive Verhaltenstherapie für Patienten mit Psychosen befindet sich in einem stetigen Weiterentwicklungsprozess. Damit ist die Hoffnung verbunden, die Effektivität des Ansatzes weiter steigern zu können. Dies soll einerseits über ein besseres Verständnis der Entstehung und Aufrechterhaltung der psychotischen Symptome erfolgen, andererseits durch die Entwicklung spezifischerer Interventionen für spezifische Zielgruppen. Ein aktueller Fokus der Weiterentwicklung Kognitiver Verhaltenstherapie liegt auf der Verbesserung des Behandlungserfolgs für Patienten mit Negativsymptomatik. Unter Verwendung eines für diese Gruppe adaptierten individualisierten Ansatzes konnten in einer Studie der Arbeitsgruppe um A.T. Beck (Grant et al., 2012) sogar Patienten mit ausgeprägter Negativsymptomatik, niedrigem sozialen Funktionsniveau und ausgeprägten neuropsychologischen Defiziten über 18 Monate erfolgreich behandelt werden. Ähnliche Ergebnisse konnten in einer ersten Pilotstudie auch mit einer kürzeren Behandlungsdauer erreicht werden (Staring et al., 2013). Andere Forschergruppen haben sich auf die Wirksamkeit spezifischer kognitiv-behavioraler Interventionen für Wahn konzentriert. Sie konnten zeigen, dass z. B. Interventionen zur Reduktion des Grübelverhaltens (Foster et al., 2010), zur Verbesserung der Schlafqualität (Freeman et al., 2013) oder Interventionen zur Reduktion spezifischer kognitiver Denkverzerrungen (Reasoning training: Ross et al., 2011) zu einer Reduktion von Wahn führten. Zusätzlich wurden spezifische Interventionen für komorbide psychische Erkrankungen entwickelt und in ihrer Wirksamkeit untersucht, z. B. narrative Kognitive Verhaltenstherapie (Jackson et al., 2009, 2011) oder expositionsbasierte Kognitive Verhaltenstherapie für Patienten mit Psychosen und komorbider Posttraumatischer Belastungsstörung (de Bont et al., 2013; van den Berg & van der Gaag, 2012). Die »dritte Welle« der Verhaltenstherapie in der Psychosenbehandlung Neben der Weiterentwicklung klassischer KVT-Ansätze wurden im letzten Jahrzehnt Interventionen und Therapien entwickelt und in ihrer Wirksamkeit getestet, die der sogenannten »dritten Welle« der Verhaltenstherapie zuzurechnen sind (Hayes, 2004). Gemeinsam ist diesen Therapieansätzen, dass ungünstige automatische Gedanken nicht mehr direkt durch kognitive Interventionen und Verhaltensexperimente verändert werden, sondern dass den Patienten zunächst Strategien zum verbesserten Umgang mit den dysfunktionalen Gedanken vermittelt werden. Ziel der Interventionen ist es, dass die Patienten (metakognitive) Einsichten über eigene dysfunktionale Gedanken oder Symptome erlangen und weniger automatisiert auf diese reagieren. Häufig wird dies durch das Training von Achtsamkeit erreicht, einer bestimmten Form der Aufmerksamkeit, die bewusst auf den aktuellen Moment gerichtet, aber nicht bewertend ist (Kabat-Zinn & Kappen, 2013). Zu diesen neuen Therapien wird z. B. die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Verhaltenstherapie (Mindfulness based Cognitive Therapy, MBCT) gezählt (Teasdale et al., 2000; Segal et al., 2002), in der den Patienten Akzeptanz für die belastenden Symptome vermittelt wird. Zusätzlich werden Meditationstechniken eingeübt, die dazu dienen, Achtsamkeit zu trainieren und die eigene AufKAPITEL 1 Einführung / 11 merksamkeit gezielt steuern zu können. Im Bereich der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie implementierte Chadwick (2006) in der sogenannten »Person-based Cognitive Therapy« Techniken der achtsamkeitsbasierten Therapie und kombinierte diese mit Elementen der Gesprächspsychotherapie nach Rogers (1961) und klassischen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Techniken. Neben Techniken zur Veränderung dysfunktionaler Bewertungen (z. B. die ABCSchema- Technik) werden mit den Patienten Achtsamkeitstechniken trainiert, um sie darin zu unterstützen, weniger dysfunktional auf störende und belastende Symptome (z. B. Stimmen) zu reagieren. Zusätzlich werden schematherapeutische Interventionen wie Dialoge mit leeren Stühlen eingesetzt, um z. B. dysfunktionale Schemata der Patienten in deren gedanklicher Interaktion mit den Stimmen zu identifizieren und das Selbstbewusstsein der Patienten gegenüber den Stimmen sowie die Beziehung der Patienten zu ihnen zu verbessern. Weitere Interventionen konzentrieren sich auf den negativen Selbstwert der Patienten. Ziel dieser Interventionen ist es, dass Patienten metakognitives Wissen darüber erwerben, in welchen Situationen bei ihnen negative Selbstschemata aktiviert werden und wie sie diese Aktivierung erkennen können. Ebenfalls werden Möglichkeiten erarbeitet, positiven Selbstschemata mehr Raum im Leben der Patienten zu geben. Die »Person-based Cognitive Therapy« erwies sich in einer ersten Pilotstudie als wirksam (Dannahy et al., 2011), weitere Analysen ihrer Effektivität im Rahmen von randomisiert-kontrollierten Studien stehen noch aus. Ziel der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT; Hayes et al., 1999) ist es, Patienten eine höhere Toleranz und eine akzeptierende Haltung für ihre Symptomatik zu vermitteln. Dies erfolgt durch Meditationsübungen, in denen die Patienten erproben, auf dysfunktionale Gedanken nicht emotional zu reagieren, sondern diese »an sich vorbeiziehen zu lassen«. Zusätzlich werden wichtige Lebensziele thematisiert und die Patienten werden motiviert, diese Lebensziele trotz störender Symptome und belastender Gedanken zu realisieren. In einer randomisiert-kontrollierten Untersuchung war eine vierstündige Therapie im Vergleich zu einer Wartebedingung bei stationären Patienten mit Schizophrenie sowohl in der Symptomreduktion als auch in der Prävention von stationären Wiederaufnahmen erfolgreich (Bach & Hayes, 2002; Bach et al., 2012; Gaudiano & Herbert, 2006), jedoch stehen weitere Replikationen noch aus. Die Grundidee der »Compassion-focused Therapy« bzw. des »Compassionate Mind Training« (Gilbert, 2010), das sehr gut mit klassischer Kognitiver Verhaltenstherapie kombiniert werden kann, besteht darin, die Beziehung der Patienten zu sich selbst zu verbessern, indem Scham und Selbstkritik reduziert werden. Den Patienten werden Techniken vermittelt, um mehr Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln, sensibler mit sich selbst umzugehen und eigene Bedürfnisse besser wahrzunehmen und zu realisieren. Zu diesem Zweck werden klassische kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken (z. B. der sokratische Dialog), aber auch imaginative Interventionen eingesetzt (z. B. wird durch imaginative Verfahren das Bild des »inneren Kritikers« positiv verändert). Der Ansatz erwies sich in einer Pilotstudie mit Patienten mit akuter Symptomatik im Gruppensetting (Laithwaite et al., 2009) und in einer randomisiert-kontrollierten Studie als wirksam (Braehler et al., 2013). In einer Studie an gesunden Teilnehmern konnte zudem gezeigt werden, dass eine einzige kurze Intervention aus der Compassion-focused Therapy geeignet war, um paranoide Gedanken zu reduzieren, und dass dieser Effekt über einen Rückgang negativer Emotionen vermittelt wurde (Lincoln et al., 2013). Da viele Patienten mit Psychosen unter 12 / KAPITEL 1 Einführung Schwierigkeiten der Emotionsregulation (Livingstone et al., 2009) und unter negativen Selbstschemata und einem geringen Selbstwert leiden (Kesting & Lincoln, 2013; Thewissen et al., 2008, 2011), scheint dies ein erfolgversprechender Ansatz zu sein. Ein Ansatz, der eine Zwischenstellung zwischen klassischen kognitiven Remediationsprogrammen und Kognitiver Verhaltenstherapie einnimmt, ist das Metakognitive Training (Moritz & Woodward, 2007). Patienten werden zunächst metakognitive Informationen über kognitive Verzerrungen/kognitive Biase vermittelt, die bei Patienten mit Wahnsymptomatik häufig auftreten und in psychologischen Modellen als Mediatoren der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Wahn und Halluzinationen angesehen werden (Freeman et al., 2002; Garety et al., 2007). Die Patienten werden dann im Gruppensetting trainiert, ihre eigenen kognitiven Verarbeitungsstile zu verändern. Sie erlernen z. B., weniger voreilige Schlussfolgerungen zu treffen oder für belastende Situationen eine ausgewogenere Ursachenzuschreibung vorzunehmen. Ebenfalls wird mit ihnen trainiert, Emotionen und Verhalten anderer Menschen in sozialen Situationen besser interpretieren und vorhersagen zu können. Das Metakognitive Training wird ebenfalls in der Einzeltherapie eingesetzt, entweder in Form der im Internet erhältlichen Materialien (http://www. uke.de/kliniken/psychiatrie/index_17380.php) oder in Form einer zwölfstündigen manualbasierten individuellen Therapie, dem Metakognitiven Training Plus (MKT+; Moritz et al., 2011). Die Therapie enthält einige Elemente der Kognitiven Verhaltenstherapie (Problemmodell, Rückfallprophylaxe, Vermittlung von Informationen über kognitive Verzerrungen), konzentriert sich aber insbesondere auf kognitive Verzerrungen im Alltag der Patienten, analysiert soziale Situationen und vermittelt Techniken, um sich in diesen Situationen weniger stark durch dysfunktionale kognitive Verzerrungen leiten zu lassen. In randomisiert-kontrollierten Studien zeigte das Metakognitive Training bereits erste Erfolge im Hinblick auf die Tendenz, voreilige Schlussfolgerungen zu treffen sowie hinsichtlich der Belastung der Patienten durch wahnhafte Überzeugungen (Aghotor et al., 2011; Moritz et al., 2013). Insgesamt lässt sich zu den dargestellten »Dritte Welle«-Therapien bemerken, dass diese generell vielversprechende neue Ansätze für Patienten mit Psychosen anbieten können. Ob diese insbesondere Patienten helfen können, für die aktuelle kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze nicht hinreichend wirksam sind, wird sicher weiter untersucht werden. Ein weiterer Vorteil einiger der »Dritte-Welle«-Therapieformen ist, dass sie eher transdiagnostisch angelegt sind und somit möglicherweise bessere Behandlungsmöglichkeiten für komorbide Störungen bieten, unter denen ca. 50 Prozent der Patienten leiden (Buckley et al., 2009). Implementierung der Kognitiven Verhaltenstherapie in die stationäre und ambulante psychotherapeutische Behandlung von Patienten mit Psychosen Vor dem Hintergrund zahlreicher Wirksamkeitsnachweise Kognitiver Verhaltenstherapie und ihrer Weiterentwicklungen der »dritten Welle« stellt sich die Frage, ob die durch aktuelle Behandlungsleitlinien verbreitete Empfehlung Kognitiver Verhaltenstherapie für alle Patienten mit Schizophrenie im klinischen Alltag ankommt, die Leitlinienempfehlungen also umgesetzt werden (NICE, 2008; Gaebel et al., 2009, S. 208). KAPITEL 1 Einführung / 13 Im stationären Bereich ist die Integration Kognitiver Verhaltenstherapie in die Regelversorgung aufgrund der Kosten möglicher zusätzlicher Arzt- und Psychotherapeutenstellen nur in wenigen Kliniken vollzogen. Es wäre wünschenswert, auch Patienten mit akuter Symptomatik zumindest einzelne Module der Kognitiven Verhaltenstherapie anbieten zu können (z. B. die Entwicklung eines individuellen Problemmodells oder eine individuelle Rückfallprophylaxe), die einen Grundstein für eine ambulante Weiterbehandlung bilden könnten. Im ambulanten Bereich scheitert die Behandlung häufig daran, dass Patienten mit Psychosen keinen Therapieplatz bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten finden. In Deutschland erfordert die Organisation eines ambulanten Therapieplatzes aufgrund von wenigen verfügbaren Therapieplätzen, langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz von einem halben bis zu einem Jahr und komplizierten Verhandlungen mit der Krankenkasse über Kostenerstattungsverfahren im Rahmen des §13 (3) des Sozialgesetzbuchs V eine sehr hohe Behandlungsmotivation. Diese besteht bei Patienten mit Schizophrenie aufgrund vorhandener Antriebsprobleme häufig nicht in dem Maß wie bei Patienten mit anderen psychischen Störungen. Auch schildern viele Patienten, von ambulanten Psychotherapeuten zurückgewiesen worden zu sein, mit der Begründung, dass diese sich die Behandlung von Patienten mit Schizophrenie nicht zutrauten oder dass diese dafür nicht hinreichend ausgebildet seien. Viele ambulante Psychotherapeuten scheuen sich möglicherweise auch, rare Behandlungsplätze an Patienten mit Schizophrenie zu vergeben, die dafür bekannt sind, aufgrund von Antriebsproblemen oder stationären (Wieder-)Aufnahmen Termine nicht immer so regelmäßig wahrzunehmen wie andere Patientengruppen. Eventuell erfolgt die seltene Empfehlung für eine ambulante Psychotherapie durch behandelnde Ärzte ebenfalls vor dem Hintergrund der bekannten Schwierigkeiten, Psychotherapieplätze für diese Patienten zu bekommen. Der Aufbau des Buches Somit ist eines der wichtigsten Ziele des vorliegenden Buchs, Psychotherapeuten2 im ambulanten und stationären Bereich, die psychologische Therapie für Patienten mit Psychosen anbieten möchten, zu motivieren, dies zu tun. Wir hoffen, dass die zahlreichen Arbeitsblätter Ihnen den Einstieg in die Therapie mit dieser spannenden Patientengruppe erleichtern. Schwerpunkt des Buches bilden bewährte Arbeitsblätter der »klassischen« Kognitiven Verhaltenstherapie, da zahlreiche wissenschaftliche Studien und Metaanalysen die Wirksamkeit dieses Verfahrens belastbar belegen können. Von den Ansätzen der »dritten Welle der Verhaltenstherapie« greifen wir primär Interventionen aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) und der PersonBased Cognitive Therapy auf, da diese sehr gut in Ergänzung zu kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen verwendet werden können und wir mit diesen Interventionen schon viele positive Erfahrungen gemacht haben. Interventionen aus dem metakognitiven Training eignen sich hervorragend, um ergänzend eingesetzt zu werden und damit kognitive Verzerrungen zu verändern, diese sind online erhältlich ((http://www.uke.de/kliniken/psychiatrie/in- 2 14 / Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Form verwendet. KAPITEL 1 Einführung dex_17380.php). Die Interventionen sind den einzelnen Themenbereichen zugeordnet. Das Kapitel 8 befasst sich zudem ganz spezifisch mit Interventionen der »dritten Welle«. Kapitel 2 enthält Arbeitsblätter, die beim Aufbau der therapeutischen Beziehung mit psychotischen Patienten Unterstützung bieten. Das diagnostische Vorgehen wird im Kapitel 3 thematisiert und wichtige Fragen zu Symptomen und typischen Problemen der Patienten in Form von Arbeitsblättern vorgestellt. Zusätzlich stellen wir einige der am häufigsten verwendeten Interviews und Fragebögen vor. Die gemeinsame Entwicklung eines kognitiven Problem- oder Arbeitsmodells mit dem Patienten wird in Kapitel 4 thematisiert. Kapitel 5 widmet sich der emotionalen Stabilisierung von Patienten mit Psychosen und stellt Techniken zum Aufbau einer Tages- und Schlafstruktur, der Wiederaufnahme positiver Aktivitäten, dem Abbau von Grübeln und Sicherheitsverhaltensweisen vor. Kapitel 6 thematisiert den Umgang mit Wahngedanken und Halluzinationen. Kapitel 7 beschreibt Techniken zur Veränderung dysfunktionaler Grundüberzeugungen. Spezifische Interventionen der »dritten Welle« der Verhaltenstherapie werden in Kapitel 8 vorgestellt. Techniken zur Information über antipsychotische Medikation (Wirkung und Nebenwirkungen), zur Identifikation von Warnsignalen und zur Rückfallprävention sind Kapitel 9 zu entnehmen. Einführung in die Arbeitsblätter Das Manual enthält in jedem Kapitel ganz verschiedene Arbeitsblätter. Es gibt C Arbeitsblätter, die Interventionstechniken erklären und Handlungsanweisungen für den Therapeuten erhalten; C Arbeitsblätter, die der Therapeut dem Patienten vorliest (z. B. Achtsamkeitsübungen); C Arbeitsblätter zur Vermittlung bestimmter Themen (z. B. Informationen über die Psychose); C Arbeitsblätter zur Durchführung bestimmter Therapieinterventionen mit dem Patienten. Wir würden uns freuen, wenn Sie die Arbeitsblätter in der Therapie flexibel, kreativ und individuell verwenden. Einige Patienten mit Psychosen (und vielleicht einige Therapeuten) mögen »vorgefertigte Arbeitsblätter« nicht und haben den Eindruck, dass sie zu ihren individuellen Problemen nicht so gut passen. In einem solchen Fall könnten Sie sich beispielsweise an den Arbeitsblättern orientieren, aber individuelle Arbeitsblätter daraus gestalten. Damit Sie sich auf den Arbeitsblättern gut zurechtfinden, sind alle mit verschiedenen Icons ausgestattet. An diesen können Sie sofort sehen, für wen das Arbeitsblatt bestimmt ist und wie die Handhabung erfolgen sollte. Folgende Icons werden Ihnen im Buch begegnen: »Therapeut/in«: Dieses Icon kennzeichnet Arbeits- und Informationsblätter, die nur für den Therapeuten selbst gedacht sind. »Patient/in«: Mit diesem Icon ausgehändigte Arbeits- oder Informationsblätter werden dem Patienten zur Bearbeitung ausgehändigt. KAPITEL 1 Einführung / 15 »Ran an den Stift«: Dieses Icon fordert dazu auf, einen Stift zur Hand zu nehmen und Antworten und Überlegungen direkt auf dem Arbeitsblatt zu notieren. »Hier passiert was«: An dieser Stelle werden Handlungsanweisungen für Therapeuten und Patienten gegeben. »Input fürs Köpfchen«: Hier werden Anregungen zum Weiter- und Ums-Eck-Denken gegeben – auf diese Weise markierte Abschnitte beinhalten Varianten oder Fortführungen der jeweiligen Übung. »Ganz Ohr«: Dieses Icon kennzeichnet Übungen, die der Therapeut dem Patienten vorliest, der mit geschlossenen Augen zuhört. 16 / KAPITEL 1 Einführung KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau 2.1 Einstieg in die Behandlung: Rahmenbedingungen Die psychotherapeutische Behandlung von Patienten mit Psychosen ist meist ein Bestandteil in einem großen Angebot psychotherapeutischer, sozialtherapeutischer und medizinischer Maßnahmen. Daher sind eine enge Kooperation, Rücksprachen mit anderen Behandlern und sozialtherapeutischen Einrichtungen unerlässlich. Die Kooperation kann auch dazu dienen, mögliche Probleme im Beziehungsaufbau und in der Behandlung frühzeitig zu erkennen, da andere Behandler von ihren Erfahrungen berichten können. Zusätzlich ermöglicht es dem Psychotherapeuten, Therapiezeit einzusparen, da Probleme des Patienten (z. B. mit dem Sozialamt, der Arbeitsagentur, dem BaföG-Amt, der Rentenversicherung, mit Anträgen, finanzielle Probleme, Wohnprobleme) an andere Behandler, z. B. Sozialarbeiter in sozialtherapeutischen Einrichtungen, delegiert werden können. Bei Bedarf sollte der Therapeut mit dem Patienten die Unterstützung durch eine sozialpsychiatrische Einrichtung thematisieren. 2.2 Ablauf der Behandlung Nach einem Erstgespräch und den diagnostischen Sitzungen empfiehlt es sich, zunächst ein gemeinsames Arbeitsmodell/Problemmodell zu erstellen und aus dem Modell die Therapieziele des Patienten abzuleiten. Meist ist es günstig, mit dem Aufbau von Copingstrategien zum besseren Umgang mit Wahn und Halluzinationen, aber auch mit der Veränderung von Angst, Depression und Negativsymptomatik zu beginnen. In einem nächsten Schritt werden Verhaltensexperimente und kognitive Interventionen eingesetzt, um ungünstige automatische Gedanken und daraus resultierende dysfunktionale Verhaltensweisen zu verändern (z. B. Sicherheitsstrategien bei Angst vor Verfolgung). Strategien für den Aufbau von Selbstakzeptanz können ebenfalls in die Behandlung eingebaut werden. Mit allen Patienten sollten spätestens am Ende der Therapie rückfallpräventive Maßnahmen besprochen werden. Das Training von Achtsamkeit und Akzeptanz kann in allen Therapiephasen sinnvoll sein. 2.3 Besonderheiten in der Gestaltung der therapeutischen Beziehung Generelle Anmerkungen. Bei allen vorgeschlagenen Formulierungen sollten die Therapeuten zunächst kritisch für sich selbst prüfen, ob sie sich mit den Formulierungen wohl fühlen oder diese lieber verändern und an ihre Person und ihre individuelle Ausdrucksweise und Therapeutenpersönlichkeit anpassen möchten. Für den Therapieerfolg der Patienten mit Psychosen ist die wahrgenommene »Echtheit« des Therapeuten ein wichtiger Prädiktor (Jung et al., 2014). Daher sollten die Therapeuten verstärkt versuchen, Formulierungen und Interventionen auszuwählen, mit denen sie sich gut identifizieren können und die zu ihnen als Person gut passen. Im Folgenden wird auf einige Besonderheiten der Therapie von Patienten mit Psychosen und Wahn eingegangen. Dem Aufbau einer therapeutischen Beziehung mit Patienten mit Psychosen stehen erstens die Symptome der Psychose wie Verfolgungswahn, Misstrauen, störende Halluzinationen, KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau / 17 Affektverflachung oder formale Denkstörung, die das Gespräch behindern können, im Weg. Zweitens haben viele Patienten mit Psychosen schon mit anderen Menschen über ihre Probleme gesprochen und dabei häufig die Erfahrung gemacht, dass ihnen nicht geglaubt wird, insbesondere wenn sie unter Wahnvorstellungen leiden. Es besteht die Gefahr, dass die Patienten diese Vorerfahrung auf den Therapeuten übertragen können. Ungünstige Vorerfahrungen bestehen zudem häufig mit anderen Protagonisten oder Einrichtungen des Gesundheitssystems, die es den Patienten schwer machen können, Vertrauen zu einem Therapeuten aufzubauen. Patienten mit Psychosen haben zudem oft negative Erfahrungen mit Krankenhäusern gemacht, die teilweise auch traumatisierend gewesen sein können (z. B. gerichtliche Unterbringung, Fixierung, Zwangsmedikation). Diese Erfahrungen wurden oft in Situationen gemacht, in denen die Patienten sich, z. B. aufgrund von Verfolgungswahn oder Halluzinationen, sehr unsicher und verletzlich fühlten. In einigen Fällen können diese Erfahrungen so ungünstig verarbeitet worden sein, dass sie in der Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung resultierten (Meyer et al., 1999). All diese Erfahrungen prägen dann auch die Erwartungen an den Therapeuten und machen es den Patienten schwerer, Vertrauen zu einem Therapeuten aufzubauen. Bestimmte Vorerfahrungen der Patienten können erste Interaktionen erschweren, da die Patienten z. B. Fragen stellen, die dem Therapeuten indiskret vorkommen oder wenig mit der aktuellen Situation zu tun haben. Auch kann das Misstrauen der Patienten dazu führen, dass Patienten schweigen und/oder sehr einsilbig antworten, um nicht zu viel über sich zu verraten. Halluzinierte Stimmen können die Kommunikation ebenfalls stören (weil sie z. B. androhen, den Patienten zu »bestrafen, wenn er sich öffnet«). Die Beziehung kann zudem dadurch belastet werden, dass der Therapeut in den ersten Gesprächen zu viel Zeit darauf verwendet, Symptome der Schizophrenie (Stimmenhören, inhaltliche Denkstörungen) zu eruieren, die die Patienten aktuell nicht unbedingt für ihr dringendstes Problem halten. Auch ein zu schnelles Infragestellen des Wahns durch den Therapeuten oder der Hinweis darauf, dass der Patient an einer schizophrenen Störung leidet, kann von den Patienten ebenfalls ungünstig verarbeitet werden. Transparentes Vorgehen Die generelle therapeutische Beziehung mit Patienten mit Psychosen sollte durch ein offenes und transparentes Vorgehen des Therapeuten geprägt sein, in dem er sich zunächst ausführlich selbst vorstellt, sodass der Patient einen ersten Eindruck von ihm als Person gewinnen kann. Möglichen kritischen Nachfragen in Bezug auf seine Person sollte der Therapeut freundlich, verständnisvoll, offen und mit Respekt begegnen. Ungünstig wäre es z. B., in eine Diskussion darüber zu verfallen, ob das Misstrauen des Patienten ein Symptom der Psychose darstellt. Der Therapeut sollte stattdessen fragen, ob er etwas tun kann, um dem Patienten das Misstrauen zu nehmen, z. B. Approbationsunterlagen oder Zeugnisse mitzubringen, wenn der Patient daran zweifeln sollte, dass diese vorliegen. Die folgenden Strategien sind für ein offenes und transparentes Vorgehen günstig: (1) Unterlagen, die der Patient ausfüllen muss, genau erklären. (2) Über die Bedingungen für die Aufnahme einer Psychotherapie und das damit verbundene Prozedere der gesetzlichen/privaten Krankenkassen detailliert informieren. 18 / KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau (3) Darauf hinweisen, dass der Bericht an den Gutachter, der die Stunden genehmigt, anonymisiert ist. (4) Über die therapeutische Schweigepflicht aufklären. (5) Patienten auf Wunsch Einsicht in die Patientenakte gewähren. Aktives Zuhören Durch nonverbale und verbale Äußerungen weist der Therapeut immer wieder darauf hin, dass er dem Patienten aktiv zuhört und dabei versucht, sich in die Erlebniswelt des Patienten hineinzudenken. Dabei empfiehlt sich folgendes Vorgehen: (1) Zusammenfassen, was der Patient gesagt hat (2) Nachfragen, ob man es richtig verstanden hat (3) Deutlich machen, dass man die Belastung, die mit diesem Erlebnis/Gefühl/dieser Überzeugung in Zusammenhang steht, gut nachvollziehen kann Der Therapeut sollte sich durch die Angaben des Patienten ein detailliertes Bild von dessen Erlebniswelt machen können. In Bezug auf bestehende Wahnüberzeugungen kann der Therapeut beispielsweise die folgenden Fragen stellen: »Und was passierte als nächstes?«; »Woher wussten Sie, dass diese Person Sie beobachtet?«. Warum-Fragen sind eher zu vermeiden, da diese bei Patienten zu dem Eindruck führen können, dass ihnen nicht geglaubt wird. Zusätzlich sollte der Therapeut möglichst häufig verbal oder nonverbal signalisieren, dass er der Sichtweise des Patienten Verständnis entgegenbringt und diese nachvollziehen kann. Zu diesem Zweck kann er versuchen, sich vorzustellen, dass die (wahnhaften) Erlebnisse des Patienten real wären oder sogar ihm selbst passieren würden und sich überlegen, wie er auf diese reagieren würde. Um diese Haltung zu bewahren ist es hilfreich, als Therapeut bei Exploration von Wahnüberzeugungen immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass mindestens einige Erlebnisse des Patienten wahr sein könnten. Einige Personen werden tatsächlich zu Unrecht verfolgt, einige Nachbarn/Ehepartner/Chefs könnten tatsächlich die Dinge sagen, die der Patient ihnen zuschreibt. Entpathologisierende und entstigmatisierende Haltung gegenüber der Psychose In Bezug auf die Psychose und den mit ihr verbundenen Symptomen wie Stimmenhören empfiehlt es sich, diese als Teil des normalen menschlichen Erlebens aufzufassen. Dazu ist es günstig, sich als Therapeut vor Augen zu führen, dass psychotische Symptome auch in der Allgemeinbevölkerung sowie in Träumen, unter Drogeneinfluss oder bei Kindern vorkommen können, also letztlich etwas Normales und Menschliches sind (s. Arbeitsblatt 12). Der Therapeut sollte dem Patienten bei den Schilderungen seiner Symptome vermitteln, dass ihre Symptome nicht ungewöhnlich sind und auch bei anderen Menschen vorkommen. KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau / 19 Einige Patienten fühlen sich stigmatisiert, wenn ihre Probleme oder ihre Erkrankung als Schizophrenie bezeichnet wird. Es empfiehlt sich, zu Beginn der Behandlung zu fragen, wie der Patient zu seiner Diagnose steht und wie er diese bezeichnet. Viele Patienten bevorzugen die Bezeichnung Psychose für ihre psychische Störung, da sie sich dadurch weniger stigmatisiert fühlen als durch den Begriff Schizophrenie. Der Therapeut sollte dies respektieren und die gewünschte Bezeichnung verwenden. Umgang mit Misstrauen und Verfolgungswahn In Fall von starkem Misstrauen oder Verfolgungswahn sollte der Therapeut besonders darauf achten, möglichst viel von den Wahninhalten des Patienten zu explorieren und zu verstehen, wie das Wahnsystem des Patienten funktioniert, ohne den Patienten sofort darauf hinzuweisen, dass bestimmte Annahmen unmöglich oder unwahrscheinlich sind. Das Vorgehen erleichtert es dem Patienten, problematische Aspekte am Wahn selbst zu erkennen und zu benennen (z. B. den damit verbundenen Stress). Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Patienten konkrete und sehr überzeugende Beweise für den Wahn haben (z. B. Halluzinationen, die den Wahninhalt bestätigen). Der Therapeut sollte diese Erfahrungen des Patienten und dessen Schlussfolgerungen validieren, ohne jedoch die Wahnüberzeugung zu bestätigen. Beispiel Bei einer Patientin, die überzeugt ist, vom Verfassungsschutz verfolgt zu werden, könnte der Therapeut beispielsweise die folgende Formulierung wählen: »Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie, nachdem Sie bemerkten, dass in der WG über ihnen ständig die Mieter wechselten, die Klingelschilder ständig ausgetauscht wurden und Sie ständig das Trampeln der Personen über Ihnen hörten, irgendwann dachten, die Wohnung könnte eine Wohnung sein, die dazu dient, dass der Verfassungsschutz andere Leute abhört.« Bei misstrauischen Äußerungen eines Patienten oder bei unruhigem Hin- und Herschauen kann der Therapeut das Misstrauen entpathologisieren, indem er beispielsweise sagt: »Manche Patienten mit Psychosen, die ich behandelt habe, befürchteten z. B., dass ich an einer Verschwörung gegen sie beteiligt bin. Geht Ihnen das auch so?« In einem nächsten Schritt kann er beispielsweise darauf hinweisen, dass er nicht an einer Verschwörung gegen den Patienten beteiligt ist und den Patienten fragen, ob es etwas gibt, was er tun kann, um dies zu beweisen. Er kann dem Patienten auch anbieten, sich z. B. im Raum umzuschauen, wenn Überwachungseinrichtungen vermutet werden (s. a. Chadwick, 2006). Eine weitere naheliegende Erklärung für unruhiges Hin- und Herblicken können kommentierende Stimmen sein. In diesem Fall bietet es sich an, den Patienten genau zu fragen, was die Stimmen sagen. Ebenfalls ist es ratsam, den Patienten zu fragen, ob man etwas tun kann, sodass die Situation für ihn angenehmer wird. Dies ist zwar meist nicht möglich, führt aber dazu, dass Patienten mehr Kontrolle über das Gespräch spüren. 20 / KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau Der Therapeut sollte also stets versuchen, die Erlebniswelt und Sichtweise des Patienten zu verstehen und nachzuvollziehen und seinen Bedürfnissen, wenn möglich, gerecht zu werden. Dafür sind – neben der stetigen Bereitschaft, sich einzudenken und einzufühlen – auch verschiedene therapeutische Basistechniken für Patienten mit Psychosen günstig, die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden. Umgang mit Affektverflachung, Sprachverarmung und Konzentrationsproblemen Patienten mit einem gering ausgeprägten emotionalen Ausdruck und Patienten mit Sprachverarmung erschweren es dem Therapeuten, sowohl das Gespräch aufrechtzuerhalten als auch sich einen Eindruck davon zu machen, ob der Patient sich wohlfühlt, und machen es ihm schwer, eine befriedigende Kommunikation weiterzuführen. Manche Patienten fühlen sich durch den Blickkontakt überfordert, der für sie möglicherweise ungewohnt ist. Auch hier empfiehlt es sich, verständnisvoll zu reagieren und Lösungen anzubieten (Sitzposition verändern). Auch kann z. B. das Problem auftreten, dass der Patient sehr unkonzentriert wirkt und im Laufe der ersten therapeutischen Interaktion schnell ermüdet. Eine weitere Besonderheit kann darin bestehen, dass die Patienten sich durch die therapeutische freundliche und empathische Interaktion zunächst überfordert fühlen, da sie in ihrem Alltagsleben eher zurückgezogen leben. Manche Patienten werden auch durch andere behandelnde Fachärzte, Sozialarbeiter oder Eltern/Verwandte/Freunde »geschickt« und geben an, »eigentlich« keine Probleme zu haben. Bei geringem emotionalen Ausdruck des Patienten oder Schweigsamkeit und Wortkargheit ist es wichtig, sich als Therapeut klar zu machen, dass dies nicht unbedingt bedeutet, dass der Patient die Therapiebeziehung oder die therapeutischen Interaktionen nicht wertschätzt, sondern dass die Schweigsamkeit möglicherweise ein Symptom der Störung ist. Häufig fühlen sich Patienten in den folgenden Sitzungen etwas wohler und können dann offener mit dem Therapeuten kommunizieren. Bei ausgeprägten Konzentrationsproblemen empfiehlt es sich, diese als Beobachtungen anzusprechen und den Patienten zu fragen, ob die Beobachtung korrekt ist. Eine gute Umgangsmöglichkeit mit Konzentrationsproblemen kann es sein, Pausen oder Unterbrechungen anzubieten, z. B. eine Zigaretten- oder Kaffeepause durchzuführen oder kürzere Termine zu verabreden. Bei Sprachverarmung ist es ratsam, nicht in lange Monologe zu verfallen, sondern dem Patienten viel Zeit zu lassen, um sich an die neue Therapiesituation zu gewöhnen. Um Anfangsunsicherheiten zu überwinden, kann man dem Patienten zunächst mehrere Antwortmöglichkeiten vorgeben, sodass er eine auswählen kann. Manchmal ist es auch sinnvoll, den Patienten zu fragen, ob das aktuelle Thema für ihn zu belastend ist und ihm anzubieten, zunächst über ein anderes Thema zu sprechen (das aktuelle Lieblingsbuch, die Lieblingsband). Bei einem Patienten mit starker Sprachverarmung kann es bereits eine therapeutische Intervention darstellen, jede Sprachäußerung positiv zu verstärken und ihn darin zu unterstützen, wieder mit anderen Menschen zu kommunizieren. KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau / 21 Umgang mit formalen Denkstörungen Auch formale Denkstörungen können dazu führen, dass die Kommunikation mit den Patienten erschwert ist. So weisen einige Patienten eine Neigung zur »Weitschweifigkeit« auf, es fällt ihnen schwer, auf Fragen gezielt zu antworten, da ihnen alle Aspekte eines Problems wichtig vorkommen und sie diese berichten möchten. Andere Patienten »springen« von einem Thema zum anderen. Es empfiehlt sich, dem Patienten zunächst die eigene Beobachtung mitzuteilen (»Ich habe bemerkt, dass es Ihnen sehr wichtig ist, über ein Problem sehr genau zu berichten. Geht Ihnen das in anderen Situationen auch so?«) und dann Lösungen anzubieten (»Leider haben wir in der Therapie nur begrenzt Zeit. Daher würde ich Ihnen anbieten, dass ich Ihnen immer mitteile, wenn ich denke, dass ich das Problem gut genug verstanden habe und genug Informationen habe. Ist das in Ordnung für Sie?«). Bei Patienten, die von einem Thema zum anderen springen, kann der Therapeut folgendermaßen verfahren: »Ich habe bemerkt, dass Sie sehr häufig das Thema wechseln. Für mich ist das manchmal ein bisschen viel. Ist das in Ordnung, wenn ich Ihnen zurückmelde, wenn ich bei einem bestimmten Thema bleiben möchte, weil ich dieses Thema noch nicht umfassend verstanden habe?«. Für Patienten, die ungern in ihren Berichten unterbrochen werden und sich gerne zu Beginn der Therapiesitzung »alles von der Seele reden« möchten, kann jeweils zu Beginn der Stunde eine begrenzte Zeit reserviert werden, in der der Patient Gelegenheit erhält, alles Wichtige zu erzählen, ohne dass der Therapeut ihn unterbricht. Ist die Förderung von Krankheitseinsicht wichtig? Viele Patienten mit Psychosen haben nicht den Eindruck, dass ihr Problem darin besteht, unter einer psychischen Störung zu leiden (sog. geringe Krankheitseinsicht), sondern darin, verfolgt zu werden. Andere Patienten fühlen sich durch die Diagnose Schizophrenie gesellschaftlich stigmatisiert und können sie deshalb nicht annehmen. Mangelnde Krankheitseinsicht muss nicht unbedingt negativ sein, da die Patienten dadurch z. B. weniger anfällig für Selbststigmatisierung aufgrund der schizophrenen Störung sind. Für eine erfolgreiche Kognitive Verhaltenstherapie ist die Entwicklung von Einsicht in das Vorhandensein bestimmter Symptome oder einer bestimmten Diagnose weniger relevant. Die Therapie richtet sich nach den Problemen und Zielen des Patienten, die – mit oder ohne Akzeptanz der Diagnose – erreicht werden können. Falls der Patient an der Diagnose zweifelt, weil er den Eindruck hat, verfolgt zu werden und nicht, psychisch krank zu sein, kann der Therapeut beispielsweise die folgende Formulierung wählen: »Ich kann gut verstehen, dass Ihnen das merkwürdig vorkommt, dass Sie psychisch krank sein sollen, wo Ihr Hauptproblem doch ist, vom Geheimdienst verfolgt zu werden. Für unsere Therapie ist eine genaue Diagnose auch nicht wichtig, da wir uns vor allem an den Dingen orientieren, die Ihnen Probleme bereiten oder die Sie ändern möchten. Weil aber für die Krankenkassen eine genaue Diagnose wichtig ist, möchte ich Ihnen trotzdem kurz erläutern, was die Diagnose »Schizophrenie«, von der Sie gerade gesprochen haben, bedeutet. Personen, die diese Diagnose erhalten, sind oft Personen, die sich über Themen in ihrem Leben große Sorgen machen oder stark mit Ihnen beschäftigt sind. Sie machen sich z. B. Gedanken, dass sie ver22 / KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau folgt werden könnten oder dass andere Personen ihnen schaden könnten, oder sie sind stark damit beschäftigt, dass sie besondere Kräfte haben, oder sie haben starke Schuldgefühle. Hinzu kommen häufig noch Stimmen, die sie hören und unter denen sie leiden. Oft sind diese Personen aufgrund der Belastung und den Sorgen auch nicht mehr gut in der Lage, an Gesprächen teilzunehmen und zu kommunizieren, weil sie immer wieder an ihre Sorgen denken müssen.« Das Arbeitsblatt 1 FAQ zum Beziehungsaufbau mit psychotischen Patienten fasst die wichtigsten Probleme, Lösungsvorschläge sowie Beispiele für Formulierungen zusammen. 2.4 Allgemeiner Ablauf einer therapeutischen Sitzung Nach unserer Erfahrung empfinden Patienten mit Psychosen (und nicht nur diese!) es als sehr angenehm, wenn mit ihnen zu Beginn jeder Therapiesitzung das aktuelle Thema der Sitzung abgesprochen wird, da sie sich so auf das Thema gut einstimmen können. Wir haben gute Erfahrungen mit dem bei Beck (2009) beschriebenen Standardablauf für kognitiv- verhaltenstherapeutische Therapiesitzungen gemacht. Dieser besteht aus den folgenden Punkten: (1) Begrüßung (2) Wie geht es dem Patienten aktuell? (3) Anknüpfung an die letzte Stunde (4) Wie liefen die Übungen? (5) Tagesordnung: Welche Themen werden heute besprochen? (6) Inhaltliche Arbeit (7) Übungen für Zuhause (8) Fazit aus der Stunde und Feedback Wie geht es dem Patienten aktuell? Der Patient sollte seine aktuelle Stimmung angeben und diese auch auf einer Skala von 0 bis 10 einschätzen. Zusätzlich können noch andere wichtige Symptome besprochen werden (Suizidalität, Stimmenbelastung usw.). Anknüpfung an die letzte Stunde Der Therapeut kann z. B. in der folgenden Weise an die letzte Sitzung anknüpfen: »In der letzten Stunde haben wir ja über die Wichtigkeit eines regelmäßigen Tagesablaufs gesprochen. Ist Ihnen zuhause noch etwas Wichtiges in Bezug auf die letzte Stunde eingefallen? Sind vielleicht Fragen bei Ihnen aufgetaucht?« KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau / 23 Wie liefen die Übungen? Der Therapeut fragt nach den vereinbarten Übungen zwischen den Sitzungen. Wenn die Übungen nicht umgesetzt werden konnten, es Probleme gab oder noch Fragen zu den Übungen bestehen, werden diese als Thema in die nun folgende Tagesordnung aufgenommen. Tagesordnung An dieser Stelle wird besprochen, um welche Themen es in der Sitzung gehen soll (welche Themen der Therapeut für die aktuelle Sitzung vorbereitet hat und welche Themen der Patient als wichtig für die heutige Sitzung erachtet und gerne besprechen möchte). Wenn es mehrere Themen gibt, können diese nach ihrer Dringlichkeit sortiert werden. Wenn Patienten durch das Erstellen der Tagesordnung überfordert wirken, kann der Therapeut sich stärker darum bemühen, verschiedene Themen vorzuschlagen, unter denen der Patient auswählen kann, oder auch anbieten, dass der Therapeut ein Thema auswählt. Festlegung der Übungen für zuhause Der Therapeut und der Patient sollten am Ende der Sitzung immer einige Minuten damit verbringen, zu überlegen, welche nächsten Schritte sich aus den in der Sitzung besprochenen Themen ergeben: Gibt es neue Verhaltensstrategien, die trainiert werden können, Verhaltensexperimente, die durchgeführt werden können oder Einstellungen, die der Patient in einer bestimmten Situation aktivieren möchte? Damit eine optimale Umsetzung der Übungen gelingt, sollten die Übungen möglichst detailliert vorbesprochen werden. Beobachtungsaufgaben können z. B. auch bereits in der Stunde begonnen werden und der entsprechende Fragebogen oder das Arbeitsblatt gemeinsam ausgefüllt werden. Der Therapeut sollte sicherstellen, dass der Patient genau weiß, was zu tun ist und dies möglichst auch schriftlich festhalten. Häufig ist es günstiger, kurze und einfache Übungen einzusetzen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit auf ein Erfolgserlebnis besteht als komplexere Übungen, die schwerer zu realisieren sind. Fazit ziehen und Feedback Damit sichergestellt wird, dass der Patient sich neue Einstellungen und Verhaltensweisen gut merken kann, sollte der Therapeut den Patienten immer wieder um eine eigene Zusammenfassung des bisher Besprochenen bitten. Insbesondere am Ende der Stunde wird der Patient gebeten, die Sitzung noch einmal für sich zusammenzufassen oder sich eine »Take-Home-Message« für die Sitzung zu überlegen. Diese kann z. B. die in der Stunde gewonnenen neuen Erkenntnisse beinhalten. Alternativ fragt der Therapeut, was der Patient in der letzten Stunde als besonders hilfreich empfand oder wie er selbst seine Fortschritte bewertet. Die Antwort auf diese Frage 24 / KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau bietet eine gute Gelegenheit, den Fokus der Behandlung zu verschieben, falls der Patient angibt, keine oder nur wenige Fortschritte zu machen. Das Arbeitsblatt 2 Allgemeiner Ablauf einer therapeutischen Sitzung stellt den oben beschriebenen Ablauf noch einmal graphisch dar und bietet ebenfalls Formulierungsvorschläge für die einzelnen Schritte einer therapeutischen Sitzung. 2.5 Erstgespräch Ziel des Erstgesprächs besteht in einer ersten Kontaktaufnahme, dem (ersten) Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, der Vorstellung des therapeutischen Vorgehens sowie der Klärung von Formalitäten (z. B. Konsiliarbericht). Viele Patienten mit Psychosen sehen dem ersten Gespräch mit einem Therapeuten mit gemischten Gefühlen entgegen. Neben der Hoffnung auf Besserung können auch Erwartungsängste vorhanden sein, etwa weil sie aufgrund von negativen Vorerfahrungen mit dem Gesundheitssystem (s. Abschn. 2.3) z. B. Angst haben, durch den Therapeuten aufgrund der Psychose stigmatisiert zu werden oder befürchten, mit ihren Problemen nicht ernst genommen zu werden. Small Talk Zu Beginn sollte der Therapeut nicht sofort mit der inhaltlichen Arbeit beginnen, sondern zunächst Small-Talk-Techniken einsetzen (etwas über den Tag/das Wetter, erzählen usw.), um dem Patienten ein »Ankommen« im Therapiesetting zu ermöglichen und Ängste zu reduzieren. Hierfür kann es hilfreich sein, dass der Therapeut zunächst das Therapiesetting, die Formalitäten und einzelnen Therapieschritte erklärt. Um den Patienten mehr Kontrolle über die Gesprächssituation zu vermitteln, haben wir gute Erfahrungen mit dem folgenden Vorgehen gemacht. Der Therapeut fragt beispielsweise: »Frau M., möchten Sie vielleicht zunächst selbst berichten, was Sie zu uns führt? Oder soll ich zuerst etwas zu unserer Einrichtung und zum Ablauf der Therapie berichten? Was wäre Ihnen lieber?« Klärung von Formalitäten Bei der Klärung von Formalitäten kommt es insbesondere bei Patienten mit Misstrauen oder Verfolgungswahn darauf an, dass der Therapeut möglichst transparent erklärt, warum diese notwendig sind. Diese Informationen sollte der Therapeut möglichst gut und detailliert erklären können. Von misstrauischen Äußerungen des Patienten sollte er sich nicht durcheinander bringen lassen, sondern sich vor Augen führen, dass das Misstrauen sich nicht auf ihn als Person bezieht, sondern vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Patienten nachvollziehbar ist. KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau / 25 Vermittlung des Prinzips der Kognitiven Verhaltenstherapie im Erstgespräch Der Patient sollte im Erstgespräch auch über die Therapieform aufgeklärt werden, da viele Patienten eher unklare Vorstellungen davon haben, was auf sie zukommt. Sie nehmen z. B. an, dass sie die ganze Zeit auf einer Couch liegen und ihre Träume gedeutet werden oder der Therapeut in ihr »Unterbewusstsein« eindringt. Daher ist es wichtig, dass der Therapeut den Patienten über sein therapeutisches Vorgehen und die aktive Rolle, die der Patient dabei spielen wird, aufklärt. Dabei kann z. B. die folgende Formulierung verwendet werden: »In der Kognitiven Verhaltenstherapie geht es einerseits um das Denken (deswegen heißt sie ›kognitiv‹) und um das Verhalten. Wir sehen uns Ihr Denken an, z. B. bestimmte Einstellungen, die Sie vielleicht durch negative Erfahrungen entwickelt haben und wir überlegen gemeinsam, ob diese Einstellungen hilfreich sind oder vielleicht auch bei Ihnen zu Stress oder Problemen führen können. Wenn man z. B. die Einstellung hat, man müsse alles perfekt machen und dürfe niemals Fehler machen, steht man in vielen beruflichen Situationen sehr unter Druck, alles richtig zu machen. Und man erlaubt sich keine Fehler, die aber wichtig sind, um aus ihnen zu lernen. Außerdem schauen wir uns Ihr Verhalten in Situationen an, in denen es Ihnen z. B. schlecht geht, wir schauen dann, ob Sie mit Ihrem Verhalten das Ziel erreichen, dass Sie gerne erreichen möchten. Eventuell ist es dann notwendig, ein anderes Verhalten auszuprobieren, mit dem es Ihnen vielleicht besser geht. Das neue Verhalten wird manchmal auch trainiert, weil es schwierig ist, sein Verhalten zu ändern. Sie haben in der Kognitiven Verhaltenstherapie also eine sehr aktive Rolle. Sie arbeiten aktiv mit, testen neue Strategien, stellen so viele Fragen wie möglich. Sie bestimmen auch mit, über welche Themen wir überhaupt sprechen und über welche Themen wir lieber nicht sprechen sollten. Sie sind Experte für alles, was Sie betrifft und Experte dafür, wie neue Strategien, die wir in der Therapie erarbeiten, bei Ihnen wirken. Ich bin Experte für Strategien, die anderen Patienten mit ähnlichen Problemen geholfen haben. Können Sie sich das denn für sich vorstellen? Und haben Sie dazu noch Fragen?« Das Arbeitsblatt 5 Was ist kognitive Verhaltenstherapie? informiert ebenfalls über die Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie und kann dem Patienten mit nach Hause gegeben werden. Erfassung der Probleme des Patienten Das Erstgespräch dient ebenfalls dazu, die Probleme des Patienten, die dazu führten, dass er eine Therapie beginnen möchte, zu explorieren. Im Gegensatz zu Patienten mit Angststörungen und Depressionen kommt es bei Patienten mit Psychosen oft vor, dass sie weniger unter ihrer Symptomatik als unter anderen Lebensumständen leiden (Problemen durch die Verfolgung, Konflikte mit anderen Personen, Konflikte am Arbeitsplatz, Einsamkeit, berufliche Überforderung, Stress und Überlastung, traurige Stimmung, Ängste). In dieser Phase ist es daher wichtig für den Therapeuten, sich auf die Probleme zu konzentrieren, die die Patienten als wichtig ansehen. 26 / KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau Günstige Fragen sind z. B. C Was führt Sie hierher? C Unter welchen Problemen leiden Sie zurzeit? Welche Probleme stehen für Sie im Vordergrund? C Gibt es Probleme, die Sie ändern möchten? C Was ist das besonders Belastende an diesem Problem? C Was denken Sie/fühlen Sie, wenn das Problem auftritt? C Wie verhalten Sie sich gewöhnlich in einer solchen Situation (in der das Problem auftritt)? C Seit wann leiden Sie unter dem Problem? C Was haben Sie bisher unternommen, um das Problem zu lösen? Was war hilfreich? Was war nicht hilfreich? C Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie dieses Problem haben? Häufig liegen Therapeuten bereits Vorinformationen über Patienten in Form von Arztbriefen oder Gesprächen mit Angehörigen vor, die möglicherweise den Angaben des Patienten widersprechen. In einem solchen Fall ist es nicht ratsam, den Patienten mit diesen Informationen zu konfrontieren, sondern ihm unvoreingenommen zuzuhören und zu versuchen, seine persönliche Sichtweise der Probleme zu verstehen. Viele Patienten reagieren auf mögliche »Konfrontationen« (»Ihr behandelnder Arzt hat mir aber diese Geschichte ganz anders erzählt«) häufig sehr sensibel und fühlen sich dann zu Recht unverstanden. Der Therapeut sollte stets die Interessen und die Sichtweise des Patienten in den Vordergrund rücken, fremdanamnestische Informationen können zu einem späteren Zeitpunkt und bei einer entsprechenden Fragestellung, die sich in der Therapie ergibt, immer noch mit in die Diskussion einbezogen werden (z. B. wenn Konflikte mit Angehörigen bestehen und deren persönliche Sichtweise unklar ist). Therapeuten sollten darauf achten, nicht nur nach Problemen zu fragen, sondern auch nach persönlichen Stärken und Ressourcen (Familie, Freunde, besondere Interessen). Ziele und Erwartungen an die Therapie erarbeiten Der Therapeut fragt den Patienten bereits im Erstgespräch, welche Ziele und Erwartungen bei ihm in Bezug auf die Therapie bestehen. Manchmal sind Patienten über diese Frage sehr verwundert, weil sie in anderen Behandlungssettings eher eine passive Rolle einnehmen und ihnen fallen keine Ziele ein. In einem solchen Fall kann der Therapeut von Zielen anderer Patienten berichten (aktiver werden, Freundschaften reaktivieren) oder Ziele vorschlagen. Bei unrealistischen Erwartungen (z. B. dass der Therapeut etwas gegen die Verfolger tun kann), kann der Therapeut dies beispielsweise so aufklären: »Herr W., nach dem, was Sie mir über Ihre Verfolger erzählt haben und wie Sie unter denen leiden, kann ich gut verstehen, dass Sie sich wünschen, dass wir hier etwas gegen diese Leute unternehmen. Es tut mir sehr leid, aber leider ist das Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Wir können Ihnen hier nur dabei helfen, dass Sie durch die Verfolgung etwas weniger belastet sind und es Ihnen trotz Ihrer Situation besser geht. Was halten Sie davon?« KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau / 27 Hoffnung auf Besserung vermitteln Es empfiehlt sich, dass der Therapeut zum Abschluss des Erstgesprächs signalisiert, dass er einen ersten Eindruck von den Problemen des Patienten, aber auch von dessen Stärken und Ressourcen gewinnen konnte. Der Hinweis, dass das Therapieangebot gut zu den Problemen und Zielen des Patienten passt, wird von vielen Patienten positiv aufgenommen. Der Therapeut kann dies beispielsweise so formulieren: »Herr M., was Sie mir da berichten, klingt wirklich sehr belastend. Ich habe auch den Eindruck, dass Sie über Ihre Probleme schon sehr ausführlich nachgedacht haben und zunächst selbst nach Lösungen gesucht haben. Das gefällt mir sehr gut, weil das zeigt, dass Sie ein selbstständiger Mensch sind, der die Probleme aktiv angeht. Es freut mich sehr, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben. Ich habe den Eindruck, dass diese Therapie Ihnen bestimmt gut helfen kann und freue mich auf die nächsten Stunden mit Ihnen«. Der genauere Ablauf eines Erstgesprächs sowie Formulierungsvorschläge für die Durchführung eines Erstgespräches sind dem Arbeitsblatt 3 Erstgespräch: Übersicht über den Ablauf zu entnehmen. Das Arbeitsblatt 4 Wichtige Fragen zur Exploration im Erstgespräch stellt verschiedene Fragen vor, die der Therapeut zur Exploration der Probleme des Patienten einsetzen kann. Das Arbeitsblatt 5 Was ist Kognitive Verhaltenstherapie? erklärt dem Patienten das Prinzip und die Vorgehensweise bei einer kognitiven Verhaltenstherapie. Das Arbeitsblatt 6 Nachbereitung des Erstgesprächs verwendet der Therapeut zur Zusammenstellung der wichtigsten Informationen, die er im Erstgespräch erhalten hat. 28 / KAPITEL 2 Einstieg in die Behandlung und den Beziehungsaufbau AB 1 FAQ zum Beziehungsaufbau mit psychotischen Patienten 1/ 7 Was mache ich, wenn der Patient nur zu mir kommt, weil die Eltern/Freunde sagen, dass er eine Therapie braucht? Viele Patienten mit Verfolgungswahn haben zunächst nicht primär den Eindruck, an einer psychischen Störung zu leiden, sondern sehen die Verfolgung als ihr Hauptproblem an. Die Angehörigen oder Freunde haben meist einen ganz anderen Eindruck und bitten die Patienten, sie zu einer ersten Therapiesitzung zu begleiten. Für den Therapeuten stellt dies oft einen Balanceakt dar, da er die Probleme der Angehörigen gut nachvollziehen kann, aber auch eine Beziehung zu dem Patienten aufbauen möchte. Deshalb sollte er C den Angehörigen gegenüber Verständnis äußern für die Sorgen, die sie sich machen; C auch allein mit dem Patienten sprechen; C nach Problemen fragen, die der Patient in der Therapie besprechen möchte; C nach den persönlichen Anliegen des Patienten fragen, die dazu geführt haben, dass er die Sitzung wahrnimmt: »Ich finde das sehr gut, dass Sie hierher gekommen sind, das ist ja erst mal ein großer Schritt, zu einem Psychologen/einem Arzt zu gehen. Therapie ist ja so ein bisschen wie eine Beratung oder Coaching, man überlegt sich, ob es etwas gibt, was man in seinem Leben gerne ändern möchte und überlegt gemeinsam mit dem Coach, welche Schritte dazu wichtig sind. Wie ist das denn bei Ihnen, gibt es etwas, was Sie als Problem sehen?« Was mache ich, wenn der Patient angibt, dass er keine Probleme hat? Wenn Patienten angeben, keine Probleme zu haben, kann dies ebenfalls daran liegen, dass sie vor allem die Verfolgung als Problem empfinden, während ihre soziale Umgebung dies nicht teilen kann und die Patienten immer wieder davon überzeugen möchte, dass diese unter einer psychischen Störung leiden. Wenn Patienten angeben, keine Probleme zu haben, kann der Therapeut beispielsweise C dem Patienten signalisieren, dass das sehr positiv ist, C dem Patienten nach den persönlichen Anliegen fragen, die dazu geführt haben, dass er die Sitzung wahrnimmt. Was mache ich, wenn der Patient misstrauisch ist/mir nicht vertrauen kann? Viele Patienten mit Psychosen leiden unter einem Verfolgungswahn und/oder einem Beeinträchtigungswahn (die unrealistische Annahme, dass andere Personen ihm schaden möchten), die den Aufbau einer therapeutischen Beziehung stören können. Der Therapeut kann dies bemerken, wenn der Patient sich z. B. C unruhig im Raum umsieht oder misstrauisch ist, C Nachfragen stellt (Stimmt das wirklich, dass Sie hier arbeiten?). © Mehl/Lincoln: Therapie-Tools Psychosen. Beltz, 2014 / 29