IKG Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Deutsche Zustände im 20. Jahr nach dem Fall der Mauer Presseinformation zur Präsentation der Langzeituntersuchung Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Donnerstag, 04.12.2008, 11.00 – 12.30 Uhr in der Bundespressekonferenz, Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin Inhalt Seite Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 1 Das Syndrom Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 2 Die Entwicklung des Syndroms Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit 2 Die Entwicklung des Syndroms Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Ost- 9 und Westdeutschland Desintegration und wechselseitige Anerkennung in Ost- und Westdeutschland 12 Rechtspopulismus als Ergebnis von Demokratiekritik und Benachteiligung 17 Deutschland einig Vaterland? Identifikation in Ost- und Westdeutschland 21 Mangelnde Zivilcourage gegen Rechtsextremismus!? 23 Die Ergebnisse sind zu finden unter: www.uni-bielefeld.de/ikg Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Wie sieht der Zustand dieser Gesellschaft aus und welche Folgen hat er für die Entwicklung menschenfeindlicher Mentalitäten in der Bevölkerung? Die Langzeituntersuchung zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Deutschland, die 2002 als 10jähriges Projekt konzipiert und gestartet ist, untersucht Ausmaße, Entwicklungen und Ursachen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Die Grundidee eines Syndroms der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auf der Basis einer Ideologie der Ungleichwertigkeit konnte empirisch nachgewiesen werden. Das Projekt ist das weltweit einzige Projekt, das in dieser neuartigen und differenzierten Weise sowie über einen 10jährigen Zeitraum die Vorurteile gegen schwache Gruppen und deren Diskriminierungen mithilfe von Survey- und Paneldaten untersucht und theoriebasierte Ursachenanalysen publiziert. Es finden seit 2002 jährlich repräsentative Querschnittsbefragungen (Survey) statt, wobei 2008 insgesamt 1763 Personen befragt wurden. Außerdem werden Längsschnittbefragungen (Panel) durchgeführt, bei denen wiederholt dieselben Personen interviewt werden. Die Datenerhebung erfolgte mittels einer Telefonbefragung (CATI-Methode) durch das Umfrageinstitut TNS-Infratest. In der 7. Folge des jährlichen Reportes „Deutsche Zustände“ stellen wir die Frage, ob wir fast 20 Jahre nach dem Fall der Mauer noch immer in zwei Gesellschaften leben. Wie verlief die Entwicklung Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Ost- und Westdeutschland? Wie stehen Ost- und Westdeutsche zueinander? Wie ist ihre Sicht auf die bundesdeutsche Demokratie? Welche Rolle spielt die Identifikation mit Gesamtdeutschland – oder dominiert eher ein Selbstverständnis als West- bzw. Ostdeutscher? Und ist die Bereitschaft für zivilcouragiertes Handeln in Ostdeutschland seltener? Gefördert wird die Studie von einem Stiftungskonsortium unter Federführung der VolkswagenStiftung mit Beteiligung der Möllgaard- und Freudenberg-Stiftung. Zu den Kooperationspartnern gehören auch DIE ZEIT und der Suhrkamp-Verlag. 1 Das Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, wie Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft sowie mit verschiedenen Lebensstilen in dieser Gesellschaft von der Mehrheit wahrgenommen werden und mit feindseligen Mentalitäten konfrontiert sind. Der gemeinsame Kern des Syndroms Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist die generalisierte Ideologie von Ungleichwertigkeit. Abb. 1: Facetten des Syndroms Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Sexismus Etabliertenvorrechte Homophobie Islamophobie Syndrom GMF Antisemitismu s Ideologie der Ungleichwertigkeit Abwertung von Obdachlosen Fremdenfeindlichkeit Abwertung von Behinderten Rassismus Abwertung von Langzeitarbeitslosen Die Entwicklung Menschenfeindlichkeit des Syndroms Gruppenbezogener Im Folgenden sind die Verläufe der Syndromelemente der Jahre 2002 bis 2008 in einer Graphik abgebildet (vgl. Abb. 2). Die abgebildeten Linien beziehen sich auf Werte, die jeweils aus zwei Aussagen zu einzelnen Syndromelementen gemittelt wurden (vgl. später Tab. 1). Die Mittelwerte rangieren von 1 bis 4, d. h., je höher die Werte ausgeprägt sind, desto höher sind auch die feindseligen Mentalitäten. Es zeigen sich bei Entwicklungslinien: den berücksichtigten 10 Syndromelementen verschiedene 2 2,8 Abb. 2: Mittelwerte der Syndromelemente für die Jahre 2002 bis 2008 Fremdenfeindlichkeit 2,6 Etabliertenvorrechte Islamophobie (alte Skala) Homophobie (seit 2005) 2,2 Abwertung von Behinderten (seit 2005) Abwertung von Obdachlosen (seit 2005) Klassischer Sexismus 2 Mittelwerte 2,4 Islamophobie (neue Skala) Antisemitismus 1,8 Rassismus 1,6 Abwertung von Langzeitarbeitslosen 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Wichtige Anmerkung: Absolute Vergleiche zwischen den einzelnen GMF-Elementen, wie z.B. Fremdenfeindlichkeit ist insgesamt geringer als Antisemitismus, sind nicht geboten, da u.a. die Aussagen zur Erfassung der GMF unterschiedlich hart bzw. weich formuliert sind. Relative Vergleiche hingegen, wie z.B. im Jahr 2002 wurde den antisemitischen Aussagen stärker zugestimmt als im Jahr 2008, sind legitim. Insgesamt können wir feststellen, dass sich der positive Trend des letzten Jahres bei mehreren Syndromelementen fortgesetzt hat. In erstaunlicher Parallelität zu sinkenden Arbeitslosenzahlen ist auch die Zustimmung zu vielen Elementen des Syndroms Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr können wir in 2008 abnehmende Werte bei der Fremdenfeindlichkeit, beim Antisemitismus, der Homophobie, der Abwertung Obdachloser sowie beim Sexismus feststellen. Stagnierende Werte zeigen sich hingegen bei den Etabliertenvorrechten, der Abwertung Behinderter, beim Rassismus und bei der Islamophobie, sowie hinsichtlich der Abwertung von Langzeitarbeitslosen. Für keine der Gruppen zeigt sich ein Anstieg der abwertenden Einstellungen. Dies gilt jedoch nicht, wenn man die Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland separat betrachtet (vgl. Abb. 3-12) 3 Ergänzend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die auf der Basis von Mittelwerten beschriebenen Verläufe aufgrund dieser Methode keine großen Schwankungen ergeben. Gleichzeitig verdecken Mittelwerte mögliche deutliche Verschiebungen in bestimmten Teilgruppen. Daher betrachten wir auch immer die Einzelitems (vgl. Tab. 1). Für den Rassismus zeigen sich leicht rückläufige Tendenzen. Während 2002 noch 22% der Befragten der Meinung waren, Aussiedler sollten aufgrund ihrer deutschen Abstammung besser gestellt werden als Ausländer, sind dies im Jahr 2008 noch 19,7%. Diese Entwicklung zeigt sich auch hinsichtlich der Aussage, dass die Weißen zu Recht führend in der Welt sind: in 2008 stimmten 12,3% zu (2002: 16,4%). Bezüglich der Fremdenfeindlichkeit stimmen 52,0% der Aussage „eher“ oder „voll und ganz“ zu, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben. Der Forderung, die Ausländer in ihre Heimat zurückzuschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden, stimmen 21,6% zu. Damit reduziert sich diese Zustimmung zwischen 2002 und 2008 signifikant um 6%. Insbesondere diese Abnahme deutet auf einen Rückgang der Fremdenfeindlichkeit hin. Deutlich wird auch, dass der klassische Antisemitismus weiterhin gesunken ist. Dass Juden zuviel Einfluss in Deutschland haben, meinen im Jahr 2008 genau 14,3% (2002 waren es noch 21,6%). Weiterhin stimmten im Jahr 2008 9,3% der Befragten der Aussage zu, dass die Juden durch ihr Verhalten Mitschuld an ihren Verfolgungen tragen (2002 waren es noch 16,6%). Dies ist eine signifikante Abnahme von 7,3%. Nach einer anfänglichen Stabilität zeigt sich die Homophobie hinsichtlich aller Aussagen rückläufig. In 2008 waren 26,1% gegen eine Erlaubnis gleichgeschlechtlicher Ehen. Dieser Wert ist seit 2005 um 14% signifikant gesunken (Ablehnung 2005: 40,5%). Bezüglich der Obdachlosenabwertung lässt sich folgendes feststellen: In 2008 ist mit 32,9% ein leichter Rückgang an Fürsprechern für eine Entfernung Obdachloser aus Fußgängerzonen zu erkennen (in 2005: 35,0%). Auch die Auffassung, dass Obdachlose in den Städten unangenehm seien, nimmt zwischen 2005 und 2008 um 6,8% signifikant ab. Diese Ansicht vertreten 32,1 % der Befragten. Ein leichter Anstieg ist hingegen bezüglich der Ansicht, dass die meisten Obdachlosen „arbeitsscheu“ seien zu erkennen, was 28,2% angaben. Seit 2005 hat diese Meinung um 5% signifikant zugenommen (in 2005: 22,8%). Gegenüber Behinderten ist die Abwertung hinsichtlich aller Aussagen ebenfalls etwas rückläufig. Hier stimmen 11,6% zu, dass viele Forderungen von Behinderten „überzogen“ seien; in 2005 waren es noch 15,2%. Ebenso meinen 6,3% der Befragten, dass für Behinderte in Deutschland zu viel Aufwand betrieben wird und 5,2% sind der Meinung, dass Behinderte zu viele Vergünstigungen erhalten. Auch diese beiden abwertenden Auffassungen verringerten sich seit 2005 um fast 2%. Bezüglich der Islamophobie zeigen sich zu der Frage des Verbots der Zuwanderung zwischen 2005 und 2008 keine signifikanten Entwicklungen. 24,0% votieren in 2008 so. Auch das 4 Gefühl nimmt nicht signifikant zu, sich durch die Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen. Etwa ein Drittel der Befragten (2008: 34,9%) äußern solche auf Abwehr eingestellten Gefühle. Bei den Etabliertenvorrechten zeigen sich stagnierende Werte. 36% der Befragten geben an, dass den Alteingesessenen mehr Rechte zustehen als Hinzukommenden. Im Jahr 2002 waren 40,9% die dieser Auffassung. Hinsichtlich der Verteilung von Gütern geben 56,0% an, dass sich Neuhinzugezogene mit weniger zufrieden geben sollen. Diese Einstellung steigerte sich zwischen den Jahren 2002 und 2005 (Zustimmung 2005: 70,5%) signifikant um 12,7%. Sie ist im Jahr 2008 auf 57,8% gesunken und entspricht damit wieder in etwa dem Niveau von 2002. Der klassische Sexismus ist seit 2002 eher rückgängig. Die Rückverweisung der Frau in die Rolle als Ehefrau und Mutter ist mit einer Zustimmung von 19,4% zwischen den Jahren 2002 und 2008 signifikant um 10% gesunken (Zustimmung 2002: 29,4). Die Forderung nach einer Rollenwahrnehmung als Karrierehelferin des Mannes beläuft sich auf 17,6% und hat ebenfalls leicht abgenommen. Eine längerfristige Aussage über die Entwicklung der Abwertung von Langzeitarbeitslosen ist derzeit noch nicht möglich, da dieses Element erst 2007 in das Syndrom aufgenommen wurde. Jedoch zeigen sich in diesen zwei Jahren leichte Anstiege. So stimmten in 2008 63,4% der Aussage zu, dass es empörend ist, wenn sich Langzeitarbeitslose auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen (2007: 60,8%). Tab. 1: Indikatoren des Syndroms Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ...voll und ganz zu ...eher zu ...überhaupt nicht zu ...eher nicht zu Stimme ... Signifikanz der Veränderung Angaben in Prozent. Werte, die auf menschenfeindliche Einstellungen hindeuten, sind grau unterlegt. Die jeweils erste Zeile bezieht sich auf die Erhebung in 2002, die zweite auf 2005, die dritte auf 2008. Da die Homophobie, die Obdachlosenabwertung und die Behindertenabwertung erst seit 2005 getrennt erhoben wurden, ist dort oben 2005 und unten 2008 zu finden. Rassismus 2002 39,9 38,1 13,5 8,5 Aussiedler sollten besser gestellt werden als Ausländer, da sie 35,1 43,6 14,6 6,6 deutscher Abstammung sind. 36,0 44,3 13,0 6,7 n.s. 2005 2005 n.s. 2008 2002 n.s. 2008 5 51,2 32,4 10,4 6,0 Signifikanz der Veränderung ...voll und ganz zu ...eher zu ...überhaupt nicht zu ...eher nicht zu Stimme ... 2002 n.s. 2005 Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt. 51,9 33,6 8,2 6,3 58,7 28,9 7,7 4,6 2005 * 2008 2002 ** 2008 Fremdenfeindlichkeit 15,3 29,3 28,6 26,8 Es leben zu viele Ausländer in Deutschland. 9,9 28,9 28,1 33,0 16,2 31,8 26,1 25,9 Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken. 27,0 45,3 15,5 12,2 19,8 44,1 15,5 20,6 28,1 50,3 13,2 8,4 2002 ** 2005 2005 ** 2008 2002 n.s. 2008 2002 ** 2005 2005 ** 2008 2002 * 2008 Antisemitismus 36,8 41,6 14,7 6,9 2002 n.s. 2005 Juden haben in Deutschland zuviel Einfluß. 2005 36,6 42,4 11,6 9,3 51,1 34,6 8,7 5,6 50,5 32,9 12,1 4,5 Durch ihr Verhalten sind die Juden an ihren Verfolgungen mitschuldig. 50,9 36,2 8,2 4,7 62,7 27,9 7,3 2,0 ** 2008 2002 ** 2008 2002 n.s. 2005 2005 ** 2008 2002 ** 2008 Homophobie Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen. 31,7 33,4 13,0 21,8 41,7 35,7 8,7 13,9 2005 ** 2008 2008 6 ...voll und ganz zu 46,6 36,8 6,6 10,0 48,6 36,3 6,2 Ehen zwischen zwei Frauen bzw. zwischen zwei Männern sollten erlaubt sein. 8,9 22,2 18,3 21,6 37,9 Signifikanz der Veränderung ...eher zu Homosexualität ist unmoralisch. ...überhaupt nicht zu ...eher nicht zu Stimme ... 2005 n.s. 2008 2008 2005 ** 2008 12,6 13,5 22,9 51,1 2008 Obdachlosenabwertung Die Obdachlosen in den 2005 18,6 42,5 24,8 14,1 Städten sind 2008 unangenehm. 20,7 47,2 23,0 9,1 2008 ** Die meisten Obdachlosen sind arbeitsscheu. * 19,0 58,2 15,2 7,6 17,4 54,5 18,9 9,3 Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden. 14,5 50,5 18,7 16,3 21,7 45,4 19,8 13,1 2005 2008 2008 2005 * 2008 2008 Behindertenabwertung Für Behinderte wird in Deutschland zu viel Aufwand betrieben. 44,4 47,3 5,4 35,1 49,7 10,1 46,4 42,1 7,3 Behinderte erhalten zu viele Vergünstigungen. 2005 ** 2008 53,4 40,3 3,6 Viele Forderungen von Behinderten finde ich überzogen. 2,9 42,8 49,7 4,7 2,7 5,1 4,3 2,8 2008 2005 ** 2008 2008 2005 ** 2008 50,0 44,7 3,5 1,7 2008 — — — Islamophobie Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden. a — — 25,2 50,5 13,2 11,1 2005 2008 32,3 43,7 13,6 10,4 2008 — — — — — Durch die vielen Muslime hier fühle ich 26,3 40,1 14,3 19,4 mich manchmal wie ein Fremder im eigenen 26,9 38,6 17,3 17,6 Land. a n.s. 2005 n.s. 2008 2008 7 Signifikanz der Veränderung ...voll und ganz zu ...eher zu ...überhaupt nicht zu ...eher nicht zu Stimme ... Etabliertenvorrechte 12,7 29,4 32,9 24,9 Wer irgendwo neu ist, sollte sich erst mal mit weniger zufrieden geben. 6,8 22,8 33,9 36,6 2002 ** 2005 2005 ** 2008 16,4 27,6 33,3 22,7 29,3 29,8 22,4 18,5 Wer schon immer hier lebt, sollte mehr Rechte 31,3 35,4 17,9 15,4 haben, als die, die später zugezogen sind. 2002 n.s. 2008 2002 * 2005 2005 n.s. 2008 2002 n.s. 31,2 32,8 16,9 19,1 2008 Sexismus 31,2 39,4 18,2 11,2 Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen. 27,7 43,7 16,5 12,1 39,9 40,7 11,7 7,7 2002 n.s. 2005 2005 ** 2008 2002 ** 2008 Für eine Frau sollte es wichtiger sein, ihrem Mann bei seiner Karriere zu helfen, als selbst Karriere zu machen. a — — — — 36,8 44,5 10,5 8,2 44,9 37,5 11,0 6,6 — 2005 ** 2008 2008 Abwertung von Langzeitarbeitslosen b Die meisten — — — — — Langzeitarbeitslosen 2007 9,2 41,5 27,5 21,8 sind nicht wirklich 2008 daran interessiert, einen 10,3 39,2 26,1 24,4 2008 Job zu finden. Ich finde es empörend, — — — — — wenn sich die 2007 Langzeitarbeitslosen 7,0 32,2 28,1 32,7 2008 auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben 9,2 27,4 25,8 37,6 2008 machen. Anmerkung: a Diese Items wurden in einem der Jahre nicht erhoben. Deshalb liegen hier keine Vergleichswerte vor. b Erstmals 2007 erhoben. Unterschiede zwischen den Jahren 2002-2005-2008 sind auf Basis des Mittelwertvergleichs ** signifikant bei 1%-Irrtumswahrscheinlichkeit bzw. * signifikant bei 5%-Irrtumswahrscheinlichkeit oder nicht signifikant (ns). 8 Die Entwicklung der Facetten des Syndroms Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Ost- und Westdeutschland Betrachtet man nun die Entwicklung der einzelnen Syndromelemente zwischen Ost- und West in den Jahren 2002 bis 2008, dann zeigen sich sehr unterschiedliche Verläufe, die nur bezogen auf die einzelnen Syndromvarianten verglichen werden können, weil sie in gleicher Weise in Ost- und Westdeutschland ermittelt worden sind. Das Bild ist differenziert. Dies gilt sowohl für die Verläufe als auch für die Unterschiede in den Syndromelementen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Abb. 4: Fremdenfeindlichkeit Abb.3: Rassismus in West in Ost in West Abb. 6: Islamophobie Abb. 5: Antisemitismus in Ost 2,8 2,6 2,4 2,2 2 1,8 20 0 20 2 03 20 ** 04 * 20 ** 05 ** * 20 06 20 0 20 7* 08 ** * 20 09 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 in West 3 in West 2,2 in Ost 20 02 * 20 ** 03 * 20 ** 04 * 20 ** 05 ** 20 * 06 20 ** 07 * 20 ** 08 ** * 20 09 20 02 20 0 20 3 04 20 ** 05 * 2 0 ** 06 ** 20 * 07 * 20 * 08 ** 20 09 1,8 1,4 2 1,6 2,2 1,8 2 2,4 2,6 2,2 2,8 2,4 3 2,6 in Ost 9 Abb. 8: Homophobie Abb. 7: Etabliertenvorrechte in West in Ost in West Abb. 16: Abwertung von Behinderten Abb. 10: Abwertung von Obdachlosen in Ost in West in West 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 * 20 07 20 08 * 20 09 1 1,8 2 1,2 2,2 1,4 1,6 2,4 1,8 2,6 2 2,8 3 2,2 in Ost 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 1,4 1,8 2 1,6 1,8 2,2 2 2,4 2,2 2,6 2,4 2,8 3 2,6 in Ost Abb. 11: Klasischer Sexismus Abb. 12: Abwertung Langzeitarbeitsloser in West in West 1,8 2 2,2 2,4 2,6 2,8 3 in Ost 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 * 20 08 20 09 20 20 02 03 ** 20 * 04 ** 20 20 05 06 * 20 ** 07 ** 20 * 08 ** 20 09 1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4 2,6 in Ost 02 03 04 ** 06 07 ** 09 20 20 20 005 20 20 08* 20 2 20 Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind auf Basis des Mittelwertvergleichs signifikant bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von *** p < .001, ** p < .01, * p < .05. 10 Die rassistischen Einstellungen verlaufen relativ parallel in Ost- und Westdeutschland bei signifikant höheren Werten in Ostdeutschland. Die Fremdenfeindlichkeit nimmt einen ähnlichen, erfreulich abnehmenden Trend seit 2005, parallel zu einer wirtschaftlich positiven Entwicklung, ein. Gleichwohl sind die Ausmaße in Ostdeutschland über 7 Jahre deutlich höher. Beim Antisemitismus verläuft die Kurvenentwicklung unterschiedslos gemeinsam mit einer leichten Abnahme in den Einstellungen. Bei der Islamophobie driftet die Entwicklung deutlich auseinander. Im Trend zunehmend in Ost-, abnehmend in Westdeutschland. Bei der Reklamierung von Etabliertenvorrechten – und damit der Abwertung und Zurückweisung Anderer, Fremder, schwacher Gruppen sind Ost- wie Westdeutsche wechselvoll im Verlauf vereint, wobei das Niveau von 2008 fast wieder dem von 2002 entspricht. Einen vereinten Verlauf gibt es auch bei der Abwertung von Homosexuellen, wobei seit 2005 eine positive Tendenz verringerter Ausmaße sichtbar wird. Dagegen zeigt der Verlauf bei der Abwertung von Behinderten keine positive Entwicklung, verbunden mit zeitweisen signifikant höheren Ausprägungen in Ostdeutschland. Die Abwertung von Obdachlosen scheint sich auseinander zu entwickeln. Die Werte in Ostdeutschland waren über die Zeit immer etwas höher, in 2008 deutet sich eine deutliche Differenz der Zunahmen im Osten und Abnahme im Westen an. Der klassische Sexismus schließlich hatte einen wechselhaften Verlauf. Das wichtigste Ergebnis: die Ausmaße waren in den 7 Jahren in Ostdeutschland immer niedriger. Zeitweilige Differenzen bei insgesamt sinkender Kurve in Ost- und Westdeutschland scheinen kleiner zu werden. Die Entwicklung der Abwertung von Langzeitarbeitslosen ist noch wenig aussagekräftig, da sie erst in 2007 und 2008 erhoben wurde und bislang keinen Unterschied aufweist. 11 Wilhelm Heitmeyer Leben wir immer noch in zwei Gesellschaften? Desintegration und Anerkennungsverhältnisse in Ost- und Westdeutschland Vor fast 20 Jahren standen wir vor einem Jahr, das die beiden deutschen Staaten und ihre zwei völlig unterschiedlichen Gesellschaften tiefgreifend verändern sollte. Im November 1989 fiel die Mauer. Willy Brandts oft verstümmelte Formel gibt dagegen wichtige Hinweise: „Aber mit Achtung und Respekt vor dem Selbstgefühl der bisher von uns getrennten Landsleute wird es möglich sein, dass ohne entstellende Narben zusammenwächst, was zusammengehört.“ Daraus ergeben sich Fragen, die auf die Integration bzw. Desintegration in der „neuen“ Gesellschaft und auf das Verhältnis und die Anerkennung zwischen Ost und West zielen. Wie steht es mit der Desintegration in Ost- und Westdeutschland auf der sozialstrukturellen, auf der institutionellen und auf der sozial-emotionalen Ebene? Auf der sozialstrukturellen Ebene sind im objektiven Bereich die Zahlen eindeutig. Die Arbeitslosigkeit ist in Ostdeutschland deutlich höher und die Differenz nimmt nicht ab. Insofern überraschen weder die im Osten höheren subjektiven Benachteiligungsgefühle noch die größeren Sorgen und Ängste vor Arbeitslosigkeit. Abb.1: Desintegration, sozialstrukturelle Ebene, GMF-Survey 2002, 2005, 2008, Mittelwerte 4 3,5 3 2002 2,5 2005 2008 2 1,5 1 West Ost Negative Zukunftserwartungen West Ost Weniger als einen gerechten Anteil West Ost Schlechte wirtschaftliche Lage West Ost Sorgen und Ängste vor Arbeitslosigkeit 12 Betrachtet man die Entwicklung der institutionellen Integration in den Ausschnitten von politischer Machtlosigkeit, die sich auf das theoretisch hergeleitete Prinzip der sozialen Gerechtigkeit bezieht, dann ist auch ein Blick auf die Wahrnehmung der sozialen Spaltung zu werfen. Soziale Spaltung bildet sich auch subjektiv als nicht gelungene Durchsetzung von sozialer Gerechtigkeit ab. Sowohl die wahrgenommenen Gefühle der Machtlosigkeit als auch die Wahrnehmung sozialer Spaltung sind jeweils in den letzten 7 Jahren stabil unterschiedlich zwischen Ost- und Westdeutschland – und hinsichtlich der sozialen Spaltung mit einem aufholenden Trend in Westdeutschland. Abb.2: Desintegration, institutionelle Ebene, GMF-Survey 2002, 2005, 2008, Mittelwerte 4 3,5 3 2002 2,5 2005 2008 2 1,5 1 West Ost Machtlosigkeit in Politik und Gesellschaft West Ost Soziale Spaltung Die dritte Dimension der Theorie Sozialer Desintegration fokussiert auf die sozial-emotionale Dimension, die die Vergemeinschaftung im sozialen Nahraum zum Gegenstand hat. Dabei wird eine gleiche Entwicklung in Ost- wie Westdeutschland in den letzten 7 Jahren sichtbar. Die generelle sozial-emotionale Desintegrationsgefahr, z. B. keine Freunde zu finden, ist stabil auf hohem Niveau in Ost- und Westdeutschland. Aufschlussreich ist die parallele deutliche Zunahme mangelnder sozialer Unterstützung im sozialen Nahraum in Ost- wie Westdeutschland. Schlechte Zeiten für den Zusammenhalt in Ost wie West. 13 Abb.3: Desintegration, sozial-emotionale Ebene, GMF-Survey 2002, 2005, 2008, Mittelwerte 3,5 3 2,5 2002 2 2005 1,5 2008 1 0,5 0 West Ost Generelle sozial-emotionale Desintegration West Ost Mangelnde soziale Unterstützung Insgesamt erscheinen die Desintegrationsbedrohungen in Ostdeutschland höher. Betrachtet man nun das Verhältnis der Ost- und Westdeutschen zueinander, so kann von einer Einheit ebenfalls nicht die Rede sein. Einig sind sich die Bürgerinnen und Bürger in Ost- und Westdeutschland in der Meinung, dass die Wende viele Nachteile für den jeweiligen Landesteil gebracht hat. Die gegenseitige Anerkennung der Bürger in Ost- und Westdeutschland erscheint ebenfalls problematisch. Hier sind fast Dreiviertel der Ostdeutschen der Meinung, dass sich Westdeutsche zu wenig um Verständnis der Situation der Ostdeutschen bemühen und ihre Leistungen für den Aufbau unzureichend würdigen. Umgekehrt fühlt sich aber auch gut die Hälfte der Westdeutschen zu wenig für ihre Leistungen gewürdigt und knapp die Hälfte meint, dass die Ostdeutschen sich zu wenig um Verständnis für die Situation der Westdeutschen bemühen. Diese Zahlen deuten auf eine erhebliche wechselseitige Fremdheit hin. Tab. 1: Gefühlte Verluste und gegenseitige Anerkennung nach der Wende, GMF Survey 2008, Angaben in Prozent West Ost trifft eher/voll und ganz zu Die Wende hat den Ost-/Westdeutschen viele Nachteile gebracht 55,9 57,3 Die Leistungen der Ost-/Westdeutschen für den Aufbau der neuen 53,9 75,2 Bundesländer werden zu wenig gewürdigt Die Ost/Westdeutschen bemühen sich zu wenig um Verständnis 44,1 72,4 um die Situation der Ost/Westdeutschen eher auf der Verliererseite Man spricht von Gewinnern und Verlierern der deutschen 27,0 32,5 Vereinigung. Fühlen Sie sich eher auf der Gewinner- oder 14 Verliererseite? Eher wenige Befragte wollen sich auf der Verliererseite der Einheit sehen, dies sagen 27% im Westen und 32,5% im Osten. Der Großteil der Befragten gibt hier an, weder auf der Gewinner- noch auf der Verliererseite zu stehen. Die Fremdheit von Ost- und Westdeutschen zeigt sich auch, wenn es um die Frage der freundschaftlichen Kontakte untereinander und die Bereitschaft, im anderen Landesteil zu leben oder diesen zu besuchen, geht. Interessant ist, dass die Bereitschaft im anderen Landesteil zu leben, auf beiden Seiten durchaus vorhanden zu sein scheint. 45% der Westdeutschen könnten sich dies vorstellen, und 42% der Ostdeutschen könnten sich vorstellen in Westdeutschland zu leben. Konkrete Ambitionen, solche Pläne zu verwirklichen gibt es aber kaum. Nur 15% geben an, auch wirklich in den anderen Landesteil ziehen zu wollen, wenn es möglich wäre. Insbesondere die Westdeutschen bleiben eher unter sich. So geben nur 21% der Westdeutschen an, ostdeutsche Freunde und Bekannte zu haben. Umgekehrt sind es hingegen immerhin 33%. Die Ostdeutschen scheinen auch eher nach Westdeutschland zu reisen. Zumindest geben 33% der Ostdeutschen an, schon mal länger als einen Monat im Westen gewesen zu sein. Bei den Westdeutschen ist eine längere Reise nach Ostdeutschland seltener, nur 17% geben dies an. Tab. 2: Kontakte und Kontaktbereitschaft der West- und Ostdeutschen miteinander, GMF Survey 2008, Angaben in Prozent West Ost ja Waren Sie schon einmal länger als einen Monat in 17,1 33,8 West/Ostdeutschland? sehr/eher viele Wie viele Ihrer Freunde und guten Bekannten sind West/ 20,6 32,8 Ostdeutsche? trifft eher/voll und ganz zu Ich kann mir gut vorstellen, in West/Ostdeutschland zu leben 45,0 41,7 Wenn ich könnte, würde ich nach West/Ostdeutschland ziehen 14,6 15,0 Betrachtet man die Beurteilung zur Vereinigung, so fällt zunächst auf, dass trotz aller Probleme die ganz überwiegende Mehrheit der Meinung ist, es sei gut, dass die beiden Staaten und Gesellschaften vereinigt wurden. Eine Mehrheit der Ostdeutschen glaubt, dass die Deutschen immer noch grundverschieden sind. In Westdeutschland glaubt mehr als die Hälfte der Befragten, dass man noch immer sehr verschieden sei. In beiden Landesteilen ist die Einschätzung, ob es gelingt, dass Deutschland 15 zusammenwächst, eher negativer geworden. Während 1993 noch 63% der Westdeutschen und 47% der Ostdeutschen glaubten, dass das Zusammenwachsen gelingen werde, so sind dies im Jahr 2004 nur noch 54% der Westdeutschen und 44% der Ostdeutschen (Noelle 2004). Andererseits ist der Anteil derer, die meinen, dass die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen überwiegen, weiter gesunken. Dies sagten im Jahr 2006 nur noch 34% der Ostdeutschen und 28% der Westdeutschen (Noelle/Petersen 2006). Dass die Vereinigung in Westdeutschland optimistischer beurteilt wird, muss verwundern, wenn die Einschätzung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lage vor und nach der Wende ins Blickfeld gerät. Während in beiden Landesteilen die wirtschaftliche, politische und soziale Situation heute von ca. 55% sehr oder eher gut eingeschätzt wird, so sagen dies 85% der Westdeutschen für die ehemalige BRD, jedoch nur 42% der Ostdeutschen für die ehemalige DDR. Es hat sich also für die Westdeutschen eine Verschlechterung ergeben, für die Ostdeutschen eher eine Verbesserung. Tab. 3: Positionen zur Vereinigung im GMF Survey 2008, Angaben in Prozent West Ost trifft eher/voll und ganz zu Es ist gut, dass Deutschland wiedervereinigt wurde. 89,0 91,0 Ost- und Westdeutschland sind zusammengewachsen. 59,8 41,3 Ost- und Westdeutsche sind immer noch grundverschieden. 55,3 67,4 sehr/eher gut Ganz allgemein betrachtet, wie gut oder schlecht finden Sie 84,6 41,8 rückblickend den politischen, ökonomischen und sozialen Zustand Deutschlands vor der Wende, also vor 1989 in der früheren Bundesrepublik/ehemaligen DDR? Ganz allgemein betrachtet, wie gut oder schlecht finden Sie den 54,7 56,0 politischen, ökonomischen und sozialen Zustand Deutschlands wie er heute ist? 16 Anna Klein/Beate Küpper/Andreas Zick Rechtspopulismus und Demokratiekritik: Ergebnis von Benachteiligungsgefühlen Das Gefühl der Benachteiligung gegenüber Westdeutschland ist unter Ostdeutschen weit verbreitet. Umgekehrt fühlen sich Westdeutsche nur selten gegenüber Ostdeutschen benachteiligt. Abb. 1: Benachteiligungsgefühle in Ost und Westdeutschland, GMF-Survey 2008, Zustimmung in Prozent Ost West 64 Irgendwie sind Ost-/Westdeutsche Bürger 2. Klasse 13 73 Die West-/Ostdeutschen werden gegenüber den Ost/Westdeutschen benachteiligt 24 Die Leistungen der Ost-/Westdeutschen werden zu wenig gewürdigt 75 54 72 Die Ost-/Westdeutschen bemühen sich zu wenig um Verständnis um die Ost-/Westdeutschen 44 77 Ost-/Westdeutsche erhalten weniger als ihren gerechten Anteil 21 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 64% der Ostdeutschen sind der Meinung, dass Ostdeutsche „irgendwie Bürger zweiter Klasse“ sind und 73% meinen, dass „die Ostdeutschen gegenüber den Westdeutsche benachteiligt werden“. Umgekehrt meinen nur 13% der Westdeutschen, dass Westdeutsche „irgendwie Bürger zweiter Kasse“ sind und nur knapp ein Viertel der Westdeutschen fühlt sich gegenüber den Ostdeutschen benachteiligt (vgl. Abb. 1). Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich auch in ihrem Verhältnis zur Demokratie. Westdeutsche erkennen die Demokratie als beste Staatsform deutlich häufiger an als Ostdeutsche. Die Kritik an der Problemlösungsfähigkeit demokratischer Parteien ist in Ostdeutschland kaum verbreiteter als in Westdeutschland. Dass Politiker sich mehr Rechte herausnehmen als Bürger meinen 84% der Westdeutschen und 88% der Ostdeutschen. Aber auch die Rolle der Zivilgesellschaft wird kritisch gesehen: Ostdeutsche sind ebenfalls etwas häufiger der Meinung, dass die Leute sich zuwenig in die Politik einmischen. 17 Schließlich sind in Ost wie West knapp 80% der Meinung, dass die Wirtschaft anstelle der Politik die Entscheidungen trifft (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Demokratiekritische Einstellungen in Ost- und Westdeutschland, GMF-Survey 2008, Zustimmung in Prozent 77 Die Demokratie ist die beste Staatsform Die demokratischen Parteien zerreden alles und lösen die Probleme nicht Ost West 87 76 75 Politiker nehmen sich mehr Rechte heraus als normale Bürger 88 84 Gegen soziale Missstände wird in Deutschland zu wenig protestiert 79 Letztendlich entscheidet die Wirtschaft in unserem Land und nicht die Politik 79 79 83 65 70 75 80 85 90 Was haben Benachteiligungsgefühle und demokratiekritische Einstellungen nun mit Rechtspopulismus zu tun? Könnte es sein, dass Personen sich vom demokratischen Meinungsspektrum abwenden, wenn sie sich im eigenen Land so stark benachteiligt fühlen und eine deutliche Unzufriedenheit mit der Demokratie ausdrücken? Rechtspopulistische Einstellungen sind in Ostdeutschland etwas verbreiteter sind als in Westdeutschland. Rechtspopulismus definieren wir als Einstellungsmuster aus autoritären Law-and-Order Haltungen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Einstellungen. Betrachtet man die Unterschiede getrennt, so zeigt sich, dass die höheren Werte beim Rechtspopulismus auf den höheren Autoritarismus und die stärker ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland zurückgehen. Antisemitische Einstellungen sind hingegen im Westen weiter verbreitet. Beim Autoritarismus vertreten 82% der Ostdeutschen die Meinung, dass man härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen sollte, während dies 73% der Westdeutschen fordern. Vergleicht man aber nur jene Personen, die sich gegenüber dem anderen Teil Deutschlands benachteiligt fühlen, dann verschwinden die Unterschiede. D.h. Westdeutsche, die sich gegenüber Ostdeutsche benachteiligt fühlen, sind ebenso autoritär eingestellt wie Ostdeutsche, die sich gegenüber Westdeutschland benachteiligt fühlen. 18 Abb. 3: Facetten rechtspopulistischer Einstellungen in Ost und Westdeutschland sowie bei Personen mit Benachteiligungsgefühlen, GMF-Survey 2008, Zustimmung in Prozent Ost Ost (Benachteiligte) 100 88 88 82 80 West West (Benachteiligte) 73 60 71 72 62 53 49 34 40 39 38 20 Um Recht und Ordnung zu bewahren sollte man härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen Es leben zuviele Ausländer Viele Juden versuchen aus in Deutschland der Vergangenheit des dritten Reiches ihren Vorteil zu ziehen und Deutshland dafür zahlen zu lassen Ähnliches zeigt sich bei der Fremdenfeindlichkeit. Ostdeutsche sind deutlich häufiger der Meinung, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben. Betrachtet man aber nur Personen mit Benachteiligungsgefühlen, dass verschwindet der Unterschied. Beim Antisemitismus verhält es sich etwas anders. Hier sind die Westdeutschen ohnehin etwas antisemitischer eingestellt als de Ostdeutschen. Vergleicht man nun nur Personen mit Benachteiligungsgefühlen, dann wird der Unterschied noch deutlicher (vgl. Abb. 3). Wir können also zeigen, dass die gefühlte Benachteiligung der Ostdeutschen deutlich dazu beiträgt, dass fremdenfeindliche und autoritäre Einstellungen, die zum rechtspopulistischen Einstellungsmuster gehören, verbreiteter sind. Wären die Benachteiligungsgefühle in Westdeutschland ähnlich hoch, so wären rechtspopulistische Einstellungen dort mindestens genauso verbreitet. Gefühlte Benachteiligung drückt auch das Gefühl aus, ungerecht behandelt zu werden. Und dies hat wiederum Folgen für die Bewertung der Demokratie. Die Benachteiligungsgefühle sind in Ost wie West eng verbunden mit der Bewertung der Demokratie als bester Staatsform und der Kritik an demokratischen Parteien und Politikern. Es besteht jedoch kaum ein Zusammenhang mit der Kritik an der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft (vgl. Tab. 1). Diesen beiden Varianten demokratiekritischer Einstellungen kommt eine Sonderrolle zu. Und das gilt auch für den Zusammenhang mit rechtspopulistischen Einstellungen. 19 Tab. 1: Zusammenhang von Benachteiligungsgefühlen und demokratiekritischen Einstellungen, GMF-Survey 2008, Korrelationen Benachteiligungsgefühle Ost West Die Demokratie ist die beste Staatsform ,31*** ,35*** Die demokratischen Parteien zerreden alles und lösen die ,20*** ,33*** Probleme nicht Politiker nehmen sich mehr Rechte heraus als normale Bürger ,34*** ,31*** Letztendlich entscheidet die Wirtschaft in unserem Land und -,07 ,07* nicht die Politik Die Leute mischen sich zu wenig in die Politik ein ,11* ,09* Korrelationen (Zusammenhangsmaße) sind *** signifikant bei 0,1%-Irrtumswahrscheinlichkeit bzw. * signifikant bei 5%-Irrtumswahrscheinlichkeit oder nicht signifikant (ns). Die Ablehnung der Demokratie als beste Staatsform und insbesondere die Kritik an Politikern stehen mit rechtspopulistischen Einstellungen in Verbindung. Für die Kritik an zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren gilt dies jedoch nicht (vgl. Tab. 2). Demokratiekritische Haltungen sind also nicht in jedem Fall demokratiefeindlich im Sinne einer zunehmenden Abwertung schwacher Gruppen. Tab. 2: Zusammenhang von Benachteiligungsgefühlen und demokratiekritischen Einstellungen, GMF-Survey 2008, Korrelationen Rechtspopulismus Ost West Die Demokratie ist die beste Staatsform ,21*** ,31*** Die demokratischen Parteien zerreden alles und lösen die ,08* ,24*** Probleme nicht Politiker nehmen sich mehr Rechte heraus als normale Bürger ,29*** ,37*** Letztendlich entscheidet die Wirtschaft in unserem Land und -,02 ,05 nicht die Politik Die Leute mischen sich zu wenig in die Politik ein ,13* ,05 Korrelationen (Zusammenhangsmaße) sind *** signifikant bei 0,1%-Irrtumswahrscheinlichkeit bzw. * signifikant bei 5%-Irrtumswahrscheinlichkeit oder nicht signifikant (ns). Zusammenfassung: Westdeutsche, die sich benachteiligt fühlen, sind mindestens ebenso demokratiekritisch und rechtspopulistisch eingestellt wie Ostdeutsche. Die in Ostdeutschland stärker verbreiteten Benachteiligungsgefühle können erklären, warum Ostdeutsche demokratiekritischer und rechtspopulistischer eingestellt sind. Demokratiekritische Einstellungen stehen nicht unbedingt in Zusammenhang mit Benachteiligungsgefühlen und rechtspopulistischen Einstellungen. Während die Kritik an Politikern und Parteien eher problematisch erscheint, führt die Kritik an Akteuren aus 20 Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht dazu, dass Menschen rechtspopulistische Einstellungen übernehmen. Julia Becker/Oliver Christ/Ulrich Wagner/Peter Schmidt Deutschland einig Vaterland? Identifikation in Ost- und Westdeutschland Vor fast 20 Jahren ist die Mauer zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik gefallen. Sind nach dieser langen Zeit Ost- und Westdeutschland immer noch Bezugspunkte für die Identitätsfindung der Menschen? Oder identifizieren die Menschen in Deutschland sich eher mit Deutschland als Ganzem? Und, wie wirken sich Identifikationen mit Ost- oder Westdeutschland und mit Deutschland insgesamt auf Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus? Dies sind Fragen, denen wir anhand der GMF Umfragen der letzten Jahre und vergleichbaren Allbus-Ergebnissen (Allgemeine Deutsche Bevölkerungsumfrage) nachgegangen sind. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Identifikation mit Ostdeutschland zwischen 1991 und 2000 bei den Ostdeutschen zugenommen hat. Die Identifikation der Westdeutschen mit „ihrem“ Teil der Republik hat im selben Zeitraum abgenommen (vgl. Abb.1). Abb. 1: Prozentsatz derjenigen Befragten, die gefühlsmäßig „stark“ oder „ziemlich stark“ mit Ost-/ West-/ Deutschland verbunden sind, 1991, 2000 (ALLBUS) 1991 63,1 63,4 Identifikation mit Deutschland, Westdeutsche 63,2 Identifikation mit Deutschland, Ostdeutsche 40,4 65,9 53,2 2000 63,4 55,5 0 10 20 30 40 50 60 Identifikation mit Ostdeutschland Identifikation mit Westdeutschland 70 Abb. 2: Prozentsatz derjenigen Befragten, die sich „sehr“ Ostdeutsche/Westdeutsche/Deutsche fühlen, 2000, 2008 (GMF) oder „eher“ als 21 86,3 91,2 84,2 2002 Identifikation mit Deutschland, Westdeutsche Identifikation mit Deutschland, Ostdeutsche 61,7 Identifikation mit Ostdeutschland 93,2 94,4 2008 80,1 Identifikation mit Westdeutschland 67,9 0 20 40 60 80 100 Im Jahr 2008 identifizieren sich die Ostdeutschen stärker mit Ostdeutschland als die Westdeutschen mit Westdeutschland. In Ost- und Westdeutschland ist die Identifikation mit Deutschland insgesamt im Jahr 2008 auf einem vergleichbar hohem Niveau (vgl. Abb.2). Der Nationalstolz der Deutschen („Ich bin stolz darauf, Deutsche/Deutscher zu sein“) hat von 1996 bis 2008 kontinuierlich zugenommen (vgl. Abb.3). Abb. 3: Entwicklung von Nationalstolz (Mittelwerte) 1996 (ALLBUS), 2000 (ALLBUS) und 2008 (GMF) getrennt nach Ost- und Westdeutschland 3,4 3,2 3 Westdeutsche Ostdeutsche 2,8 2,6 2,4 1996 2000 2004 2008 Deutschland scheint also mehr und mehr gefühlsmäßig zum gemeinsamen Vaterland zu werden, wobei die Ostdeutschen noch vergleichsweise stark auch an ihrem Teil des Landes hängen. Allerdings, die wachsende Identifikation mit dem eigenen Land und der wachsende Nationalstolz haben auch sehr bedenkenswerte negative Konsequenzen: Sie gehen einher mit der Ablehnung derjenigen, die nicht bereits auf den ersten Blick dazu gehören: Es zeigen sich signifikante Korrelationen mit Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamphobie. Darüber hinaus machen unsere Daten deutlich, dass nicht nur Nationalstolz zu mehr Fremdenfeindlichkeit führt, sondern auch die Identifikation mit Ost- oder Westdeutschland Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamphobie erhöht (vgl. Tabelle 1). 22 Tab. 1: Zusammenhänge (standardisierte Beta-Gewichte) von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamphobie mit Identifikation mit Ost/Westdeutschland und Nationalstolz, GMF 2008, getrennt für Ost- und Westdeutschland Identifikation mit Ostdeutschland/ Westdeutschland Nationalstolz in Ostdeutschland/ Westdeutschland Fremdenfeindlichkeit .23***/.18*** Antisemitismus .09*/.15*** Islamphobie .17***/.14*** .17***/.23*** .12**/.13*** .25***/.28** p < .05; ** p < .01; *** p < .001 Unser Fazit aus diesen Ergebnissen ist: Vorsicht mit allen Formen von nationaler Identifikation, wenn Deutschland und die Deutschen weltoffen auftreten wollen. Andreas Zick / Beate Küpper / Sandra Legge Mangelnde Zivilcourage gegen Rechtsextremismus!? Zur Geschichte des vereinten Deutschlands gehört auch ein neuer Rechtsextremismus, der zunehmend die Frage nach der Zivilcourage aufwirft. Wie steht es um die Zivilcourage in Deutschland? Sind die Menschen im Osten tatsächlich weniger couragiert, wenn es um rechtsextreme Vorfälle geht? Woran liegt es, dass Menschen nicht bereit sind, etwas gegen den Rechtsextremismus zu tun? Andreas Zick, Beate Küpper und Sandra Legge haben erstmalig ein 5-Stufen Modell der Zivilcourage auf couragiertes Verhalten gegenüber Rechtsextremismus übertragen. Zivilcourage wird als staatsbürgerlicher Mut betrachtet, der sich nicht allein auf die konkrete Situation rechtsextremer Überfälle beschränkt, sondern sich in Widerspruch, Widerstand, Protest oder aktivem Engagement in Bürgerinitiativen erweist. Die Zivilcourage wurde mit neun Aussagen erfasst. Sie sind in Tabelle 1 mit den Prozentsätzen für die Zustimmung und Ablehnung abgedruckt. Die Ergebnisse zeigen: Die pauschale Unterstellung, Ostdeutsche seien weniger bereit, couragiert gegen Rechtsextremismus zu handeln als Westdeutsche, bestätigt sich nicht! 1. Wahrnehmung von Rechtsextremismus: Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen (83 %) haben schon häufig von rechtsextremen Vorfällen gehört. Über 92% finden es bedrohlich, wenn der Rechtsextremismus zunimmt! Allerdings: Ostdeutsche finden eine Zunahme von Rechtsextremismus überzufällig weniger bedrohlich als Westdeutsche dies tun. 23 2. Interpretation des Rechtsextremismus als Problem: Trotz der enormen Wahrnehmung des Problems ist mehr als die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass das Thema Rechtsextremismus in den Medien „hochgekocht“ wird (West: 53 %; Ost: 51 %), und weit über ein Drittel der Befragten stimmen der Ansicht zu, dass über den Rechtsextremismus viel zu viel geredet wird (West: 38,4 %; Ost: 40,6 %). Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich hierbei statistisch nicht überzufällig. 3. Übernahme von Verantwortung: Über die Hälfte der Befragten (West: 54,4 %; Ost: 54,2 %) weisen eine eigene Verantwortung zurück und sind der Meinung, Experten sollten sich mit dem Thema befassen. 4. Strategie des Eingreifens: Mehr als ein Drittel der Befragten (West: 35,7 %; Ost: 39,2 %) sind der Ansicht, es sei am besten, die Rechten gar nicht zu beachten. Fast 30 Prozent drücken jedoch auch ihre Hilflosigkeit aus, sie wüssten nicht, was man gegen den Rechtsextremismus überhaupt tun sollte, wobei hier signifikant mehr westdeutsche Befragte zustimmen (West: 29,7 %; Ost: 25 %). 5. Handeln: Über 90% der Befragten in Ost und West stimmen zu, dass man dringend etwas gegen den Rechtsextremismus unternehmen müsse! Noch mehr als Westdeutsche plädieren Ostdeutsche für ein Eingreifen. Auch die eigene Handlungsbereitschaft ist hoch - in Ost und West (Gesamt: 80%). Lediglich rund jeder fünfte Bundesbürger ist nicht bereit, selbst etwas gegen den Rechtsextremismus zu unternehmen (West: 18,1 %; Ost: 21,6 %). Die pauschale Unterstellung, Ostdeutsche seien weniger bereit, couragiert gegen Rechtsextremismus zu handeln als Westdeutsche, bestätigt sich nicht! Allerdings erkennen ostdeutsche Befragte Rechtsextremismus etwas seltener als Bedrohung, was erklären könnte, dass später aktives Eingreifen eher ausbleibt. Je jünger die Befragten und je stärker sie sich politisch links positionieren, desto eher sind sie zum Engagement gegen Rechtsextremismus bereit. Gerade junge, gut gebildeten Befragten aus den ostdeutschen Bundesländern zeigen die höchste Sensibilität für das Problem des Rechtsextremismus und sind mehr als alle anderen bereit, sich selbst dagegen einzusetzen. Wie ist es um die Zivilcourage in Stadtteilen und Gemeinden bestellt, in denen die NPD1 über die Erst- oder die Zweitstimme einen Wahlerfolg von 5 Prozent und mehr der Stimmen bei 1 Da alle anderen Parteien, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, die 5 Prozent-Hürde weder über die Erstnoch über die Zweitstimme in einer der 441 Kreise Deutschlands bei der letzten Bundestagswahl erzielten, beschränkt sich die Gruppeneinteilung auf das Ergebnis der NPD. 24 der letzten Bundestagswahl erzielte?2 Geht es um die Wahrnehmung, Interpretation und Verantwortungsübernahme beim Rechtsextremismus, unterscheiden sich Befragte in diesen Regionen überraschend wenig von anderen. Doch sind sie überzufällig eher der Ansicht, dass über den Rechtsextremismus „viel zu viel geredet wird“, meinen eher, es sei strategisch am besten, „die Rechten gar nicht zu beachten“ und signalisieren seltener eigene Handlungsbereitschaft´. Zugleich sind sie jedoch stärker der Ansicht, gegen den Rechtsextremismus müsse gehandelt werden. Die eigene Zögerlichkeit scheint dabei weniger in der eigenen Angst vor den Rechten begründet – das Gefühl der Bedrohung durch den Rechtsextremismus ist hier nicht größer als anderswo. Zivilcourage sinkt, wo die NPD als normal wahrgenommen wird! Befragte aus Regionen mit nennbarem Wahlerfolg rechter Parteien sind überzufällig eher der Ansicht, die NPD ist eine „normale“ Partei, wie jede andere (Zustimmung West: 12,3%, Ost: 16%). In diesen Regionen bröckelt das Tabu gegen die Rechten, und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist auch in der normalen Bevölkerung verbreiteter. Dies gilt, es sei noch einmal betont, nicht für ‚den Osten’ per se, sondern für Regionen, in denen rechtsextreme Parteien erfolgreich sind. Umso wichtiger ist es unserer Meinung nach, die schleichende Normalisierung der Menschenfeindlichkeit zu durchbrechen. Tabelle: Zivilcouragierten Äußerungen unter west- (W) und ostdeutschen (O) Befragten, GMF Survey 2008, Angaben in Prozent ...voll und ganz zu gültige N Wahrnehmung 1. Ich habe schon häufig von rechtsextremen Vorfällen gehört. 2. Ich finde es bedrohlich, wenn der Rechtsextremismus zunimmt. Interpretation 3. Der Rechtsextremismus wird in den Medien hoch gekocht. 4. Über den Rechtsextremismus wird viel zu viel geredet. Verantwortung 5. Damit sollen sich Experten beschäftigen. Strategie 6. Es ist am besten, die Rechten gar nicht zu beachten. ...überhaupt nicht zu ...eher nicht zu ...eher zu Ich stimme ... W O W O 4,3 7,6 1,2 5,5 12,2 7,1 5,3 4,9 30,1 25,9 15,3 10,6 53,3 59,5 78,2 79,0 1095 634 1104 633 W O W O 13,3 17,0 21,2 22,7 33,7 31,9 40,4 36,7 33,0 28,0 19,2 20,8 20,0 23,0 19,2 19,8 1091 617 1091 630 W 19,2 26,5 21,0 33,4 1100 O 19,0 26,8 18,4 35,8 626 W 30,4 33,9 13,5 22,2 1100 O 29,6 31,2 13,1 26,1 632 2 In diesen Kreisen unterscheiden sich die Befragten nicht von anderen, etwa was Bildung und Einkommen betrifft, doch liegen diese Regionen ausnahmslos in den neuen Bundesländern. 25 7. Ich wüßte nicht, was man gegen den Rechtsextremismus tun sollte. Eingreifen 8. Gegen den Rechtsextremismus muß man dringend etwas unternehmen. 9. Ich bin bereit, etwas gegen Rechtsextremismus zu tun. W 31,4 38,9 18,5 11,2 1058 O 41,2 33,8 12,5 12,5 624 W 1,4 O 1,3 8,1 5,4 21,2 69,0 1106 13,9 79,5 635 W 6,5 O 7,0 11,6 36,8 45,1 1081 14,6 29,1 49,3 629 Anm.: Nach Repräsentativität disproportional gewichtete Stichprobe. Grau unterlegt ist die mangelnde Zustimmung zu Zivilcourage 26 Die Redner/-innen - Heitmeyer, Wilhelm, 63, Prof. Dr., Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konfliktund Gewaltforschung, Universität Bielefeld. - Klein, Anna, 29, Dipl.-Päd., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld. - Wagner, Ulrich, 57, Prof. Dr., Arbeitsgruppe Sozialpsychologie, Universität Marburg. - Küpper, Beate, 40, Dr., Vertretung der Professur für Sozialpsychologie, Universität Dresden. Das Forscherteam Bielefelder Team: Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer (Tel.:0521-1063164; [email protected]) Prof. Dr. Andreas Zick (Tel.:0521-1062442; [email protected]) Dipl.-Soz., M.A. Eva Groß (Tel.:0521-1063211; [email protected]) Dipl.-Päd. Anna Klein (Tel.:0521-1063131; [email protected]) Dipl.-Soz. Daniela Krause (Tel.:0521-1063091; [email protected]) Dr. Beate Küpper (Tel: 0521-1062443; [email protected]) Dipl.-Soz. Sandra Legge (Tel.:0521-1063149; [email protected]) Dipl.-Soz. Rebecca Lobitz (Tel.:0521-1063091; [email protected]) Apl. Prof. Dr. Jürgen Mansel (Tel.:0521-1063166; [email protected]) Kooperationspartner: Prof. Dr. Steffen Kühnel (Universität Göttingen, Methodenzentrum) Prof. Dr. Jost Reinecke (Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie) Prof. Dr. Peter Schmidt (Universität Gießen, Institut für Politikwissenschaften) Prof. Dr. Ulrich Wagner (Universität Marburg, Fachbereich Psychologie) 27