Wir Menschen Menschliches Verhalten und Erbgut G. Ullrich Zur nicht erst seit heute anhaltenden Lage und Situation des o.g. wissenschaftlichen Forschungsgebietes wollen wir in dieser Ausgabe zunächst ein Artikel aus der Wissenschaftszeitschrift „American Psychologist“ vom Juli 1972, übersetzt von Gerd Wedemeyer, vorstellen. Der Rückgriff auf das Jahr 1972 hat nun nicht so sehr etwas mit fehlender Aktualität, sondern mit der seitherigen Ruhe – auf anglodeutsch auch als „political correctness“ bekannt - zu tun, die auf diesem Forschungsgebiet herrscht. Der hier vorgestellte Artikel zeigt sehr deutlich das Dilemma, in das die gesamte kapitalistische Ordnung gerät, sobald sie allein nur mit dem Menschen und seinen psychologischen Anlagen konfrontiert wird. „American Psychologist“, Ausgabe Juli 1972: Verhalten und Erbgut Der Artikel von Burt (1972), dem posthum die Thorndike Auszeichnung verliehen wurde, richtet die Aufmerksamkeit wieder auf der großen Einfluß, den das Erbgut bei wichtigen Verhaltensweisen spielt. Die Hervorhebung eines solchen Einflusses hatte in jüngster Zeit sehr viel Mut gefordert, wodurch Psychologen und andere Wissenschaftler in Harvard, Berkley, Stanford, Coneticut, Illinois und anderswo sehr große persönliche wie auch berufliche Schwierigkeiten bekamen. Dies, obwohl die Einflüsse sehr gut dokumentiert und nachgewiesen sind. Die 50 unten aufgeführten Wissenschaftler haben dieses Dokument unterzeichnet, um die Bedeutung und Gültigkeit solcher Thesen zu bekräftigen und für freie, ungehinderte Forschung zu plädieren. Hintergrund: In der Geschichte der Zivilisation gibt es viele Perioden, wo die wissenschaftliche Forschung und Lehre getadelt, bestraft oder sogar aus unwissenschaftlichen Gründen unterdrückt wurde, weil sie gewöhnlich im Gegensatz zu einigen religiösen oder politischen Glaubensdogmen stand. Die bekanntesten Opfer sind Galileo im orthodoxen Italien, Darwin im viktorianischen England, Einstein in Hitlers Deutschland so wie die Biologen im Sinne von Mendel im stalinistischen Rußland. Heute erleben wir einen ähnlichen Vorgang der Bestrafung und Verunglimpfung gegenüber Wissenschaftlern, die die Rolle der Erbmasse beim Verhalten der Menschen hervorheben. Die veröffentlichten Stellungnahmen werden oft falsch dargestellt und zitiert. Emotionale Appelle ersetzen wissenschaftliche Argumentation. Die Person wird eher angegriffen als die vorgebrachten Beweise. (Wird ein Wissenschaftler als „Faschist“ bezeichnet, dann werden seine Argumente von vorn herein ignoriert.) Sehr viel Angriffe kommen von Nicht-Wissenschaftlern, darunter sind militante Politiker. Eine andere Gruppe sind Akademiker, die fast alle Unterschiede aus den Umweltbedingungen heraus erklären. Eine große Zahl Wissenschaftler, die die Beweise studiert haben und von der großen rolle der Erbmasse beim menschlichen Verhalten überzeugt wurden, schweigen. Sie äußern sich nicht öffentlich und verteidigen auch nicht ihre Kollegen. Die Ergebnisse kann man jetzt genau sehen. Es gilt als Ketzerei, wenn man ansichten zum Thema Erbgut artikuliert oder weitere Studien über die biologischen Grundlagen des Verhaltens empfiehlt. Ein orthodoxer Standpunkt über die Rolle der Umwelteinflüsse dominiert die liberale Akademie. Lehrer, Forscher und Gelehrte werden gehindert biologische Erklärungen abzugeben. Resolution: Daher erklären wir Wissenschaftler, die dieses Dokument unterzeichnet haben, folgende Grundsätze für richtig. 1. Bei unseren Untersuchungen haben wir viele Beweise über die mögliche Rolle des Erbgutes bei den Fähigkeiten und dem Verhalten des Menschen gefunden. Wir glauben, daß solche Einflüsse der Erbmasse sehr stark sind. 2. Wir möchten die Erforschung der biologischen Erbgrundlagen beim Verhalten des Menschen als weitere Ergänzung zu den Umwelteinflüssen fördern. 3. Wir verteidigen das Recht und betonen die Pflicht des Gelehrten und des Lehrers, eine Diskussion über die Erbguteinflüsse auf das Verhalten in einem angemessenen Rahmen zu führen. 4. Wir beklagen, daß man die Frage der Erbguteinflüsse in den Lehrbüchern ausläßt. Wir beklagen, daß man der Frage des Erbguts bei der Soziologie, Sozialpsychologie, Erziehungspsychologie und vielen anderen Disziplinen nicht die entsprechende Bedeutung zukommen läßt. 5. Wir rufen die Amerikanische Vereinigung der Universitätsprofessoren, die Amerikanische Vereinigung der bürgerlichen Freiheit, die Universitätszentren und Wissenschaftsabteilungen, die Verleger von wissenschaftlichen Zeitschriften auf, auf der Offenheit der Sozialwissenschaft zu insistieren entsprechend den gut begründeten Forschungen über die Ursachen des Bioverhaltens. Jedes Fakultätsmitglied, welches in verantwortlicher Weise doziert, forscht oder Veröffentlichungen über diese Thematik herausbringt, muß geschützt werden. Wir drängen darauf, weil wir als Wissenschaftler glauben, daß die Probleme des Menschen am besten geheilt werden können durch Kenntnisse über den Menschen. Kenntnisse hierüber fördern das Glück des Menschen eher als das Gegenteil. Unterzeichnet von Jack A. Adams Professor of Psychologie Robert Cancor, MD Professor of Psychatriy University of Illinois University of Conneticut Raymond B. Cattell Distinguished Reasearch Professor of Psychologie Andrew R. Baggaley Francis H. C. Crick Professor of Psychologie Nobelpreisträger University of Pennsylvania Medical Research Council Laboratory of Modular Cambridge University University of Illinois Biology Dorothy C. Adkins Professor/Researcher in Education University of Illinois Irwin A. Berg Professor of Psychologie and Botany Dean of Art & Sciences Louisiana State University Edgar F. Borgatta Professor of Sociology C. D. Darlington, FRS Sherardian Professor of Robert H. David Professor of Psychology and Assistant Provost Michigan State University M. Ray Denny Professor of Psychology Michigan state University Otis Dudley Duncan Professor of Sociology University of Michigan Bruce K. Eckland Professor of Sociology University of North Carolina Charles W. Eriksen Proefessor of Psychologie University of Illinois Hans J. Eysenck Professorof Psychology Institut of Psychatry University of London Eric F. Gardener Slocum Professor & Chairman Benson E. Ginsburg Professor & Head, Garrett Harding Professor of Queens College, New York Oxford University Education and Psychology Syracuse University Biobehaviorad Sciences University of Conneticut Human Ecology Universityof California Santa Barbara Harry S. Harlow Professor of Psychology University of Wisconsin Richard Herrnstein Professor & Chairman of Psycholog University of Illinois Lloyd G. Humphreys Professor of Psychologie Harvard University Dwight J. Ingle Professor & Chairman of Psychology University of Chicago Arthur R. Jensen Professor of Educational Psychology University of California Ronald C. Johnson Professor & Chaitman of Psychologie Michigan State Univer. Henry F. Kaiser Professor od Educatio University of California Berkley E. Lowell Kelly John C. Kendrew Professor of Psychology & Nobelpreisträger Director, Institut of MRC Laboratory of Human AdjustmentMolecular Biology University of Michigan Cambridge, England Fred N. Kerlinger Professor of Educational Psychology William S. Laughlin Professor of Anthropology & Biobehavioral Sciences New York University University of Conneticut Quinn McNemar Emeritus Professor of PsychoLogy, Education, and Statistics Paul E. Meehl Regents Professor of Psychology & Adjunct Prof. Stanford University France Donald B. Lindsley Professor of Psychology University of Californ. Los Angeles Jacques Monod Nobelpreisträger Professor, Institute Pasteur of Law, University of Min. College of John H. Northrup Nobelpreisträger Professor Emeritus of Biochemistry University of California and Rockefeller University Lawrence I. O’Kelly Professor & Chairman of Anne Roe Professor Emerita, Harvard and University & Lecturer in Psychology University of Arizona B. A. Rasmusen Professor of Animal Genetics University of Illinois David Rosenthal Reasearch Psychologist Chief of Laboratories National Institute of Mental Health David G. Rayns Eliot Slater, MD H. Fairfield Smith Psychologie Michigan State University Ellis Batten Page Professor of Educational Psychology University of Conneticut Professor & Director Educational R & D Center University of Hawaii Professor of Psychatry and Editor University of London S. S. Stevens Professor of Psychophysiks William R. Thompson Professor of Psychology Harvard University Professor of Statistics University of Conneticut David Wechsler Professor of Psychology Queens University, Canada N.Y.U. College of Medicine Robert L. Thorndike Professor of Psychology and Frederick C. Thorne MD Editor, Journal of Clinical Philip E. Vernon Professor of Educational Psychology University of Calgary, Alberta Education Teachers Colleg Columbia University Psychology Brandon, Vermont Morton W. Weir Professor of Psychology and Vice-Cancellor University of Illinois David Zeaman Professor of Psychology and NIMH Career Reasearch Fellow, Univers. of Conneticut Soweit Artikel und Resolution, übernommen aus dem us-amerikanischen Wissenschaftsmagazin „American Psychologist“ aus dem Jahre 1972. Dazu hier noch einige Erläuterungen und Anmerkungen. Dieser Artikel, inkl. der von 50 anglo-amerikanischen Professoren nebst vier Nobelpreisträgern unterzeichneten Resolution hatte zum Auslöser die insbesondere politische Reaktion auf einen Artikel von C. Burt mit dem Titel „Inheritance of general Intelligence“ (Vererbung der zentralen Intelligenz), ebenfalls 1972 veröffentlicht in der Wissenschaftszeitschrift „American Psychologist“. Die grundlegende Brisanz, die nicht nur allein aus den Forschungsergebnissen, sondern die allein schon von der gesamten Thematik ausgeht, da sie sich mit den Grundlagen nicht nur des Einzelmenschen, sondern - womit dann auch jede Art der Politik angesprochen wird - auch die Grundlagen jeder Art, Zusammensetzung und Entwicklung menschlicher Gemeinschaften bzw. Gesellschaften angesprochen und psychologisch hergeleitet wird, gibt dem Artikel eine dauerhafte Bedeutung. Geht es in der Thematik doch nicht nur darum, daß auch in der angloamerikanischen Vorzeigedemokratie die Forschung längst nicht frei ist, sondern sehr wohl – und dies auf fast allen Forschungsgebieten – von den herrschenden politischen Interessen abhängt, sondern, was weitaus wichtiger ist, um das grundlegende Verständnis vom Geist des Menschen, seiner Entwicklung und seiner anteiligen Vererbung, so wie des vererbten Einflusses auf das Verhalten jedes Einzelnen. Dies hat nicht allein Konsequenzen auf das gesamte Rechtssystem, dem damit die Frage nach der Verantwortlichkeit des Einzelnen in vollem Umfang entgegentritt – womit es sich auf seine Ursprünge, die Stützung des Herrschaftssystems, reduziert – auch nicht nur Großteile der geschichtlichen Entwicklungen der Völker lassen sich ableiten, sondern die Konsequenzen gehen soweit, daß letztlich auch die Fragen zu einer möglichen Bestimmung des Menschen, was nichts anderes ist als die Frage nach dem Sinn des Leben, sich grundlegend aus der Natur selbst beantworten lassen, womit es zwangsläufig auch zu einer Beantwortung der Frage nach der optimalen, der einzigen, zum Menschen passenden, Lebensordnung kommt. Wenn vielleicht auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, so wird doch klar, daß die gesamte hier angesprochene Thematik und Diskussion von allerhöchster politischer Brisanz ist, da sie die bestehendende Herrschaftsstruktur, auch die demokratische, komplett in Frage stellt und den bestehenden Zuständen, insbesondere aber den nicht nur demokratisch Herrschenden, die von ihnen unbedingt benötigte Rechtfertigung nimmt, bzw. nehmen könnte. Nicht also nur die möglichen Forschungsergebnisse, sondern allein schon die Forschung und die Diskussion auf diesen Gebieten ist das, was nicht gewollt und damit auch nicht zugelassen ist, soll doch nach der heute gültigen Betrachtung einzig die Umwelt den Menschen prägen. Oder ganz einfach ausgedrückt: Nicht nur das, was uns aktuell oder auch historisch als Politik verkauft wird, ist zweckbestimmt verfälscht, sondern auch unser Wissen von uns selbst, vom Menschen, ist angepaßt, d.h. falsch!