Protokoll zum Experimentalvortrag über „Nitrate“ (AC) Hinweis: Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule). Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden, unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende: http://www.chids.de/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html von Jan Grosse Austing Marburg zum Vortrag vom 05.12.2007 (WS 07/08) 0 Inhaltsverzeichnis 0. EINLEITUNG 2 1. NITRATE 2 1.0. Einleitung 2 1.1. Darstellung von Nitraten früher - heute 4 1.1.0 Darstellung von Nitraten früher 4 1.1.0.0 Versuch 1: Nachweis von Nitrat in Schweinestallputz 1.1.0 Darstellung von Nitraten heute 7 1.1.1.0 Versuch 2: Ostwald-Verfahren 1.2. 8 Nachweis von Nitrat 1.2.0 12 Nachweis von Nitrat mit der Ringprobe 12 1.2.0.0 Versuch 3a: Nachweis von Nitrat mit der Ringprobe 1.2.1 Nachweis von Nitrat mit Lunges Reagenz Verwendung von Nitraten 1.3.0 12 14 1.2.1.0 Versuch 3b: Nachweis von Nitrat mit Lunges Reagenz 1.3. 5 14 17 Verwendung von Nitrat als Dünger 17 1.3.0.0 Demo 1: Düngung mit und ohne Nitrat 18 1.3.0.1 Demo 2: Nachweis von Nitrat in Trinkwasser 19 1.3.0.2 Demo 3: Nachweis von Nitrit im Speichel 21 1.3.1 Verwendung von Nitraten als Pökelsalz 23 1.3.1.0 Versuch 4: Umrötung von Fleisch 1.3.2 23 Verwendung von Nitraten als Kältemittel 26 1.3.2.0 Versuch 5: Selbstbau eines Kältepacks 1.3.3 26 Verwendung von Nitraten als Oxidationsmittel/Pyrotechnik 29 1.3.3.0 Versuch 6: Oxidation von Holzkohle durch eine KNO 3-Schmelze 29 1.3.3.1 Versuch 7: „Knallpulver“ 31 1.3.4 Verwendung von Ammoniumnitrat als Sprengstoff 33 1.3.4.0 Versuch 8: „Explosionsartige“ Zersetzung von NH4NO3 34 2. SCHULRELEVANZ 36 3. LITERATURANGABEN 37 1 0. Einleitung Das Thema Nitrate eignet sich aus mehreren Gründen für die Durchführung als Experimentalvortrag. Neben den Aspekten der Alltagsrelevanz und den Bezügen zur Geschichte der Chemie erlaubt dieser Themenkomplex auch die Darstellung eindrucksvoller Versuche. Der Alltagsbezug wird durch mehrere Aspekte gewährleistet. Zunächst kann man den Nutzen und die Probleme, die durch Düngung erzeugt werden, aufzeigen und gegeneinander abwägen. Insbesondere die Überdüngung und die damit verbundenen Probleme verdeutlichen die Komplexität vieler Naturkreisläufe und die Folgen von intensivem Eingreifen des Menschen in die Natur. Anhand des Düngers ist auch die historische Entwicklung chemisch-industrieller Verfahren (Haber-Bosch-Verfahren, Ostwald-Verfahren), die noch heute angewendet werden, thematisierbar. Die Geschichte des Schwarzpulvers und seines Hauptbestandteils Kaliumnitrat erlaubt neben chemischen Betrachtungen auch eine interessante Verknüpfung von Chemie und Politik. Wesentliche Änderungen in der Kriegsführung wurden durch die Verwendung von Schwarzpulver erreicht, und entsprechend schnell nahm die Bedeutung der Salpeterbeschaffung zu. Im Rahmen der Betrachtung des Schwarzpulvers lassen sich zudem eindrucksvolle Experimente durchführen, die Motivation für den weiteren Chemieunterricht sein können. Wichtige chemische Aspekte wie die Begriffe der Enthalpie/ Entropie/ freien Enthalpie können durch endotherme Lösungsvorgänge von z.B. Ammoniumnitrat in Wasser erschlossen und behandelt werden. Nachweisreaktionen für Nitrate beinhalten zudem vielseitige, mehrstufige Mechanismen und Aspekte der Komplexchemie, die in der Oberstufe behandelt werden können. 1. Nitrate 1.0. Einleitung Chemisch gesehen sind Nitrate Salze der Salpetersäure HNO3. Man kann zwischen anorganischen und organischen Nitraten unterscheiden, wobei man unter letzteren Salpetersäureester mit der allgemeinen Formel R-O-NO2 versteht. 2 Anorganische Nitrate haben die allgemeine Summenformel Mx(NO3)y, wobei M das Metallkation symbolisieren soll. Da die Oktettregel nicht verletzt werden darf ist folgende, zunächst auch denkbare, Struktur nicht richtig: O N O O Das Nitratanion kann man mit folgenden mesomeren Grenzstrukturen beschreiben: O O O N O N O N O O O O Dabei ist der Stickstoff sp2-hybridisiert, die π-Elektronen sind über das planar aufgebaute System verteilt. Daher ist das Nitrat-Anion auch stabiler als die Salpetersäure, wo eine derartige Delokalisierung nicht möglich ist: O N O HO Sofern das Kation farblos ist, sind auch die Nitrate farblos bzw. bilden farblose Lösungen. Die meisten Nitrate sind zudem gut wasserlöslich (z.B. KNO3: je 100 g Wasser lösen sich bei 0°C 13 g KNO3, bei 100°C 246 g KNO3). 3 1.1. Darstellung von Nitraten früher - heute 1.1.0 Darstellung von Nitraten früher Durch das Bekanntwerden von Schwarzpulver in Europa um 13001 und die Verwendung für militärische Zwecke (erste Erwähnung von Kanonen um 13501) stieg der Bedarf an Kaliumnitrat enorm. Die vorher von Apothekern (Verwendung als Diuretikum, Antipyretikum und als Mittel gegen Asthma) und Gold- und Silberschmieden (Scheidewasserherstellung, Verwendung als Schmelz- und Reinigungsmittel für die Oxidation unedler Metalle) verwendeten kleinen Mengen wurden aus dem nahen Osten über Venedig importiert 2. Die zunehmende Nachfrage konnte durch diesen Weg allerdings nicht gedeckt werden. Da Deutschland nicht wie z.B. Russland, Polen, Österreich, Ungarn und Spanien über natürliche Salpeterablagerungen verfügte und der Bedarf bald nicht mehr durch Importe aus China etc. gedeckt werden konnten, entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert das Handwerk der Salpetersiederei. Grundlage hierfür war die Entdeckung, dass sich an den Kalkwänden in Viehställen Calciumnitrat bildete (siehe Versuch 1). Zunächst kratzte man von den Wänden diesen sog. Mauersalpeter ab und setzte ihn mit Pottasche (wesentlicher Bestandteil: K2CO3) zu Kaliumnitrat um. Da aber irgendwann dieser an den Wänden natürlich gebildete Rohstoff nicht mehr ausreichte, begann man, ihn „künstlich“ zu erzeugen. Dazu legte man sog. Salpetergärten und –gruben an. In diesen wurde organisches Material wie Stroh, Mist, Torf, Sägemehl etc. zusammen mit gebranntem Kalk (CaO) zu ca. 1 m hohen Wällen aufgeschichtet. Durch regelmäßiges Begießen mit Jauche, Urin etc. konnte man Calciumnitrat gewinnen. 1 2 Chemie in unserer Zeit, Heft 1, Jahrgang 1988, S.9 Chemie in unserer Zeit, Heft 1, Jahrgang 1995, S.9 4 Bild 1: Salpetergarten3 Das Calciumnitrat wurde dann vom Salpetersieder in großen Töpfen mit Pottasche aufgekocht, wobei Kalk (CaCO3) ausfällt und abgeschöpft werden kann. Die Lösung wird dann eingedampft und der Kalisalpeter kristallisiert aus. Ca NO3 2 aq K2CO3 aq CaCO3 s 2 KNO3 aq Bild 2: Salpetersieder beim Abschöpfen von CaCO34 1.1.0.0 Versuch 1: Nachweis von Nitrat in Schweinestallputz5 Chemikalien HCl(aq), c = 2 mol/L 3 Chemie in unserer Zeit, Heft 1, Jahrgang 1995, S.8 Praxis der Naturwissenschaften - Chemie in der Schule, Heft 2, Jahrgang 2005, S.3 5 eigener Versuch 4 5 (-) Putz aus einem Schweinestall (-) Nitratteststäbchen (-) Geräte Reagenzglas Reagenzglasgestell Glasstab Versuchsaufbau Nitrat-Teststäbchen in verd. HCl(aq) aufgeschlämmter Putz Durchführung/ Beobachtung In einem Reagenzglas werden ca. 3 Spatelspitzen Schweinestall-Putz gegeben und mit 2 fingerbreit verdünnter Salzsäure aufgeschlämmt. Nun taucht man mit einem Glasstab in die Lösung und benetzt das Teststäbchen mit ein paar Tropfen der Lösung. Nach kurzer Zeit färbt sich das Nitrat-Feld rötlich, die Nitrit-Warnzone bleibt unverändert. Auswertung/ Hintergründe Für eine halbquantitative Bestimmung kann man die Farbskala für die Teststäbchen hinzuziehen (hier allerdings findet nur eine qualitative Bestimmung statt): 6 Bild 3: Farbskala für Nitrat-Test6 In der Jauche von Vieh befindet sich Ammoniak (NH3), welcher mit Sauerstoff im sogenannten Nitrifikationsprozess durch Einwirkung von Bakterien (Nitrosomas und Nitrobacter) zu Nitrat umgesetzt wird: NH 3 g H aq 3 2 NH 4 aq 3 2 NH 4 aq 0 3 O2 g 0 2 NO2 aq O2 g 3 2 2 aq Nitrosomas 2 NO 4 H 2 aq 2 H 2Ol 5 2 Nitrobacter 2 NO3 aq Mit dem Kalk der Wand bildet sich Calciumnitrat: Ca NO3 2 aq CO2 g H 2O CaCO3 aq 2 NO3 aq 2 H aq 1.1.0 Darstellung von Nitraten heute Seit ca. 1830 wurde der Salpeterbedarf nicht mehr durch die Produktion in Salpeterplantagen gedeckt sondern durch den Import von „Chilesalpeter“ (NaNO3) aus der Atacam-Wüste in Chile. Die Darstellung von Nitraten hat sich seit Entdeckung des Ostwald-Verfahrens („AmmoniakVerbrennung“) im Jahre 1900 durch Wilhelm Ostwald grundlegend geändert, allerdings entwickelten erst 1913 Haber und Bosch mit dem Haber-Bosch-Verfahren einen geeigneten Prozess zur Ammoniakgewinnung. 6 eigenes Foto 7 Bild 4: Wilhelm Ostwald7 1.1.1.0 Versuch 2: Ostwald-Verfahren8 Chemikalien NH3(aq), w = 0,25 (C, N; R 34-50, S 26-36/37/39-45-61) NaOH-Plätzchen (C; R 35, S 26-36/37/39-45) ention. Wasser Amidoschwefelsäure (Xi; R 36/38- 52/53, S 26-28-61 ) Geräte schwerschmelzbares Glührohr (Länge: ca. 20-30 cm, ca. 1,5 cm) Handgebläse Reagenzglas mit seitlichem Auslass 2 durchbohrte Gummi-Stopfen (in Glührohr passend) Gaseinleitungsrohr Platinnetz als Katalysator Glaswolle 7 http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1909/ (besucht am 03.01.2008) nach: Praxis der Naturwissenschaften-Chemie 8/47, 1998, S38-39 und 1/80, 1980, S.3-6 und http://www.chids.de/links/PraktikumsskriptSchulversucheWS04_TUDarmstadt.pdf (besucht am 04.01.2008) und eigenen Ideen 8 8 100 mL-Messkolben mit Stopfen Bunsenbrenner 2 Hebebühnen Versuchsaufbau Glührohr Glaswolle Handgebläse Gaseinleitungsrohr NaOH-Plätzchen Platinnetz RG mit seitlichem Auslass, gefüllt mit Ammoniak-Lsg. 100 mL-Messkolben Brenner Durchführung/ Beobachtung In das Reagenzglas mit seitlichem Auslass wird ca. 2 cm hoch konz. Ammoniaklösung eingefüllt. Der Stopfen mit dem Gaseinleitungsrohr wird aufgesetzt, dabei sollte das Rohr in Höhe des Stopfens gefettet sein, damit man die Eintauchtiefe des Einleitungsrohres in die Lösung leicht ändern kann. Das Gaseinleitungsrohr ragt ca. 0,5 cm tief in die Lösung ein. Der seitliche Auslass am Reagenzglas wird mithilfe eines durchbohrten Stopfens an das Glührohr angeschlossen. Das Glührohr wird mit dem Platinnetz (evtl. aufgerollt) bestückt, dann wird der gesamte hintere Teil sowie bis auf ca. 4 cm auch der vordere Teil mit Glaswolle locker befüllt. Der verbleibende vordere Teil wird mit NaOH-Plätzchen bestückt, ein kleiner Glaswolle-Bausch bildet den vorderen Abschluss. Das Gaseinleitungsrohr am hinteren Ende ragt tief in einen Messkolben, der einen schmalen Hals besitzt. Für die Durchführung des Versuchs erhitzt man zunächst kräftig das Platinnetz (ca. 1-2 Minuten). Dann lässt man langsam (ca. 2 Blasen pro Sekunde) mithilfe des Handgebläses einen Luft/Ammoniak-Strom über den Katalysator gleiten. Sobald der Katalysator rot-orange aufglüht, kann man den Strom etwas erhöhen. Bald sollten bräunlich-rote Nebel im Messkolben zu beobachten sein. Man beendet den Gas-Strom, stellt den Brenner aus und schlägt die Nebel mit wenig ention. Wasser nieder. Die Lösung kann nun mit Indikatorpapier 9 getestet werden. Reagiert sie, entgegen der Erwartung, basisch, so ist zu viel nicht umgesetzter Ammoniak übergegangen und man wiederhole den Versuch mit einem noch langsameren Gas-Strom. Nach Verkochen des Nitrits mit Amidosschwefelsäure (Lösung mit ein wenig 10%iger Amidoschwefelsäure versetzen und kurz aufkochen) kann Nitrat nachgewiesen werden, z.B. mit Nitrat-Teststäbchen. Auswertung/ Hintergründe Bei der Reaktion von NH3 mit O2 am heißen Platin-Katalysator sind mehrere unerwünschte Reaktionen möglich: , Pt 4 NH 3 g 3 O2 g 2 N 2 g 6 H 2O g / l , Pt 4 NH 3 g 4 O2 g 2 N 2O g 6 H 2O g / l , Pt 4 NH 3 g 7 O2 g 4 NO2 g 6 H 2O g / l Die erwünschte Reaktion lautet: 3 1 0 4 NH 3 g 5 O2 g Pt , 600700 C 2 2 2 4 NO g 6 H 2O g / l Um zu gewährleisten, dass letztere Reaktion die hauptsächlich ablaufende Reaktion ist, belässt man technisch das NH3/Luft-Gemisch nur sehr kurz (ca. 10-3 s) am Katalysator. Das erzeugte Stickstoffmonoxid wird dann mit Luftsauerstoff zu Stickstoffdioxid umgesetzt, in diesem Versuch ist die Bildung des Stickstoffdioxids gut an der rot-braunen Farbe im Messkolben erkennbar: 2 2 0 2 NO g O2 g farblos 4 2 2 NO2 g braun Durch das Niederschlagen mit Wasser wird durch Disproportionierung Salpetersäure und salpetrige Säure gebildet, letztere disproportioniert zu Salpetersäure und Stickstoffmonoxid. Das Stickstoffmonoxid kann dann wieder mit Luftsauerstoff reagieren und wiederum mit Wasser reagieren: 10 4 2 5 2 2 NO2 aq H 2O 3 5 2 HNO3 aq 2 NO aq H 2O 3 HNO2 aq 2 3 2 HNO3 aq HNO2 aq 0 2 NO g O2 g 4 2 2 NO2 g Die Zerstörung des noch vorhandenen Nitrits für den Nitratnachweis kann man wie folgt beschreiben: 3 3 0 H 2 N SO2 OH aq NO2 aq H aq H 2 SO4 aq N 2 g H 2O Industriell wird dieser Prozess ähnlich wie oben beschreiben durchgeführt, natürlich in entsprechend anderen Größenordnungen. Bild 5: industrielle Anlage zur HNO3-Produktion9 Bild 6: NH3-Verbrennungsreaktoren10 Schematisch kann man die Salpetersäure-Produktion, ausgehend von N2 und H2, so darstellen: 0 H2 Haber Bosch 3 O2 Ostwald 2 O2 4 O2 , H 2O 5 N2 NH3 NO NO2 HNO3 9 http://idw-online.de/pages/de/image32275 (besucht am 03.01.2008) http://www.uhde.biz/competence/technologies/fertilisers/techprofile.de.epl?profile=5&pagetype=0 (besucht am 03.01.2008) 10 11 Für die Produktion von Nitraten wird im letzten Schritt die Salpetersäure mit dem Metall, dem Metallhydroxid, dem Metalloxid oder dem Metallcarbonat umgesetzt, z.B. nach folgender Reaktionsgleichung: K2CO3 s 2 HNO3 aq 1.2. 2 KNO3 aq CO2 g H 2Ol Nachweis von Nitrat Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Nitrat nachzuweisen. Im Labor sind vor allem zwei Nachweisreaktionen für Nitrat wichtig, zum einen der Nachweis in der Ringprobe mit Schwefelsäure und Fe(II)-sulfat, zum anderen der Nachweis mit Lunges Reagenz. Zur halbquantitativen Bestimmung benutzt man technisch bzw. im Alltag auch Nitratteststäbchen, wobei deren Prinzip sehr ähnlich der Nachweisreaktion mit Lunges Reagenz ist. Bei allen Nachweisen stört Nitrit, da entweder das Nitrat zur Nitrit reduziert wird und über dieses nachgewiesen (Lunges Reagenz) wird oder Nitrit ebenso wie Nitrat die gleiche Reaktion hervorruft (Ringprobe). Daher muss, falls Nitrit vorhanden, dieses vorher zerstört werden, dies geschieht z.B. mit Amidoschwefelsäure (siehe dazu auch Versuch 2). 1.2.0 Nachweis von Nitrat mit der Ringprobe Die Ringprobe zum Nachweis von Nitrat stellt einen klassischen Labornachweis dar. Bei dem Nachweis stören Nitrit, Iodid und Bromid, diese müssen zuvor entfernt werden. 1.2.0.0 Versuch 3a: Nachweis von Nitrat mit der Ringprobe11 Chemikalien · FeSO4 (Xn; R 22, S 24/25) · konz. H2SO4 (C; R 35, S 26-30-45) · 11 verd. Nitratlösung oder auf Nitrat zu prüfende Lösung Fluck/Mahr: Anorganisches Grundpraktikum, 6. Auflage, 1985, VCH Verlag, S.215 12 Geräte Reagenzglas Reagenzglasgestell Pipette Becherglas Versuchsaufbau Pipette mit konz. Schwefelsäure ges. Eisen(II)-sulfat-Lösung und Nitrat-Probe Durchführung/ Beobachtung Zunächst setzt man sich frisch (!, die Lösung muss frisch sein, damit noch genug Fe2+ vorhanden ist, letzteres kann in älteren Lösungen schon mit Luftsauerstoff zu Fe3+ oxidiert worden sein) etwas gesättigte FeSO4-Lösung an. Von dieser gibt man ca. 2 cm hoch in ein sauberes Reagenzglas und fügt etwas der Nitrat-Lösung hinzu. Nun unterschichtet man vorsichtig mit etwas konz. H2SO4, indem man diese langsam an der Reagenzglasinnenwand herunter laufen lässt. In der Nitrat-Probe kann die Bildung eines braunen Ringes an der Grenzschicht zwischen den Phasen beobachtet werden. Auswertung/ Hintergründe Zunächst wird das Nitrat zu Stickstoffmonoxid durch das Fe2+ reduziert, wobei das Fe2+ zu Fe3+ oxidiert wird: 2 2 3 Fe 5 3 aq aqa NO 4H 3 3 3 Fe aq 13 2 aq NO aq 2 H 2O l Das Stickstoffmonoxid wird dann zum Nitroxylat reduziert, dieses lagert sich dann als Ligand an ein hydratisiertes Fe3+-Kation an, wobei der dabei entstehende PentaaquanitroxylatoEisen(III)-Komplex die braune Farbe verursacht: 2 Fe H 2O 6 2 2 aq NO aq 1 3 Fe H 2O 5 ( NO) braun 2 aq H 2Ol 1.2.1 Nachweis von Nitrat mit Lunges Reagenz Der Nachweis von Nitriten (und über Reduktion mit Zn-Staub auch von Nitraten) mit Lunges Reagenz wurde vom Chemiker Georg Lunge (1839-1923) entwickelt. Der Nachweis ist sehr empfindlich und man benötigt nur geringe Mengen der Reagenzien. 1.2.1.0 Versuch 3b: Nachweis von Nitrat mit Lunges Reagenz12 Chemikalien · 1-Naphthylamin (T,N; R 45-51/53, S 37-45-53-61) · Sulfanilsäure (Xi; R 36/38-43, S 24-37) · konz. CH3COOH (C; R 10-35, S 23-26-45) · Zn-Pulver (F; R 10-15, S 7/8-43) · verd. Nitratlösung oder auf Nitrat zu prüfende Lösung · ention. Wasser Geräte Ansetzen von Lunge I und II 12 beheizbarer Magnetrührer mit Rührfisch Fluck/Mahr: Anorganisches Grundpraktikum, 6. Auflage, 1985, VCH Verlag, S.393 14 3 Bechergläser (250 mL) 2 braune Schliffflaschen (100 mL) Nachweis Tüpfelplatte oder Uhrglas 3 Pipetten Spatel Versuchsaufbau Pipette mit Nitrat-Probe Lunge I, Lunge II und Zn-Staub Uhrglas od. Tüpfelplatte Durchführung/ Beobachtung Ansetzen von Lunge I und II Zuerst müssen die Lösungen Lunge I und Lunge II angesetzt werden. Für Lunge I löst man unter Erwärmen 1 g Sulfanilsäure in 100 mL 30%iger Essigsäure auf. Für Lunge II kocht man 0,3 g 1-Naphthylamin in 70 mL ention. Wasser auf, dekantiert vom dunklen Rückstand und versetzt die farblose Lösung mit 30 mL Eisessig. Die beiden Lösungen werden zur Aufbewahrung getrennt voneinander in 2 verschiedene braune Schliffflaschen gefüllt. Nachweis Für den Nachweis von Nitrat gibt man auf eine Tüpfelplatte oder ein Uhrglas je einen Tropfen Lunge I und Lunge II. Man fügt sehr wenig (sehr kleine Spatelspitze) Zn-Staub hinzu und gibt einen Tropfen der zu untersuchenden Lösung darauf. Ist Nitrat in der Probe vorhanden, so bildet sich in kurzer Zeit (ca. 10 s) eine violette Verfärbung der Lösung, die mit voranschreitender Zeit intensiver wird. 15 Auswertung/ Hintergründe Der Nachweis von Nitrat mit Lunges Reagenz geschieht über die Bildung eines AzoFarbstoffes. Dafür wird zunächst das Nitrat zu Nitrit durch den Zn-Staub reduziert: 5 3 aq NO 0 Zn 2 H 3 2 aq NO aq 2 Zn 2 aq H 2O Im nächsten Schritt wird aus dem Nitrit über die salpetrige Säure das Nitrosyl-Kation gebildet: N O H + O N OH H H + N O salpetrige Säure H2O O O O O N H N Nitrosyl-Kation Bei der Diazotierung der Sulfanilsäure greift nun das freie Elektronenpaar des AminStickstoffs das Nitrosylkation an, und es wird über das N-Nitrosammonium-Ion, das Nitrosamin und das Diazohydroxid das Diazonium-Ion gebildet: H H N N N H O H H + HO 3S H N O HO 3S + N HO 3S Nitrosamin N-Nitrosammonium H H N N N H2O H N HO 3S H + + N + N OH O HO 3S O N H HO 3S Diazonium-Ion Diazohydroxid Nun kann die Azokupplung mit dem 1-Naphthylamin stattfinden, bei welcher durch elektrophile Substitution am Aromaten der violette Azo-Farbstoff gebildet wird: 16 N N + H H HO 3S N N HO 3S N H N H H H + H N HO 3S N N H Azofarbstoff (violett) 1.3. Verwendung von Nitraten Es gibt eine Vielzahl von Verwendungs- und Einsatzmöglichkeiten von und für Nitrate, auf die Aspekte der Verwendung als Dünger, als Kältemittel, als Pökelsalz und als Oxidationsmittel bzw. Sprengstoff gehe ich im Folgenden näher ein. 1.3.0 Verwendung von Nitrat als Dünger Unter dem Begriff Düngung versteht man definitionsgemäß die „Zufuhr von Pflanzennährstoffen zur Ertrags- und Qualitätssteigerung von Nutzpflanzen“13. In Düngern ist Nitrat eine wichtige stickstoffliefernde Komponente. Als Beispiel für einen Nitrat-Dünger sei Kalkammonsalpeter (NH4NO3 mit ca. 22 % CaCO3) genannt. 13 Römpp Chemie-Lexikon auf CD-Rom, Version 1.0, Thieme-Verlag, 1995, Stichwort: Düngung 17 Bild 7: Kalkammonsalpeter14 1.3.0.0 Demo 1: Düngung mit und ohne Nitrat15 Chemikalien FePO4 (-) KNO3 (O; R 8, S 16-41) Ca(NO3)2 (O,Xi; R 8-36, S -) K2HPO4 (-) MgSO4 (-) Sonnenblumenkerne Geräte 2 Bechergläser (1 L) 2 Reagenzgläser Petrischale o.ä. zum Keimen Baumwollwatte 14 www.corporate.basf.com/file/31101.bild6 (besucht am 03.01.2008) 15 Chemie für Gymnasien, Cornelsen Verlag, 1994 18 Versuchsaufbau Sonnenblumenkeimlinge Düngerlösung mit Nitrat Düngerlösung ohne Nitrat Durchführung/ Beobachtung Man setzt 2 verschiedene Düngerlösungen an, wobei man bei der einen die Nitrate weglässt. Dazu löst man jeweils in 4 L ention. Wasser 1 g FePO4, 1 g KNO3, 4 g Ca(NO3)2, 1 g K2HPO4, und 1 g MgSO4 (natürlich kann man diesen Ansatz auch wesentlich verringern). Nun füllt man in 2 Reagenzgläser je eine der beiden Lösungen ein. In diese stellt man nun je einen Sonneblumenkernkeimling, welche man zuvor auf feuchter Watte hat keimen lassen (bis die Keimlinge eine Größe von ca. 1 cm haben, dauert es ca. 3-5 Tage). Nach 3-5 Tagen ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen, der Keimling, der in der nitrathaltigen Düngerlösung stand, ist wesentlich größer als der andere. Auswertung/ Hintergründe Pflanzen brauchen Nitrate für ein vernünftiges Wachstum, sind diese nicht vorhanden, so wächst die Pflanze sehr langsam. 1.3.0.1 Demo 2: Nachweis von Nitrat in Trinkwasser16 Pflanzen brauchen für ein gutes Wachstum Nitrat, allerdings kann bei übermäßiger Düngung das Nitrat nicht komplett verwertet werden und es gelangt, bedingt durch die gute Wasserlöslichkeit, ins Grundwasser. In der nächsten Demo wird Nitrat in einer Wasserprobe aus einem Brunnen nachgewiesen, der sich in einer Region mit hoher Viehdichte und 16 eigene Idee 19 dementsprechend hohem Gülleaufkommen befindet, die Probe stammt aus Damme aus dem Landkreis Vechta. Chemikalien Brunnenwasser (aus viehintensiver Region) zum Vergleich: Leitungswasser aus der selben Region Nitratteststäbchen Geräte 2 Glasstäbe Versuchsaufbau Nitrat-Teststäbchen städtisches Leitungswasser Brunnenwasser Durchführung/ Beobachtung Man untersucht die beiden Wasserproben mit Nitratteststäbchen und stellt fest, dass die Probe des Brunnenwassers nicht mal mehr halbquantitativ bestimmt werden kann, da die Konzentration zu hoch für eine Erfassung mit diesen Stäbchen ist (> 500 mg NO3- pro L), die Leitungswasserprobe hingegen besitzt nur eine Konzentration von ca. 10 mg NO3- pro L. Auswertung/ Hintergründe Durch die große Viehdichte in der Region des Landkreises Vechta fällt auch viel Gülle an. Diese wird auf die Felder gebracht, kann allerdings nicht vollständig von den Pflanzen verwertet werden und das in der Gülle enthaltene Nitrat gelangt ins Grundwasser. Da der Brunnen sein Wasser aus dem Grundwasser gewinnt, ist die Nitrat-Belastung in der Probe 20 sehr hoch. Das städtische Leitungswasser hingegen ist wesentlich weniger belastet, hierfür gilt in Deutschland ein gesetzlicher Grenzwert von 50 mg NO3- pro L. Jedoch nimmt der Mensch den größten Teil an Nitraten nicht über das Trinkwasser auf, sondern durch die Nahrung, und dort verstärkt durch Gemüse. Einige Beispiele für stark Nitrat belastete Nahrungsmittel (ca. 1000-4000 mg/kg): Chinakohl, Grünkohl, Feldsalat, Rote Beete, Spinat. 1.3.0.2 Demo 3: Nachweis von Nitrit im Speichel17 Das Problem von Nitrat für den Menschen ist nicht so sehr das Nitrat selbst, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Körper Nitrat durch Bakterien in Nitrit umwandelt. Diese Bakterien befinden sich z.B. im Mund und im Darmtrakt. Chemikalien Lunges Reagenz (siehe Versuch 3b) Speichelprobe Geräte Petrischale oder Tüpfelplatte 2 Pipetten Versuchsaufbau Speichelprobe Lunge I und Lunge II Uhrglas od. Tüpfelplatte 17 eigene Idee 21 Durchführung/ Beobachtung Man tropft einen Tropfen Lunge I und einen Tropfen Lunge II auf das Uhrglas und fügt etwas Speichel hinzu. Da Nitrit nachgewiesen werden soll, wird kein Zn-Staub hinzugefügt. Nach kurzer Zeit (15-30 s) ist eine violette Farbe beobachtbar. Auswertung/ Hintergründe Wie schon erwähnt wird u.a. im Mund durch Bakterien Nitrat in Nitrit umgewandelt, letzteres wurde nun mit Lunges Reagenz nachgewiesen. Nitrit ist deswegen bedenklich, da es zum einen die Bildung von Nitrosaminen verursachen kann und andererseits Hämoglobin oxidieren kann. Für die Bildung von Nitrosaminen ist das aus Nitrit gebildete Nitrosyl-Kation (siehe Versuch 3 b) verantwortlich, welches dann mit Aminen zu Nitrosaminen reagieren kann: H R 2 N R 1 + H N R O 1 N R H N 2 O sek. Amin + R 1 N N R 2 O Nitrosamin Die meisten Nitrosamine sind stark cancerogen und damit problematisch. Bei der Oxidation von Hämoglobin wird das Zentralteilchen des Hämoglobins Fe2+ zu Fe3+ durch das Nitrit oxidiert: Fe 2 Ox. Fe3 Dadurch wird aus dem Hämoglobin (Hb) das Methämoglobin (MetHb). MetHb ist nun nicht mehr in der Lage, Sauerstoff zu transportieren. Bei Menschen sind geringe Mengen MetHb nicht allzu problematisch, da dieses durch Enzyme wieder in Hb zurückgewandelt wird. Problematischer ist es bei Säuglingen, deren Enzymkonzentration für diese Reaktion zu gering ist. Daher kann Nitrat und Nitrit dem Säugling mehr schaden, bei zu hoher Aufnahme sind bläuliche Verfärbungen des Babys beobachtbar. Um eine nitrat- und nitritarme Ernährung für Babys gewährleisten zu können, sind viele Mineralwässer mit dem Hinweis „Zur Zubereitung von Babynahrung geeignet“ versehen. 22 1.3.1 Verwendung von Nitraten als Pökelsalz Kaliumnitrat wird schon seit dem Mittelalter als Pökelsalz verwendet. Die konservierende Eigenschaft beruht zum einen auf der wasserentziehenden Wirkung, zum anderen auf der Hemmung bestimmter Bakterien, z.B. des Bakteriums „Clostridium botulinum“, welches Botulinustoxin produziert, eines der stärksten natürlichen Gifte. Ein weiterer Effekt der Verwendung von Nitraten zum Pökeln ist, dass das Fleisch eine ansprechende rosa Farbe erhält und diese auch behält. Bild 8: Kalisalpeter18 Mittlerweile weiß man, dass nicht das Nitrat entscheidend beim Pökeln ist, sondern das im Fleisch durch Bakterien gebildete Nitrit. Daher verwendet man heute nicht mehr Nitrat zum Pökeln sondern setzt sofort Nitrit zu. 1.3.1.0 Versuch 4: Umrötung von Fleisch19 Chemikalien 18 19 Natriumnitrit Ascorbinsäure (Vitamin C) 2 Stücke fettarmes Schweinegulasch http://www.ossiladen.de/shopping/popup_image.php/pID/6900/imgID/0 (besucht am 03.01.2008) Naturwissenschaften im Unterricht-Chemie, Nr. 32, 1996, S. 29-30 23 Geräte Erlenmeyerkolben (100 mL) mit passendem Gummistopfen Becherglas (500 mL) Spatel Pinzette 2 Demo-Reagenzgläser (die Fleischstücke müssen hineinpassen) beheizbarer Magnetrührer mit Rührfisch Versuchsaufbau kochendes Wasser Natriumnitrit und Ascorbinsäure 100 100 mL 75 unbehandeltes Fleisch 50 umgerötetes Fleisch Durchführung/ Beobachtung Als erstes wird eines der beiden Stücke in den Erlenmeyerkolben gegeben und mit ca. 70 mL Wasser übergossen. Man fügt einen halben Spatel (ca. 50-100 mg) Natriumnitrit hinzu. Nun fügt man noch einen Spatel Ascorbinsäure hinzu und verschließt sofort den Kolben mit dem Stopfen. Da (nitrose) Gase entstehen, sollte man unter dem Abzug arbeiten, zudem muss man den Stopfen festhalten, damit dieser nicht aus dem Kolben gedrückt wird. Das Fleisch sollte für 3-5 min in der Pökellake verbleiben. Danach wird es mit etwas ention. Wasser abgespült und in eines der Reagenzgläser überführt, in das andere Reagenzglas gibt man das unbehandelte Stück Fleisch. Man kann nun einen Farbunterschied zwischen den beiden Stücken erkennen, das behandelte Fleischstück weist eine rosa, nicht fleischtypische Farbe auf. Zur Demonstration der Hitzebeständigkeit der Farbe werden nun beide Stücke mit kochendem Wasser übergossen, welches ca. 5 min auf das Fleisch einwirken soll. Danach ist die Farbe des behandelten Stückes nahezu unverändert geblieben, das unbehandelte Stück hat eine grauweiße Farbe angenommen. 24 Auswertung/ Hintergründe Die Ascorbinsäure wird hier als Hilfsstoff eingesetzt um eine schnellere Reduktion des Nitrits in Stickstoffmonoxid zu erreichen. Auch technisch verwendet man Ascorbinsäure beim Pökeln, dies hat zudem den Vorteil, dass die Bildung des Nitrosylkations gehemmt wird und somit die Bildung von Nitrosaminen unterdrückt wird (siehe Versuch 3b, Demo 3). HO HO O HO +2 HO O O NO2-(aq) +2 O HO 2 NO(aq)+ 2 H2O(aq) + H+(aq) O OH O Dehydroascorbinsäure Ascorbinsäure Das gebildete Sticktoffmonoxid kann sich nun an das im Fleisch vorhandene Myoglobin anlagern. Dabei wird das Stickstoffmonoxid komplex an die Stelle gebunden, an der sich sonst Sauerstoff befindet. Das Stickoxidmyoglobin besitzt eine rosa Farbe, das unbehandelte Myoglobin ist für die fleischfarbene Farbe des Fleisches verantwortlich. Durch Erhitzen wird nun zum einen das Protein denaturiert, welches an das Myoglobin gebunden ist. Zum anderen wird das Myoglobin im unbehandelten Fleisch zu Metmyoglobin oxidiert (das zentrale Fe2+ wird zu Fe3+ oxidiert). Dadurch hat das Fleisch nun eine grau-weißliche Farbe. Die Oxidation des Stickoxidmyoglobins findet nicht statt, das behandelte Fleisch behält seine rosa Farbe. Protein Protein Fe 2+ + NO Fe NO O2 Ox. denaturiertes Protein denaturiertes Protein Fe 2+ 3+ Fe 3+ NO H2O (rosa) (grau-braun) 25 1.3.2 Verwendung von Nitraten als Kältemittel Einige Nitrate lösen sich endotherm in Wasser. Daher werden sie im Labor z.B. für Kältemischungen verwendet, im Alltag finden sie Anwendung in Einmalkältepacks z.B. beim Sport. Bild 9: Einmalkältepack20 1.3.2.0 Versuch 5: Selbstbau eines Kältepacks21 Chemikalien Kalkammonsalpeter ention. Wasser Geräte 20 21 1 L-Gefrierbeutel (am besten mit Zip-Verschluss) kleinen Plastikbeutel (z.B. Druckverschlusstütchen, 12x8 cm) eigenes Foto eigene Idee 26 Versuchsaufbau kl. Beutel mit Wasser 1L-Tüte, z.B. mit Zip-Verschluss Kalkammonsalpeter Durchführung/ Beobachtung Man füllt in einen 1 L-Gefrierbeutel ca. 150 g Kalkammonsalpeter (alternativ: Ammoniumnitrat). In einen kleinen Plastikbeutel füllt man ca. 100 g Wasser und verschließt diesen mit etwas Luft so, dass der Beutel stramm gespannt ist. Dies ist notwendig, um den Wasserbeutel nachher durch Druck zum Platzen bringen zu können. Man gibt den kleinen Beutel in den großen Beutel und verschließt letzteren durch den Zip-Verschluss. Hat man keine Gefrierbeutel mit Zip-Verschluss zur Hand, so wird der Beutel mithilfe von Klebeband wasserdicht verschlossen. Um das Kältepack zum Einsatz zu bringen, muss man durch Druck mit den Fingern den Beutel mit Wasser zum Zerplatzen bringen und anschließend das Wasser mit dem im Beutel vorhandenen Kalkammonsalpeter vermengen. Der Beutel kühlt sch rasch merklich ab. Auswertung/ Hintergründe Der Kalkammonsalpeter löst sich endotherm in Wasser, d.h. die Lösungsreaktion entzieht der Umgebung Wärme. Dadurch kühlt sich der Beutel ab. Man kann den Lösungsvorgang theoretisch in 2 Teilreaktionen unterteilen. Zuerst (1) werden die Ionen aus dem Ionengitter unter Aufwendung der Gitterenthalpie frei, dann (2) werden sie vom Wasser solvatisiert, wobei die Solvatationsenthalpie frei wird. 1) NH 4 NO3 s " NH 4 " " NO3 " 2) " NH 4 " " NO3 " NH 4 aq NO3 aq 27 Hier in diesem Fall ist die Summe aus der Gitterenthalpie und der Solvatationsenthalpie größer 0, der Lösungsvorgang ist also endotherm. H Lösung H Solvatation H Gitter 0 Schematisch kann man den Lösungsvorgang wie folgt darstellen: Energieschema Lösungsvorgang H HGitter HGitter HSolvatation HSolvatation HLösung>0 HLösung<0 exothermer endothermer Lösungsvorgang Lösungsvorgang Der Grund, warum die Reaktion dennoch abläuft, ist bei der Betrachtung der freien Enthalpie zu finden. Die Reaktion ist zwar endotherm (also ∆H > 0), aber die Differenz der freien Enthalpie ist negativ (∆G < 0), die Reaktion ist exergonisch. Die Formel für die Änderung der freien Enthalpie lautet: G H T S Da ∆H >0 und die Temperatur (in K angegeben) immer größer null ist, muss ∆S > 0 sein, damit ∆G < 0 wird. Die Entropieänderung ist also positiv, d.h. die Entropie nimmt durch den Lösungsvorgang zu. Diese Tatsache ist auch anschaulich einleuchtend, das gelöste Salz hat viel mehr Realisierungszustände als das ungelöste, im Ionengitter starr gebundene Salz. Die Triebkraft dieser Reaktion ist also die Zunahme der Entropie. 28 1.3.3 Verwendung von Nitraten als Oxidationsmittel/Pyrotechnik Nitrate sind in Salzform oder in Schmelzen gute Oxidationsmittel. Bevor sie militärisch in Form von Schwarzpulver verwendet wurden, hat man salpeterhaltige Pyrotechnik-Artikel schon in China benutzt. Die erste Erwähnung 22 von Salpeter und Schwefel findet in einer naturwissenschaftlichen Enzyklopädie in der Han-Dynastie (25-250 n.Chr.) statt. 1.3.3.0 Versuch 6: Oxidation von Holzkohle durch eine KNO3-Schmelze23 Chemikalien · KNO3 (O; R 8, S16-41) · erbsengroßes Holzkohlestückchen (z.B. ganz gewöhnliche Grillkohle) (-) Geräte 22 23 · Reagenzglas · Stativmaterial zur Befestigung des Reagenzglases · Spatel · Brenner Chemie in unserer Zeit, Nr.1, 1988, S. 9 nach: www.chemieunterricht.de/dc2/glas/glasv_03.htm (besucht am 03.01.2008) 29 Versuchsaufbau Holzkohle Kaliumnitrat Brenner Durchführung/ Beobachtung Man spannt ein sauberes Reagenzglas in eine Stativklemme, welche sich an einer Stativstange befestigt in einem Abzug befindet. Man füllt das Reagenzglas ca. 1 cm hoch mit KNO3 und erhitzt das Glas mit dem rauschenden Brenner. Sobald das Kaliumnitrat geschmolzen ist wirft man ein ca. erbsengroßes Stückchen Holzkohle in das Reagenzglas. Beginnt die Holzkohle mit orangener Flamme (siehe Bild 11) zu brennen, stellt man den Brenner ab und lässt die Holzkohle vollständig abreagieren. Bei der Reaktion „tanzt“ das Holzkohlestückchen auf der Schmelze und verbrennt mit einem rauschenden Geräusch. Bild 10: Holzkohle in KNO3-Schmelze24 24 eigenes Bild 30 Auswertung/ Hintergründe Nitratschmelzen wirken stark oxidierend, nach Zugabe der Holzkohle reicht kurzes weiteres Erhitzen mit dem Brenner um die Reaktion zu starten. Man kann die Reaktion wie folgt beschreiben: 5 0 4 KNO3l 5 C s 4 4 0 3 CO2 g 2 K 2CO3 s / solv. 2 N 2 g Die dabei entstehenden Gase sorgen dafür, dass die Holzkohle auf der Schmelze auf- und abspringt. 1.3.3.1 Versuch 7: „Knallpulver“25 Zündet man Schwarzpulver offen, also ohne es verdämmt zu haben, an, so verbrennt es lediglich relativ langsam. Ändert man aber die Rezeptur, ersetzt Holzkohle durch Kaliumcarbonat und zündet das Pulver nicht an sondern erwärmt es langsam auf einer Metallplatte, so zersetzt es sich plötzlich schlagartig mit lautem Knall, wobei es dünne Metallplatten auszubeulen vermag. Erstmals wurde es 1648 von Glauber in den „Philosophischen Öfen“ erwähnt, allerdings mit einem Tartrat anstelle von Kaliumcarbonat. Dort heißt es: „Wenn 1 Theil Salis Tartari, 1 ½ Theil Sulphuris mit 3 Theilen Salis nitri zusammen gerieben werden, wird eine Composition daraus, welche fulminiert, gleich wie Aurum toniturans“. Mit „Aurum toniturans“ ist das Knallgold gemeint. Chemikalien · KNO3 (O; R 8, S16-41) · Schwefel (-) · K2CO3 (Xi; R 36/37/38, S 22-26) Geräte 25 · Dreifuß · Tondreieck Manuel Baetz: Schwarzpulver für Survival, SURVIVAL-PRESS, S.61-63 31 · Deckel einer Metalldose (z.B. Pulmoll-Dose) · Spatel · Brenner Versuchsaufbau "Knallpulver" Blechdeckel Tondreieck Dreifuß Brenner Durchführung/ Beobachtung Man mörsert getrennt (!) 3 g KNO3, 2 g K2CO3 und 1 g Schwefel sehr fein. Danach vermengt man die drei Komponenten gut miteinander, so dass man ein homogenes, gelbliches Pulver erhält. Man nimmt davon eine ca. erbsengroße Menge und gibt diese in die Mitte des Metalldeckels, welcher auf dem Tondreieck liegt. Nun stellt man den Brenner so ein, dass die Luftzufuhr fast ganz geschlossen ist, und stellt ihn unter den Metalldeckel. Das Pulver explodiert nur, wenn es langsam (!) erhitzt wird. Dabei fängt die Mischung an zu Schmelzen und verfärbt sich dabei braun. Nachdem das gesamte Pulver geschmolzen ist, dauert es noch kurz bevor es dann mit lautem Knall explodiert. Dabei wird die Metalldose zerbeult. Kommt es zu einer Explosion, bevor das Pulver komplett geschmolzen ist, so ist diese meist unvollständig und wesentlich leiser. Das liegt dann daran, dass das Pulver zu schnell erhitzt wurde. Man wiederhole den Versuch und verringere die Hitze des Brenners. Auswertung/ Hintergründe Wie schon erwähnt ist es wichtig, dass das Erwärmen des Pulvers langsam geschieht. Dies ist notwendig, um die sog. Schwefelleber, ein Gemisch aus Polysulfid und Thiosulfat, zu bilden. 32 Das Polysulfid reagiert weiter zu Thiosulfat, welches dann schlagartig unter lautem Knall vom Nitrit oxidiert wird: 2 2/ x 0 4 K 2CO3 l x 2 Sl 2 2 l / solv. " Schwefelleber " 5 3 l / solv . NO 3 2/ x 2 x l / solv . S +2 2 NO2 l / solv. S 2O32l / solv. 0 4 CO2 g 12 O2 g K 2 S x , K 2 S 2O3 3 2 l / solv . NO +2 2 2 3 l / solv . S 2O Explosion 6 ... 0 2 SO42 l / solv. N 2 g NO g ... Zündet man Schwarzpulver offen an, so verbrennt es mit einer Geschwindigkeit von ca. 400 m/s, dieses Pulver erreicht bei langsamen Erhitzen eine Abbrandgeschwindigkeit von ca. 1200-3200 m/s, man spricht ab einer Geschwindigkeit von 1000 m/s von einer Detonation. Zündet man das „Knallpulver“ offen an, so verbrennt es lediglich langsam und unvollständig. 1.3.4 Verwendung von Ammoniumnitrat als Sprengstoff Ammoniumnitrat findet neben seiner Verwendung als Dünger auch Anwendung als Sprengstoff. Er wird zum Beispiel im Bergbau als sog. schlagwettersicherer Sprengstoff eingesetzt. Die Bezeichnung kommt daher, dass man unerwünschte Nach-Explosionen von Grubengasen oder Kohlestaub im Bergbau als schlagende Wetter bezeichnet. Diese Gefahr wird durch den Einsatz von Ammoniumnitrat verringert, da die Detonationshitze nicht zum Zünden solcher Grubengase etc. ausreicht. Ammoniumnitrat wird z.B. im Gemisch mit ca. 5 % Diesel verwendet (sog. „ANFO“, ammonium nitrate fuel oil) oder im Gemisch mit Nitromethan (sog. „ANNM“). Eine unterwünschte Detonation von Ammoniumnitrat führte 1921 in Oppau zu einer großen Katastrophe. 33 Bild 11: Oppauer BASF-Werk nach Explosion26 Bei dem Versuch, ca. 4500 t Ammonsulfatsalpeter (ein Doppelsalz; 2 NH4NO3∙(NH4)SO4) loszusprengen, reichte die Detonation des Dynamits aus, um den Ammonsulfatsalpeter zur Detonation zu bringen: 3 5 3 +6 2 NH 4 NO3 NH 4 2 SO4 s Initial-Impuls 4 0 8 H 2O g / l SO2 g 3 N 2 g Dabei entstand ein Krater von 125 m Länge, 90 m Breite und 19 m Tiefe. 500 Leute starben bei dem Unfall, 7000 wurden obdachlos. Der Explosionsknall war bis ins 80 km entfernte Frankfurt a.M. hörbar. 1.3.4.0 Versuch 8: „Explosionsartige“ Zersetzung von NH4NO327 Chemikalien · NH4NO3 (O; R 8-9, S 15-16-41) Geräte · schwerschmelzbares Reagenzglas · Stativmaterial zum Befestigen des Reagenzglases · Spatel 26 www.freilassung.de/div/texte/spreng/oppau.htm (besucht am 04.01.2008) http://www.old.uni-bayreuth.de/departments/didaktikchemie/umat/stickstoffkreislauf/stickstoffkreislauf.htm (besucht am 03.01.2008) 27 34 · Indikatorpapier · Brenner Versuchsaufbau Ammoniumnitrat leeres Reagenzglas Brenner Durchführung/ Beobachtung Man spannt ein schwerschmelzbares Reagenzglas senkrecht in eine Stativklemme, welche an einer Stativstange befestigt ist. Mit dem Brenner erhitzt man das Reagenzglas solange, bis es leicht glüht. Nun wirft man ein paar Körnchen Ammoniumnitrat mit dem Spatel so in das Reagenzglas, dass die Körnchen unten ins Reagenzglas gelangen. Das Ammoniumnitrat zersetzt sich rasch mit leisem Zischen, oben im Reagenzglas kann man rot-braune Dämpfe sowie Kondenswasser beobachten. Mit einem angefeuchteten Indikatorpapier, welches man in die Öffnung des Reagenzglases hält, kann man zeigen, dass die rot-braunen Gase sauer reagieren. Auswertung/ Hintergründe In der Hitze zersetzt sich das Ammoniumnitrat rasch, dabei entstehen Distickstoff, nitrose Gase (erkennbar an der rot-braunen Farbe) und Wasser: 3 5 8 NH 4 NO3 s hohe Temp. 4 0 2 5 N 2 g 2 NO2 g 4 NO g 16 H 2O g /l 35 Bei der vollständigen Explosion von NH4NO3, wozu allerdings eine Initialdetonation nötigt ist, läuft folgende Reaktion ab: 3 5 Initial Zündung 2 NH 4 NO3 s 0 0 2 N 2 g O2 g 4 H 2O g /l Bei langsamer Erwärmung von NH4NO3 entsteht Lachgas, auf diesem Wege wird es auch technisch erhalten: 3 5 NH 4 NO3 s lansames Erhitzen 1 N 2O g 2 H 2O g / l 2. Schulrelevanz Wie schon eingangs erwähnt, bietet das Thema schöne Alltagsbezüge, die gut in der Schule thematisiert werden können. Dazu gehören der Aspekt der Düngung und damit verbundene Probleme, pyrotechnische Sätze und die Lebensmittelkonservierung. Bezüglich des Schwarzpulvers sind fächerübergreifende Zusammenhänge mit der Geschichte und der Politik knüpfbar. Durch den Experimentalvortrag werden folgende Stichpunkte im hessischen Lehrplan für Chemie28 (G8) abgedeckt: • 7G.2 (fakultativ): endotherme und exotherme Reaktionen im Alltag • 9G.1: Hydratation von Salzen in Wasser • 9G.2 Säuren und Laugen (Saurer Niederschlag, gas reagieren mit Wasser zu sauren Lösungen, Formeln von Säuren und Säurerest-Ionen einüben) • 9G.2 (fakultativ): Aufbau und Funktion von Böden (Bodenuntersuchungen auf Inhaltsstoffe, Nachweis von Mineralsalzen, Nitrat als Düngemittel, Überdüngung) • GK12G.1: Analysemethoden zum Nachweis von Ionen und Molekülen, Prinzip vom kleinsten Zwang (u.a. Ostwald-Verfahren) • GK12G.1 (fakultativ): Bodenuntersuchungen, Untersuchungen von Düngemitteln) • LK12G.1: Enthalpie, Entropie (spontan ablaufende endotherme Prozesse) • GK/LK12G.2: Nahrungsmittel (Zusatzstoffe, Konservierung), Umweltchemie und – analytik 28 36 (chemische Untersuchungen von Wasser, Boden, Stoffen des Alltags), Komplexchemie (biologisch bedeutsame Komplexverbindungen) 3. Literaturangaben [1] Chemie in unserer Zeit: Heft 1, Jahrgang 1988; Heft 1 Jahrgang 1995 [2] Praxis der Naturwissenschaften - Chemie in der Schule: Heft 1, Jahrgang 1980; Heft 8, Jahrgang 1998; Heft 2, Jahrgang 2005 [3] http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1909/ (besucht am 03.01.2008) [4] http://www.chids.de/links/PraktikumsskriptSchulversucheWS04_TUDarmstadt.pdf (besucht am 04.01.2008) [5] http://idw-online.de/pages/de/image32275 (besucht am 03.01.2008) [6] http://www.uhde.biz/competence/technologies/fertilisers/techprofile.de.epl?profile=5&pa getype=0 (besucht am 03.01.2008) [7] Fluck/Mahr: Anorganisches Grundpraktikum, 6. Auflage, 1985, VCH Verlag [8] Römpp Chemie-Lexikon auf CD-Rom, Version 1.0, Thieme-Verlag, 1995 [9] http://www.corporate.basf.com/file/31101.bild6 (besucht am 03.01.2008) [10] Chemie für Gymnasien, Cornelsen Verlag, 1994 [11] http://www.ossiladen.de/shopping/popup_image.php/pID/6900/imgID/0 (besucht am 03.01.2008) [12] Naturwissenschaften im Unterricht-Chemie: Heft 32, 1996 [13] www.chemieunterricht.de/dc2/glas/glasv_03.htm (besucht am 03.01.2008) [14] Manuel Baetz: Schwarzpulver für Survival, SURVIVAL-PRESS, S.61-63 [15] www.freilassung.de/div/texte/spreng/oppau.htm (besucht am 04.01.2008) [16] http://www.old.unibayreuth.de/departments/didaktikchemie/umat/stickstoffkreislauf/stickstoffkreislauf.htm (besucht am 03.01.2008) [17] http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.CMReader/HK M_15/HKM_Internet/med/08a/08a50e9f-ba45-b901-be59-2697ccf4e69f,22222222-22222222-2222-222222222222,true.pdf (besucht am 04.01.2008) 37 38