Thema 2: Reelle Zahlen, Folgen, Grenzwerte und Stetigkeit Gaber/Reinisch 8.11.2005 Ziel des Seminars: Beleuchtung der Rolle all dieser Begriffe zur Analysis in Wissenschaft und Schule 1. Reelle Zahlen und Stetigkeit Mittelstufe: Einführung der reellen Zahlen meist übers Wurzelziehen. Wissen, dass die Lösung von x2 = 2 nicht rational ist (evtl. mit Beweis). Darstellung als (endliche, periodische und unendlich nicht periodische) Dezimalzahlen. Evtl. wissen, dass erst jetzt der Zahlenstrahl keine Lücken mehr hat. Oberstufe: Stetigkeit ist absolute Grundlage für die gesamte Analysis, wird implizit meistens verwendet (Vollständigkeit), ist also inhaltlich unentbehrlich Frage nach der expliziten Behandlung im Unterricht (in Thüringen nur LK) Mögliche Motivation: Was wäre wenn der Zahlenstrahl nicht lückenlos wäre? Funktionen in Q? Später Verknüpfung mit Differenzierbarkeit und/oder Integrierbarkeit (Verhalten an Unstetigkeitsstellen) 2. Folgen und Grenzwerte Geschichte des Grenzwertbegriffes im Schulunterricht: Ziel war ab 1900 die Einführung der Infinitesimalrechnung in der Schule 1900 – 1930: Dafür wird Behandlung von Grenzprozessen nötig, Folgen werden zunehmend als Hilfsmittel benutzt. 1930 – 1970: Folgen bilden eigenständiges Thema als Hinführung auf den Grenzwertbegriff und die Analysis („klassischer Aufbau der Analysis“). 1969 (Pickert): „grenzwertfreier Zugang“ zur Analysis ist Anregung zu zahlreichen neuen Ansätzen. Situation in den Lehrplänen heute: In Thüringen (+ neuen Bundesländern): klassischer Aufbau, d.h.: Zu Beginn der elften Klasse ausführliches Thema Folgen und Grenzwerte inkl. Betrachtungen zu: Monotonie, Beschränktheit, arithmetische und geometrische Folge, Konvergenz, Grenzwerte, Grenzwertsätze In den meisten alten Bundesländern: Kein eigenes Thema „Folgen und Grenzwerte“. Grenzwerte werden im Zusammenhang mit Funktionen besprochen, Rückgriff auf Folgen und Thema „Stetigkeit“ teilweise angeregt Weitere Überlegung: Behandlung der Folgen als mathematisches Konzept durch die gesamte Schulzeit hindurch, auch wegen zunehmender aktueller Relevanz (Diskrete Darstellungen auf dem Computer, Algorithmen, Iterationen/Numerik). Argumente für die beiden Grundkonzeptionen: Folgen und Grenzwerte als eigenes Thema: Grenzwertbegriff als Nebenaspekt: Grenzwerte sind für die Mathematik absolut grundlegend Anhand von Folgen lassen sich viele Dinge anschaulicher erklären als an Funktionen Folgen können schon in Unter- und Mittelstufe motiviert werden (Zinsrechnung, Wachstumsprozesse) und haben schöne Anwendungen Auch das Konzept des Unendlichen ist schon benutzt worden (nat. Zahlen, Gerade als Menge von Punkten, Dezimalbrüche…) Ausführliche Behandlung nimmt zu viel Zeit vom eigentlichen Thema in Anspruch Folgen machen alles nur komplizierter, Funktionen sind den Schülern besser bekannt Der Übergang von Folgen zu Funktionen ist nur z. T. möglich und stiftet oft Verwirrung Der Stetigkeitsbegriff ist ebenso grundlegend und wird fast gar nicht behandelt, da er schlecht zu motivieren und arm an Anwendungen ist. Logische Struktur (Folgen -> Grenzwerte -> Differential und Intergralrechnung) für den Schüler zu komplex 3. Praktischer Teil: Aufgaben zu Folgen und Grenzwert Didaktische Fragen, die bei der Bearbeitung eine Rolle spielen sollten: Behandlung ohne expliziten Grenzwertbegriff möglich? Einordnung ins Themengebiet Folgen und Grenzwerte (Einstieg oder Festigung/Übung von Gelerntem,...)? Verknüpfung zu anderen Gebieten? A1. Achilles und die Schildkröte (Zenon 490-430): Achilles als schnellster Läufer der griechischen Antike ist nicht einmal in der Lage eine 10mal langsamere Schildkröte einzuholen, die beim Start einen Vorsprung von lediglich 10m besitzt: Läuft Achilles bis zum Startpunkt der Schildkröte, so ist diese schon ein Stück weiter gelaufen. Ist Achilles dann an diesem Ort, hat die Schildkröte wieder ein Stück des Weges zurückgelegt. Achilles holt die Schildkröte also nie ein, da sich unendlich viele solcher Abschnitte aneinander reihen. Ist Zenons Schlussfolgerung korrekt? Wenn nicht, widerlege seine These! A2. Drei Spiralen: Welchen Umfang haben die "Spiralen"? Bei der Kreisspirale wird der Radius fortlaufend halbiert. BILD VON KREIS-,DREIECK- und QUADRATSPIRALE A3. Die hüpfende Stahlkugel: Eine vertikal auf eine Stahlplatte fallende Stahlkugel springt nach dem Auftreffen immer wieder hoch. Dabei erreicht sie jeweils nur 95% der vorherigen Höhe. a) Nach wie vielen Aufschlägen erreicht die Kugel beim Hochspringen nur noch eine Höhe von weniger als 5% der Ausgangshöhe h? b) Welchen Weg legt die Kugel bis zum fünften Aufprall zurück? c) Welchem Grenzwert nähert sich die von der Kugel insgesamt zurückgelegte Weglänge mit wachsender Zahl der Aufschläge? BILD VON HÜPFENDER STAHLKUGEL A4. Archimedes und der Kreis: Archimedes hat versucht die Kreiszahl Pi zu approximieren, indem er dem Einheitskreis regelmäßige n-Ecke einbeschrieb. Dabei hat er es "nur" geschafft den Umfang eines regelmäßigen 96-Ecks - als Näherung für den Kreisumfang - zu ermitteln. Wie gut war seine Näherung für die Kreiszahl Pi? Wäre sein Ergebnis besser gewesen, wenn er den Einheitskreis mit einem regelmäßigen 96-Eck umschrieben hätte? A5. Merkwürdige Vegetation: In einem weit entfernten Land wächst die berüchtigte Quadrat-Pflanze, nach der unten dargestellten Vorschrift. Sie bildet dabei täglich kleine Quadratknospen, deren Seitenlänge jeweils ein Drittel der des nächst größeren Quadrates beträgt. Ebenfalls berüchtigte Biologen untersuchen die zeitliche Entwicklung von Fläche und Umfang der Pflanze. Zu welchen Aussagen können sie kommen? Zu welchem Ergebnis kommen sie bei der Untersuchung der noch berüchtigteren Gleichseitiges-DreieckPflanze? BILD VON QUADRATPFLANZE A6. Fortsetzungen: Setze die Folgen fort (mind. 2 zusätzliche Glieder) und ermittle explizite und/oder rekursive Bildungsvorschrift falls möglich! 1 3 7 15 ,1 ,1 ,1 , ... 16 2 4 8 b) 1, -1, 2, -2, 3, -3, ... a) 1 , 1 c) 2, 1 2 , 1 1 2 , 1 1 1 2 , ... A7. Was der alte Heron schon wusste: Wozu ist folgende rekursiv gegebene Folge gut? bn 1 1 1 a bn , wobei a 0 , b0 0 und n 0 2 2 bn A8. Grenzwert einer rekursiven Folge: Bestimmen sie den Grenzwert dieser konvergenten, rekursiv gegebenen Folge! xn1 2 xn 2 , x1 1 und n 1 xn 2 A9. Schatzsuche: Ist es möglich den geheimen Schatz auf der mysteriösen Insel zu finden? Gehe vom Ausgangspunkt 400 Schritte nach Osten und 200 Schritte nach Süden, daraufhin 100 Schritte nach Osten und wieder 50 Schritte nach Süden, nun 25 Schritte nach Osten und 12,5 Schritte nach Süden, usw. Aber Vorsicht, dir bleiben nur 666 Schritte, dann finden dich die Eingeborenen Kannibalen. A10. Russische Auslegware: Sierpinski-Teppiche: Jeweils das mittlere der 9 Quadrate wird weggenommen, welche Restfläche (unschraffiert) bleibt? BILD VON S-TEPPICHEN