268 © Schattauer 2010 Knochentumoren Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindesund Jugendalter B. Habermann1; K. Kafchitsas1; C. Eberhardt2; A. A. Kurth1 1Klinik 2Klinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg Universität, Mainz; für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Hanau Schlüsselwörter Keywords Knochentumor, Osteosarkom, Ewing Sarkom Bone tumour, osteosarcoma, Ewing’s sarcoma Zusammenfassung Summary Primär maligne Tumoren des Skelettsystems stellen im Kindes- und Jugendalter eine Seltenheit dar. Gerade deswegen ist es wichtig, die Diagnose frühzeitig zu stellen, um eine adäquate Therapie einzuleiten. Die häufigsten Vertreter sind das Osteosarkom, seltener das Ewing-Sarkom und das Adamantinom. Das Chondrosarkom ist im Jugendalter auch unter den Tumoren eine Rarität. Die Einführung der neoadjuvanten Chemotherapie hat in der Behandlung des Osteosarkoms und des Ewing-Sarkoms zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit geführt. Zudem kann durch neue Therapieprotokolle oftmals eine Extremitäten-erhaltende Operation durchgeführt werden. Im Rahmen der Tumoroperation ist oftmals eine Resektion angrenzender Gelenke und großer Muskelgruppen erforderlich, sodass postoperativ mit einem funktionellen Defizit gerechnet werden muss. Zur Versorgung der Defekte dienen spezielle Tumorprothesen mit Gelenkersatz. Eine Defektüberbrückung kann allerdings auch über vaskularisierte autologe Transplantate wie etwa ein Fibulatransplantat erfolgen. Eine weitere Möglichkeit mit einer anschließenden, funktionell guten exoprothetischen Versorgungsmöglichkeit bietet die Rotationsplastik. Dieser Artikel soll eine Übersicht über die genannten Tumoren sowie deren Diagnostik und Therapie geben. Malignant tumours of the musculoskeletal system in childhood and adolescence are rare. It is important to diagnose the disease in early stadium in order to induce a sufficient therapy. The most common tumour is osteosarcoma followed by Ewing’s sarcoma and adamantinoma. Chondrosarcoma in adolescence or childhood can be seen as a rarity. The implementation of neoadjuvant chemotherapy had an immense impact on prognosis of osteosarcoma and Ewing’s sarcoma. These new regimes allow limb-sparing procedures instead of an amputation. Nevertheless, limb-sparing procedures are often followed by functional deficits since joints, long distances of bone and large groups of muscles need to be resected. To replace those defects several tumour prothesis are used. Further surgical procedures to bypass defects include autologous transplants such as an autologous vascularised fibular transplant, allografts, or a rotationplasty. The following article shall overview the above mentioned tumours. Korrespondenzadresse Dr. Björn Habermann Klinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Universitätsmedizin Johannes Gutenberg Universität Mainz Langenbeckstrasse 1, 55131 Mainz Tel.: 0 61 31 / 171, Fax: 0 61 31 / 17 66 12 E-Mail: [email protected] Malignant tumours of the musculoskeletal system in childhood and adolescence eingereicht: 31. Juli 2009 angenommen: 7. August 2009 Onkologische Welt 2010; 1: 268–273 Nachdruck aus Osteologie 2009; 18: 184–190 Einleitung Primäre Knochentumoren im Kindes- und Jugendalter machen etwa 6% aller malignen Tumoren aus. In Deutschland und Mitteleuropa beträgt die Inzidenz etwa 0,2–0,3/100 000 Kinder pro Jahr. Unter diesen sind das Osteosarkom und das EwingSarkom die häufigsten. Wesentlich seltener tritt das Adamantinom auf. Das Chondrosarkom ist eine Rarität und eher ein Tumor des Erwachsenenalters (22). Im Folgenden soll nun auf die einzelnen Tumoren eingegangen werden. Insbesondere soll die Diagnostik sowie die Therapie dieser erläutert werden. Osteosarkom Das Osteosarkom ist charakterisiert durch die Produktion von Osteoid durch die malignen Zellen. Prinzipiell kann das Osteosarkom in jedem Lebensalter auftreten, allerdings ist es am häufigsten in der zweiten Lebensdekade und es bevorzugt das männliche Geschlecht (3:2). Die häufigsten Lokalisationen sind das distale Femur, die proximale Tibia und der proximale Humerus. Bei der Erstdiagnose ist in 15–20% der Fälle eine Fernmetastasierung erfolgt. Das Osteosarkom metastasiert vorwiegend in die Lunge. Eine genetische Prädisposition kann nicht ausgeschlossen werden. In 3% der Erkrankten kann ein Defekt auf p53, welches wiederum mit dem Li-FraumeniSyndrom in Verbindung gebracht wird, nachgewiesen werden. Hierbei handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbbare Erkrankung. Die Betroffenen leiden auf Grund einer Keimbahnmutation an multiplen Tumoren. Weitere genetische Aberrationen zeigen sich in Verbindung mit dem Retinomblastom-Syndrom, dem Onkologische Welt 6/2010 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-11-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. B. Habermann et al.: Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter Rothmund-Thomsen-Syndrom und dem Werner-Syndrom (29). Das Osteosarkom kann in unterschiedliche Typen eingeteilt werden. Grob besteht eine Unterscheidung in intraossären und extraossären Osteosarkomen. Am häufigsten mit bis zu 80% ist das klassische oder auch konventionelle Osteosarkom. Seltener kommen das teleangiektatische (4%), kleinzellige (1,5%), kortikale, periosteal und paraossäre Osteosarkom sowie das low-grade Osteosarkom (1–2%) vor. Das extraossäre Osteosarkom muss von Weichteilsarkomen oder einer Myositis ossificans abgegrenzt werden (12, 31). Histologisch zeigen sich unterschiedliche, oft spindelartige Zellformen, die stark anaplastisch sind und einen hohen Zellkernpleomorphismus zeigen. Auf Grund des Zellkernpleomorphismus und der Mitoserate kann das Osteosarkom in unterschiedliche Grade eingeteilt werden. Man unterscheidet zwischen einem differenziertem und einem entdifferenziertem Tumor mit einer hohen Teilungsrate. Eine maligne Precursor-Zelle ist bislang nicht bekannt. Es wird ein Entstehen aus osteoblastischen Vorläuferzellen vermutet, da die Produktion von Osteoid, alkalischer Phosphatase, Osteocalcin und Osterix, einem Transkriptionsfaktor zur Osteoblastendifferenzierung, nachgewiesen werden kann. Ebenso wird eine direkte Linie aus der mesenchymalen Stammzelle diskutiert (23, 32). Klinisch fällt das Osteosarkom oftmals erst durch Schmerzen auf. Seltener hat es schmerzlos bereits eine Größe erreicht, sodass die lokale Schwellung zur klinischen Abklärung führt. Ein schmerzloses Wachstum wird oftmals durch low-grade Osteosarkome verursacht. Durchschnittlich vergehen 15 Wochen von dem Auftreten erster Symptome bis zur Diagnosestellung. Ursächlich hierfür sind zum einen der verspätete Arztbesuch, zum anderen aber auch der Zeitraum zwischen dem Erstkontakt und der abschließenden Diagnose. In 10–15% der Fälle tritt eine pathologische Fraktur auf. Laborchemisch gibt es selten Auffälligkeiten. Es kann zu einer Erhöhung der Laktat-Dehydrogenase und/oder der alkalischen Phosphatase kommen (33). Neben Anamnese und Klinik steht als erster diagnostischer Schritt die nativradiologische Untersuchung im Vorder- grund. Hierbei zeigt sich oftmals metaphysär an den oben beschriebenen Lokalisationen eine aggressive Destruktion des Knochens mit den radiologischen Zeichen eines malignen Tumors. Der Tumor kann sowohl osteoblastisch als auch osteolytisch imponieren. Die Kortikalis ist destruiert, und es zeigt sich eine Periost- und Weichteilreaktion. (씰Abb. 1) Als nächster Schritt steht die MRT-Diagnostik. Hierbei kann das Ausmaß des Tumors sowie die Weichteilbeteiligung genauer beschrieben werden (씰Abb. 2). Eventuell bestehende SkipMetastasen können aufgezeigt werden (21). Deshalb ist eine Darstellung des gesamten Knochens mit den angrenzenden Gelenken im MRT notwendig. Zusätzlich wird die Beziehung zu den Gefäßen und Nerven deutlich. Zudem dient das MRT als Ausgangsuntersuchung zur Verlaufskontrolle der Therapie. Weitere radiologische Untersuchungen sind die Skelett-Szintigraphie zum Ausschluss oder Nachweis weiterer ossärer Herde sowie die CT-Untersuchung der Lunge zum Ausschluss oder Nachweis einer pulmonalen Metastasierung (씰Abb. 3 und 4). Im nächsten Schritt muss die Verdachtsdiagnose bioptisch gesichert werden. Die Aspirationsbiopsie kann auch in Kombination mit den Röntgenbildern nicht zu einer 100-%igen Sicherheit der Diagnose führen. Gefordert ist die offene Biopsie. Bereits dieser Schritt sollte in dem Zentrum, welches später auch die definitive operative Versorgung durchführen wird, erfolgen. Bei der Biopsie ist es wichtig, jeweils nur ein Kompartiment zu eröffnen, da dieses bei der späteren Operation zusammen mit dem Zugangsweg und dem vorbehandelten Tumor reseziert wird. Die Hautinzision ist so klein wie möglich zu halten, allerdings muss der Tumor intraoperativ sicher lokalisiert werden, um repräsentatives Tumorgewebe zu gewinnen. Der Zugangsweg sollte durch die Muskulatur ohne Präparation und Darstellung von Schichten erfolgen. Scharfe Haken müssen vermieden werden. Die Probe sollte sowohl Anteile aus dem Randgebiet als auch aus der Tiefe beinhalten. Avitale Tumorgebiete wie zum Beispiel Verkalkungen sind zu vermeiden. Die Tumorkapsel sollte anschließend wieder verschlossen werden, alternativ kann ein Kollagenschwamm oder eine Zementplombe Abb. 1 Osteosarkom des Oberarms Abb. 2 Das MRT des proximalen Oberarms zeigt die Ausdehnung des Tumors sowie die Weichteilbeteiligung. eingelegt werden. Drainage dürfen auf keinen Fall fern von dem Zugangsweg ausgeleitet werden, da es hierdurch zu einer lokalen Metastasierung kommen kann. Konsequenterweise muss bei der definitiven Versorgung später der Ausstichkanal mit reseziert werden. Nach Diagnosestellung erfolgt die Einleitung einer neoadjuvanten Chemotherapie entsprechend den hierzu gängigen Protokollen. Vor der Möglichkeit einer Chemotherapie überlebten lediglich 25% aller © Schattauer 2010 Onkologische Welt 6/2010 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-11-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 269 270 B. Habermann et al.: Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter sollte neben Anamnese und körperlicher Untersuchung eine Röntgenaufnahme der Lunge zum Ausschluss von Lungenmetastasen sowie ein MRT des ehemaligen Operationsgebiets umfassen um ggf. ein Lokalrezidivs zu erfassen. Das Auftreten von Metastasen ist auch nach einem Zeitraum von 10 Jahren noch möglich (6). Ewing-Sarkom Abb. 3 Osteosarkom des distalen Femurs Patienten durch die alleinige chirurgische Therapie. Nach Einführung einer neoadjuvanten Chemotherapie, wie sie unter anderem im Rahmen des COSS (Cooperative Osteosarcoma Study Group)-Protokolls durchgeführt wird, konnte eine 10-JahresÜberlebensrate von 73,4% erreicht werden. Das COSS-Protokoll sieht eine neoadjuvante Behandlung von 3 Monaten vor. Die hierzu verwendeten Chemotherapeutika sind Doxorubicin, Cisplatin, Methotrexat und Ifosfamid. Danach erfolgt die chirurgische Sanierung und anschließend die Fortführung der Chemotherapie über weitere 9 Monate. Die postoperative Chemotherapie wird dabei dem Ansprechen des Tumors auf die präoperative Chemotherapie angepasst (2, 7, 17, 27). 2005 wurde die EURAMOS (European American Osteosarcoma Study Group) geöffnet, eine internationale, transatlantische Studie, welche die jeweils lokalen Studien vereinigte. Die EURO-B.O.S.S. Studie (European Bone Over 40 Sarcoma Study) passt sich der entsprechenden Altersgruppe an (14). Ziel weiterer Operationen ist die Entfernung aller Fernmetastasen sofern dies operativ möglich und der Patient in einem entsprechend zufriedenstellenden Allgemeinzustand ist (6). Die Prognose ist wesentlich abhängig von dem Ausmaß der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Bei erfolgter Fernmetastasierung beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate weiterhin nur 20%. Handelt es sich allerdings um solitäre, resezierbare Lungenmetastasen, kann die Überlebensrate auf mehr als 50% gesteigert werden. Als weitere negative Prädiktoren wurden die unzureichende chirurgische Resektion, gefolgt von schlechtem Ansprechen auf die neoadjuvante Therapie und den Befall des Achsskeletts herausgearbeitet (4, 5, 7, 9, 10, 24). Nach Abschluss der Therapie ist eine regelmäßige Nachsorgeuntersuchung notwendig. Diese sollte im ersten Jahr alle 3 Monate, danach für weitere 3 Jahre alle 6 Monate und dann bis zum 5. Jahr jährlich erfolgen. Danach ist eine jährliche Nachkontrolle möglich. Die Nachuntersuchung Das Ewing-Sarkom ist nach dem Osteosarkom der zweithäufigste primäre Knochentumor bei Patienten jünger als 30 Jahre und der häufigste bei unter 10-Jährigen. Die typische Lokalisation ist die Diaphyse der langen Röhrenknochen (50%), seltener sind die Skapula und das Becken (20%) betroffen. Ein Befall der Wirbelkörper ist eine Rarität. In 20–25% liegt bereits bei Erstdiagnose eine Fernmetastasierung vor. Hierbei sind vorwiegend die Lunge und weitere Anteile des Skelettsystems betroffen. Die Inzidenz ist kleiner 0,1/100 000 Kinder pro Jahr. Eine genetische Disposition gilt als wahrscheinlich, da in 90–95% der Fälle eine Translokation t(11;22)(q24;q12) besteht. Weitere Translokationen sind beschrieben (11, 15). Klinisch imponiert lediglich der Schmerz, der oftmals gering ausgeprägt ist und auf konservative Maßnahmen gut anspricht. Zusätzlich kann sich eine Temperaturerhöhung sowie ein lokales Erythem und Schwellung zeigen, sodass klinisch eine Osteomyelitis simuliert wird. Laborchemisch zeigt sich ein Anstieg der Leukozyten, eine erhöhte Blutsenkung sowie ein erhöhtes CRP. Bis zur Diagnosestellung vergehen durchschnittlich 16–34 Wochen. Histologisch handelt es sich bei dem Ewing-Sarkom um kleine zytoplasmaarme Tumorzellen mit runden Kernen, die PASund CD99-positiv sind. Die Mitoserate ist niedrig. Intrazellulär enthalten die Zellen Glykogen. Alle Ewing-Sarkome sind per definitionem entdifferenziert. Während zunächst der Grad der neuronalen Differenzierung zur Unterscheidung zwischen Ewing-Sarkom und Primitiven Neuroektodermalen Tumor (PNET) angewendet wurde, ist dies nach neueren Genanalysen obsolet, sodass beide Tumoren zusammengenommen werden können (28, 33). Onkologische Welt 6/2010 © Schattauer 2010 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-11-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. B. Habermann et al.: Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter Abb. 5 Nativradiologisches Bild eines EwingSarkoms am Becken Abb. 4 Selber Patient wie Abbildung 3, Skelettszintigraphie (Spätphase) mit Primärtumor distales Femur, gelenküberschreitend sekundärer Tumor der proximalen Tibia sowie ossärer Metastasierung in Glenoid links und Trochanter rechts Nativradiologisch zeigt sich oftmals das typische Bild eines diaphysären Tumors der langen Röhrenknochen mit einem Zwiebelschalenmuster der Periostreaktion. (씰Abb. 5) Das MRT zeigt das gesamte Ausmaß des Tumors, welches auf den nativradiologischen Aufnahmen oftmals unterschätzt wird. (씰Abb. 6) Auch bei dem Ewing-Sarkom ist es essenziell, den gesamten Knochen mit angrenzenden Gelenken darzustellen, auch wenn Skip-Lesions nicht beschrieben sind. Die Skelett-Szintigraphie dient zum Ausschluss einer ossären Metastasierung, die Computertomografie der Lunge schließt eine pulmonale Metastasierung aus. Die Biopsie aus dem Tumor sollte nach den oben beschriebenen Kriterien erfolgen. Das genaue Staging ist für die weitere Therapie und das Überleben essenziell. Entsprechend dem COSS-Schema bei Osteosarkomen werden die Patienten in den entsprechenden Zentren über die EUROEWING-Studie betreut. Nach Sicherung der Diagnose erfolgt zunächst eine 3-monatige Chemotherapie, anschließend die weite Resektion des Tumors, gefolgt von weiteren 9 Monaten Chemotherapie. Sollte die Resektion nicht im Gesunden erfolgt sein (R1-Resektion), besteht die Möglichkeit einer anschließenden, lokalen Strahlentherapie. Das Ansprechen des Tumors auf die präoperative Chemotherapie ist auch bei dem Ewing Sarkom entscheidend für die Prognose (36). Da bei Diagnosestellung entgegen dem Osteosarkom beim Ewing-Sarkom oftmals schon eine Mikrometastasierung aufgetreten ist, sind die 5-Jahres-Überlebensraten mit 60–75% entsprechend niedriger. Vor Einführung einer Chemotherapie, neoadjuvant oder adjuvant, war die 5-JahresÜberlebensrate kleiner als 10%. Bei nachgewiesener Fernmetastasierung beträgt Abb. 6 MRT eines Ewing-Sarkoms am Becken diese auch heute nur noch 20%. Auch hier hat eine stammnahe Lokalisation des Primärtumors eine schlechtere Prognose (1, 2, 16). Zu einem Lokalrezidiv kommt es vor allem in den Fällen, in denen keine R0-Resektion erreicht werden konnte (36). Auch bei Ewing-Sarkomen ist nach Abschluss der Therapie eine regelmäßige Nachsorgeuntersuchung notwendig. Diese muss ebenfalls gemäß dem vorbeschriebenen Schema erfolgen. Ein Rezidiv tritt vor- © Schattauer 2010 Onkologische Welt 6/2010 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-11-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 271 272 B. Habermann et al.: Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter Abb. 8 MRT der LWS mit intraspinaler Metastase eines Adamantinoms in Höhe des thorakolumbalen Übergangs. Klinisch führte dies zu einer Caudasymptomatik. In dem unteren Abschnitt ist die gefüllte Blase bei Blasenentleerungsstörung zu sehen. Abb. 7 Adamantinom der Tibiadiaphyse wiegend in den ersten 3 Jahren auf. Auf Grund der vorangegangen Chemo- und Strahlentherapie kommt es häufiger zur Sekundärerkrankungen wie Weichteilsarkome nach Bestrahlung oder Akuter Myeloischer Leukämie (18, 20, 28). Adamantinom Das Adamantinom ist ein extrem seltener Tumor, der weniger als 1% aller primären Knochentumoren im Kindes- und Adolszentenalter repräsentiert. Der Erkrankungsgipfel liegt in der zweiten und dritten Lebensdekade. Betroffen ist in mehr als 85% der Fälle die Tibia. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist auf Grund des radiologischen Bildes die osteofibröse Dysplasie. Histologisch handelt es sich um epitheliale Zellnester, die in fibrösem Stroma eingelagert sind (25). Klinisch ist auch hier der Schmerz das oftmals einzige Symptom. In 20% der Fälle tritt eine pathologische Fraktur auf. Da der Tumor oftmals tibial auftritt, kann eine Schwellung gut getastet werden. Nativradiologisch zeigen sich gut begrenzte osteolytische Defekte, die von sklerotischem Knochen abgegrenzt sind. Der Tumor kann auf den gesamten Knochen ausgedehnt sein. Eine Periostreaktion zeigt sich nicht. MR-tomografisch sind Skip-lesions häufig (씰Abb. 7). Nach Sicherung der Diagnose über eine Biopsie ist die Therapie der Wahl die Resektion des Tumors mit weiten Grenzen. Gegebenenfalls ist auch die Amputation, sollten die Gefäße und Nerven nicht zu präparieren sein, notwendig. Der Tumor ist weder radionoch chemosensibel. Trotz suffizienter Operation kommt es in bis zu 25% der Fälle zu einem lokalen Rezidiv. Metastasen sind bei Erstdiagnose selten, können allerdings später bei bis zu 30% der Patienten auftreten (씰Abb. 8). Die 10-Jahres-Überlebensrate wird mit bis zu 85% angegeben (30). In der Literatur werden etwa 100 Fälle einer Metastasierung eine Adamantinoms beschrieben, aber leider keine klaren Therapievorschläge. Onkologische Welt 6/2010 © Schattauer 2010 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-11-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. B. Habermann et al.: Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter Operative Möglichkeiten der Tumorchirurgie bei malignen Knochentumoren Ziel einer Operation des Primärtumors muss die vollständige Entfernung mit weiten Grenzen im Sinne der Enneking-Einteilung sein (19). Eine komplette Resektion des Kompartiments im Sinne einer radikalen Resektion wird seit Einführung der neoadjuvanten Chemotherapie und der damit verbundenen Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit nicht mehr gefordert. Die neoadjuvante Chemotherapie ermöglicht somit oftmals den Erhalt der Extremität und kann eine Amputation vermeiden. Limitierend ist jedoch weiterhin die Infiltration von Nerven und Gefäßen (3, 17, 26). Nach Capanna, 2005, bieten die natürlichen Barrieren unterschiedlichen Schutz gegenüber dem Tumorwachstum (씰Tab. 1). Die Autoren unterschieden zwischen starken Barrieren wie Gelenkknorpel oder Faszien, relative Barrieren und ineffektive Barrieren wie Knochenmark oder Muskel (13). Eine Tumoroperation kann sich nicht an den klassischen Zugangswegen orientieren, da hierbei oftmals mehrere Kompartimente kontaminiert werden. Der Zugang muss die Voroperation, in den meisten Fällen die offene Biopsie zur Diagnosesicherung, berücksichtigen und mit exzidieren. Zudem besteht nach den Operationen oftmals ein funktionelles Defizit, da in weiten Grenzen die angrenzende Muskulatur, oftmals Gelenke sowie die naheliegenden Nerven und Gefäße mit reseziert werden müssen. Die betroffenen Knochen müssen partiell entfernt und anschließend ersetzt werden. Hier gibt es mittlerweile Implantate, die eine gute postoperative Funktion erlauben. Da es sich meist um gelenknahe TuTab. 1 Barrieren gegenüber Tumorwachstum nach Capanna, 2005 (13) Starke Barriere ● ● ● ● ● ● Fazit für die Praxis Da maligne Tumore des Skelettsystems im Kindes- und Jugendalter selten vorkommen, wird die Diagnose derselben oftmals verzögert. Besteht der Verdacht, empfehlen wir die Überweisung des Patienten in ein Zentrum zur Vervollständigung der Diagnostik und Einleitung der Therapie. Dies ist wichtig, da schon die offene Biopsie des Tumors durch diejenigen durchgeführt werden sollte, die im Anschluss auch die definitive operative Versorgung durchführen. Die weitere Betreuung der Patienten muss interdisziplinär erfolgen, da nur so gute Ergebnisse erzielt werden können. Die Einführung der neoadjuvanten Chemotherapie führte zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit. Diese Therapie kann nur in Form von Studien (COSS, EURAMOS, EUROEWING u. a.) an den entsprechenden Zentren durchgeführt werden. Abb. 9 Tumorprothese mit Überbrückung des Kniegelenks und Ersatz der proximalen Tibia moren handelt, ist oftmals ein Gelenkersatz notwendig. Zur Refixation der Muskulatur dienen Anbindungsschläuche. Zur Überbrückung gelenkferner Defekte kann ein vaskularisiertes Transplantat oder auch ein Implantat verwendet werden. An der unteren Extremität bietet sich hierzu die Fibula an, die am Unterschenkel, sofern dies aus tumorchirurgischer Sicht sinnvoll ist, loRelative Barriere Gelenkknorpel Wachstumsfuge Kortikaler Knochen Faszie und Faszienseptum Gelenkkapsel Sehnen ● ● ● ● Periost Synovialmembran Nervenscheiden Sehnenscheiden Ineffektive Barriere ● ● ● Knochenmark Fett Muskel kal geschwenkt oder gefäßgestielt aus der Gegenseite transplantiert werden kann. Vermehrt finden so genannte „strut grafts“, strukturelle Allografts, die ebenfalls osteosynthetisch eingebracht werden, Verwendung. Über die Langzeitergebnisse gibt es bislang kontroverse Aussagen. Ein Hauptproblem dieser Transplantate ist die verminderte Gefäßversorgung. Auch nach längerer Zeit findet nur in den seltensten Fällen eine Versorgungsanbindung zu dem umliegenden Gewebe statt. Eine weitere besondere Operation ist die Rotationsplastik an der unteren Extremität. Diese erstmals von Borggreve 1930 erwähnte Methode besteht in einer segmentalen Resektion unter Erhalt der Nerven und Gefäße mit anschließender Osteosynthese des rotierten Fußes. Nach Winkelmann werden je nach Ort des Primärtumors 5 Gruppen unterschieden. Ziel der Operation ist ein funktioneller Stumpf zur endoprothetischen Versorgung. Hierbei übernimmt das ehemalige Sprunggelenk nach Rotation die Funktion des Kniegelenkes (8, 21, 34, 35). Literatur unter: www.onkologische-welt.de © Schattauer 2010 Onkologische Welt 6/2010 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-11-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 273 B. Habermann et al.: Maligne Tumoren des Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter Literatur 1. Argon A, Basaran M, Yaman F et al. Ewings’s sarcoma of the axial system in patients older than 15 years : dismal prognosis depite intensive multiagent chemotherapy and aggressive local treatment. 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