15.06.06 Kurstag: 1-3 Melanie Thompson (Autor) Gruppe 4 Pflanzenphysiologischer Kurs Sommersemester 2006 Versuch 3: Morphologische Auxin-Effekte: Apikaldominanz bei Lycopersicon esculentum (Tomate) 1. Einleitung Die Unterdrückung des Austreibens von Seitenknospen durch das Apikalmeristem des Haupttriebes einer Pflanze bezeichnet man als Apikaldominanz. Diese Dominanz der Gipfel- oder Endknospe ist bei unterschiedlichen Pflanzen unterschiedlich stark ausgeprägt, so weißt die Sonnenblume eine sehr starke Apikaldominanz auf, da hier meist nur die Endknospe zur Entwicklung kommt, bei der Tomate, auf der anderen Seite, ist die Apikaldominanz recht schwach ausgeprägt, hier kommt es schon in geringem Abstand zur Gipfelknospe zu Verzweigungen. Die Aufrechterhaltung der Apikaldominanz geht auf eine Gruppe von Phytohormonen, die sog. Auxine zurück, deren Aufgabe es ist, das Wachstum höherer Pflanzen zu regulieren. Ihr Hauptsyntheseort ist das Apikalmeristem, wobei sie beim Abwärtstransport das Zellwachstum der Streckungszone stimulieren und damit für Streckungswachstum sorgen, dies jedoch nur in Konzentrationen zwischen 10-8 bis 10-4 mol/l (bei höheren Konzentrationen wird die Bildung von Ethylen induziert, was im Gegenzug das Streckungswachstum hemmt). Des Weiteren haben Auxine Funktionen bei der Bildung von Lateral- und Adventivwurzeln, und finden hier auch im kommerziellen Bereich Anwendung bei der Vermehrung von Pflanzen durch Stecklinge. Dekapitiert man nun eine Pflanze (unter natürlichen Bedingungen geschieht dies z.B. durch Tierfraß) entfernt man damit das Auxin-produzierende/-absondernde Apikalmeristem was zur Folge hat, dass ein oder mehrere der bisher gehemmten Seitenknospen austreiben, und zumeist die am schnellsten entwickelnde dann die Apikaldominanz übernimmt. Ziel des Versuches ist es nun, die Wirkung von drei verschiedenen Hormonen (Auxine, Giberellinsäure, Abscisinsäure) auf die Apikaldominanz, bzw. auf das Auswachsen von Seitenknospen dekapitierter Tomatenpflanzen zu untersuchen und diese mit nicht- 1 dekapitierten bzw. mit dekapitierten mit Wasserpasten behandelten Tomatenpflanzen zu vergleichen und Unterschiede in Wirkung und Funktion auszuarbeiten. 2. Material und Methoden Die Versuchspflanzen sind Lycopersicon esculentum (Tomate), die dekapitiert und anschließend mit unterschiedlichen (Hormon-)Pasten bestrichen werden. Dieser Vorgang wiederholt sich am darauf folgenden Kurstag. Als Kontrollpflanze dient eine nicht-dekapitierte und eine dekapitierte, mit Wasserpaste bestrichene Pflanze. Systematische Zuordnung: Abteilung: Spermatophyta o Unterabteilung: Angiospermae Klasse: Dicotyledoneae Unterklasse: Asteridae o Ordnung: Scrophylariales Familie: Solanáceae Gattung: Solánum o Art: Lycopersicon esculentum (Tomate) Die Tomate gehört zur Gattung der Nachtschattengewächse, verwandte Arten sind die Kartoffen – Solánum tuberósum, der Stachel-Nachtschatten – Solánum cornútum oder der bittersüße Nachtschatten – Solánum dulcamára. 3. Ergebnisse Die Pflanzen wurden zunächst 5-6cm über einem oberen Nodium dekapitiert und nach einer weiteren Woche erneut um 0,5cm unter der Schnittstelle gekürzt. Nach zwei Wochen, am dritten Kurstag erfolge die erste Zwischenauswertung: Hormon H2O (Kontrolle) IAA Seitenspross [cm] (nur 1. Nodium) 9 2 morph. Veränderungen kleine Ausstülpungen ca. 2cm lang, am Spross entlang 2 Verfärbung - IBA - 2,4-D 0,5 GA3 10,5 ABA 7,5 kleine Ausstülpungen, ca. 2-3cm lang, am Spross entlang kleine Ausstülpungen, ca. 3cm lang, am Spross entlang starkes Streckenwachstum geringes Sprosswachstum - gelb - Nach drei Wochen, am vierten Kurstag, erfolgte die End-Auswertung: Hormon H2O (Kontrolle) IAA IBA Seitenspross [cm] (1.-3. Nodium) 1. N: 20 2. N: 4 3. N: 1 1. N: 2 2. N: 0,5 3. N: 2,5 1. N: 0,5 2. N: 0,5 3. N: 1 2,4-D GA3 ABA 1. N: 0,5 2. N: 0,8 3. N: 1,5 1. N: 30 2. N: 6 3. N: 1,7 1. N: 20 2. N: 2,1 3. N: 1,3 morph. Veränderungen - Verfärbung kleine Ausstülpungen ca. 2-3cm lang, am Spross entlang stärkere Ausstülpungen, ca. 2-3cm lang und 2mm groß, am Spross entlang stärkere Ausstülpungen, Spross verdickt An einer der drei Pflanzen ein paar kleine Ausstülpungen Unterbrechung der Apikaldominanz - - - weißlich, an manchen Stellen bräunlich - - In diesem Versuch sollten die Wirkungen unterschiedlicher Hormone auf die Apikaldominanz dekapitierter Tomatenpflanzen untersucht werden. Als Kontrollpflanze dient zum einen eine nicht-dekapitierte völlig unbehandelte Pflanze. Diese wies auch nach vier Wochen noch ihre ursprüngliche Apikaldominanz und ein durchschnittliches Streckungswachstum von ca. 20-30cm innerhalb der drei Versuchswochen auf. 3 Als weitere Kontrollpflanze dient die mit Wasserpaste behandelte Pflanze. Sie wurde, wie alle weiteren Pflanzen, zunächst dekapitiert und anschließend mit einer wasserhaltigen Paste auf der Basis von Wollfett bestrichen. Nach zwei Wochen war hier schon ein deutliches Wachstum zu erkennen, welches sich verstärkt fortsetzte, sodass der Seitenspross des ersten Nodiums nach drei Wochen eine Länge von 20cm erreichte. Die Seitensprosse des zweiten und dritten Nodiums erreichten nur eine Länge von 4cm bzw. 1cm. Die mit IAA behandelte Pflanze wurde mit einer Paste auf Basis von Wollfett bestrichen, die eine 25mM hohe Konzentration IAA enthielt, nach zwei Wochen wies sie ein Seitensprosswachstum von 2cm auf, welches sich auch nach drei Wochen nicht veränderte. Das zweite und dritte Nodium ließen nach drei Wochen Seitensprosse von 0,5cm und 2,5cm Länge erkennen. Die nächsten Versuchspflanzen wurden dekapitiert und mit einer Paste, ebenfalls basierend auf Wollfett, bestrichen, die eine 25mM Konzentration Indol-3-buttersäure (IBA) enthielt. Diese Pflanzen wiesen nach zwei Wochen keinerlei Seitensprossbildung auf, nach drei Wochen zeigten das erste und zweite Nodium eine Seitensprosslänge von 0,5cm, das dritte Nodium ließ einen Seitenspross von 1cm Länge erkennen. Drei weiteren Versuchspflanzen wurde nach dem Dekapitieren eine Paste aufgetragen, die eine 10mM Konzentration 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D) enthielt. Im Durchschnitt war nach zwei Wochen ein Seitensprosswachstum von 0,5cm zu erkennen. Nach drei Wochen zeigte der Seitenspross am ersten Nodium kein weiteres Wachstum, die Seitensprosse am zweiten und dritten Nodium waren 0,8cm und 1,5cm lang. Weitere Tomatenpflanzen wurden mit einer Paste behandelt, die eine 10mM Konzentration Giberellinsäure (GA3) enthielt. Diese Pflanzen zeigten nach zwei Wochen ein Seitensprosswachstum von 10,5cm, nach einer weiteren Woche hatten die Seitensprosse am ersten, zweiten und dritten Nodium eine Länge von 30cm, 6cm und 1,7cm. 4 Die letzten Versuchspflanzen wurden mit einer Paste bestrichen, die Abscisinsäure (ABA) in einer 10mM Konzentration enthielt. Diese Pflanzen zeigten nach zwei Wochen ein Seitensprosswachstum von 7,5cm. Nach einer weiteren Woche trug das erste Nodium einen Seitenspross von 20cm, das zweite einen von 2,1cm und das dritte Nodium einen Seitenspross von 1,3cm Länge. 4. Diskussion Bei den Kontrollpflanzen, die, zum einen nicht-dekapitiert und zum anderen mit Wasserpaste behandelt wurden trat, durch das Entfernen des Auxin-produzierenden Apikalmeristems, wie zu erwarten, Wachstum bei den Seitensprossen ein, wobei der Seitenspross des ersten Nodiums unter der Schnittstelle die Apikaldominanz nun wahrscheinlich übernehmen, und folgende Seitensprosse hemmen wird. Die Seitensprosse des zweiten und dritten Nodiums der beiden Kontrollpflanzen waren wesentlich kleiner, was sich eventuell auf die Auxinproduktion des Seitensprosses des ersten Nodiums und damit der neu erlangten Apikaldominanz zurückführen lässt Die mit IAA, IBA und 2,4-D behandelten Pflanzen wiesen alle ein verhältnismäßig ähnliches Wachstum auf, was daher rührt, dass all diese Stoffe zur Gruppe der Auxine gehören. IAA, oder: Indol-3-yl-essigsäure, kommt natürlich in der Pflanze vor, wird dort aber recht schnell abgebaut, IBA kann in der Pflanze zu IAA oxidiert werden und behält darum länger seine Wirkung bei. 2,4-D ist ein synthetisches Auxin, weshalb es in der Pflanze zum einen kaum Transportmöglichkeiten dafür gibt, und es auch in den natürlichen Stoffwechselwegen keine Verwendung findet, darum auch kein Um- bzw. Abbau stattfinden kann. Da, wie schon erwähnt, Auxine die Apikaldominanz fördern, kam es hier nur zur Ausbildung sehr kleiner Seitensprosse, da der Pflanze der Eindruck vermittelt wurde, ihr Auxinproduzierendes Apikalmeristem mit samt Endknospe sei noch vorhanden und würde Apikaldominanz beibehalten. Des Weiteren sorgen Auxine für Adventivwurzelbildung, dies erklärt die kleinen Ausstülpungen von 2-3cm Länge entlang des Sprosses. 5 Bei der mit IAA behandelten Pflanze lässt sich das stärkere Wachstum des dritten Nodiums durch die Instabilität von IAA erklären, die Wirkung wird beim Abwärtstransport immer schwächer. Bei der mit 2,4-D behandelten Pflanze wiederum, lässt sich das stärkere Wachstum des dritten Nodiums damit erklären, dass 2,4-D, wie schon gesagt, ein synthetisches Auxin ist, die Transportwege in der Pflanze nur sehr eingeschränkt vorhanden sind. Hinzukommt bei beiden Pflanzen, dass von der Wurzel gebildete Cytokinine aufwärts in den Spross transportiert werden und das Streckungswachstum fördern, also in diesem Fall antagonistisch zu den aufgetragenen Auxinen wirken. Man könnte an dieser Stelle die Vermutung anstellen, dass die Auxinkonzentration, die im Apikalmeristem gebildet wird höher sein muss, als die der aufgetragenen Pasten, da die Seitensprosse nicht-dekapitierter Pflanzen im Verhältnis auch weiter unten am Spross kleiner waren. Dieser Versuch bietet jedoch auf diese Vermutung keine eindeutige Antwort. Der schlechte Zustand der mit 2,4-D behandelten Pflanzen lässt sich damit erklären, dass 2,4D als Herbizid auf Feldern eingesetzt wurde, da es hauptsächlich auf dicotyle Pflanzen einwirkt, bei denen es für extremes Zellwachstum und Tumorbildung sorgt, die Pflanzen sich schlussendlich „todwachsen“. Diese Auswirkungen sind auch schon bei den Tomatenpflanzen erkennbar, deren Spross nach drei Wochen verdickt war und gelbliche, weißliche und bräunliche Verfärbungen aufwies. Man kann davon ausgehen, dass die Tomatenpflanzen bald zu Grunde gehen, werden sie weiter 2,4-D ausgesetzt. Bei der Kontrollpflanze ist der natürliche Vorgang bei Verlust des Apikalmeristems zu erkennen, hier keimt ein Seitenspross, zumeist der erste unter der Bruchstelle, aus, übernimmt die Apikaldominanz und beginnt nun selbst mit der Produktion von Auxinen, woraufhin alle weiteren Seitensprosse beim Auskeimen gehemmt werden. Vergleicht man nun die mit Auxinen behandelten Pflanzen mit der Kontrollpflanze, so ist eindeutig zu erkennen, dass das Auftragen der Auxinpaste der Pflanze suggeriert, dass ein Apikalmeristem vorhanden ist, welches die Apikaldominaz beibehält. Das Austreiben der Seitensprosse wird gehemmt, obwohl eigentlich kein funktionierendes Apikalmeristem mehr vorhanden ist. 6 Die mit GA3 behandelten Pflanzen weisen ein sehr starkes Wachstum der Seitensprosse auf, die Verhältnisse der Seitensprosse untereinander sind jedoch vergleichbar zu denen der Kontrollpflanze. Dies lässt darauf schließen, dass GA3 vermutlich nicht mit der Apikaldominanz in Zusammenhang steht, bzw. keine Auswirkungen auf diese hat. Giberelline, zu denen auch das hier verwendete GA3 gehört, stimulieren das Wachstum von Blättern und Sprossen und werden hauptsächlich in Wurzeln (auf die sie nur geringen Einfluss haben) jungen Blättern synthetisiert. Im Spross regen sie die Zellteilung bzw. das Zellwachstum an, was die enorm langen Seitensprosse erklärt. Im Bezug auf die Apikaldominanz passiert im Prinzip das gleiche, wie bei der mit Wasserpaste behandelten Pflanze, der am schnellsten entwickelte Seitenspross übernimmt die Apikaldominanz, Giberellinsäure verändert an diesem Vorgang nichts, es lässt die Seitensprosse nur schneller wachsen, im Verhältnis zur Kontrollpflanze. Zieht man hier den Vergleich von ABA-behandelten Pflanzen zu den Kontrollpflanzen lässt sich ein recht ähnliches Wachstum nachweisen, die Seitensprosse der ABA-behandelten Pflanze sind jedoch, über den ganzen Versuch betrachtet, immer etwas kleiner als die der Kontrollpflanze. ABA zählt nicht zu den Wachstum stimulierenden Hormonen wie Auxin, Giberellin oder Cytokinin, es schränkt im Allgemeinen das Wachstum eher ein und wirkt damit den Effekten der Wachstumshormone eher entgegen. ABA sorgt bspw. auch dafür, dass Blätter anfangen zu welken, in unseren Versuchspflanzen recht gut durch die hängenden Blätter zu erkennen. Auf den Versuch bezogen kann man jedoch auch hier sagen, dass es keinerlei Einfluss auf die Apikaldominanz nimmt, die Seitensprosse wachsen ähnlich der Kontrollpflanze, woraus ersichtlich wird, dass auch hier das nächstgelegene Nodium versucht die Apikaldominanz zu übernehmen. Alles in allem kann man also sagen, dass die drei Auxine IAA, IBA und 2,4-D Auswirkungen auf die Apikaldominanz hatten, was aufgrund der Tatsache, dass Auxine die Apikaldominanz bedingen zu erwarten war. 7 GA3 und ABA haben, ebenso wenig wie die Wasserpaste einen Einfluss auf die Apikaldominanz, die Pflanzen tun genau das, was sie ohne weitere Behandlung auch tun würden: Seitensprosse austreiben lassen um eine neue Apikaldominanz herzustellen. 5. Literaturhinweise Neil A. Campbell, Jane B. Reece, Biologie, 6. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg – Berlin, 2003 Wilhelm Nultsch, Allgemeine Botanik, 11. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart – New York, 2001 Dietrich von Denffer, Friedrich Ehrendorfer, Karl Mägdefrau, Hubert Ziegler, Lehrbuch der Botanik (Strasburger), 31. Auflage, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart – New York, 1978 Karlheinz Senghas, Siegmund Seybold, Schmeil-Fitschen Flora von Deutschland, 91. Auflage, Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim, 2000 8