Phänomen Geld Glossar zum Wesen des Geldes Marktgängigstes Tauschgut oder zinsbelastete Schuld? Geld ist, was Geld tut. In Westafrika wurde einst mit Muscheln bezahlt, in Kriegs- und Nachkriegszeiten können Zigaretten Geld sein, heute wird mit Bankkrediten bezahlt. Es ist müßig, pauschal zu behaupten, Geld sei Schuld (und alles andere also kein Geld) oder der Euro sei „Falschgeld“ (weil er nicht gedeckt ist). Was als allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel verwendet wird, ist Geld. Was Geld sein sollte -– das ist die Frage. Dazu muss man die Erscheinungsformen des Geldes studieren und die verschiedenen Geldordnungen, die es gibt und gegeben hat, vergleichen. Sachgeld (commodity money), auch „Warengeld“, ist Geld, das zugleich auch eine Ware ist, also intrinsischen Wert hat. Wirtschaftliche Güter, die in der Vergangenheit als allgemeines Tauschmittel verwendet wurden, waren z.B. Vieh (das lateinische Wort für Geld, pecunia, kommt von pecus = das Vieh), Getreide oder Salz. Nach einer langen Entwicklung setzten sich die Edelmetalle Gold und Silber als Sachgeld durch, weil sie von allen Gütern unterm Strich die besten Geldeigenschaften haben. Sachgeld ist bereits vor seiner Tauschmittelverwendung als Konsumgut oder Produktionsfaktor stark gefragt, so dass sich seine Kaufkraft aus dem Marktwert ergibt und keiner staatlichen Anordnung oder Reglementierung bedarf. Nach einer Theorie kommt das Wort Kapitalismus von lateinisch caput (Kopf, Haupt), weil man in früheren Gesellschaften seinen Reichtum nach den Häuptern seines Viehs zählte. In einer solchen Gesellschaft ist Vieh eines der marktgängigsten Güter und wird von jedem als Bezahlung akzeptiert. Foto: Hans-Peter Grumpe, Wikimedia Commons Kreditgeld ist eine künftig fällig werdende Forderung, die als Tauschmittel verwendet wird. Echtes Kreditgeld, z.B. ein Wechsel, ist eine Inhaberschuldverschreibung, in der der Aussteller verspricht, zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Inhaber des Papiers das Geld auszuzahlen. Bis dahin kann das Papier wie Geld von Hand zu Hand gehen. Gutes Kreditgeld lautet auf die Zahlung von Sachgeld, z.B. Gold. In unserem heutigen Geldsystem kommt Geld fast ausschließlich durch Kredite in die Welt, aber ist es deshalb auch echtes Kreditgeld? Die Emittenten dieses Kreditgeldes, die Banken, versprechen keine Einlösung in 38 Smart Investor „Gutes Geld“ einen Sachwert, sondern lediglich die Auszahlung von Zentralbankgeld, das aber seinerseits ungedeckt ist und das die Banken dank des ihnen vom Staat gewährten Teilreserveprivilegs auch nur für einen minimalen Bruchteil jeder Einlage vorhalten müssen; der Mindestrestreservesatz beträgt beim Euro 2%. Echtes Kreditgeld ist gedecktes Geld – gedeckt mit einem konkreten Leistungsversprechen. Das unechte Kreditgeld, mit dem wir es heute zu tun haben, ist hingegen eine Form von Scheingeld. Scheingeld (fiat money), auch „Zeichengeld“ (token money), ist ein allgemeines Tauschmittel, das keinen Eigenwert hat und für das der Emittent selbst keine Leistung verspricht, sondern bei dem allein der Stempel, das Zeichen den Ausschlag gibt. Geld ist hier nicht Stoff, der das Zeichen trägt, sondern das Zeichen selbst. Nach der Staatstheorie des Geldes von Georg Friedrich Knapp soll Geld in der Gegenwart gezeichnete Stücke sein, „denen von der Rechtsordnung autoritativ eine bestimmte Geltung in Werteinheiten beigelegt ist“. Seine Kaufkraft erhält Scheingeld wie Sachgeld dadurch, dass andere Marktteilnehmer es als Bezahlung akzeptieren, was aber, im Gegensatz zu Sachgeld, nur deshalb geschieht, weil es ➔ gesetzliches Zahlungsmittel ist und außerdem zur Bezahlung von Steuern und Abgaben vorgehalten werden muss. Von einer Zentralbank herausgegebene ungedeckte Banknoten sind Scheingeld, auch wenn sie nicht als Kredit, sondern z.B. über Ausgaben des Staates in den Umlauf gebracht würden. Auch Buchgeld (➔ Giralgeld), soweit die Geschäftsbanken es dank des Teilreserveprivilegs per Kreditvergabe aus dem Nichts schöpfen, ist Scheingeld. Diese aus dem Nichts geschöpften Kredite nannte Ludwig von Mises Zirkulationskredite. Papiergeld und Hartgeld sind ungeeignete Termini zur Bezeichnung von gedecktem und ungedecktem Geld. Eine heutige papierene Euro-Banknote ist zwar Scheingeld. Papiergeld kann aber auch Sachgeld sein, wenn es vollständig durch Güter gedeckt ist. Eine Banknote, die jederzeit in Sachgeld eintauschbar ist, ist ein Sachgeldsurrogat, d.h. quasi eine Quittung für andernorts gelagertes Sachgeld. Als solche Abhol- oder Hinterlegungsscheine (warehouse receipts) sind Banknoten einmal entstanden. Hartgeld hingegen muss nicht Sachgeld sein. Scheidemünzen, d.h. Münzen, deren Materialwert nur einen Bruchteil ihres Nominalwertes ausmacht, z.B. unsere heutigen EuroMünzen, sind Scheingeld insoweit, als der Nennwert den in- Phänomen Geld Reichsbanknote von 1910: „Ein Tausend Mark zahlt die Reichsbankhauptkasse in Berlin ohne Legitimationsprüfung dem Einlieferer dieser Banknote.“ Das heißt: Dieser Zettel ist ein Surrogat für 1.000 Mark, die der Inhaber der Note jederzeit abholen kann. Die Mark war eine Goldmark und hatte einen Gehalt von 0,35842 g Feingold je Mark. härenten Materialwert übersteigt. Nur Kurantmünzen, deren Kaufkraft sich nach ihrem Materialwert bemisst, in der Regel Gold oder Silber, sind tatsächlich Sachgeld. Papiergeld kann also hart sein, und hartes Geld kann Schein sein. Tauschtheorie. Die Vorstellung, dass Geld ein Gut sei, das gegen andere Güter getauscht werden kann und sich von anderen Gütern lediglich darin unterscheidet, dass es eben das allgemeine Tauschgut ist, das jeder als Bezahlung annimmt, könnte man als Tauschtheorie bezeichnen. Nach dieser Vorstellung unterscheidet sich eine Geldwirtschaft von einer Naturalwirtschaft dadurch, dass in dieser direkt getauscht wird – Ware gegen Ware, Dienstleistung gegen Dienstleistung – und in jener indirekt. Geldwirtschaft ist danach indirekter Tauschhandel. Die Frage, ob Geld tatsächlich bloß ein neutrales Tauschgut ist, kann man nicht pauschal für jede Zeit und jeden Ort beantworten. Es sind vier Fragen zu unterscheiden. 1. Als was ist Geld in grauer Vorzeit entstanden? 2. Was war Geld in der Geschichte? 3. Was ist Geld heute? 4. Was sollte Geld idealerweise sein? Die dritte Frage lässt sich am leichtesten beantworten: Heute ist Geld kein Tauschgut, sondern ein zinsbelasteter Bankkredit, also Schuld, und ganz und gar kein neutraler Schleier über der Wirtschaft. Über die Herkunft des Geldes – Frage zwei – gibt das ➔ Regressionstheorem Auskunft im Sinne von Geld als marktgängigstem Gut. Dagegen stehen Theorien von einem kultischen Ursprung des Geldes oder von Geld als pfandbesicherter Schuld von Beginn an. Die durchaus sehr interessante Frage des Ursprungs des Geldes ist indes nicht entscheidend dafür, was Geld idealerweise sein sollte. Tatsächlich hat es in der Geschichte immer den Widerstreit zwischen dem Bedürfnis des Marktes nach werthaltigem Geld und dem Bedürfnis der Herrscher und ihrer Banker nach Schein- und Schuldgeld gegeben. (Siehe hierzu Goethes Faust II, 1. Akt, Szene im Lustgarten: Mephisto löst des Kaisers Sorgen durch Papiergeld.) Regressionstheorem. Das Regressionstheorem gibt Antwort auf die Frage, woher wir wissen, was die Kaufkraft des Geldes ist. Bisher hatte man gewusst: Geld wird nachgefragt, weil es eine hohe Kaufkraft hat, und Geld hat eine hohe Kaufkraft, weil es nachgefragt wird. Ludwig von Mises durchbrach diesen Zirkelschluss, indem er die zeitliche Dimension einbezog: Wir wissen, was die Kaufkraft des Geldes ist, weil wir wissen, was sie gestern war. Und gestern wussten wir es, weil wir wussten, was sie vorgestern war. Woher aber stammt in dieser „Regression“ dann die ursprüngliche Kaufkraft? Mises argumentiert, man müsse nur zu einem Zeitpunkt zurückgehen, zu dem das Geld – unabhängig von seiner noch gar nicht entstandenen monetären Funktion – allein aufgrund seiner industriellen bzw. Gebrauchseigenschaften nachgefragt wurde. Im Falle von Gold unter anderem aufgrund der Schmucknachfrage. Eine wichtige Schlussfolgerung aus dem Regressionstheorem ist, dass Geld keine Erfindung des Staates ist, welche der Staat der Bevölkerung aufzwingen kann. Geld wurde im Marktprozess entdeckt. Wenn Geld über Nacht vom Staat eingeführt wird, könnten wir nicht wissen, was es wert ist. Gesetzliches Zahlungsmittel (legal tender). Wenn jemand einem anderen Geld schuldet, z.B. für einen Warenkauf oder als Schadensersatz, mit welchem Zahlungsmittel kann er sich dann von dieser Schuld befreien? Schreibt das Gesetz das schuldbefreiende Zahlungsmittel vor, so spricht man von gesetzlichem Zahlungsmittel. Dem Gläubiger steht es zwar frei, ein anderes Zahlungsmittel zu verlangen, z.B. Gold, aber der Schuldner ist nicht verpflichtet, irgendetwas anderes als das gesetzliche Zahlungsmittel zu leisten, und befreit sich von der Schuld, wenn er dieses anbietet. Dessen ungeachtet können zwei Parteien von vornherein ein Tauschgeschäft vereinbaren, z.B. Gebrauchtwagen gegen Krügerrand, aber das ist dann kein Geldgeschäft und die geschuldete Bezahlung keine Geldschuld im Sinne des Gesetzes. Faktisch wird die zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte Währung vor allem auch dadurch zum alleinigen allgemeinen Tauschmittel, dass der Staat diese Währung zur Zahlung von Steuern und Abgaben verlangt. Im Euro-Währungsgebiet ist Euro-Bargeld (Banknoten und Münzen) das gesetzliche Zahlungsmittel. ➔ Giralgeld ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, wird aber allgemein als Zahlungsmittel akzeptiert, weil die Geschäftsbanken eine jederzeitige Auszahlung in Bargeld garantieren, wozu sie wegen des Teildeckungsprivilegs allerdings nur zu einem geringen Bruchteil in der Lage sind. Die Gesetze, die das schuldrechtliche Institut des gesetzlichen Zahlungsmittels konstituieren, nennt man Zahlkraftgesetze (legal tender laws). Smart Investor „Gutes Geld“ 39 Phänomen Geld Teildeckungsbankwesen (fractional reserve banking) ist ein Bankensystem mit einer Teildeckung auf Sichteinlagen oder – in seiner historischen Erscheinungsform – einer Teildeckung auf unmittelbar einlösbare Banknoten. Teildeckungsbanken können ➔ Giralgeld aus dem Nichts schaffen – historisch auch Banknoten –, indem sie aufgrund der Einlagen neue Kredite vergeben, ohne dass die Einlagen dadurch der Geldmenge, also dem Zahlungsverkehr entzogen werden. Sie betreiben dann Kreditexpansion und damit Geldexpansion. Giralgeld oder auch Buchgeld ist Guthaben bei Banken, über das der Bankkunde täglich verfügen kann. Ursprünglich war Buchgeld nur die Kontogutschrift von eingelegtem und tatsächlich in den Tresoren der Bank gelagertem Geld. Zu Buch-„Geld“ wird es dadurch, dass der Kontoinhaber mit dem eingelegten Geld bezahlen kann, ohne es anzufassen, nur indem er es auf ein anderes Buchgeldkonto überweist. Die ersten bedeutenden Girobanken entstanden in den Fernhandelsstädten Genua (14. Jahrhundert), Venedig (16. Jh.), Amsterdam (1609) und Hamburg (1619). Giralgeld war damit lange vor Banknoten gebräuchlich. Wie Banknoten auch kann Buchgeld voll-, teil- oder gar nicht gedeckt sein. Im heutigen ➔ Teildeckungsbankwesen wird das eingelegte Geld (heute das Zentralbankgeld) weiterverliehen im Vertrauen darauf, dass nicht alle Einleger gleichzeitig kommen, um ihr Geld abzuholen. Da den Banken die Guthaben der Girokontoinhaber nur „auf Sicht“ zur Verfügung stehen, wird das Giralgeld auch „Sichteinlagen“ genannt. Mindestreserve: Im herrschenden ➔ Teildeckungsbankwesen sind die Geschäftsbanken verpflichtet, bei der Zentralbank bestimmte Mindestguthaben zu halten. Die Höhe der zu haltenden Mindestreserve ergibt sich durch die Anwendung des Mindestreservesatzes auf Kundeneinlagen der Banken inklusive der täglich fälligen Sichtguthaben. Der Mindestreservesatz der Europäischen Zentralbank beträgt derzeit 2%, der des Federal Reserve Systems (Fed) 10% und der der chinesischen Zentralbank 21%. Geldschöpfung findet im herrschenden Scheingeldsystem an zwei Stellen statt. Zum einen bei den Zentralbanken, die das Grundgeld schlicht und einfach drucken (Banknoten) oder elektronisch als Kontoeinträge generieren. Dieses Zentralbankgeld wird entweder per Kreditvergabe an Geschäftsbanken oder aber durch die sogenannte Offenmarktpolitik, d.h. den Ankauf von Wertpapieren, in den Umlauf gebracht. In sehr viel größerem Umfang findet Geldschöpfung bei den Geschäftsbanken statt, die ➔ Giralgeld erzeugen können, indem sie Kredite vergeben, die von Gesetzes wegen nur zu einem minimalen Bruchteil mit Grundgeld gedeckt sein müssen (➔ Teildeckungsbankwesen). Geld kann nicht außerhalb von Banken entstehen, etwa durch Lohnzahlungen, sondern nur durch Banken. Wenn sich die Geldmenge erhöht, haben dementsprechend Banken Geld geschöpft, und zwar „aus dem Nichts“, denn sie selbst versprechen keine Leistung dafür, etwa Einlösung in Gold, sondern lassen sich, ganz im Gegenteil, Sicherheiten für das ausgereichte Scheingeld geben – und natürlich Zinsen. Da ein Bankkredit dem Kunden in der Regel auf einem (Giro-)Konto gutgeschrieben bzw. von dem Kunden auf das (Giro-)Konto eines anderen überwiesen wird, kann diese Sichteinlage wiederum zur Grundlage einer Kreditvergabe werden, abzüglich der ➔ Mindestreserve. So kann das Geschäftsban- 40 Smart Investor „Gutes Geld“ kensystem bei einem Mindestreservesatz von 2% aus einem Euro Grundgeld (Zentralbankgeld) ein Vielfaches an ➔ Giralgeld kreieren (und dafür Zinsen nehmen). Umgekehrt entzieht jeder Euro Bargeld, der vom Konto abgehoben wird, dem System ein Vielfaches an Geldschöpfungsmöglichkeit. Der Prozess der multiplen Giralgeldschöpfung wird daher außer durch die Mindestreserveanforderung und natürlich die Nachfrage nach Kredit und die Bonität der Kreditnachfrager auch durch den zu erwartenden Bargeldabzug der Kunden begrenzt. Durch Einsatz ihrer geldpolitischen Instrumente können ➔ Zentralbanken die Geldschöpfung der Geschäftsbanken beeinflussen. Zentralbanken sind historisch meist entstanden als zur Finanzierung von Kriegen institutionalisierte Hausbanken des Staates oder als ➔ Kreditgeber letzter Instanz im Interesse von Teildeckungsbanken, die mehr Geld als Kredit vergeben als sie haben. Heutige Zentralbanken emittieren das Grundgeld oder „Zentralbankgeld“, die Geldbasis: Bargeld und Bankreserven bei der Zentralbank. Banken müssen auf alle ihre Einlagen eine bestimmte ➔ Mindestreservemenge an Zentralbankgeld halten. Bringt die ZentralWalter Bagehot (1826–1877), britischer Ökonom, bank neues ZentralAutor von „Lombard Street – A Description of the bankgeld in den UmMoney Market“ (1873) und Wegbereiter der Idee, lauf, können die Bandass Zentralbanken als Kreditgeber letzter Instanz für Teilreservebanken dienen sollen. ken auf dieser Basis die Kredite ausweiten. Durch die Kontrolle der Zentralbankgeldmenge versuchen Zentralbanken die Gesamtgeldmenge zu beeinflussen. Zentralbanken kontrollieren und koordinieren die Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken und springen in Krisenzeiten ein als ➔ Kreditgeber letzter Instanz. Kreditgeber letzter Instanz (lender of last resort). Wenn Banken Liquiditätsprobleme haben, schaffen die Zentralbanken neues (unechtes) Kreditgeld und leihen es den Banken. Wenn niemand den Banken Geld zur Verfügung stellt, springt die Zentralbank als letzte Instanz ein. Die Idee der Zentralbank als Geldgeber letzter Instanz geht auf Walter Bagehot zurück, der sich dafür aussprach, dass Zentralbanken in Krisenzeiten unbegrenzt gegen gute Sicherheiten Kredite mit Strafzinsen an hilfesuchende Banken vergeben. Dass der Daseinsgrund der Zentralbanken letztlich darin liegt, als Kreditgeber letzter Instanz den Banken ihr Kreditgeschäft zu retten, wenn sie es zu arg getrieben haben, und die Kosten des inflationären ➔ Teildeckungsbankwesens zu sozialisieren, beweisen die ➔ Bailouts diesseits und jenseits des Atlantiks. Phänomen Geld Bail-out bedeutet Aus-der-Klemme-Helfen eines vor dem Bankrott stehenden Unternehmens oder einer Bank oder sogar eines ganzen Staates durch einen Dritten, insbesondere durch den Staat oder eine staatliche Institution, und zwar durch Schuldübernahme, Tilgung oder Haftungsübernahme. So wurden zu Beginn der Finanzkrise 2008 in den USA mehrere Großbanken und -unternehmen gerettet, insbesondere durch die Zentralbank (Fed), deren Hauptdaseinsgrund als ➔ Kreditgeber letzter Instanz genau darin besteht, der Kreditwirtschaft aus der Klemme zu helfen, wenn sie zu große Risiken eingegangen ist. Nach der sogenannten No-Bail-out-Klausel oder Nichtbeistands-Klausel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union haftet weder die EU noch ihre Mitgliedsländer für die Schulden anderer Mitgliedsländer. Diese eindeutige europarechtliche Garantie wurde im Mai 2010 mit dem Griechenland-Bail-out und dem Euro-Rettungsschirm schlicht und einfach gebrochen, was der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler als quasi eine ➔ Währungsreform qualifiziert. Seigniorage ist der Gewinn aus der Geldproduktion der Zentralbank. Wenn die Zentralbank neues Zentralbankgeld produziert und an Banken verleiht oder wenn sie verzinsliche Wertpapiere kauft, erwirtschaftet die Zentralbank üblicherweise stattliche Gewinne, die als Seiginorage bezeichnet werden und zum Großteil an die entsprechende Regierung überwiesen werden. In früheren Zeiten erzielten Regierungen Seigniorage, indem sie bei der Münzprägung Gebühren erhoben oder den Edelmetallgehalt der Münzen herabsetzten. Währungsreserven sind liquide Reserven der Zentralbanken, die genutzt werden können, um die emittierte Währung zu verteidigen. Verliert die emittierte Währung an Wert, kann die Zentralbank ihre Währungsreserven benutzen, um die eigene Währung zurückzukaufen und so deren Wechselkurs zu erhöhen. Unter Währungsreserven fallen fremdländische Währungen, qualitativ hochwertige in fremdländischen Währungen notierte Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen, und die Goldreserven. Inflation, Preisinflation. Inflation bedeutet Ausweitung der ungedeckten Geldmenge. Die Folge einer Geldmengenausweitung ist in der Regel und zeitlich versetzt ein Anstieg des Preisniveaus, was heute 1. Oktober 1923: „Zehn Milliarden Mark zahlt die Reichsbankhauptkasse in Berlin gegen diese Banknote dem Einlieferer.“ 42 Smart Investor „Gutes Geld“ irreführenderweise häufig Inflation genannt wird, aber genauer als Teuerung oder Preisinflation zu bezeichnen ist. Die Preisinflation „ist immer und überall ein monetäres Phänomen“ (Milton Friedman). Eine Geldmengenausweitung kann durch einen gleichzeitigen Anstieg in der Gütermenge kompensiert werden, sodass die Preise nicht oder nicht so stark ansteigen, wie sie es ohne diesen Produktionsanstieg getan hätten. Ein Beispiel sind die 1990er und 2000er Jahre mit ihren großen Produktivitätsfortschritten durch die Inkorporation von China und Indien in die internationale Arbeitsteilung und durch technologische Innovationen wie das Internet. Trotz starker Inflation (Geldmengenwachstum) blieb die gemessene Preisinflation (Teuerungsrate) moderat. Inflation ist faktisch eine versteckte Steuer. Ein Teil des Geldmengenwachstums wird zur Finanzierung der Staatsausgaben genutzt. Banken schaffen neues Geld und kaufen Staatsanleihen. Durch die erzeugte Preisinflation wird es dem größten aller Schuldner, dem Staat, leichter, seine Schulden zu bedienen. Die Bürger erleiden einen Kaufkraftverlust, welcher der Regierung zugute kommt. Deflation, Preisdeflation. Analog zur Inflation bedeutet Deflation einen Rückgang der Geldmenge. Ein Geldmengenrückgang führt in der Regel zu einem Absinken des allgemeinen Preisniveaus. Eine Preisdeflation kann jedoch auch andere Ursachen als einen Rückgang der Geldmenge haben, und nicht auf jede Deflation folgt eine Preisdeflation. Fallende Preise können auch durch eine Effizienzsteigerung der Produktion verursacht sein, und ein Rückgang der Produktion kann einen Geldmengenrückgang kompensieren. Konjunkturzyklus (boom bust cycle) nennt man die Abfolge von (Schein-)Boom und Rezession einer Volkswirtschaft. Dieses Auf und Ab ist nach der Lehre der Österreichischen Schule der Ökonomik monetär verursacht, d.h. durch eine expansive Geldpolitik der Zentralbank und Kreditausweitung des ➔ Teildeckungs-Bankensystems. Siehe hierzu den Artikel über die Phänomen Geld Österreichische Konjunkturtheorie (Austrian Business Cycle Theory) auf Seite 18–20. Cantillon-Effekt. Siehe Infokasten auf Seite 20. Greshams Gesetz. Siehe Infokasten auf Seite 71. Reflationierung: Geldpolitik, die in einer Rezession versucht, fallenden Preisen entgegenzuwirken. Die Geldmenge wird erhöht, um die Preise des Booms wiederzuerlangen. Stagflation nennt man das gleichzeitige Auftreten von Preisinflation und Rezession. Nach Keynes unmöglich, da Preisinflation immer zu einem Aufschwung führe. Eine Stagflation folgt auf eine Inflationspolitik nach einem Umschwung. Die Inflation schafft es nicht, den künstlichen Aufschwung wiederzubeleben, sondern lässt lediglich die Preise steigen. Bank Run 1931 in Berlin. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-12023 / CC-BY-SA Vermögenspreisblase (asset price bubble): Die Preise von Vermögenswerten wie Aktien oder Immobilien entfernen sich dauerhaft und substanziell von ihrem Fundamentalwert, d.h. ihrem Kapitalwert. Der Kapitalwert ist der Wert der diskontierten künftigen Einkünfte eines Kapitalguts. Hyperinflation. Von Hyperinflation spricht man nach einer verbreiteten Faustregel bei einer sich beschleunigenden Preisinflation von über 50% im Monat. In einer Hyperinflation fliehen die Menschen typischerweise in Sachwerte. Sie versuchen ihre Geldhaltung auf ein Minimum zu reduzieren, sodass die Preisinflationsrate die Inflationsrate übersteigt. Die Preisinflation gerät „außer Kontrolle“. In einer Hyperinflation verliert Geld seine Funktion als Kaufkraftspeicher vollständig. Auch die Recheneinheitsfunktion des Geldes geht in einer Hyperinflation verloren. Die Menschen beginnen, ihren Wohlstand und Gewinne in ausländischen Devisen oder Edelmetallen zu berechnen. Am Ende einer Hyperinflation geht die Tauschmittelfunktion des Geldes vollends verloren. Crack-up-Boom (Katastrophenhausse). Dieser von Ludwig von Mises geprägte Begriff bezeichnet Kurssteigerungen in Vermögenswerten, insbesondere auch am Aktienmarkt in einer ➔ Hyperinflation bei einer Flucht in Sachwerte. Um sich dem drastischen Kaufkraftverlust zu entziehen, kommt es seitens der Unternehmen und der Bürger bei allen möglichen Gütern und Vermögensgegenständen zu Panikkäufen. Dieser letzte Scheinboom bei gleichzeitigem tatsächlichem Niedergang der Wirtschaft geschieht also während des „Aufberstens“ (Crack-up) des Finanzsystems, wobei die Zinsen durch die Zentralbanken niedrig gehalten werden. Beispiel 1: Die Aktienhausse in der deutschen Hyperinflation von November 1922 bis November 1923. Damals verschleierten hohe nominale Gewinne die realen Verluste. Beispiel 2: Die „beste“ Börse im Jahr 2008 war die von Zimbabwe, wo eine Hyperinflation wütete. Näheres siehe www.smartinvestor.de/cub/ Bank Run. Massiver Ansturm der Einleger auf ihre Sichteinlagen. Wenn in einem ➔ Teildeckungsbankensystem das Vertrauen der Einleger verloren geht, fordern sie die ihnen von den Banken garantierte Barauszahlung ihrer Einlagen ein. Da die Einlagen tatsächlich nur zu einem geringen Bruchteil gedeckt sind, bekommen nur die ersten ihre Einlagen zurück. Es bilden sich Schlangen vor den Bankfilialen. In der Großen Depression von 1929 kam es zu etlichen Bank Runs. Durch die staatliche Einlagensicherung und die Möglichkeit der ➔ Zentralbanken, beliebige Mengen Scheingeld zur Bankenrettung zu produzieren, hat sich die Anzahl der Bank Runs vermindert. Als die aktuelle Finanzkrise begann, 2007, kam es zu einem Run auf die britische Bank Northern Rock. Währungsreform bedeutet eine staatlich veranlasste Einführung einer neuen Währung mit veränderter Kaufkraft. Das alte Geld wird gegen eine neue Währung eingetauscht. Dabei ändert sich nicht nur der Name der Währung. Die Euroeinführung war keine Währungsreform im engeren Sinne, sondern eine Währungsumstellung, allerdings mit institutionellen Änderungen in der Währungspolitik. Währungsreformen erfolgen typischerweise nach einer Hyperinflation und sollen helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in die staatliche Währung zurückzugewinnen. Kristof Berking Smart Investor „Gutes Geld“ 43