Smart Investor Gutes Geld Auflage2 neu:Smart Investor 8!2011

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Phänomen Geld
Glossar zum Wesen des Geldes
Marktgängigstes Tauschgut oder zinsbelastete Schuld?
Geld ist, was Geld tut. In Westafrika wurde einst mit Muscheln bezahlt, in Kriegs- und Nachkriegszeiten können Zigaretten Geld sein,
heute wird mit Bankkrediten bezahlt. Es ist müßig, pauschal zu behaupten, Geld sei Schuld (und alles andere also kein Geld) oder der
Euro sei „Falschgeld“ (weil er nicht gedeckt ist). Was als allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel verwendet wird, ist Geld. Was Geld
sein sollte -– das ist die Frage. Dazu muss man die Erscheinungsformen des Geldes studieren und die verschiedenen Geldordnungen,
die es gibt und gegeben hat, vergleichen.
Sachgeld (commodity money), auch „Warengeld“, ist Geld, das
zugleich auch eine Ware ist, also intrinsischen Wert hat. Wirtschaftliche Güter, die in der Vergangenheit als allgemeines
Tauschmittel verwendet wurden, waren z.B. Vieh (das lateinische Wort für Geld, pecunia, kommt von pecus = das Vieh), Getreide oder Salz. Nach einer langen Entwicklung setzten sich
die Edelmetalle Gold und Silber als Sachgeld durch, weil sie von
allen Gütern unterm Strich die besten Geldeigenschaften haben. Sachgeld ist bereits vor seiner Tauschmittelverwendung
als Konsumgut oder Produktionsfaktor stark gefragt, so dass
sich seine Kaufkraft aus dem Marktwert ergibt und keiner staatlichen Anordnung oder Reglementierung bedarf.
Nach einer Theorie kommt das Wort Kapitalismus von lateinisch caput (Kopf, Haupt),
weil man in früheren Gesellschaften seinen Reichtum nach den Häuptern seines Viehs
zählte. In einer solchen Gesellschaft ist Vieh eines der marktgängigsten Güter und wird
von jedem als Bezahlung akzeptiert. Foto: Hans-Peter Grumpe, Wikimedia Commons
Kreditgeld ist eine künftig fällig werdende Forderung, die als
Tauschmittel verwendet wird. Echtes Kreditgeld, z.B. ein Wechsel, ist eine Inhaberschuldverschreibung, in der der Aussteller
verspricht, zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Inhaber des
Papiers das Geld auszuzahlen. Bis dahin kann das Papier wie
Geld von Hand zu Hand gehen. Gutes Kreditgeld lautet auf die
Zahlung von Sachgeld, z.B. Gold. In unserem heutigen Geldsystem kommt Geld fast ausschließlich durch Kredite in die Welt,
aber ist es deshalb auch echtes Kreditgeld? Die Emittenten dieses Kreditgeldes, die Banken, versprechen keine Einlösung in
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einen Sachwert, sondern lediglich die Auszahlung von Zentralbankgeld, das aber seinerseits ungedeckt ist und das die Banken dank des ihnen vom Staat gewährten Teilreserveprivilegs
auch nur für einen minimalen Bruchteil jeder Einlage vorhalten
müssen; der Mindestrestreservesatz beträgt beim Euro 2%.
Echtes Kreditgeld ist gedecktes Geld – gedeckt mit einem konkreten Leistungsversprechen. Das unechte Kreditgeld, mit dem wir
es heute zu tun haben, ist hingegen eine Form von Scheingeld.
Scheingeld (fiat money), auch „Zeichengeld“ (token money),
ist ein allgemeines Tauschmittel, das keinen Eigenwert hat und
für das der Emittent selbst keine Leistung verspricht, sondern
bei dem allein der Stempel, das Zeichen den Ausschlag gibt.
Geld ist hier nicht Stoff, der das Zeichen trägt, sondern das Zeichen selbst. Nach der Staatstheorie des Geldes von Georg Friedrich Knapp soll Geld in der Gegenwart gezeichnete Stücke
sein, „denen von der Rechtsordnung autoritativ eine bestimmte Geltung in Werteinheiten beigelegt ist“. Seine Kaufkraft erhält Scheingeld wie Sachgeld dadurch, dass andere Marktteilnehmer es als Bezahlung akzeptieren, was aber, im Gegensatz
zu Sachgeld, nur deshalb geschieht, weil es ➔ gesetzliches Zahlungsmittel ist und außerdem zur Bezahlung von Steuern und
Abgaben vorgehalten werden muss. Von einer Zentralbank herausgegebene ungedeckte Banknoten sind Scheingeld, auch
wenn sie nicht als Kredit, sondern z.B. über Ausgaben des Staates in den Umlauf gebracht würden. Auch Buchgeld (➔ Giralgeld), soweit die Geschäftsbanken es dank des Teilreserveprivilegs per Kreditvergabe aus dem Nichts schöpfen, ist Scheingeld. Diese aus dem Nichts geschöpften Kredite nannte Ludwig
von Mises Zirkulationskredite.
Papiergeld und Hartgeld sind ungeeignete Termini zur Bezeichnung von gedecktem und ungedecktem Geld. Eine heutige
papierene Euro-Banknote ist zwar Scheingeld. Papiergeld kann
aber auch Sachgeld sein, wenn es vollständig durch Güter gedeckt ist. Eine Banknote, die jederzeit in Sachgeld eintauschbar
ist, ist ein Sachgeldsurrogat, d.h. quasi eine Quittung für andernorts gelagertes Sachgeld. Als solche Abhol- oder Hinterlegungsscheine (warehouse receipts) sind Banknoten einmal entstanden. Hartgeld hingegen muss nicht Sachgeld sein. Scheidemünzen, d.h. Münzen, deren Materialwert nur einen Bruchteil ihres Nominalwertes ausmacht, z.B. unsere heutigen EuroMünzen, sind Scheingeld insoweit, als der Nennwert den in-
Phänomen Geld
Reichsbanknote von 1910:
„Ein Tausend Mark zahlt die
Reichsbankhauptkasse in Berlin
ohne Legitimationsprüfung dem
Einlieferer dieser Banknote.“
Das heißt: Dieser Zettel ist ein
Surrogat für 1.000 Mark, die der
Inhaber der Note jederzeit abholen kann. Die Mark war eine
Goldmark und hatte einen
Gehalt von 0,35842 g Feingold je
Mark.
härenten Materialwert übersteigt. Nur Kurantmünzen, deren
Kaufkraft sich nach ihrem Materialwert bemisst, in der Regel
Gold oder Silber, sind tatsächlich Sachgeld. Papiergeld kann also hart sein, und hartes Geld kann Schein sein.
Tauschtheorie. Die Vorstellung, dass Geld ein Gut sei, das gegen andere Güter getauscht werden kann und sich von anderen
Gütern lediglich darin unterscheidet, dass es eben das allgemeine Tauschgut ist, das jeder als Bezahlung annimmt, könnte
man als Tauschtheorie bezeichnen. Nach dieser Vorstellung unterscheidet sich eine Geldwirtschaft von einer Naturalwirtschaft dadurch, dass in dieser direkt getauscht wird – Ware gegen Ware, Dienstleistung gegen Dienstleistung – und in jener indirekt. Geldwirtschaft ist danach indirekter Tauschhandel. Die
Frage, ob Geld tatsächlich bloß ein neutrales Tauschgut ist,
kann man nicht pauschal für jede Zeit und jeden Ort beantworten. Es sind vier Fragen zu unterscheiden. 1. Als was ist Geld in
grauer Vorzeit entstanden? 2. Was war Geld in der Geschichte?
3. Was ist Geld heute? 4. Was sollte Geld idealerweise sein? Die
dritte Frage lässt sich am leichtesten beantworten: Heute ist
Geld kein Tauschgut, sondern ein zinsbelasteter Bankkredit, also Schuld, und ganz und gar kein neutraler Schleier über der
Wirtschaft. Über die Herkunft des Geldes – Frage zwei – gibt das
➔ Regressionstheorem Auskunft im Sinne von Geld als marktgängigstem Gut. Dagegen stehen Theorien von einem kultischen Ursprung des Geldes oder von Geld als pfandbesicherter
Schuld von Beginn an. Die durchaus sehr interessante Frage
des Ursprungs des Geldes ist indes nicht entscheidend dafür,
was Geld idealerweise sein sollte. Tatsächlich hat es in der Geschichte immer den Widerstreit zwischen dem Bedürfnis des
Marktes nach werthaltigem Geld und dem Bedürfnis der Herrscher und ihrer Banker nach Schein- und Schuldgeld gegeben.
(Siehe hierzu Goethes Faust II, 1. Akt, Szene im Lustgarten: Mephisto löst des Kaisers Sorgen durch Papiergeld.)
Regressionstheorem. Das Regressionstheorem gibt Antwort auf
die Frage, woher wir wissen, was die Kaufkraft des Geldes ist. Bisher hatte man gewusst: Geld wird nachgefragt, weil es eine hohe
Kaufkraft hat, und Geld
hat eine hohe Kaufkraft,
weil es nachgefragt
wird. Ludwig von Mises
durchbrach diesen Zirkelschluss, indem er die
zeitliche Dimension einbezog: Wir wissen, was
die Kaufkraft des Geldes ist, weil wir wissen,
was sie gestern war.
Und gestern wussten wir es, weil wir wussten, was sie vorgestern
war. Woher aber stammt in dieser „Regression“ dann die ursprüngliche Kaufkraft? Mises argumentiert, man müsse nur zu einem Zeitpunkt zurückgehen, zu dem das Geld – unabhängig von
seiner noch gar nicht entstandenen monetären Funktion – allein
aufgrund seiner industriellen bzw. Gebrauchseigenschaften
nachgefragt wurde. Im Falle von Gold unter anderem aufgrund
der Schmucknachfrage. Eine wichtige Schlussfolgerung aus dem
Regressionstheorem ist, dass Geld keine Erfindung des Staates
ist, welche der Staat der Bevölkerung aufzwingen kann. Geld wurde im Marktprozess entdeckt. Wenn Geld über Nacht vom Staat
eingeführt wird, könnten wir nicht wissen, was es wert ist.
Gesetzliches Zahlungsmittel (legal tender). Wenn jemand einem anderen Geld schuldet, z.B. für einen Warenkauf oder als
Schadensersatz, mit welchem Zahlungsmittel kann er sich dann
von dieser Schuld befreien? Schreibt das Gesetz das schuldbefreiende Zahlungsmittel vor, so spricht man von gesetzlichem
Zahlungsmittel. Dem Gläubiger steht es zwar frei, ein anderes
Zahlungsmittel zu verlangen, z.B. Gold, aber der Schuldner ist
nicht verpflichtet, irgendetwas anderes als das gesetzliche Zahlungsmittel zu leisten, und befreit sich von der Schuld, wenn er
dieses anbietet. Dessen ungeachtet können zwei Parteien von
vornherein ein Tauschgeschäft vereinbaren, z.B. Gebrauchtwagen gegen Krügerrand, aber das ist dann kein Geldgeschäft und
die geschuldete Bezahlung keine Geldschuld im Sinne des Gesetzes. Faktisch wird die zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte
Währung vor allem auch dadurch zum alleinigen allgemeinen
Tauschmittel, dass der Staat diese Währung zur Zahlung von
Steuern und Abgaben verlangt. Im Euro-Währungsgebiet ist Euro-Bargeld (Banknoten und Münzen) das gesetzliche Zahlungsmittel. ➔ Giralgeld ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, wird
aber allgemein als Zahlungsmittel akzeptiert, weil die Geschäftsbanken eine jederzeitige Auszahlung in Bargeld garantieren, wozu sie wegen des Teildeckungsprivilegs allerdings nur zu einem
geringen Bruchteil in der Lage sind. Die Gesetze, die das schuldrechtliche Institut des gesetzlichen Zahlungsmittels konstituieren, nennt man Zahlkraftgesetze (legal tender laws).
Smart Investor „Gutes Geld“ 39
Phänomen Geld
Teildeckungsbankwesen (fractional reserve banking) ist ein
Bankensystem mit einer Teildeckung auf Sichteinlagen oder –
in seiner historischen Erscheinungsform – einer Teildeckung
auf unmittelbar einlösbare Banknoten. Teildeckungsbanken
können ➔ Giralgeld aus dem Nichts schaffen – historisch auch
Banknoten –, indem sie aufgrund der Einlagen neue Kredite vergeben, ohne dass die Einlagen dadurch der Geldmenge, also
dem Zahlungsverkehr entzogen werden. Sie betreiben dann
Kreditexpansion und damit Geldexpansion.
Giralgeld oder auch Buchgeld ist Guthaben bei Banken, über
das der Bankkunde täglich verfügen kann. Ursprünglich war
Buchgeld nur die Kontogutschrift von eingelegtem und tatsächlich in den Tresoren der Bank gelagertem Geld. Zu Buch-„Geld“
wird es dadurch, dass der Kontoinhaber mit dem eingelegten
Geld bezahlen kann, ohne es anzufassen, nur indem er es auf
ein anderes Buchgeldkonto überweist. Die ersten bedeutenden
Girobanken entstanden in den Fernhandelsstädten Genua (14.
Jahrhundert), Venedig (16. Jh.), Amsterdam (1609) und Hamburg (1619). Giralgeld war damit lange vor Banknoten gebräuchlich. Wie Banknoten auch kann Buchgeld voll-, teil- oder
gar nicht gedeckt sein. Im heutigen ➔ Teildeckungsbankwesen
wird das eingelegte Geld (heute das Zentralbankgeld) weiterverliehen im Vertrauen darauf, dass nicht alle Einleger gleichzeitig kommen, um ihr Geld abzuholen. Da den Banken die Guthaben der Girokontoinhaber nur „auf Sicht“ zur Verfügung stehen, wird das Giralgeld auch „Sichteinlagen“ genannt.
Mindestreserve: Im herrschenden ➔ Teildeckungsbankwesen
sind die Geschäftsbanken verpflichtet, bei der Zentralbank bestimmte Mindestguthaben zu halten. Die Höhe der zu haltenden
Mindestreserve ergibt sich durch die Anwendung des Mindestreservesatzes auf Kundeneinlagen der Banken inklusive der täglich fälligen Sichtguthaben. Der Mindestreservesatz der Europäischen Zentralbank beträgt derzeit 2%, der des Federal Reserve
Systems (Fed) 10% und der der chinesischen Zentralbank 21%.
Geldschöpfung findet im herrschenden Scheingeldsystem an
zwei Stellen statt. Zum einen bei den Zentralbanken, die das
Grundgeld schlicht und einfach drucken (Banknoten) oder elektronisch als Kontoeinträge generieren. Dieses Zentralbankgeld
wird entweder per Kreditvergabe an Geschäftsbanken oder aber
durch die sogenannte Offenmarktpolitik, d.h. den Ankauf von
Wertpapieren, in den Umlauf gebracht. In sehr viel größerem Umfang findet Geldschöpfung bei den Geschäftsbanken statt, die ➔
Giralgeld erzeugen können, indem sie Kredite vergeben, die von
Gesetzes wegen nur zu einem minimalen Bruchteil mit Grundgeld gedeckt sein müssen (➔ Teildeckungsbankwesen). Geld
kann nicht außerhalb von Banken entstehen, etwa durch Lohnzahlungen, sondern nur durch Banken. Wenn sich die Geldmenge
erhöht, haben dementsprechend Banken Geld geschöpft, und
zwar „aus dem Nichts“, denn sie selbst versprechen keine Leistung dafür, etwa Einlösung in Gold, sondern lassen sich, ganz im
Gegenteil, Sicherheiten für das ausgereichte Scheingeld geben –
und natürlich Zinsen. Da ein Bankkredit dem Kunden in der Regel
auf einem (Giro-)Konto gutgeschrieben bzw. von dem Kunden auf
das (Giro-)Konto eines anderen überwiesen wird, kann diese
Sichteinlage wiederum zur Grundlage einer Kreditvergabe werden, abzüglich der ➔ Mindestreserve. So kann das Geschäftsban-
40 Smart Investor „Gutes Geld“
kensystem bei einem Mindestreservesatz von 2% aus einem
Euro Grundgeld (Zentralbankgeld) ein Vielfaches an ➔ Giralgeld kreieren (und dafür Zinsen nehmen). Umgekehrt entzieht
jeder Euro Bargeld, der vom Konto abgehoben wird, dem System ein Vielfaches an Geldschöpfungsmöglichkeit. Der Prozess der multiplen Giralgeldschöpfung wird daher außer
durch die Mindestreserveanforderung und natürlich die Nachfrage nach Kredit und die Bonität der Kreditnachfrager auch
durch den zu erwartenden Bargeldabzug der Kunden begrenzt. Durch Einsatz ihrer geldpolitischen Instrumente können ➔ Zentralbanken die Geldschöpfung der Geschäftsbanken
beeinflussen.
Zentralbanken sind historisch meist entstanden als zur Finanzierung von Kriegen institutionalisierte Hausbanken des Staates oder als ➔ Kreditgeber letzter Instanz im
Interesse von Teildeckungsbanken, die
mehr Geld als Kredit
vergeben als sie haben.
Heutige Zentralbanken
emittieren das Grundgeld oder „Zentralbankgeld“, die Geldbasis:
Bargeld und Bankreserven bei der Zentralbank. Banken müssen
auf alle ihre Einlagen eine bestimmte ➔ Mindestreservemenge
an
Zentralbankgeld
halten. Bringt die ZentralWalter Bagehot (1826–1877), britischer Ökonom,
bank neues ZentralAutor von „Lombard Street – A Description of the
bankgeld in den UmMoney Market“ (1873) und Wegbereiter der Idee,
lauf, können die Bandass Zentralbanken als Kreditgeber letzter Instanz
für Teilreservebanken dienen sollen.
ken auf dieser Basis die
Kredite
ausweiten.
Durch die Kontrolle der
Zentralbankgeldmenge
versuchen Zentralbanken die Gesamtgeldmenge zu beeinflussen. Zentralbanken kontrollieren und koordinieren die Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken und springen in Krisenzeiten ein als ➔ Kreditgeber letzter Instanz.
Kreditgeber letzter Instanz (lender of last resort). Wenn Banken Liquiditätsprobleme haben, schaffen die Zentralbanken
neues (unechtes) Kreditgeld und leihen es den Banken. Wenn
niemand den Banken Geld zur Verfügung stellt, springt die Zentralbank als letzte Instanz ein. Die Idee der Zentralbank als
Geldgeber letzter Instanz geht auf Walter Bagehot zurück, der
sich dafür aussprach, dass Zentralbanken in Krisenzeiten unbegrenzt gegen gute Sicherheiten Kredite mit Strafzinsen an hilfesuchende Banken vergeben. Dass der Daseinsgrund der Zentralbanken letztlich darin liegt, als Kreditgeber letzter Instanz
den Banken ihr Kreditgeschäft zu retten, wenn sie es zu arg getrieben haben, und die Kosten des inflationären ➔ Teildeckungsbankwesens zu sozialisieren, beweisen die ➔ Bailouts diesseits und jenseits des Atlantiks.
Phänomen Geld
Bail-out bedeutet Aus-der-Klemme-Helfen eines vor dem Bankrott stehenden Unternehmens oder einer Bank oder sogar eines ganzen Staates durch einen Dritten, insbesondere durch
den Staat oder eine staatliche Institution, und zwar durch
Schuldübernahme, Tilgung oder Haftungsübernahme. So wurden zu Beginn der Finanzkrise 2008 in den USA mehrere Großbanken und -unternehmen gerettet, insbesondere durch die
Zentralbank (Fed), deren Hauptdaseinsgrund als ➔ Kreditgeber letzter Instanz genau darin besteht, der Kreditwirtschaft
aus der Klemme zu helfen, wenn sie zu große Risiken eingegangen ist. Nach der sogenannten No-Bail-out-Klausel oder Nichtbeistands-Klausel des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union haftet weder die EU noch ihre Mitgliedsländer
für die Schulden anderer Mitgliedsländer. Diese eindeutige europarechtliche Garantie wurde im Mai 2010 mit dem Griechenland-Bail-out und dem Euro-Rettungsschirm schlicht und einfach
gebrochen, was der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler als
quasi eine ➔ Währungsreform qualifiziert.
Seigniorage ist der Gewinn aus der Geldproduktion der Zentralbank. Wenn die Zentralbank neues Zentralbankgeld produziert und an Banken verleiht oder wenn sie verzinsliche Wertpapiere kauft, erwirtschaftet die Zentralbank üblicherweise
stattliche Gewinne, die als Seiginorage bezeichnet werden und
zum Großteil an die entsprechende Regierung überwiesen werden. In früheren Zeiten erzielten Regierungen Seigniorage, indem sie bei der Münzprägung Gebühren erhoben oder den
Edelmetallgehalt der Münzen herabsetzten.
Währungsreserven sind liquide Reserven der Zentralbanken,
die genutzt werden können, um die emittierte Währung zu verteidigen. Verliert die emittierte Währung an Wert, kann die Zentralbank ihre Währungsreserven benutzen, um die eigene Währung
zurückzukaufen und so deren Wechselkurs zu erhöhen. Unter
Währungsreserven fallen fremdländische Währungen, qualitativ
hochwertige in fremdländischen Währungen notierte Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen, und die Goldreserven.
Inflation, Preisinflation. Inflation bedeutet
Ausweitung der ungedeckten
Geldmenge.
Die Folge einer Geldmengenausweitung ist
in der Regel und zeitlich
versetzt ein Anstieg des
Preisniveaus, was heute
1. Oktober 1923: „Zehn
Milliarden Mark zahlt die
Reichsbankhauptkasse in Berlin
gegen diese Banknote dem
Einlieferer.“
42 Smart Investor „Gutes Geld“
irreführenderweise häufig Inflation genannt wird, aber genauer
als Teuerung oder Preisinflation zu bezeichnen ist. Die Preisinflation „ist immer und überall ein monetäres Phänomen“ (Milton Friedman). Eine Geldmengenausweitung kann durch einen
gleichzeitigen Anstieg in der Gütermenge kompensiert werden,
sodass die Preise nicht oder nicht so stark ansteigen, wie sie es
ohne diesen Produktionsanstieg getan hätten. Ein Beispiel sind
die 1990er und 2000er Jahre mit ihren großen Produktivitätsfortschritten durch die Inkorporation von China und Indien in
die internationale Arbeitsteilung und durch technologische Innovationen wie das Internet. Trotz starker Inflation (Geldmengenwachstum) blieb die gemessene Preisinflation (Teuerungsrate) moderat. Inflation ist faktisch eine versteckte Steuer. Ein
Teil des Geldmengenwachstums wird zur Finanzierung der
Staatsausgaben genutzt. Banken schaffen neues Geld und kaufen Staatsanleihen. Durch die erzeugte Preisinflation wird es dem
größten aller Schuldner, dem Staat, leichter, seine Schulden zu
bedienen. Die Bürger erleiden einen Kaufkraftverlust, welcher
der Regierung zugute kommt.
Deflation, Preisdeflation. Analog zur Inflation bedeutet Deflation einen Rückgang der Geldmenge. Ein Geldmengenrückgang
führt in der Regel zu einem Absinken des allgemeinen Preisniveaus. Eine Preisdeflation kann jedoch auch andere Ursachen
als einen Rückgang der Geldmenge haben, und nicht auf jede
Deflation folgt eine Preisdeflation. Fallende Preise können auch
durch eine Effizienzsteigerung der Produktion verursacht sein,
und ein Rückgang der Produktion kann einen Geldmengenrückgang kompensieren.
Konjunkturzyklus (boom bust cycle) nennt man die Abfolge
von (Schein-)Boom und Rezession einer Volkswirtschaft. Dieses
Auf und Ab ist nach der Lehre der Österreichischen Schule der
Ökonomik monetär verursacht, d.h. durch eine expansive Geldpolitik der Zentralbank und Kreditausweitung des ➔ Teildeckungs-Bankensystems. Siehe hierzu den Artikel über die
Phänomen Geld
Österreichische Konjunkturtheorie (Austrian Business Cycle
Theory) auf Seite 18–20.
Cantillon-Effekt. Siehe Infokasten auf Seite 20.
Greshams Gesetz. Siehe Infokasten auf Seite 71.
Reflationierung: Geldpolitik,
die in einer Rezession versucht,
fallenden Preisen entgegenzuwirken. Die Geldmenge wird erhöht, um die Preise des Booms
wiederzuerlangen.
Stagflation nennt man das gleichzeitige Auftreten von Preisinflation und Rezession. Nach Keynes
unmöglich, da Preisinflation immer zu einem Aufschwung führe.
Eine Stagflation folgt auf eine
Inflationspolitik nach einem Umschwung. Die Inflation schafft es
nicht, den künstlichen Aufschwung wiederzubeleben, sondern lässt lediglich die Preise
steigen.
Bank Run 1931 in Berlin. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-12023 / CC-BY-SA
Vermögenspreisblase (asset price bubble): Die Preise von Vermögenswerten wie Aktien oder Immobilien entfernen sich dauerhaft und substanziell von ihrem Fundamentalwert, d.h. ihrem
Kapitalwert. Der Kapitalwert ist der Wert der diskontierten
künftigen Einkünfte eines Kapitalguts.
Hyperinflation. Von Hyperinflation spricht man nach einer verbreiteten Faustregel bei einer sich beschleunigenden Preisinflation von über 50% im Monat. In einer Hyperinflation fliehen
die Menschen typischerweise in Sachwerte. Sie versuchen ihre
Geldhaltung auf ein Minimum zu reduzieren, sodass die Preisinflationsrate die Inflationsrate übersteigt. Die Preisinflation
gerät „außer Kontrolle“. In einer Hyperinflation verliert Geld
seine Funktion als Kaufkraftspeicher vollständig. Auch die
Recheneinheitsfunktion des Geldes geht in einer Hyperinflation
verloren. Die Menschen beginnen, ihren Wohlstand und Gewinne in ausländischen Devisen oder Edelmetallen zu berechnen.
Am Ende einer Hyperinflation geht die Tauschmittelfunktion
des Geldes vollends verloren.
Crack-up-Boom (Katastrophenhausse). Dieser von Ludwig
von Mises geprägte Begriff bezeichnet Kurssteigerungen in Vermögenswerten, insbesondere auch am Aktienmarkt in einer ➔
Hyperinflation bei einer Flucht in Sachwerte. Um sich dem drastischen Kaufkraftverlust zu entziehen, kommt es seitens der
Unternehmen und der Bürger bei allen möglichen Gütern und
Vermögensgegenständen zu Panikkäufen. Dieser letzte Scheinboom bei gleichzeitigem tatsächlichem Niedergang der Wirtschaft geschieht also während des „Aufberstens“ (Crack-up)
des Finanzsystems, wobei die Zinsen durch die Zentralbanken
niedrig gehalten werden. Beispiel 1: Die Aktienhausse in der
deutschen Hyperinflation von November 1922 bis November
1923. Damals verschleierten hohe nominale Gewinne die realen
Verluste. Beispiel 2: Die „beste“ Börse im Jahr 2008 war die von
Zimbabwe, wo eine Hyperinflation wütete. Näheres siehe
www.smartinvestor.de/cub/
Bank Run. Massiver Ansturm der Einleger auf ihre Sichteinlagen.
Wenn in einem ➔ Teildeckungsbankensystem das Vertrauen der
Einleger verloren geht, fordern sie die ihnen von den Banken
garantierte Barauszahlung ihrer Einlagen ein. Da die Einlagen
tatsächlich nur zu einem geringen Bruchteil gedeckt sind, bekommen nur die ersten ihre Einlagen zurück. Es bilden sich Schlangen
vor den Bankfilialen. In der Großen Depression von 1929 kam es zu
etlichen Bank Runs. Durch die staatliche Einlagensicherung und
die Möglichkeit der ➔ Zentralbanken, beliebige Mengen Scheingeld zur Bankenrettung zu produzieren, hat sich die Anzahl der
Bank Runs vermindert. Als die aktuelle Finanzkrise begann, 2007,
kam es zu einem Run auf die britische Bank Northern Rock.
Währungsreform bedeutet eine staatlich veranlasste Einführung
einer neuen Währung mit veränderter Kaufkraft. Das alte Geld
wird gegen eine neue Währung eingetauscht. Dabei ändert sich
nicht nur der Name der Währung. Die Euroeinführung war keine Währungsreform im engeren Sinne, sondern eine Währungsumstellung, allerdings mit institutionellen Änderungen in der
Währungspolitik. Währungsreformen erfolgen typischerweise
nach einer Hyperinflation und sollen helfen, das Vertrauen der
Bevölkerung in die staatliche Währung zurückzugewinnen.
Kristof Berking
Smart Investor „Gutes Geld“ 43
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