Geldpolitik: Gegen die Flut

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Geldpolitik:
Gegen die Flut
Düsseldorf, 28. November 2014
von Malte Fischer
Die rund 70 gebildeten Herrschaften, die sich an einem Novembertag in Berlin-Mitte versammelt haben, vereint vor
allem eines: ihr gemeinsames Feindbild. Sie debattieren über das „fraktionale Reservesystem“, also die Art und Weise,
wie das Geld heutzutage in die Welt kommt. Die versammelten Volkswirte der „Vollgeld-Initiative“ machen es für
ziemlich alles verantwortlich, was aus ihrer Sicht in den Finanzzentren der Welt schiefläuft. „Spätestens in der
Finanzkrise hat sich bei mir der Verdacht verdichtet, dass nicht die Akteure, sondern das System selbst zum Problem
geworden ist“, spricht Thomas Mayer in den Saal des Tagungszentrums. Applaus kommt zurück. Mayer war bis vor
zwei Jahren Chefvolkswirt der Deutschen Bank, für die versammelten Vertreter der Vollgeld-Initiative ist er so etwas
wie die Eintrittskarte ins Establishment. Gerade hat Mayer sein Buch „Die neue Ordnung des Geldes“ veröffentlicht,
eine Abrechnung mit dem aktuellen Finanzsystem. Wenn nun schon ein Insider wie Mayer ihnen die Ehre erweist, dann
kann es nicht mehr weit sein bis zur Revolution. Mayer fährt fort: „Seitdem habe ich nach einem Hammer gesucht, mit
dem ich den Nagel in die Wand schlagen kann - bei Ihnen bin ich fündig geworden."
Es spricht einiges dafür, dass die Initiative bald noch mehr Gehör findet. Der Ritterschlag durch Ökonom Mayer ist nur
ein Anzeichen des Unwohlseins, das vielerorts in Europa um sich greift: Wie lange kann es noch gut gehen, dass
Banken und Zentralbanken mit utopisch klingenden Geldsummen um sich werfen? Welchen Schaden richtet ein System
an, in dem Notenbanken und Geschäftsbanken quasi auf Knopfdruck Geld in die Welt schießen, das anschließend die
Preise von Aktien, Immobilien und Waren in die Höhe treibt?
In der Schweiz steht in einer Woche eine Initiative zur Abstimmung, die diesem Unwohlsein erstmals eine Stimme
geben wird. Die Goldinitiative will die Schweizerische Nationalbank (SNB) verpflichten, mindestens 20 Prozent ihrer
Reserven in Gold zu halten - und nie wieder Gold zu verkaufen. Schon jetzt versetzt die Initiative die Märkte in
Aufruhr, die Kurse für Gold und Schweizer Franken sind umkämpft wie lange nicht. Der Grund: Kommt die Initiative
durch, müsste die SNB Gold nachkaufen, um dessen Anteil an den Währungsreserven von derzeit 7,5 Prozent auf die
angestrebten 20 Prozent aufzustocken. Das könnte dem Goldpreis mächtig Auftrieb geben.
Doch damit nicht genug. Eine Goldquote legte der SNB Fesseln an. Ihr Ziel, den Franken-Wechselkurs zum Euro nicht
unter 1,20 sacken zu lassen, wäre kaum mehr zu realisieren. Um den Wechselkurs gegen den Aufwertungsdruck zu
verteidigen, hat die SNB bisher in großem Stil Euro gekauft und das Bankensystem mit Franken geflutet. In Zukunft
müsste sie bei Interventionen am Devisenmarkt neben Euro auch Gold kaufen, um dessen Anteil bei 20 Prozent zu
halten.
Für das globale Währungssystem wäre das eine Zäsur. Eine der wichtigsten Notenbanken der Welt verlöre ihre
Flexibilität, ihr geldpolitischer Aktionsradius wäre eingeschränkt. Zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch des
Währungssystems von Bretton Woods 1971 rückte Gold wieder in das Zentrum der Geldpolitik.
Genau das dürfte der Grund sein, warum die Schweizer Goldinitiative prominente Unterstützung aus Amerika erhält.
„Die Schweizer sind stolz darauf, wie ihre Vorfahren dafür gekämpft zu haben, eine starke Währung mit einer soliden
Golddeckung zu schaffen", sagt Ron Paul. Paul ist nicht irgendwer. Der ehemalige Kongressabgeordnete und frühere
US-Präsidentschaftskandidat ist die Galionsfigur der libertären Bewegung in Amerika. Wie viele Beobachter, denen das
zügellose Gelddrucken der großen Notenbanken Bauchschmerzen bereitet, hofft er, dass von der Schweiz ein Signal
ausgeht, das rund um den Globus gehört wird. Paul, der in seinem Buch „End the Fed“ für die Abschaffung der USNotenbank plädiert, ist Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Auch Ex-Deutsche-BankChefökonom Mayer hat die Lehren der Österreicher in den vergangenen Jahren für sich entdeckt. Deren wichtigste
Vertreter waren Ludwig von Mises, Friedrich von Hayek und Murray Rothbard. Schon zu Beginn des vergangenen
Jahrhunderts analysierte Mises, wie das fraktionale Reservesystem den Banken im Zusammenspiel mit den
Zentralbanken die unlimitierte Ausweitung von Geld und Kredit erlaubt - und so zur Ursache von schweren
Rezessionen, Bankenkrisen und ungerechtfertigten Umverteilungen von Einkommen und Vermögen geworden ist.
Das Teilreservesystem hat sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt, indem die Banken ihr Einlagen- und
Kreditgeschäft vermischten. Anfangs dienten die Banken den Kunden vornehmlich als Depotstellen, denen sie ihr Geld,
meist Goldmünzen, zur sicheren Aufbewahrung anvertrauten. Im Gegenzug erhielten sie Einlieferungsscheine oder
Banknoten, mit denen sie das Gold jederzeit wieder abheben konnten. Die Noten dienten als Goldsurrogat und konnten
zum Kauf von Waren verwendet werden. Wollte ein Kunde einen Kredit, musste die Bank sich zuvor Gold
beziehungsweise Banknoten von anderen Kunden leihen. Das hatte zur Folge, dass jeder Kredit zu 100 Prozent durch
Ersparnisse in Form von Gold gedeckt war.
Als die Banken jedoch feststellten, dass die Kunden ihre Goldbestände länger als erwartet bei ihnen horteten, gingen sie
dazu über, Banknoten per Kredit auszugeben - ohne dass entsprechende Einzahlungen von Ersparnissen zugrunde
lagen. Auf diese Weise brachten sie mehr Banknoten in Umlauf, als an Gold verfügbar war.
Faktisch stellten sie den Kreditnehmern damit einen Einlöseanspruch auf das Gold anderer Personen aus. Nach Ansicht
des spanischen Ökonomen Jesus Huerta de Soto handelte es sich dabei um einen „illegitimen Akt der Veruntreuung".
Weil die umlaufenden Banknoten nur zum Teil durch Gold gedeckt waren (Teilreservesystem), waren die Banken
anfällig für Krisen. Gerieten sie in Schwierigkeiten und bemerkten die Kunden, dass die Banknoten nur zum Teil
gedeckt waren, setzte ein Run auf die Goldreserven ein, der viele Banken am Ende in die Pleite trieb.
Die Ökonomen der Currency-Schule, die in der Tradition David Ricardos standen, erkannten die fatalen Folgen des
Teilreservesystems. Daher setzten sie 1844 in Großbritannien mit dem Peel'schen Bankgesetz durch, dass alle
Banknoten voll durch Gold gedeckt sein mussten. Allerdings vergaßen sie, auch die Sichteinlagen der Banken einer
vollen Deckung zu unterwerfen. Dadurch konnten die Banken weiter Kredite aus dem Nichts in Form von Sichteinlagen
vergeben. Die Folge: Großbritannien und andere Länder taumelten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer
Bankenkrise in die nächste. Um den Schaden einzudämmen, riefen Banker und Politiker nach einer Zentralbank. Sie
sollte als Kreditgeber der letzten Instanz einspringen, wenn die Banken unter dem Ansturm der Kunden zu kollabieren
drohten.
Auch das heutige moderne Geldwesen arbeitete nach dem Teilreserveprinzip. Allerdings werden die Reserven nicht
mehr in Gold, sondern in Zentralbankgeld gehalten. In der Praxis sieht das so aus: Vergibt eine Bank einen Kredit,
entsteht auf der Aktivseite ihrer Bilanz eine Forderung gegen den Kunden. Auf der Passivseite wird der Betrag dem
Kundenkonto gutgeschrieben.
In der Euro-Zone muss die Bank auf die Sichteinlage ihrer Kunden eine Reserve von einem Prozent bei der Zentralbank
halten (Mindestreserve). Das dafür benötigte Zentralbankgeld leiht sie sich von der Europäischen Zentralbank. So kann
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die Bank mit 100 Euro Zentralbankgeld durch die Vergabe von Krediten 10 000 Euro an Sichteinlagen „schöpfen“. Für
die Banken ist das Teilreservesystem eine gigantische Geldproduktionsmaschine, an der sie bestens verdienen.
Dass die Regierungen dieses System nicht infrage stellen, liegt daran, dass sie zu dessen Hauptprofiteuren zählen. Die
von Zentral- und Geschäftsbanken gemeinsam betriebene Kreditschöpfung aus dem Nichts erlaubt es den Regierungen,
Kriege zu finanzieren, den Wohlfahrtsstaat aufzublähen, Beamtenheere zu alimentieren und üppige Wahlgeschenke zu
verteilen. „Es ist eine Komplizenschaft und Interessenkoalition zwischen Regierungen und Banken entstanden, ein
Klima der Kollaboration“, urteilt Huerta de Soto.
Darunter leidet langfristig der Wohlstand der Gesellschaft. In seinen Arbeiten zeigte Mises, wie die Geldschöpfung aus
dem Nichts die Zinsen künstlich nach unten drückt, Fehlinvestitionen auslöst und überdrehte Boomphasen erzeugt, die
später im Bust enden. Dazu kommt, dass diejenigen, die das aus dem Nichts geschöpfte Geld als Erste erhalten vorwiegend Banker, Zentralbanker, Beamtenschaft und Großunternehmen - auf Kosten anderer profitieren. Denn sie
können Güter noch zu niedrigen Preisen kaufen. Diejenigen, die das frische Geld als Letzte erhalten, sind hingegen die
Leidtragenden, da sie erst kaufen können, wenn die Preise bereits gestiegen sind. Auch fördert die inflationstreibende
Geldschöpfung aus dem Nichts die Bereitschaft zur Verschuldung. Wer heute weiß, dass er das auf Pump gekaufte
Häuschen morgen mit entwertetem Geld zurückzahlen kann, lädt sich gern ein paar Hunderttausend Euro oder Dollar an
Schulden auf die Schulter - auch wenn er die Last eigentlich nicht schultern kann.
Angesichts der desaströsen Wirkungen, die das Teilreserve- Bankensystem entfaltet, suchten Ökonomen schon in den
Dreißigerjahren nach Wegen, die Geschäftsbanken zu bändigen. 1933 legten die in Chicago lehrenden Ökonomen
Frank Knight, Henry Simons und Aaron Director einen als Chicago-Plan bekannt gewordenen Entwurf für ein neues
Bankensystem vor. Auf diesen Plänen baute der Ökonom Irving Fisher seinen berühmt gewordenen Vorschlag eines
100-Prozent-Geldes auf. Um die „perverse Elastizität des Kreditgeschäfts“ (Henry Simons) zu beenden, sollten die
Banken für ihre Sichteinlagen Reserven in gleicher Höhe bei der staatlichen Zentralbank unterhalten. Dadurch hätte die
oberste Währungsbehörde die vollständige Kontrolle über die Kredit- und Geldschöpfung der Banken. Doch die
Geschäftsbanken, die um ihre Pfründe bangten, liefen Sturm gegen den Chicago-Plan. Mit massiver Lobbyarbeit
verhinderten sie dessen Umsetzung.
Den Ökonomen der Österreichischen Schule ging selbst der Chicago-Plan noch nicht weit genug. Sie misstrauten dem
Staat und seiner Zentralbank. Daher plädierten Mises und Rothbard für eine radikale Reform des Geldwesens durch die
Einführung eines reinen Goldstandards. Dieser unterscheidet sich allerdings fundamental von dem TeilreserveGoldstandard unter Führung staatlicher Zentralbanken, der bis in die Dreißigerjahre herrschte. Weil staatliche
Zentralbanken nie wirklich unabhängig sind und dazu neigen, die Wünsche der Politiker zu bedienen, forderten Mises
und Rothbard, die Zentralbanken abzuschaffen und alle Banknoten und Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Gold zu
decken. Die Kredit- und Geldschöpfung aus dem Nichts wäre mit einem Schlag beendet, die Geldmenge legte nur noch
so stark zu wie die geförderte Goldmenge. Bank-Runs sowie destruktive Boom-Bust-Zyklen gehörten der
Vergangenheit an, und die Schuldenexzesse von Staat und Bürgern wären gestoppt.
Doch so klar die Vorteile des reinen Goldstandards sind, so schwierig dürfte seine Umsetzung heutzutage sein,
nachdem die Zentralbanken die Welt mit Papiergeld geflutet haben. Deckte man die aktuelle Euro-Geldmenge M1
(Bargeld und Sichteinlagen) zu 100 Prozent mit den Goldreserven der Euro-Zone von insgesamt rund 346 Millionen
Feinunzen, katapultierte dies den Goldpreis von derzeit rund 1200 auf rund 16 400 Euro in die Höhe. Dies hat Thorsten
Polleit, Chefökonom der Degussa, ausgerechnet. Der damit verbundene Vermögenszuwachs der Gold- und
Goldminenbesitzer würde wohl hitzige Umverteilungsdebatten auslösen.
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Zudem drohte ein vorübergehender Inflationsschock. Denn der höhere Goldpreis verstärkte die Goldförderung und löste
so eine massive Ausweitung der Geldmenge aus. Um den Umstellungsschock abzumildern, schlägt Ökonom Huerta de
Soto einen Stufenplan vor. Dieser sieht vor, die Sichteinlagen der Banken in einem Zwischenschritt zunächst durch das
Bargeld aus den Kellern der Zentralbank zu decken. Diese sollte die Geldmenge vorübergehend um einen konstanten
Prozentsatz pro Jahr ausweiten, indem sie Gold erwirbt. So bewegte sich der Goldpreis allmählich nach oben, der
Höhenflug beim finalen Übergang auf die volle Golddeckung könnte abgemildert werden. Nach der Umstellung müsste
die Zentralbank abgeschafft und freier Währungswettbewerb eingeführt werden. So müsste sich die neue Goldwährung
ständig im Wettbewerb behaupten, und die Gesellschaft hielte sich die Option auf neue Geldarten offen.
Der Gedanke, das beste Geld im Wettbewerb zu ermitteln, prägt auch den Vorschlag des Wirtschaftsnobelpreisträgers
Hayek. Anders als sein Lehrer Mises wollte Hayek die staatliche Zentralbank nicht gleich abschaffen, sondern sie dem
Wettbewerb mit privaten Währungen aussetzen. Der Druck des Wettbewerbs soll die Zentralbank von einer
inflationären Geldpolitik abhalten. Regierungen und Banken könnten sich dann nicht mehr auf die Hilfe der
Notenpresse verlassen und müssten ihre Haushalte sanieren - beziehungsweise ihre Kreditvergabe zurückfahren.
Allerdings hat auch Hayeks Vorschlag einen Haken. Setzen sich die privaten Konkurrenzwährungen gegen das
Staatsgeld durch, könnten die in Staatsgeld gehaltenen Ersparnisse der Bürger entwertet werden. Um das zu verhindern,
dürfte die Regierung den privaten Konkurrenten durch Gesetze und Regulierungen das Leben schwer machen. Ein
fairer Wettbewerb käme dann nicht zustande.
Währungswettbewerb und Abschaffung der Zentralbanken - für die Vertreter der Monetative sind das keine Optionen.
Sie sehen das Problem des Geldwesens nicht bei der Zentralbank, sondern allein bei den Banken. Daher wollen sie wie
die Ökonomen der Österreichischen Schule das Teilreservesystem abschaffen. Die Macht der staatlichen Zentralbank
soll hingegen ausgebaut werden. Für ihre Ideen werben sie nicht etwa in akademischen Fachzeitschriften, sondern auf
der Straße.
So wie Hansruedi Weber. Mindestens einmal in der Woche stand er in den vergangenen Monaten auf den Straßen seiner
Heimatstadt Baden in der Schweiz. Baden liegt eine halbe Stunde Zugfahrt von der Hauptstadt Zürich entfernt, die
wichtigste Attraktion der Stadt ist die Spielbank, es ist die größte im ganzen Land. Doch Weber kommt es so vor, als sei
die Zockerei mit ungedeckten Geldbeträgen keine Badener Spezialität mehr, sondern die Realität des modernen
Kapitalismus: „Wie im Kasino haben die handelnden Personen in der Realwirtschaft längst die Kontrolle über ihr Geld
verloren. Die Banken vereinen alle Macht auf sich!“ Der kleine Mann mit dem schlohweißen Haar wird dann schnell
ärgerlich. Mit ein paar Gleichgesinnten hat er vor sechs Jahren den Verein Monetäre Modernisierung gegründet, um
seinen Ärger in die Welt zu tragen. Bald war der Zulauf so groß, dass sie daraus eine Volksinitiative machten, die
„Vollgeldinitiative".
100 000 Unterschriften brauchen sie, um zur Abstimmung zu gelangen, 25 000 haben sie beisammen, ein Jahr Zeit
bleibt ihnen noch. Ihn haben die Ideen infiziert, um derentwillen er sich seit gut zwei Jahren kaum noch eine ruhige
Minute gönnt. Weber war mal Lehrer, studierte nebenbei ein bisschen Philosophie und Volkswirtschaft. Irgendwann fiel
ihm dabei das Buch „Geldschöpfung in öffentlicher Hand“ des deutschen Ökonomen Joseph Huber zu. „Danach konnte
ich nicht mehr weitermachen wie zuvor", sagt Weber.
Denn auch Hubers Plan zur Geldreform hat es in sich. Er sieht vor, die staatliche Zentralbank zu einer unabhängigen
vierten Gewalt im Staat aufzubauen. Als „Monetative" träte sie neben die Exekutive, Legislative und die Judikative. Die
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staatliche Zentralbank hat dann das ausschließliche Recht, neues Geld in Umlauf zu bringen. Bisher gilt das nur für das
Bargeld, in Zukunft auch für die Sichteinlagen bei Banken.
Dabei könnte das Geld auf zwei Wegen bei den Bürgern landen. Zum einen könnte die Zentralbank dem Staat einen
zinslosen ewigen Kredit gewähren und ihm den Geldbetrag auf dessen Konto bei der Zentralbank gutschreiben. Die
Regierung finanziert mit dem Geld dann ihre laufenden Ausgaben, sie tilgt Schulden oder senkt die Steuern. Via
Banküberweisung landet das Geld schließlich auf den Sichteinlagenkonten der Bürger und Unternehmen. Alternativ
wäre es denkbar, dass die Zentralbank jedem Bürger schlicht Geld schenkt, diese „Bürgerdividende" landete dann direkt
auf dessen Girokonto.
Spült die Zentralbank ebenso viel neues Geld in die Wirtschaft, wie neue Güter produziert werden, bleiben die Preise
stabil. Das bereits vorhandene Buchgeld wollen die Vertreter der Monetative aus der Wirtschaft herausschleusen. Dazu
müssten die Banken das von ihnen vor der Reform aus dem Nichts geschaffene Geld an die Zentralbank zurückzahlen,
sobald ihre Kunden ihre Kredite tilgen.
Künftig hätten die Finanzhäuser keine Möglichkeit mehr, eigenständig neues Geld in die Welt zu setzen. Denn die
Girokonten der Kunden werden aus den Bilanzen der Banken ausgegliedert und von diesen nur noch verwaltet, so wie
ein immaterieller Tresor. Wollen die Banken Kredite vergeben, müssen sie Sparer finden, die bereit sind, ihnen Geld zu
leihen, das die Zentralbank zuvor in die Wirtschaft gepumpt hat. Auf diese Weise werden die Banken - ebenso wie in
einem reinen Goldstandard - wieder zu dem, was sie einmal waren: reine Depotverwalter und Vermittler zwischen
Sparern und Investoren. Es entstünde ein neuer Nukleus für eine gesunde Finanzwirtschaft.
Es ist diese Schnittmenge zwischen den Vorstellungen der Monetative und den Anhängern der Österreichischen Schule,
die den bekennenden „Österreicher" Mayer an diesem Novembertag nach Berlin getrieben hat. Allerdings fürchtet
Mayer, dass die Vorstellung, die Zentralbank könne als rechtlich unabhängige Instanz dem Zugriff der Politik komplett
entzogen werden, doch ein bisschen naiv ist. „Die politische Korruption der staatlichen Zentralbank ist genau das
Problem und der Grund, warum Geld entweder mit Gold gedeckt oder in Konkurrenz produziert werden sollte", sagt der
Ökonom. Mit dem Verein Monetative teile er zwar die Absicht, die öffentlich-private Partnerschaft der Geldproduktion
abzuschaffen. Danach aber möchte er das Geld - ganz in der Tradition der Österreichischen Schule - privatisieren, nicht
verstaatlichen.
Bleibt die Frage, ob die Reformrezepte der „Österreicher“ oder der „Monetative" jemals verwirklicht werden können.
Die Chance, das Geldwesen durch einen politisch gesteuerten Prozess auf eine gesündere Basis zu stellen, dürfte gering
sein. Zu groß ist der Widerstand derjenigen, die vom Status quo profitieren. Und so könnte sich auch beim Geldwesen
zeigen: Revolutionen dauern meistens etwas länger.
Aber wenn sie kommen, dann mit Macht. Vielleicht muss das alte System dazu erst am Boden liegen.
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