Reaktion Stephan Rhonheimer

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Lieber Werner
Wir haben deine Arbeit mit grösstem Vergnügen und
Gewinn gelesen... Natürlich könntest du jetzt weiter
daran arbeiten und wie du antönst den Angstfaden noch
zusammenhängender darstellen. Aber das würde ich nur
für dich selbst machen, wenn du für dich das
Angstproblem klarer lösen willst. Ich glaube nämlich
schon, dass Freud eine ziemlich zusammenhängende
Vorstellung zu den beiden Angstauffassungen bekommen
hat, so wie er sie in Kapitel 8 darstellt.
Die Verwerfung seiner ersten Auffassung verstehe ich
in Freuds zunehmender Tendenz, der im Verlauf seiner
Theoriebildung immer deutlicher gezogenen Abgrenzung
des "analytischen Bodens", der zu Beginn seines
theoretischen Spekulierens oft überschritten wird. Er
verwirft also seine erste Angstauffassung als eine
psa Theorie, i. S. einer metapsychologischen
Erklärung und stösst sie ins Reich der Physiologie
oder Biologie. Das meint die "automatische"
Entstehung, im Gegensatz zur psychischen Entstehung
der 2. Angstauffassung. Die Korrektur, die dadurch
eingeführt wird, betrifft die Unterscheidung der
Genese der Aktualneurose von den Psychoneurosen, die
du ja schön herausgearbeitet hast: Die einen ohne
psychischen Mechanismus, automatisch, d.h. aufgrund
physiologischer Mechanismen entstehend, die anderen
als mehrzeitiges, hochkomplexes psychisches
Geschehen, wobei in der psa Beobachtung beide
gemischt auftreten und die eine oft den Boden
bereitet, auf dem die andere entsteht. Für Freud,
meine ich, ist die erste Angstauffassung psa
betrachtet "kaum wissenswert", biologisch siehts ganz
anders aus.
Die andere Frage, die wir ja schon bei der
Vorbesprechung gestreift haben, meine ich, stellt
kein anderes Problem als die Frage, woher denn die
Energie zur hysterischen Symptombildung stammt. Die
komplizierte Antwort beriefe sich auf den
Erinnerungsapparat, ein wichtiges und oft
unterschätztes Thema, auf die Bahnungen, auf die
Erinnerungssymbole, die Reminiszenzen etc. Ich stelle
mir vor , dass die psychisch nicht gefassten
Geburtstraumen und Säuglingsängste beim Fremden oder
vor dem Fremden eine Art Epizentren im psychischen
Apparat noch jenseits des Ubw (siehe Kap.7 der TD)
zurücklassen, die tsunamiartige Flutwellen (von
innen) von Angst auszulösen vermögen oder
entsprechend der Symptombildung und des sekundären
Abwehrkampfes vom Ich kontrollierte kleine
Eruptionen von Angstquanten freisetzen, die zur
Signalisierung einer drohenden Gefahr von aussen
dienen. Dies setzt aber die für die Selbsterhaltung
so wichtige Verschiebung von der Situation der
inneren ökonomischen Gefahr der automatischen
Angstentstehung auf die äussere Gefahr des
Objektverlustes voraus. Dieser letzte Punkt ist als
Resultat auch der psa Säuglingsbeobachtung eine
Schlüsselstelle in Kap. 8. Jetzt ist auch der Weg
offen, die Kastration in ihre zentrale Rolle der
Angstquelle zu inaugurieren.
Zu deiner letzten Frage: Ich bin ein vehementer
Verfechter und dabei ein einsamer Mohikaner mit der
Auffassung, dass das Jenseits nicht eine grosse
Umwälzung, Tournement, etc. ist, sondern eine lange
hintangehaltene Erweiterung der psa Th. ist, unter
anderem wegen der Auseinandersetzung mit Jung und
Adler. He, Sy Angst hält sich im Gegensatz zu vielen
anderen späteren Arbeiten grösstenteils im Diesseits
des LPs auf. He, Sy Angst ist unter dem
Perspektivewechsel des Gegensatzes Bw-Ubw zu IchVerdrängtes (im Jenseits angekündigt) eine
Überarbeitung der bisherigen Neurosepsychologie. Aus
der topischen Betrachtung folgt jetzt die Psychologie
der Instanzen und lässt damit differenzierte Fragen
zur Psychologie des Ichs (Massenpsychologie und IchA), des Es (was geschieht mit den verdrängten
Regungen) und des Ü-Ichs (Das Ich u. Das Es und das
Ökonom. Problem des Masoch.) zu und natürlich auch
die Frage, wo ist die Angststätte, wer ist der Motor
der Verdrängung, wie entsteht die Moral etc.. Kurz
gesagt, Freud hält sich bei dieser Arbeit
grösstenteils im Diesseits auf, und ich möchte sagen,
Gott sei Dank (v.a. für die Gegner des Todestriebes)
redet er hier nicht vom Todestrieb.
Du siehst, deine Bearbeitung und deine
Diskussionsfragen lösen in mir eine unbändige Lust
aus, über die Psa nachzudenken. Ich erlaube mir, das
als nachträglichen Diskussionsbeitrag auch an Charles
zu schicken.
Mit herzlichem Gruss
Stephan
PS Hängen geblieben ist mir die Frage, ob Freud eine
Art Theorieregression erlitt mit dem Eingeständnis,
dass bei Frauen der Liebesverlust neben der
Kastrationsangst eine bedeutende Rolle spielt. Ich
habe es noch nie so gesehen. Hast du gesagt, die
Angst des Liebesverlustes sei den Frauen bewusst? Das
mag für gewisse Dimensionen schon sein, aber wie ist
es mit den unbeteiligten Zuschauerinnen der
Sexualität in ein Kind wird geschlagen, den
homosexuellen Liebesproblemen, die sich hinter einem
heftigen Penisneid verbergen, der ganzen
Dornröschenproblematik der weiblichen Sexualität, der
vaginalen Sexualität. Ich meine, da ist doch sehr
Vieles am Geliebtwerdenwollen unbewusst.
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