Lieber Werner Wir haben deine Arbeit mit grösstem Vergnügen und Gewinn gelesen... Natürlich könntest du jetzt weiter daran arbeiten und wie du antönst den Angstfaden noch zusammenhängender darstellen. Aber das würde ich nur für dich selbst machen, wenn du für dich das Angstproblem klarer lösen willst. Ich glaube nämlich schon, dass Freud eine ziemlich zusammenhängende Vorstellung zu den beiden Angstauffassungen bekommen hat, so wie er sie in Kapitel 8 darstellt. Die Verwerfung seiner ersten Auffassung verstehe ich in Freuds zunehmender Tendenz, der im Verlauf seiner Theoriebildung immer deutlicher gezogenen Abgrenzung des "analytischen Bodens", der zu Beginn seines theoretischen Spekulierens oft überschritten wird. Er verwirft also seine erste Angstauffassung als eine psa Theorie, i. S. einer metapsychologischen Erklärung und stösst sie ins Reich der Physiologie oder Biologie. Das meint die "automatische" Entstehung, im Gegensatz zur psychischen Entstehung der 2. Angstauffassung. Die Korrektur, die dadurch eingeführt wird, betrifft die Unterscheidung der Genese der Aktualneurose von den Psychoneurosen, die du ja schön herausgearbeitet hast: Die einen ohne psychischen Mechanismus, automatisch, d.h. aufgrund physiologischer Mechanismen entstehend, die anderen als mehrzeitiges, hochkomplexes psychisches Geschehen, wobei in der psa Beobachtung beide gemischt auftreten und die eine oft den Boden bereitet, auf dem die andere entsteht. Für Freud, meine ich, ist die erste Angstauffassung psa betrachtet "kaum wissenswert", biologisch siehts ganz anders aus. Die andere Frage, die wir ja schon bei der Vorbesprechung gestreift haben, meine ich, stellt kein anderes Problem als die Frage, woher denn die Energie zur hysterischen Symptombildung stammt. Die komplizierte Antwort beriefe sich auf den Erinnerungsapparat, ein wichtiges und oft unterschätztes Thema, auf die Bahnungen, auf die Erinnerungssymbole, die Reminiszenzen etc. Ich stelle mir vor , dass die psychisch nicht gefassten Geburtstraumen und Säuglingsängste beim Fremden oder vor dem Fremden eine Art Epizentren im psychischen Apparat noch jenseits des Ubw (siehe Kap.7 der TD) zurücklassen, die tsunamiartige Flutwellen (von innen) von Angst auszulösen vermögen oder entsprechend der Symptombildung und des sekundären Abwehrkampfes vom Ich kontrollierte kleine Eruptionen von Angstquanten freisetzen, die zur Signalisierung einer drohenden Gefahr von aussen dienen. Dies setzt aber die für die Selbsterhaltung so wichtige Verschiebung von der Situation der inneren ökonomischen Gefahr der automatischen Angstentstehung auf die äussere Gefahr des Objektverlustes voraus. Dieser letzte Punkt ist als Resultat auch der psa Säuglingsbeobachtung eine Schlüsselstelle in Kap. 8. Jetzt ist auch der Weg offen, die Kastration in ihre zentrale Rolle der Angstquelle zu inaugurieren. Zu deiner letzten Frage: Ich bin ein vehementer Verfechter und dabei ein einsamer Mohikaner mit der Auffassung, dass das Jenseits nicht eine grosse Umwälzung, Tournement, etc. ist, sondern eine lange hintangehaltene Erweiterung der psa Th. ist, unter anderem wegen der Auseinandersetzung mit Jung und Adler. He, Sy Angst hält sich im Gegensatz zu vielen anderen späteren Arbeiten grösstenteils im Diesseits des LPs auf. He, Sy Angst ist unter dem Perspektivewechsel des Gegensatzes Bw-Ubw zu IchVerdrängtes (im Jenseits angekündigt) eine Überarbeitung der bisherigen Neurosepsychologie. Aus der topischen Betrachtung folgt jetzt die Psychologie der Instanzen und lässt damit differenzierte Fragen zur Psychologie des Ichs (Massenpsychologie und IchA), des Es (was geschieht mit den verdrängten Regungen) und des Ü-Ichs (Das Ich u. Das Es und das Ökonom. Problem des Masoch.) zu und natürlich auch die Frage, wo ist die Angststätte, wer ist der Motor der Verdrängung, wie entsteht die Moral etc.. Kurz gesagt, Freud hält sich bei dieser Arbeit grösstenteils im Diesseits auf, und ich möchte sagen, Gott sei Dank (v.a. für die Gegner des Todestriebes) redet er hier nicht vom Todestrieb. Du siehst, deine Bearbeitung und deine Diskussionsfragen lösen in mir eine unbändige Lust aus, über die Psa nachzudenken. Ich erlaube mir, das als nachträglichen Diskussionsbeitrag auch an Charles zu schicken. Mit herzlichem Gruss Stephan PS Hängen geblieben ist mir die Frage, ob Freud eine Art Theorieregression erlitt mit dem Eingeständnis, dass bei Frauen der Liebesverlust neben der Kastrationsangst eine bedeutende Rolle spielt. Ich habe es noch nie so gesehen. Hast du gesagt, die Angst des Liebesverlustes sei den Frauen bewusst? Das mag für gewisse Dimensionen schon sein, aber wie ist es mit den unbeteiligten Zuschauerinnen der Sexualität in ein Kind wird geschlagen, den homosexuellen Liebesproblemen, die sich hinter einem heftigen Penisneid verbergen, der ganzen Dornröschenproblematik der weiblichen Sexualität, der vaginalen Sexualität. Ich meine, da ist doch sehr Vieles am Geliebtwerdenwollen unbewusst.