Sic transit gloria mundi`: der Untergang des Hauses Arthur

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Lesung aus „Skandal! Skandal!“, Eröffnung des „Literatur-Cafés“ der KurtSchumacher-Schule, Karben, April 2004
Sehr geehrter Herr Direktor,
sehr geehrte Damen und Herren des Kollegiums der Kurt-Schumacher-Schule,
sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
liebe Schülerinnen und Schüler der Kurt-Schumacher-Gesamtschule mit gymnasialer
Oberstufe,
lieber Oberstudienrat Holger Gronau!
Herzlich willkommen zur konstituierenden Veranstaltung des KSS-Literaturcafés, an der
sozusagen inaugurierend teilzunehmen ich die ganz große Ehre habe.
Ich möchte gleich eingangs erwähnen, dass ich dem Herrn KSS-Schulleiter, Herrn Dr.
Krautheim, besonders verbunden bin insofern, als er bereits zum 3. Mal das unabwägbare
Risiko auf sich nimmt, jemanden wie mich auf seine noch weitgehend unverdorbene (so
hoffe ich trotz Internet und SMS) Schülerschaft loszulassen und mir in beispielhafter
Liberalität bereits mehrfach gestattet hat, seine „Heiligen Hallen” zu betreten.
*
Ob mein heutiger Skandal-Auftritt ohne Zwischenfälle verläuft, wird der weitere Verlauf
zeigen. Andererseits ist ja genug Personal hier im Raum, um mich ggf. auf den Pausenhof
zu expedieren, sollten die Dinge aus dem Ruder zu laufen beginnen und die noch zu
vermittelnden Maßlosigkeiten meiner Darbietungen das hier so segensreich pädagogischen
Sinn stiftende Hessische Schulrecht zu bedrohen beginnen.
In die KSS habe ich mich sowieso nur getraut, weil ich als Schweizer Staatsbürger nicht mit
den Sanktionen der übergeordneten Schulaufsichtsbehörden zu rechnen habe, bzw. mich
sofort unter den schützenden Schirm der Mutter Helvetia retten werde, sollte die Luft hier
bleihaltig werden.
*
Ich vermute, meine Damen und Herren, mein sehr formaler, in einigen Teilen sogar politisch
korrekter Beginn hat Sie etwas verwundert. Zumindest einige von Ihnen. Die Damen des
13er-Leistungskurses von Herrn Gronau, die kürzlich mit der Lektüre meines Traktats
„Skandal! Skandal!” belästigt worden sind, werden sich ganz besonders gewundert haben –
vielleicht. Dass der Peters so unglaublich korrekt sein kann! Kann er.
Ich ahne, meine verehrten, leidgeprüften Damen des genannten Kurses – ohne mich in Ihre
junge, geschweige denn weibliche Psyche versetzen zu können –, dass Sie nach der
Lektüre von „Skandal!” partiell oder mehrheitlich, laut oder leise, die Meinung vertreten
haben, dass der verschrobene Typ, der hier vor Ihnen sitzt, „sowieso einen Riss in der Birne”
habe.
Wir werden diese zerebrale Befindlichkeit des Herrn Autors gleich noch aus verschiedenen
Blickwinkeln betrachten – etwas gebrochen zwar über mein Rezitieren und Erläutern (bzw.
Verwirren) von „Skandal! Skandal!”, aber dennoch unverkennbar Irrlichter auf den Urheber
dieses erschreckenden Konvoluts werfend.
*
Nur eines gleich vorweg (in medizinischen Texten würde stehen: „CAVE“!): Selbst Texte, die
ich in der 1. Person Singular verfasse, müssen nicht notwendigerweise bedeuten, dass sie
meine wirkliche Meinung wiedergeben.
Eher ist das Gegenteil richtig. Sogar bei Behauptungen, die nicht aufgestellt wurden.
Wobei durchaus die Frage auftauchen könnte: „Was ist das Gegenteil einer Behauptung, die
gar nicht aufgestellt worden ist?“
*
Kleine Quasi-Wiederholung und Vorbereitung auf das Kommende: Die Tatsache, nicht dem
Hessischen Beamtenrecht, ja noch nicht einmal deutscher Jurisdiktion zu unterliegen,
verschafft mir den gewünschten Freiraum, auch nicht methodisch-didaktisch wohltemperiert
vorgehen zu müssen. Sondern das Vergnügen, das zu tun, was mir liegt: der Phantasterei
freien Lauf zu lassen. Meine Frau Mutter, disziplinierter preußischer Beamtenschaft
entstammend, pflegte solcherlei Betätigungen verwarnend zu bezeichnen mit „Kraut und
Rüben“, wodurch es mit dem Herrn Sohn eines Tages sicher sehr böse enden werde.
*
Nunmehr sehen wir bereits umrissartig ein Gegensatzpaar entstehen, ein
Spannungsverhältnis: „Disziplin vs. Schwärmerei”, aus dem, wenn man Glück hat, eine
Kreativität ersprießen kann. Und wenn man FREUD’sche Sublimierungsannahmen, die
irgendwie auch – ich sage dies bewusst vorsichtig – etwas mit Sexualität zu tun haben,
nimmt man diese dazu, dann kommt man schon etwas näher an ‚the making of’ „Skandal!
Skandal!” heran.
*
Obwohl ich es persönlich immer empört von mir weise, meine eigenen Texte zu
interpretieren und ebenso weitschweifig wie erfolglos zu erklären, warum ich sie geschrieben
habe – was ich meistens auch gar nicht kann –, so wird dies merkwürdige Verweigerung
völlig zu Recht von Fragenden als hochgradig unfair oder inkompetent empfunden: „Er muss
doch wissen, warum er so etwas schreibt!” – Weiß er aber nicht immer.
In der Einleitung von “Skandal! Skandal!” liest sich diese für nach Sinn in „Skandal!”
Suchende unergiebige Bockbeinigkeit so:
„Keine Frau blickt, mit exaltiert berückendem Wimpernvibrato, ihrem Kfz-Mechaniker
schmachtend in die farblosen Augen und flüstert sinnend: «Welches, Meister, wird Ihre
nächste, vollendet ausgewuchtete Nockerlwelle sein – welchen wundervollen Ölfilter dürfen
wir noch von Ihnen erwarten?»
Dem nichts ahnend Radmuttern anziehenden Monteur, dem sein Gottesgnadentum
durchaus neu wäre und auch ziemlich überraschend zur Kenntnis käme, fiele glatt der
Schraubenschlüssel auf den Fuß.
*
Aber alle halten es indes für durchaus zulässig, Schreibende in dieser Art zu malträtieren;
meine Wenigkeit beispielsweise belästigt man ungeniert mit solcherlei Inquisitorischem…
*
Anregungen verschieden ergiebiger und ungleich willkommener Art, was ich als nächstes
schreiben könnte/sollte/unbedingt müsste, nehme ich jederzeit mit höflichem Interesse zur
Kenntnis, finde sie allerdings nicht unbedingt immer tragfähig. Eine Meinung, die manche
meiner Leserinnen und viele Rezensentinnen gern an meine dann irgendwann doch fertigen
Texte und deren in ebensolchem Zustand an seinem Schreibtisch zusammengebrochenen
Erzeuger zurückgeben...
*
Meine Psyche ist der halsstarrigen Auffassung, dass sie ‹geschrieben› eine ihr bekömmliche
Lebensform finden könnte. Sie begründet dies nicht weiter, sondern stürzt mich mit dieser
undeutlichen, aber keinen Widerspruch duldenden Meinungsäußerung in die größten
Schwierigkeiten.
Wenn ich dann meinem frei fluktuierenden und nicht immer leicht zu bändigenden Seelchen
anfange leidzutun, nimmt es mich regelmäßig bei der Hand, geleitet mich zu meinem
Macintosh und bittet mich liebevoll: «Nimm Platz, mein Freund, wir wollen etwas schreiben.»
*
Dieser Plan, der in unauslotbaren Frühnebeln schwankende Konturen anzunehmen beginnt
– oder sich des Öfteren auch wieder zurückzieht, ohne sich dem trüben Blick vollends
gezeigt zu haben – gerät unabweislich in Opposition zu dem, was Jahrzehnte von Erziehung,
Bildung und Zivilisation mehr oder weniger gelungen kategorisiert und kategorisch
aufgestapelt haben: «Gnädiger Herr, es ist angerichtet.»
*
Für diesen Zwiespalt, nämlich insofern, als die semimärkische Herkunft quasi-genetisch
etwas anordnet und das eine will und meine von FREUD et al. (hört, hört!!) in Freiheit gesetzte
Psyche das andere nicht lassen kann, finden sich namhafte literarische Topoi: Man nehme
KLEISTs ‹Prinz Friedrich von Homburg›, konfrontiere ihn mit LAWRENCEs ‹Lady Chatterley’s
Lover›, und schon sind Karambolagen vorprogrammiert, deren Schadensspektrum von
abgeblättertem Lack bis zu Totalschäden reicht – karrosserietechnisch umschrieben.“
*
Worum geht es denn überhaupt in diesem merkwürdigen Büchlein „Skandal! Skandal!“, von
dem einige begeistert, andere entgeistert und manche sicherheitshalber überhaupt nicht
reden? Die meisten lesen „so etwas“ gar nicht erst.
Die Basler Zeitung hat dies in einer Rezension besser zusammengefasst, als ich dies
könnte:
*
„Die eigenwillige Gestaltung des Textes mit Einschüben, unterschiedlichen Schriftbildern und
fast alles erklärenden Fussnoten wirkt chaotisch. Und genau das beabsichtigt Jan Peters
offenbar. Denn er schreibt schon im Vorwort: «Das ‹Organisationsprinzip› ist der Natur
abgeschaut. Die Menschheit ist angestrengt damit beschäftigt, allem und jedem, das sie
umgibt, einen Sinn zu unterstellen, damit die mühselige Orientierung nicht verloren gehe.
‹Skandal! Skandal!› bringt das alles kurzfristig in ein stabiles Ungleichgewicht – es tobt das
Chaos, wo es nur kann, und unterläuft die Ordnung.»
(...) Obwohl seine Beschreibung «Der Untergang des Hauses Arthur oder: Die
wunderschöne Königin Jane Alexa Coupar und ihre geheimnisvolle Feuerlilie» und auch der
zweite Text, eine Neuinterpretation des germanischen Heldenepos Held Siegfried, in
tiefdunkler Vergangenheit spielen, spinnt Jan Peters sein (...) sprachliches Netz ebenso im
Heute. Und dies manchmal mit einem Anflug von Zynismus, vor allem aber mit ironischen
Unter- und Zwischentönen. (...) zeigt hier der Autor seine schalkhafte Seite, mit einer
ausgeprägten Lust am (Un-)Sinn und an grotesken Situationen, teilweise gespickt mit
erotischen Fantasien.“
*
Nicht schlecht gesagt, liebe Basler Zeitung, so ungefähr ist mein „Skandal“! Und ob er
überhaupt einen Sinn hätte, der ein anderer als der „Un“-Sinn wäre, das ist die Frage.
Weitergehend wäre die Frage, ob es die Pflicht eines Textes ist, einen Sinn zu haben?
Auf dem Buchrücken steht: „Ich bin der Meinung, dass hinter jedem sichtbaren Wort ein
weiteres lauert, auch bin ich fest davon überzeugt, dass Kulissen ihre niederträchtige
Existenzberechtigung lediglich daraus beziehen können, weggeschoben zu werden, um den
Blick auf die heimlichen Attraktoren freizugeben. Das wirklich Skandalöse unseres Lebens
besteht darin, dass uns das Unwesentliche als wesentlich verkauft wird. Und umgekehrt.“
*
Ich stelle einige Thesen auf.
*
These Nr. 1: „Skandal! Skandal!“ ist ein wüster Angriff auf die „political correctness“.
Was ist denn überhaupt political correctness? Eine amerikanische Erfindung. Wahrscheinlich
eine Verhaltensdirektive, um die dem amerikanischen Rechtssystem inhärenten maßlosen
Schadenersatzforderungen abzuwehren. Infam gesagt ist es politically correct, eine Frau, die
15 Jahre im Wachkoma gelegen hat, nicht sterben zu lassen. Politically correct ist es auch,
im Irak einzumarschieren, unter nachweislich falschen Annahmen, und dort, wie die kürzlich
verstorbene Susan Sontag, Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels,
sagte, „genau diejenigen Zustände hervorzurufen, die durch den Einmarsch angeblich
verhindert werden sollten.“
Politically correct ist es, für Enthaltsamkeit vor der Ehe zu plädieren und gleichzeitig die
größte, härteste und profitabelste Pornoindustrie der Welt zu besitzen.
Politically correct ist es offensichtlich auch, die ganze Welt unaufgefordert mit Millionen von
Spams zu überschwemmen, in denen einem von betrügerischen Krediten bis zu äußersten
Geschmacklosigkeiten der größte Mist aller Zeiten angedreht werden soll. Die USA sind
Weltmarktführer in der immateriellen elektronischen Umweltverschmutzung. Kürzlich bot
man mir preisgünstig „fügsame asiatische Frauen“ per E-Mail an: das ‚Stück’ für 12.000,Dollar (exkl. Mwst.) – ein echtes Sonderangebot!
In Energieverschwendung und Umweltvernachlässigung, siehe das Kyoto-Protokoll, ebenso.
Politically correct ist es, vehement gegen Abtreibungen zu Felde zu ziehen und gleichzeitig
in Florida ein Gesetz zu erlassen, das die Bürger dazu berechtigt, bei der bloßen subjektiven
Vermutung, bedroht zu sein, den Bedroher zu erschießen.
Politically correct ist auch die Todesstrafe.
Politically correct ist es, einer Frau zu sagen: „Gnädige Frau, wie ich Ihren Esprit
bewundere.“
Politically sehr incorrect wäre es, derselben Frau zu sagen: „Ist das ein wonder bra oder
alles echt, Baby?“ There’s a lot of trouble ahead, man!
Vermutlich war Humphrey Bogart auch einer der Letzten, der ohne juristische Folgen: „Sieh
mir in die Augen, Kleines!“ zu einer amerikanischen Frau sagen durfte.
*
„Skandal! Skandal!“ sieht diesen Bereich der menschlichen Kontaktaufnahme weitaus
lockerer und betrachtet Menschen – wenn man so will – als integrale Wesen, deren
Trennung in Körper und Geist als willkürlich und zivilisatorisch determiniert anzusehen ist.
In meiner sehr innovativen Interpretation der Gralssuche beispielsweise ist der Begriff des
Grals ziemlich weit und bösartig phallokratisch funktional gefasst, und einige der Damen auf
der Burg ‚Camouflage’, die zum Schluss wie ein Kartenhaus zusammenfällt und im Meer
versinkt, tragen keltische Namen.
Was diese keltischen Namen semantisch beinhalten, darf die Leserschaft selbst
herausfinden. Die Hinweise darauf sind bewusst spärlich und gut versteckt.
*
‚Sic transit gloria mundi’: der Untergang des Hauses Arthur
„Und außerdem, die plündernden Ritter, sie raffen zusammen der widerstrebenden
Schweinehunde, Bastarde, Quastenflosser, Kormorane, Thymiane, Kaiserpinguine,
Ameisenbären, Riesenpandas, Stachelrochen, Sibirischen Winkelzahnmolche und
Archaeopterixe greifbare, schnell wie der Blitze donnernde Fahrt, klemmen sich also dies
strampelnd-kratzend-beissende Getier unter die Arme, die gierigen, und dann, und wahrlich
nicht zuletzt, schafft man noch so viele Wertgegenstände wie in der Eile nur irgend möglich
beiseite, ruckizucki nimmt ein man eine Paradeaufstellung, denen von Lemmingen zum
Verwechseln ähnelnd, und purzeln mucksmäuschenstill und in beispielhafter Marschordnung
über die Klippen der Kamikaze-Recken sonder Zahl – und nehmen mit sich der vergeblich
widerstehenden Tiere, ängstlich gemischt ihre Schar, dem Tode geweiht. Alle!“
*
These Nr. 2: „Skandal! Skandal!“ ist eine Beschreibung der Hoffnungslosigkeit
menschlicher Existenz.
Wo können wir Hoffnung und Beistand erfahren? Nirgendwo.
Gibt es spirituelle, ökonomische, therapeutische Hilfestellungen in unseres Daseins Mühsal?
Keine. Die Religion, für die im Buch der Gral steht? „Tand, Tand...“, Altmetall und Schrott.
Die Führer der Wirtschaft und Politik? Man lese die psychotisch eingefärbte Rede des
volltrunkenen König Arthur, nehme die grotesken Übertreibungen heraus und ersetze die
dort herumfliegenden Worthülsen und Sprechblasen durch beliebige Versatzstücke aus
Reden öffentlicher Personen.
König Arthur lallt: „(...) Traue nur der Bilanz, die du selbst frisiert, und dem Crash flow, den
du eigenhändig in Offshore-Waschmaschinen umgeleitet hast!“, und Joseph Ackermann,
Schweizer an der Spitze der Deutschen Bank, präsentiert hervorragende Gewinne und
kündigt gleichzeitig die Beseitigung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen an.
Verschiedene Diskurse mit identischen Zielsetzungen der Profitmaximierung.
Dem wahlkämpfenden Genossen Müntefehring gefällt der Neoliberalismus der
Heuschrecken nicht.
Jan Peters’ „Skandal! Skandal!“ auch nicht.
*
Es scheint ein massives Sinnvakuum in dieser Welt zu herrschen. Woher sonst der schrille
Hype um die Farbe des Rauchs aus der Sixtina? Benedikt von Regensburg – TV-Superstar.
*
These Nr. 3: Ich mag Richard Wagner und die Nibelungen nicht. Im Gegensatz zu
denjenigen Figuren, die zwischen 1933 und 1945 das Sagen in Deutschland hatten.
Dies ist überhaupt keine These, sondern die reine Wahrheit. Das ist im Buch gar nicht zu
überlesen:
„Unheilvolle deutsche Sinnsucherei – welch polymorph perverse Folgen sie schon gezeitigt
hat, und nicht selten mündete sie in katastrophalen Fehlentwicklungen.
Nehmen wir ein willkürlich herausgepicktes, aber besonders abschreckendes Beispiel aus
der Musikgeschichte.
Nehmen wir denjenigen Komponisten, dessen komplette Werke auch heute noch in der
wohlsortierten CD-Sammlung eines jeden ordentlich abgerichteten Deutschen
Schäferhundes nicht fehlen dürfen.
Wagners Ritchie – und sein dräuendes Motto lautete: ‹Das muss kesseln, was ich am
Komponieren ’raushaue!› – hat aus dieser ganzen germanischen Schwermut, die ohnehin
wenig dazu dienlich ist, eine allgemeine Gemütsaufhellung zu bewirken, noch viel
grauenhaftere Weltuntergänge gemacht, nämlich für kernig teutonisch rumpelnde Orchester,
möglichst in Kampfbrigadestärke angetreten.
*
Diese Art von vorsätzlicher akustischer Körperverletzung – wenn die nicht nur bedeutungs-,
sondern auch sonst ziemlich schweren Walküren reiten, dass im Parkett die KukidentGebisse rattern – wird von manchen fälschlicherweise als ein symphonischer Orgasmus
alldeutschen Kulturschaffens angesehen.
*
Und dann erst Held S., wenn er sein Schwert Baldur v. Schirach schmiedet, da bleibt kein
deutsches Auge ausgedörrt!
Im Hintergrund tummelt sich prustend und schnaubend der stark verkühlte Drache namens
Pfaffenmeyr, im Parkett seufzt tief ein Hausdrachen nach dem anderen.
*
Interessant ist diese verwürgte Held S./König Gunther/Finsterling Hagen et al.Verwechslungs-Vergewaltigungs-Rache-Orgie äußerstenfalls in Hinblick auf die sonderbare
Art und Weise, in der die ultima Thulerin Brustschilde in das am ‹Rheinischen Hof›,
empfohlen vom NSKK, mehr oder weniger akzeptierte Brauchtum eingeführt wird.
*
Brustschilde, das ruppige Monsterweib, das sich bevorzugt in arktischen Breiten im Packeis
aufhielt und reihenweise wehrlose Polarbären zur Strecke brachte, immer wenn es sie
packte, dieses läufige Verlangen nach der lüsterner Gewalttätigkeit eines bärenstarken
Bärenmännchens, auf das sie sich mit dem wilden Brunftschrei eines King Kong stürzte, sich
ungeduldig den Walrossschurz von den Lenden reißend und ihn mit ihrer unbändigen Lust
bis auf den letzten Tropfen aussaugte, ihn solange brutal vergewaltigte, bis er schließlich
bewusstlos im Eise zu liegen kam, ein weißer Schatten seiner selbst, kaum den noch werfen
könnend vor Entkräftung und Verwirrung.
*
Herr König Gunther will auch gern mal ein Eisbär sein, aber Brustschilde möchte nicht mit
ihm spielen; weder mit ihm noch mit sonst wem, sie macht lieber Stabhochsprung über
dumpf blubbernde Geysire und schmeißt unmotiviert Felsbrocken in die öde Gegend, in der
sie, ein rechter Wildfang, ein freies Leben führte, bis die Nibelungen mit der M.S. Wormatia
längsseits anlegten und festmachten, und der vernebelte Held S. die stolze Frau des
Nordens hinterhältig aufs Kreuz legte, was Gunther bei der Siegerehrung für sich
beanspruchte.
*
Dann war da noch dieser eigenbrötlerische Tronje aus Hagen/Westfalen. Er saß meistens
irgendwo übellaunig in der Gegend herum, kriegte die Zähne nicht auseinander, außer er aß
missmutig Mettwurst- und Mainzer-Käse-Brote, trank Met und sann.
*
Monatelang hielt es das durch.
*
Nur gelegentlich hörte man von ihm ein leises: «Ist das wieder diese ungültige Zervelatwurst
aus dem Konsum? Dieses Sonderangebot?»
*
Sein germanisch tiefsinnender Gesichtsausdruck hielt alle anderen zuverlässig davon ab, ihn
zu fragen, ob er sich denn auch so richtig schön amüsiere bei den alten BurgunderInnen.
Dergleichen Bemerkungen an den muffigen Tranig v. Hagen zu richten, dies hätte durchaus
in die Schneidezähne des Vorlauten gehen können!
*
Eines Tages klauten die Nibelungen – namentlich wären hier zu nennen: Gerenot, Giselher,
Rümolt, der Standortpfarrer Sigurd Schneckenschröder und Volker von Alzheim –, als sie
eine ausgelassene Spritztour mit einigen Burgmiezen in ihrem KdF-Kübelwagen machten,
den der grausam abgefüllte Schneckenschröder, ihr auf Bewährung angestellter geistlicher
Beistand, nach einer eskalierten Weinprobe aufmerksamerweise vollkübelte..., kurz und gut,
die Wormser Rasselbande entnahm ohne jegliche Form von Bezahlung einer Tankstelle drei
Stangen Zigaretten, zwei Flaschen Sechsämtertropfen sowie den neuesten Shell-Atlas und
entdeckte darin voller Begeisterung, dass es auf der anderen Seite des Schicksalsstromes,
anscheinend im Lodenwald, eine Nibelungenstrasse gab, von der noch nie zuvor Kunde an
ihre Ohren gedrungen war.
*
Im eilends einberufenen Thron-Rat herrschte zunächst Thron-Rat-Losigkeit, bis nach
längerer Zeit einer gellend schrie: «Nibelungen? Das sân doch mir??!!»
Die Herren waren erleichtert ob dieses Geistesblitzes, stimmten summend ihre Hofhymne
an: «Unsere Fahne wehet uns voran», ließen ihre ausdauerndsten Turnierhühner satteln,
schulterten stillvergnügt ihre feldgrauen Reichswehr-Felleisen, das Kochgeschirr, ihre
Gasmasken, etwas Knäckebrot, ihre zerlegbaren Feldessbestecke 08/15 und reichlich
Eierhandgranaten – ‹Friedlich, wenn in Grase liegt, scheißlich, wenn an Fresse fliegt› – und
radelten gemeinsam davon.
*
Drei Tage und zwölf Nächte suchte die burgundische Panzerknacker AG einen passenden
Ort, um Held S. mal unwiderruflich:
«eins zu geben auf die Bonje»,
wie hatte gesprochen der Herr von Tronje.
Dann fielen die ersten der burgundischen Reithühner röchelnd vor Heimweh sang- und
klanglos in sich zusammen, und die Zeit schien reif, ein germanistisches Armageddon
abzuziehen.
*
Es kam inmitten von verängstigten, erfolglos um Hilfe rufenden Rehen und Hirschen –
leichtgläubige Tiere allesamt, die ohne das rudimentärste Wissen um die Existenz der
gerade eröffneten Kampfzone leichtfüßig und -fertig in dieselbe galoppiert gekommen waren
– zur gewaltigen Entscheidungsschlacht, zum Völkerringen, in welchem in erster Linie der
Stabsgefreite Held S., Träges des Stählernen Kreuzes 3. Klasse, den süßsauren Heldentod
für Führer, Volk und Vaterland sterben durfte.
*
Und das durch schnöden Verrat, denn Mettwurst-Tronje war hinterbracht worden, dass Held
S. eine ganz besondere Stelle an seinem Körper hätte.
Brustschilde, die wie berichtet mit Held S.s allgemeinen und besonderen Körperteilen und stellen schon vorher Bekanntschaft gemacht hatte, war allerdings wider allen Erwartens des
geschockten Publikums, das vom Sperrsitz aus den germanischen Held S. so abgrundtief
bewundert hatte, nicht die Verräterin.
Sondern Kriemhild, die ein Parteiabzeichen auf Held Siegfrieds Wildbratenrock genäht hatte,
damit – aber das hatte sie noch nicht gewusst während ihrer Handarbeitsstunde –
Tronjehagen dem Helden S. ganz gepflegt eins überbraten könnte: Kimme, Korn, RAN!
*
Held Siegfrieds Ex-Frau, erst Kriemhild, danach Kriemwitwe und am Ende als Kreischhilde
hadernd Hinterbliebene des allerwertesten Verblichenen, die nicht vergessen wollte,
geschweige denn konnte, dass vieles höchstwahrscheinlich hätte vermieden werden können
– im günstigsten aller Fälle ja sogar das ganze Stück als solches, das wäre zu schön, um
wahr zu sein!! – mit ein wenig Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme, Toleranz,
Großherzigkeit, Entgegenkommen, Verzeihen, Verständnis, Einfühlungsvermögen,
Rücksichtnahme, Toleranz, Großherzigkeit, Entgegenkommen, Verzeihen, Verständnis etc.,
Kreisch-Hilde ließ sich von wilden, in ihrem Lebensstil stark retardierten Kerlen in eine
mongolische Jurte zerren, ass unheimlich viel Joghurt, beruhigte sich aber nicht wirklich,
sondern schmiedete schwarze Gedanken:
heiratete diesen dämlichen Etzel,
und es kam zum finalen Geschnetzel!
*
Der Nibelungen ENDE war damit glücklich gekommen! Und ab ging’s nach Walhalla!
**
These Nr. 4: Eine sexuelle Befreiung hat nicht stattgefunden. Was so erscheint, ist
blanker Kommerz & Lug & Trug.
Zugegebenermaßen ist die Passage: „Wo stehen wir heute bei der sexuellen Befreiung der
deutschen Frau“ in „Skandal! Skandal!“ die perfideste, und ich werde gar nicht erst wortreich
versuchen, aus ihr etwas Positives herauszuwringen; sie zielt allerdings, wenn auch – wie
der Rest des Buches – auf sehr verschlungenen Pfaden, nicht auf den vermeintlichen
Gegenstand, der heimtückisch und bösartig thematisiert wird mit „die deutsche Frau“,
sondern kolportiert so ziemlich alle Vorurteile, die über Sex und die entsprechenden
Geschlechterrollen im Umlauf sind.
*
«Es ist irgendwo dort draussen im Dschungel – und es ist hungrig...»
‹Ist meine Sexualität komplett meiner Art genetisch vorgegeben›, fragt sich die deutsche
Frau,‹inklusive aller ausgeprägten Unarten, womit Änderungsversuchen enge Grenzen
gesetzt wären, oder lernte ich das mir eigentümlich erscheinende, unheilschwangere
Sexualverhalten gezielt in zaghaften bis kühnen Selbst- und risikoreichen PartnersuchVersuchen?›
*
Ich hatte befürchtet, dass Sie diese Frage irgendwann an mich richten würden, habe es
kommen sehen; das ist das ewig Deutsche in Ihnen, das sie so etwas fragt lässt!
Bei deutschen Männern nennt man es das Faustische – Heinrich, mir graut vor dir! –, den tief
im Germanen verwurzelten Drang, seiner schicksalhaften Bedeutung eisern grübelnd
nachzuspüren.
*
Denn er hält sich für ein Unikat; im Gegensatz zum Ausländer, diesem Unikum, das nach wie
vor und sowieso am besten in seinem desolat organisierten Ausland aufgehoben ist, in dem
nichts wirklich reibungslos funktioniert, alle Wasserhähne tropfen, das Essen mit Knoblauch
und tranigem Olivenöl vorsätzlich ungenießbar gemacht wird, aus schmuddligen
Hotelzimmern Gepäck spurlos verschwindet, deutsche Autos zwecks fachgerechter
Komplettentnahme der Radios, Navigationssysteme, Kameras und Kreditkarten
aufgebrochen werden sowie die deutsche Frau nachts stundenlang allein auf der Strasse
rauchen kann, ohne jemals von dort herumstreunenden, sexhungrigen Ausländern
angesprochen zu werden.
*
Da diese zu dritt bis maximal viert in der Taverna oder Bodega sitzen, eine Germanisierung
der südlichen Trinksitten durch den Einsatz von Herrengedecken in Form von Becks-Bier mit
lauwarmen Trester-Rauhbränden im Verhältnis 1:1 durchführen und deren Unterhaltungen
nicht wesentlich über «achtzehn, zwanzig, zwo, null, vier, weg!» hinaus zu gedeihen
vermögen.
*
Wenn deutsche Männer Faustisches fragen, das heißt, wenn sie es überhaupt mal über sich
bringen, etwas zu fragen – für sie ist von der Vorsehung eher Denken als Reden angeordnet
worden –, hat der Deutschen Sprache keinen entsprechenden Ausdruck im Lexikon, und das
‹Gretesche› im deutschen Weibe harrte noch seiner philosophischen Entdeckung,
männlichen Betreuung und literarischen Ausbeutung – bis jetzt.“
*
Und warum in Zeiten der immer ungeschminkter grassierenden Profitgier jemand überhaupt
noch jemandem helfen sollte, das könnte man diabolischerweise so darstellen – was
wiederum auf eine Art von Nihilismus und Hoffnungslosigkeit hinausläuft, mit denen
„Skandal!“, neben anarchistischen Ausbrüchen, einiges enthält:
*
„Wenn Sie mir im Zuge unserer in Bälde stattfindenden Übertragung etwas kundzutun
haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn dies nicht in schriftlicher Form erfolgte. Das hat
nämlich schon anlässlich meiner letzten Patientin zu endlosen Debatten mit meiner Frau
geführt.
Genauso wollen wir es mit der Bezahlung meiner Ihnen demnächst zahlreich ins Haus
schneienden gesalzenen Rechnungen halten: immer schlicht um schlicht, Zug für Zug, brutto
gleich netto.
Großherzige Vorauszahlungen sind allzeit erwünscht; gerade hier bei unserer analytischen
Behandlung wäre eine übertriebene Sparsamkeit Ihrerseits fehl am Platze und
kontraproduktiv, der Befreiung aus Ihrem schauerlichen Seelengefängnis ganz und gar nicht
förderlich, dem Ergebnis höchst abträglich.
Wir wissen es ja alle: Bargeld lacht am erfreulichsten in kleinen, etwas abgegriffenen, nicht
durchgehend nummerierten Noten.
*
Es können durchaus auch mal nennenswerte Beträge in Schweizer Franken sein, ich bin da
sehr flexibler bei der Währungskonvertierung. Seien Sie vor allen Dingen nicht engherzig,
denn Geben ist seliger denn Nehmen, und der Herr liebt die, welche reichlich Almosen
verteilen, ohne da groß auf ein paar Tausender und den im Grunde für Ihr Seelenheil doch
wirklich nicht ausschlaggebenden Kontostand zu achten! Von Pfennigfuchsereien kann ich
nur dringend abraten!
Von Goldbarren bitte ich abzusehen, da ist mir kürzlich erst der Boden im Tresorraum
rausgefallen.
Diskreditierendes wie Quittungen auszustellen oder uns mit langweiligem Schreibkram zu
belasten, was uns wertvolle Zeit für Anamnesen und Irokesen auf der einen Seite sowie
Diagnose und Parodontose auf der anderen wegfrisst, diese Unarten wollen wir uns doch
bitte nicht angewöhnen! Kein Thema!
Schriftverkehr wird keiner geführt. Das hat nämlich schon anlässlich meiner letzten Patientin
zu endlosen Debatten mit diesem Blödmann von der Steuerfahndung geführt.“
*
These Nr. 5: Unser ganzes Leben hat sowieso keinen Sinn – es sei denn, es gelänge
uns, dass wir ihm einen verleihen könnten.
Sollte ihnen „Skandal! Skandal!“ wider Erwarten zu dieser durchaus bemerkenswerten
Einsicht verholfen haben, wünsche ich Ihnen viel Erfolg dabei, diese letzte These an Ihrem
eigenen Leben zu falsifizieren oder zu verifizieren. Das wäre dann das, was man sehr
treffend mit „Lebensaufgabe“ bezeichnet.
*
Und wenn Sie nun vollends und mit Mann und Maus der nicht auszuschließenden Meinung
sind, so einer wie ich, der solch ein Zeug zusammenschreibt, der gehört in eine Anstalt und
nicht in eine Schule, dann gebe ich Ihnen noch etwas Kryptisches zum Abschluss:
*
Aber eines ist gewiss, Jane Alexa Coupar und ihre Liebe zu mir sind niemals erloschen, sie
haben die Vernichtung der Burg überlebt, und mit ihrer Schwester vom See hat meine
Königin durch die Jahrhunderte hindurch geduldig auf mich gewartet.
Und eines Tages werde ich mich wieder aufmachen in das Schottische Hochland, um mit
meiner Jane Alexa Coupar blutige Hochzeit zu feiern.
*
Und mit unserer Vereinigung wird Camouflage in alter Pracht gewaltig wieder aufstehen, um
zu herrschen bis an den Beginn der Ewigkeit!
*
Was man ja durchaus als eine Liebeserklärung an alle Frauen ansehen könnte, sofern man
meine schottische Königin Jane Alexa mit ihrer geheimnisvollen Feuerlilie als Repräsentantin
für „die Frau als solche“ erkennt und womit meine schlimmsten Passagen in „Skandal!
Skandal!“ vielleicht in einem ganz anderen Licht erscheinen könnten.
Eine Frage bleibt allerdings offen:

Wer war (oder ist) Jane Alexa Coupar, The Rose of Kilmarnock?
Die Antwort darauf werde ich indes nicht veröffentlichen, sondern mit in mein Grab nehmen.
Und wenn irgend eine mitfühlende Seele Feuerlilien darauf pflanzte, dann wäre diese zutiefst
mitfühlende Tat das Ende aller von mir ausgelösten Skandale und würde mir im Tod
denjenigen Seelenfrieden geben, den ich im Leben nicht gefunden habe.
*
Ich danke Ihnen für Ihre unbeschreibliche Geduld.
***
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