Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Formale Logik 12. Sitzung Prof. Dr. Ansgar Beckermann Sommersemester 2005 Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Auch hier gilt wieder Wenn A′ eine optimal strukturreiche adäquate Übersetzung von A in PL ist, dann ist A genau dann prädikatenlogisch wahr, wenn A′ logisch wahr ist. Und Wenn die Sätze A′1, …, A′n und A′ optimal strukturreiche adäquate Übersetzungen der Sätze A1, …, An und A in PL sind, dann folgt A genau dann prädikatenlogisch aus den Sätzen A1, …, An, wenn A′ logisch aus den Sätzen A′1, …, A′n folgt. Universität Bielefeld Sprachliche Verabredung Wenn es für den deutschen Satz A eine adäquate Übersetzung A′ in PL gibt, die logisch wahr ist, dann nennt man den deutschen Satz A prädikatenlogisch wahr. Und ein umgangssprachliches Argument A1, …, An, Also: A nennt man prädikatenlogisch gültig, wenn es für die deutschen Sätze A, A1, …, An adäquate Übersetzungen A', A'1, …, A'n von PL gibt, für die gilt: A' folgt logisch aus A'1, …, A'n. Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Zwei Schritte 1. Finde eine optimal strukturreiche adäquate Übersetzung A′ von A in PL. 2. Prüfe, ob A′ logisch wahr ist. Beim zweiten Schritt gibt es zwei Möglichkeiten 1. Man versucht mit Hilfe der Wahrheitsbaummethode zu zeigen, dass A' logisch wahr ist. 2. Man versucht, durch Angabe eines Gegenbeispiels zu zeigen, dass A' nicht logisch wahr ist. Universität Bielefeld 1 Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Welchen Weg soll man zuerst einschlagen? Welchen Weg soll man zuerst einschlagen? Im allgemeinen ist folgendes Vorgehen sinnvoll: Im allgemeinen ist folgendes Vorgehen sinnvoll: • Wenn ein Gegenbeispiel auf der Hand liegt, dann kann man durch Angabe dieses Gegenbeispiels sofort nachweisen, dass A' nicht logisch wahr ist. • Wenn jedoch ein Gegenbeispiel nicht auf der Hand liegt, ist es vernünftig, zunächst die Wahrheitsbaummethode anzuwenden. Wenn sich dabei ein in allen Ästen geschlossener Wahrheitsbaum ergibt, ist die logische Wahrheit von A' gezeigt. Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung 1. Man untersucht zunächst, welche Namen (d.h. allgemein: Gegenstandsbezeichner) und Prädikate der zu übersetzende Satz A enthält, und ordnet diesen geeignete IK und PB zu, wobei man auf die Stellenzahl der Prädikate achten muss. Universität Bielefeld • Wenn sich aber der Wahrheitsbaum nicht abschließen lässt, hat man entweder einen Fehler gemacht oder A' ist doch nicht logisch wahr. Dann muss dann erneut versuchen, ein geeignetes Gegenbeispiel zu finden. Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze und Argumente Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung 2. Man versucht, in der im zuvor erörterten Weise mit Hilfe von Junktoren und Quantoren aus diesen IK und PB einen Satz von PL zu bilden, der (in etwa) dieselben Wahrheitsbedingungen hat wie A. Dabei muss zugleich ein geeigneter Bereich D gefunden werden. Universität Bielefeld 2 Beurteilung umgangssprachlicher Sätze Beurteilung umgangssprachlicher Sätze Beispiel 1. Schritt (Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung) (1) Wenn Hans einen Bruder hat und alle Brüder Verwandte sind, dann hat Hans einen Verwandten. Universität Bielefeld (1) Wenn Hans einen Bruder hat und alle Brüder Verwandte sind, dann hat Hans einen Verwandten. (1a) Hans ⇒ a (1b) … ist ein Bruder von --- ⇒ F2 (1c) … ist verwandt mit --- ⇒ G2 Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze Beurteilung umgangssprachlicher Sätze 1. Schritt (Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung) 2. Schritt (1) Wenn Hans einen Bruder hat und alle Brüder Verwandte sind, dann hat Hans einen Verwandten. D = a: F2: G2: (1′) Universität Bielefeld Überprüfen der logischen Wahrheit von (1′) ∃xF2xa ∧ ∀x∀y(F2xy → G2xy) → ∃xG2xa die Menge aller Menschen; Hans; … ist ein Bruder von ---; … ist verwandt mit ---. ∃xF2xa ∧ ∀x∀y(F2xy → G2xy) → ∃xG2xa Universität Bielefeld 3 1. √ ¬(∃xF2xa ∧ ∀x∀y(F2xy → G2xy) → ∃xG2xa) A (1) 2. √ ∃xF2xa ∧ ∀x∀y(F2xy → G2xy) 3. √ (1) ¬∃xG2xa ∃xF2xa (2) ∀x∀y(F2xy → G2xy) (2) 6. ∀x¬G2xa (3) 7. F2ba (4) 8. ¬G2ba (6) 9. ∀y(F2by → G2by) (5) → (9) 4. √ 5. 10. √ 11. F2ba ¬F2ba x G2ba 12. G2ba x Beurteilung umgangssprachlicher Sätze Beispiel (2) Wenn eine gerade natürliche Zahl größer als sie selbst ist, dann ist sie größer als alle ungeraden natürlichen Zahlen. (10) Universität Bielefeld Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze Beurteilung umgangssprachlicher Sätze 1. Schritt (Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung) 1. Schritt (Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung) (2) (2) Wenn eine gerade natürliche Zahl größer als sie selbst ist, dann ist sie größer als alle ungeraden natürlichen Zahlen. (2a) … ist eine gerade natürliche Zahl ⇒ F1 D = F1: G1: F2 : (2b) … ist eine ungerade natürliche Zahl ⇒ G1 (2c) … ist größer als --- Wenn eine gerade natürliche Zahl größer als sie selbst ist, dann ist sie größer als alle ungeraden natürlichen Zahlen. ⇒ F2 die Menge der natürlichen Zahlen; … ist eine gerade natürliche Zahl; … ist eine ungerade natürliche Zahl; … ist größer als ---. (2′) ∀x( F1x ∧ F2xx → ∀y(G1y → F2xy) ) Universität Bielefeld Universität Bielefeld 4 Beurteilung umgangssprachlicher Sätze 1. √ 2. √ 2. Schritt ¬∀x(F1x ∧ F2xx → ∀y(G1y → F2xy)) A ∃x¬ (F1x ∧ F2xx → ∀y(G1y → F2xy)) (1) ¬(F1a ∧ F2aa → ∀y(G1y → F2ay)) (2) Überprüfen der logischen Wahrheit von 3. √ 4. √ F1a ∧ F2aa (3) (2′) ∀x( F1x ∧ F2xx → ∀y(G1y → F2xy) ) 5. √ ¬∀y(G1y → F2ay) (3) 6. F1a (4) 7. 8. √ 9. √ F2aa (4) (5) Universität Bielefeld ¬(G1b → F2ab) (8) 10. G1b (9) 11. ¬F2ab (9) Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Sätze 2. Schritt Beurteilung umgangssprachlicher Argumente Beispiel Überprüfen der logischen Wahrheit von (2′) ∃y¬(G1y → F2ay) ∀x( F1x ∧ F2xx → ∀y(G1y → (3) F2xy) ) (P1) (P2) (K) Väter sind älter als ihre Kinder. Paul ist nicht älter als Hans. Paul ist nicht der Vater von Hans. Gegenbeispiel D = F1: G1: F2 : Universität Bielefeld die Menge der natürlichen Zahlen; … ist eine gerade natürliche Zahl; … ist eine ungerade natürliche Zahl; … ist gleich ---. Universität Bielefeld 5 Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 1. Schritt (Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung) (3) (P1) (P2) (K) (3a) (3b) (3c) (3d) Paul Hans … ist der Vater von --… ist älter als --- Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 1. Schritt (3) Väter sind älter als ihre Kinder. Paul ist nicht älter als Hans. Paul ist nicht der Vater von Hans. ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ a b F2 G2 Universität Bielefeld (3′) (P1) (P2) (K) Väter sind älter als ihre Kinder. Paul ist nicht älter als Hans. Paul ist nicht der Vater von Hans. D = die Menge aller Menschen; a: Paul; b: Hans; … ist der Vater von ---; F2: … ist älter als ---. G2 : (P1′) ∀x∀y(F2xy → G2xy) (P2′) ¬G2ab (K′) ¬F2ab Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Argumente Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 2. Schritt 1. ∀x∀y(F2xy → G2xy) A Prüfen ob 2. ¬G2ab A (K′) 3. ¬¬F2ab A ¬F2ab 4. logisch aus folgt. Universität Bielefeld (P1′) ∀x∀y(F2xy → G2xy) (P2′) ¬G2ab ∀y(F2ay und (1) F2ab → G2ab 5. √ 6. → G2ay) ¬F2ab x 7. (4) G2ab x (5) Universität Bielefeld 6 Beurteilung umgangssprachlicher Argumente Beispiel (4) (P1) (P2) (K) Kein Hund ist eine Katze. Keine Katze ist ein Vogel. Kein Hund ist ein Vogel. Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 1. Schritt (Finden einer optimal strukturreichen Übersetzung) (4) (P1) (P2) (K) Kein Hund ist eine Katze. Keine Katze ist ein Vogel. Kein Hund ist ein Vogel. (4a) … ist ein Hund (4b) … ist eine Katze (4c) … ist ein Vogel Universität Bielefeld Universität Bielefeld Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 1. Schritt (4) (P1) (P2) (K) Universität Bielefeld (P1′) (P2′) (K′) Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 2. Schritt Kein Hund ist eine Katze. Keine Katze ist ein Vogel. Kein Hund ist ein Vogel. D = die Menge aller Tiere; … ist ein Hund; F1: … ist eine Katze; G1: … ist ein Vogel. H1: (4′) ⇒ F1 ⇒ G1 ⇒ H1 Prüfen ob (K′) ¬∃x(F1x ∧ H1x) logisch aus (P1′) ¬∃x(F1x ∧ G1x) und (P2′) ¬∃x(G1x ∧ H1x) folgt. ¬∃x(F1x ∧ G1x) ¬∃x(G1x ∧ H1x) ¬∃x(F1x ∧ H1x) Universität Bielefeld 7 1. √ 2. √ ¬∃x(F1x ∧ G1x) A ¬∃x(G1x ∧ H1x) A A 3. √ 4. ¬¬∃x(F1x 5. ∧ ∀x¬(F1x ∧ G1x) H1x) (1) ∀x¬(G1x ∧ H1x) (2) 6. √ ∃x(F1x ∧ H1x) (3) 7. √ F1a ∧ H1a (6) 8. F1a (7) 9. H1a (7) 10. √ ¬(F1a ∧ G1a) (4) 11. √ ¬(G1a ∧ H1a) (5) 12. ¬F1a x 14. Universität Bielefeld ¬G1a 13. ¬G1a 15. ¬H1a x Beurteilung umgangssprachlicher Argumente 2. Schritt Prüfen ob (K′) ¬∃x(F1x ∧ H1x) logisch aus (P1′) ¬∃x(F1x ∧ G1x) und (P2′) ¬∃x(G1x ∧ H1x) folgt. Gegenbeispiel D = F1: G1: H1 : (10) (11) die Menge aller Tiere; … ist ein Hund; … ist eine Katze; … ist ein Hund. Universität Bielefeld 8