Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit in Berlin auf Große

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Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz
II B 34
9028 2829
An die Vorsitzende
des Ausschusses für Gesundheit,
Soziales, Migration und Verbraucherschutz
des Abgeordnetenhauses von Berlin
Antwort
auf die Große Anfrage
der Fraktion der SPD des Abgeordnetenhauses von Berlin und der Fraktion der
PDS des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 26. Januar 2003
über Frauengesundheit
Drucksache Nr. 15/1296
I. Frauengesundheit und Landespolitik
1. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat von Berlin aus dem Bericht der
Bundesregierung von 2001 zur gesundheitlichen Situation von Frauen in
Deutschland und welcher besondere Handlungsbedarf ergibt sich im Bereich
Frauengesundheit unter Berücksichtigung der in Berlin vorhandenen
Kapazitäten?
Mit dem Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland ist eine
Grundlage geschaffen worden, die darlegt, dass geschlechterdifferenzierte
Herangehensweisen im Gesundheitswesen nicht nur sinnvoll, sondern vielmehr
dringend notwendig sind, um zielgenaue Angebote entwickeln zu können. Dieser
Bericht hat dazu beigetragen, für das Thema Frauengesundheit zu sensibilisieren und
das allgemeine Bewusstsein für eine geschlechterdifferenzierende Herangehensweise
im Gesundheitswesen zu schärfen.
Der Frauengesundheitsbericht Deutschland zeigt zum Beispiel auf, dass die Symptome,
die beim Herzinfarkt auftreten, sich bei Männern und Frauen häufig verschieden
äußern, zum Teil mit der Folge, dass ein Herzinfarkt bei Frauen nicht rechtzeitig erkannt
wird.
In Berlin sind durch das Berliner Herzinfarktregister wesentliche Erkenntnisse auf dem
Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Frauen möglich geworden. Diese gilt es zu
nutzen und auszubauen. In der Gesundheitsberichterstattung Berlin wird dies
ausführlich thematisiert. Darüber hinaus gibt es Initiativen wie z.B. Symposien des
Universitätsklinikums Charité zum Thema „Frau und Herzerkrankung“. Der Berliner
Frauengesundheitsbericht 2002 – der demnächst vorgelegt wird - berichtet über diese
und andere Initiativen.
2
Der Frauengesundheitsbericht Deutschland hat zudem Themen ins Blickfeld gerückt,
die außerhalb der Fachwelt nur wenig Beachtung gefunden hatten, wie z.B. die latente
Gefahr der Medikamentenabhängigkeit älterer Frauen, das gesamte Problemfeld
häuslicher Gewalt und die Diskussion über den Umgang mit einem vorhandenen
Kinderwunsch bei geistig Behinderten.
Im Land Berlin hat die Auseinandersetzung mit den damit zusammenhängenden
Fragen schon vor geraumer Zeit begonnen; ein Beispiel dafür ist der Arbeitskreis
„Sexualität, Partnerschaft und Behinderung“, der vom Landesamt für Gesundheit und
Soziales geleitet und moderiert wird und bereits seit 1995 existiert. Er besteht aus
Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichsten Berliner Institutionen und
Beratungsstellen der Behindertenhilfe. Dieser Arbeitskreis hat im November 2000 eine
Fachtagung zu diesem Thema veranstaltet und eine Handreichung mit dem Titel
„Menschen mit Behinderung als Mütter und Väter!?“ erarbeitet und herausgegeben.
Häusliche Gewalt ist ebenfalls ein Thema, das in Berlin ein besonderer
Handlungsschwerpunkt ist und bei dem bereits richtungweisende Weichenstellungen –
wie mit dem im März 2002 beschlossenen Berliner Aktionsplan zur Bekämpfung von
häuslicher Gewalt - erfolgt sind. Dies wird unter IV. ausführlicher dargestellt.
Innovativer Handlungsansätze und Initiativen bedarf es auch für die Gestaltung von
Gesundheitsangeboten für Migrantinnen; dies stellt auch der Frauengesundheitsbericht
Deutschland fest, der diese Zielgruppe aus verschiedenen Gründen nicht eingehend
thematisiert, dies aber als erforderlich und notwendig benennt. Im Berliner
Frauengesundheitsbericht wird zur gesundheitlichen Situation von Migrantinnen in
Berlin ausführlich Stellung genommen werden. Dies geschieht insbesondere vor dem
Hintergrund, dass im Land Berlin Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten intensiver
Auseinandersetzung mit Integrationsfragen zur Verfügung stehen. Die Erkenntnis, dass
Gesundheitsangebote und –konzepte für die deutsche Bevölkerung nicht einfach nur
übertragen werden können, sondern den jeweiligen kulturellen Kontext berücksichtigen
müssen, beinhaltet(e) einen Lernprozess, der keineswegs abgeschlossen ist.
Insgesamt hat der Frauengesundheitsbericht Deutschland deutlich gemacht, dass
geschlechtersensible Herangehensweisen im Gesundheitswesen in vielen Bereichen
noch entwicklungsbedürftig sind; häufig fehlt es bereits an der Erhebung
geschlechterdifferenzierter Daten. Der Berliner Frauengesundheitsbericht wird zu dem
Schluss kommen, dass ein notwendiger Schritt eine geschlechts- und
nationalitätendifferenzierte Datenerfassung in allen Gesundheitsbereichen wäre, um
eine geschlechtersensible Aus- und Bewertung konsequent durchführen und etwaige
nationalitätenbezogene Abweichungen überhaupt aufspüren zu können.
Als ein anzustrebendes Ziel wird der Berliner Frauengesundheitsbericht 2002 die
erneute Durchführung eines Gesundheits- und Sozialsurveys für die Berliner
Bevölkerung benennen. Damit könnten Entwicklungen im Vergleich zum 1991er Survey
gezeigt und insbesondere Fragen der subjektiven Morbidität, zur (Selbst-) Medikation,
zum Gesundheitsverhalten, zur Inanspruchnahme von medizinischen und sozialen
Angeboten sowie zum Zusammenhang von gesundheitlichen und sozialen Aspekten
erkannt und ausgewertet werden.
3
Grundsätzlich wurde mit dem Senatsbeschluss, das Gender Mainstreaming
flächendeckend in der Berliner Verwaltung einzuführen, die Voraussetzung dafür
geschaffen, dass alle politischen Handlungsfelder systematisch im Hinblick auf ihre
Auswirkungen auf die Geschlechtergerechtigkeit betrachtet werden. Die damit
verbundene Entwicklung einer geschlechtssensiblen und –differenzierten Sichtweise
auf Gesundheit und Krankheit stellt einen weiteren Schritt hin zu einer Verbesserung
der Berliner Angebotsstruktur im Gesundheitsbereich dar.
2.
Welche Initiativen, Anträge und Forderungen zur Frauengesundheit wurden
von Berlin in den Jahren 2001 und 2002 im Rahmen der Gesundheits- bzw.
Frauenministerkonferenzen der Länder eingebracht, unterstützt und
umgesetzt?
Im Jahr 2002 wurden von Berlin zwei Anträge in die Konferenz der Gleichstellungs- und
Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und –senatoren der Länder (GFMK)
eingebracht und dort einstimmig beschlossen. Es handelt sich im einzelnen um die
Anträge “Gesundheitliche Versorgung gewaltbetroffener Frauen“ und „Gesundheitliche
Versorgung gewaltbetroffener Frauen - Forschung“.
Ausgehend von Kenntnisdefiziten der im Gesundheitswesen Beschäftigten über die
Auswirkungen von Gewalt auf die körperliche und psychische Gesundheit der Frauen
und der daraus folgenden defizitären psychischen und medizinischen Versorgung
wurden
die
Bundesministerin
für
Gesundheit
bzw.
Einrichtungen
des
Gesundheitswesens aufgefordert, sich für
 eine Sensibilisierung der im Gesundheitswesen Beschäftigten,
 Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte/innen,
 Leitlinien zur Diagnostik und Versorgung gewaltbetroffener Frauen,
 die Einarbeitung der Thematik in die Weiterbildungsverordnungen der
Ärztekammern,
 die Erstellung von Informationsmaterialien durch die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung
einzusetzen. In einem gesonderten Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert,
einen Forschungsauftrag zu den gesundheitlichen Folgen von häuslicher und sexueller
Gewalt zu vergeben, der auch die Folgekosten für das Gesundheitswesen
berücksichtigt.
In Berlin ist durch Einwirken der Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Arbeit und Frauen
und Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz und durch das Netzwerk
Frauengesundheit Berlin das Thema gesundheitliche Folgen von Gewalt gegen Frauen
und deren gesundheitliche Versorgung bei der Ärztekammer und den Kassen
(insbesondere bei der AOK Berlin) aufgegriffen worden. Es haben bereits
entsprechende Maßnahmen (Informationen für Ärzte/innen und Versicherte)
stattgefunden. Eine weitere Zusammenarbeit ist geplant.
Weiterhin hat das Land Berlin in den Jahren 2001 und 2002 folgende Anträge in die
GFMK mit eingebracht oder unterstützt:
4
2001:
1. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, rechtliche Voraussetzungen zur
Ermöglichung einer anonymen Geburt als ergänzende Maßnahme zu prüfen.
2. Die GFMK hat eine Resolution zum Thema Fortpflanzungsmedizin gefasst und
eine Sonderkonferenz der GFMK zum Thema Fortpflanzungsmedizin
beschlossen.
3. Die GFMK hat die Bundesregierung aufgefordert, im Rahmen des Programms
„Gesundheitsforschung: Forschung für den Menschen“ einen Kriterienkatalog für
geschlechtsspezifische Aspekte bei Gesundheitsforschungsvorhaben zu
entwickeln,
Gutachtergremien
für
Projekte
des
Gesundheitsforschungsprogramms
paritätisch
zu
besetzen
und
frauenspezifische
Aspekte
bei Gesundheitsforschungsprogrammen
zu
finanzieren.
2002:
Die GFMK hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gebeten,
1. u. a. die Bundesgesundheitsberichterstattung unter geschlechtsspezifischen
Kriterien weiterzuentwickeln.
2. (und das Bundesministerium für Bildung und Forschung), das Prinzip des
Gender Mainstreaming bei allen Aktivitäten der Gesundheitspolitik und der
Gesundheitsforschung umzusetzen.
3. Informationsmaterial zu den Wechseljahren, das diese Lebensphase
insbesondere unter einem gesellschaftlich-kulturellen Blickwinkel betrachtet,
entwickeln zu lassen.
4. nationale Maßnahmen zur Umsetzung der von der Europäischen Kommission
empfohlenen Verbesserungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von
Brustimplantaten darzulegen.
Die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerinnen und Minister,
Senatorinnen und Senatoren der Länder (GMK) behandelt die Thematik Frauen und
Gesundheit seit Jahren jeweils als eigenen Themenblock. Sie findet daneben aber auch
Eingang in Beschlüsse im Rahmen anderer Themenblöcke der GMK.
Das Land Berlin hat 2002 einen Antrag zur Einrichtung eines nationalen
embryonaltoxikologischen Referenzzentrums eingebracht. Hintergrund des Antrags
bzw. Beschlusses der GMK ist, dass das Land Berlin nunmehr die bundesweit einzige
spezialisierte Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie – EB - betreibt, die von allen
Bundesländern in unterschiedlicher Intensität genutzt wird und faktisch als einzige
derartige Stelle in Deutschland bereits Dokumentation und Auswertung betreibt und
deshalb gemäß dieser Inanspruchnahme zu einem nationalen Referenzzentrum
ausgebaut werden sollte. Sie erfüllt damit eine wichtige Funktion für Frauen, die auf die
Einnahme von Arzneimitteln in der Schwangerschaft angewiesen sind. Die EB ist Teil
des Berliner Betriebs für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben - BBGes.
Die EB gehört zu den Gründungsmitgliedern der 1990 eingerichteten europäischen
teratologischen Fachgesellschaft ENTIS. Die Kooperation mit anderen EmbryotoxInstituten in Europa, Israel und Nordamerika ist Voraussetzung für ein Frühwarnsystem
zur Aufdeckung neuer Teratogene (Substanzen, die Missbildungen verursachen) und
für die Präzisierung von Arzneimittelrisiken.
5
Embryotox-Zentren verfügen durch regelmäßige Auswertung aktueller Fachliteratur und
eigene wissenschaftliche Forschungsarbeit über den bestmöglichen Überblick zum
aktuellen Kenntnisstand und können diesen für eine individuelle Beratung
zusammenfassen.
Das Referenzzentrum Embryonaltoxikologie stellt den vor Ort beratenden Fachärzten
(Gynäkologen/innen, Humangenetiker/innen, Pränataldiagnostiker/innen), regionalen
Beratungsstellen, Giftinformationszentren, Gesundheitsbehörden etc. aktuelle
Informationen zur Verfügung. Diese basieren auf regelmäßiger Auswertung
einschlägiger Fachliteratur und Kooperation mit anderen Zentren in Europa und
erlauben eine Risikoabschätzung auch in seltenen und komplizierten Situationen einer
Schwangeren. Sie stellen eine rationale Grundlage dar für Therapieempfehlungen
einerseits und für das Management nach Anwendung riskanter Arzneimittel
andererseits.
Denn nicht selten lässt sich in der Praxis beobachten, dass
 notwendige Behandlungen unterbleiben oder unzureichend erprobte Arzneimittel
verordnet werden oder
 nach bereits erfolgter Medikation erwünschte und intakte Schwangerschaften
abgebrochen werden oder
 überzogene Diagnostik aus Furcht vor vermeintlicher Arzneimittelschädigung
praktiziert wird.
Fehlentscheidungen solcher Art verursachen nicht nur unnötiges Leiden, sondern auch
immense vermeidbare Kosten.
Die EB trägt durch individuelle Beratung und Fachöffentlichkeitsarbeit z.B. mittels des
von dort herausgegebenen Lehrbuchs Schaefer/Spielmann „Arzneiverordnung in der
Schwangerschaft und Stillzeit“ für Ärztinnen/Ärzte und Apotherkerinnen/Apotheker
konkret dazu bei,


äußerlich verursachte Missbildungen zu verhüten und
Schwangerschaftsabbrüche
und
überzogene
Diagnostik
Risikoüberschätzung zu vermeiden.
aufgrund
von
Die Dokumentation und wissenschaftliche Auswertung beratener Schwangerschaften
über die Geburt hinaus ist Bestandteil des Konzepts eines Referenzzentrums und stellt
neben der Beratungstätigkeit eine ebenso wichtige Aufgabe dar. Denn zu den meisten
heute verfügbaren Medikamenten und auch zu Schadstoffen in der Umwelt und am
Arbeitsplatz gibt es keine oder nur unzureichende Informationen zu Auswirkungen auf
die Schwangerschaft bzw. auf die embryonale Entwicklung.
Da keine anderen Institutionen systematisch Auswirkungen von Arzneimitteln bei
Schwangeren und Stillenden beobachten, sind Embryotox-Zentren eine einmalige
Datenquelle zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit in diesem Bereich. Das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als nationale Zulassungsbehörde
für Arzneimittel – BfArM - sieht daher einen dringenden Kooperations-Bedarf mit der
Berliner Embryonaltoxikologie. Durch den Ausbau der Einrichtung erwartet man eine
größere Datenbasis, die präzisere Angaben zum Arzneimittelrisiko erlaubt und mittels
derer aufkommende Verdachtsmomente gegen einzelne Arzneimittel fundierter
widerlegt oder bestätigt werden können.
6
Ziel des Antrags war es, die jahrelangen Erfahrungen der Berliner Beratungsstelle zu
erhalten und sie einfließen zu lassen in ein nationales Referenzzentrum. Es soll ein
Finanzierungskonzept für diese Einrichtung erarbeitet werden, an dem sich die anderen
Bundesländer beteiligen sollen. Der Bund prüft, ob finanzielle Mittel zugewiesen werden
können auf der Grundlage eines Werkvertrages, wenn das Referenzzentrum Aufgaben
für das BfArM erfüllt. So könnte die systematische Erfassung und Dokumentation von
Risiken der Arzneimittelanwendung in der Schwangerschaft, das Erstellen von
Arzneimittelprofilen, besondere Anfragen zu Arzneimittelgruppen und eine
systematische Zusammenarbeit mit Fehlbildungsregistern zu einer erhöhten Sicherheit
bei der Arzneimittelanwendung in der Schwangerschaft führen.
Wenn 2003 keine Aussicht auf ein länderübergreifendes Finanzierungskonzept
beschlossen und die EB geschlossen würde, gäbe es in Deutschland keine Einrichtung
mehr, die Arzneimittelnebenwirkungen auf die vorgeburtliche Entwicklung systematisch
registriert und Rat beim Management von potentiell riskanten Einwirkungen in der
Schwangerschaft gibt. Das wäre (im ohnehin noch unzureichend erforschten Bereich
der
Arzneimittelsicherheit
des
Kindes)
wissenschaftlich
untragbar
und
präventionsmedizinisch ein Rückschritt. Das bevölkerungsreichste Land Europas wäre
dann international nicht mehr in diesem Bereich vertreten.
Die GMK hat außerdem in den Jahren 2001 und 2002 diverse Anträge zum Thema
Frauengesundheit beschlossen, die vom Land Berlin unterstützt wurden.
Bei der Umsetzung der Beschlüsse ist zu berücksichtigen, dass sich der weitaus
überwiegende Teil an das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
bzw. an Bundesgremien im Rahmen der Selbstverwaltung richtet, da hier überwiegend
auf bundesgesetzlich zu regelnde Umstände Einfluss genommen werden soll. Insofern
ergibt sich aus den Beschlüssen der GMK nur gelegentlich eine unmittelbare
Handlungsverantwortung für das Land Berlin. Das Land Berlin beteiligt sich
selbstverständlich an der verbindlichen Arbeit länderübergreifender Gremien, aber auch
z.B. in der länderoffenen Arbeitsgruppe der GMK „Bioethik und Recht“, die sich u.a. mit
Fragen der Präimplantationsdiagnostik befasst.
Eine Erfolgskontrolle über die Umsetzung aller GMK – Beschlüsse erfolgt zur jeweils
nächsten GMK. Nicht in jedem Fall kann aber zu diesem Zeitpunkt bereits festgestellt
werden, dass das Ziel des jeweiligen GMK-Beschlusses erreicht ist. In solchen Fällen
werden jedoch auf Antrag auch weiter zurückliegende GMK-Beschlüsse erneut einer
Erfolgskontrolle unterworfen und gegebenenfalls erneute Beschlüsse in späteren
Konferenzen gefasst. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung eines qualitätsgestützten
Mammographie-Screenings und die adäquate Behandlung von Brustkrebs, die die GMK
seit mehreren Jahren beschäftigen.
Aufgrund der Vielzahl der zum Thema Frauengesundheit gefassten GMK-Beschlüsse
und der Vielzahl der Adressaten der Beschlüsse werden im Folgenden neben den
Beschlüssen der GMK, die vom Land Berlin unterstützt wurden, nur diejenigen
Umsetzungsstände mitgeteilt, bei denen die Länder und somit das Land Berlin
Adressaten des jeweiligen GMK-Beschlusses sind.
2001:
7
1. Die GMK hat die Bundesregierung aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen
zur Ermöglichung einer anonymen Geburt für besondere Notfälle als
ergänzenden Bestandteil eines ganzheitlichen Hilfeangebots zu schaffen.
2. Die GMK hält es für notwendig, geschlechtsspezifische Aspekte von Gesundheit
und Krankheit als Voraussetzung für eine qualitätsgesicherte, wirksame
Diagnostik und Behandlung zu berücksichtigen, Angebote der Prävention
verstärkt
geschlechtsspezifisch
auszurichten
und
die
Gesundheitsberichterstattung verstärkt nach Geschlecht zu differenzieren. Sie
hält eine Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildungsinhalte in den
Gesundheitsberufen für notwendig und hat an die Forschungseinrichtungen
appelliert, geschlechtsspezifische Fragen zu unterschiedlichen Ausprägungen
von Krankheitsentstehung, -verlauf und –behand-lung stärker zu berücksichtigen.
Umsetzungsstand im Land Berlin:
Geschlechtsspezifische Aspekte von Gesundheit und Krankheit wurden auch
schon in der Vergangenheit bei Angeboten der Prävention berücksichtigt.
Verschiedene
Beispiele
werden
im
in
Kürze
vorliegenden
Frauengesundheitsbericht Berlin dargestellt. Auch in Zukunft wird der Senat im
Rahmen
seiner
Einflussmöglichkeiten
darauf
hinwirken,
dass
geschlechtsspezifische Aspekte bei Präventionsangeboten angemessen
berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Berliner Gesundheitsberichterstattung (GBE) werden alle
verwendeten Indikatoren – z.B. zu den Themen Gesundheitszustand, -verhalten,
ambulante und stationäre Versorgung, Beschäftigte im Gesundheits- und
Sozialwesen – geschlechtsspezifisch dargestellt und beschrieben. Auch die
soziodemographischen Basisinformationen (z.B. Altersstruktur, Schul- und
Ausbildungsabschluss, Einkommen, Erwerbstätige, Arbeitslose) sind nach
Geschlecht differenziert. Mit dem Jahresgesundheitsbericht und den
Spezialberichten zur Gesundheitsberichterstattung liegen somit regelmäßig
Daten vor, die eine geschlechtsspezifische Betrachtung ermöglichen.
Für die Inhalte der Ausbildung z.B. in der Krankenpflege sind in Berlin die
Krankenpflegeschulen selbst die für die Curricula Verantwortlichen. Der Senat
hat die Krankenpflegeschulen gebeten, den Beschluss der GMK bei der
Weiterentwicklung der Curricula zu berücksichtigen.
Bezüglich der Forschung wird auf den Teil II. verwiesen.
3. Die GMK hat die Bundesregierung gebeten, im Rahmen des Gesundheitsforschungsprogramms „Forschung für den Menschen“ ausreichende Finanzmittel
zu reservieren, um gezielt frauenspezifische Gesundheitsaspekte aufgreifen zu
können und dafür Sorge zu tragen, dass Gutachtergremien für Projekte und –
verbünde im Forschungsprogramm geschlechtsparitätisch besetzt werden.
4. Die GMK hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gebeten, zur
Produktsicherheit von Brustimplantaten und zur medizinisch-ärztlichen
Betreuung eine abgestimmte fachliche Einschätzung herbeizuführen und der
GMK darüber zu berichten.
5. Die GMK hat das BMG gebeten, sich dafür einzusetzen, dass auch in
Deutschland epidemiologische Studien zur Quantifizierung der Nutzen und
Risiken einer Hormonersatztherapie (in den Wechseljahren) durchgeführt werden
und entsprechende neutrale und sachgerechte Informationsmaterialien zu
erstellen und für eine flächendeckende Verbreitung Sorge zu tragen.
8
6. Die GMK hat den Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen ersucht, in die
Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach
der Entbindung die Untersuchung zur Früherkennung des Gestationsdiabetes
mellitus einzubeziehen.
7. Die GMK hat das BMG gebeten, die Ausbildungslage in der Krankenpflege zu
verbessern und die Krankenpflegeausbildung neu zu ordnen.
2002:
1. Die GMK hat die AG der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
gebeten, einen Leitfaden und qualitätssichernde Standards für die Diagnostik
und Versorgung für die gesundheitliche Versorgung von „häuslicher Gewalt“
betroffener Frauen und Kinder zu erstellen und zu veröffentlichen. Weiterhin hat
die GMK die Bundesministerin für Bildung und Forschung gebeten, die
medizinische (auch psychosoziale) Versorgung der von „häuslicher Gewalt“
betroffenen Frauen und Kinder zu einem Forschungsschwerpunkt zu machen
und vermehrt entsprechende Forschungsaufträge zu vergeben.
Die GMK hat die Ärztekammern gebeten, diese Problematik bei der geplanten
Überarbeitung der Weiterbildungsordnung und in der ärztlichen Fortbildung zu
berücksichtigen.
Umsetzungsstand in Berlin:
S. Ausführungen zu Teil IV.
2. Die GMK hat das BMG gebeten, darauf hinzuwirken, dass eine hohe Qualität in
Diagnostik und Behandlung von Brustkrebs flächendeckend auf der Basis
evidenzbasierter Leitlinien gewährleistet wird. Für den Fall, dass die
Selbstverwaltung bis Ende 2003 ihrer Zusage zur flächendeckenden Einführung
des Mammographie-Screenings nicht nachgekommen sein sollte, hat die GMK
das BMG aufgefordert, schnellstmöglich die Grundlagen für ein
flächendeckendes Mammographie-Screening zu schaffen.
3. Die GMK hat den Bericht des BMG zur Produktsicherheit von Brustimplantaten
begrüßt und das Ministerium aufgefordert, die diesbezüglichen Empfehlungen
der Europäischen Kommission zeitnah umzusetzen.
4. Im Zusammenhang mit der Befassung zum Thema „Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen – Prävention, Früherkennung und Frühförderung müssen verstärkt
werden“
hat
die
GMK
für
eine
Weiterentwicklung
der
Gesundheitsberichterstattung
unter
verstärkter
Berücksichtigung
auch
geschlechtsspezifischer Aspekte plädiert.
Umsetzungsstand in Berlin:
Im Land Berlin werden basierend auf den Einschulungsuntersuchungen
Kindergesundheitsberichte
veröffentlicht.
Die
Daten
werden
geschlechterbezogen z. B. bezogen auf Impfungen oder Übergewicht analysiert.
5. Die GMK hat die Arbeitsgruppe „Prävention, Gesundheitsförderung,
Rehabilitation und Sozialmedizin“ der Arbeitsgemeinschaft der obersten
Landesgesundheitsbehörden gebeten, die Aufnahme der Methode (Säuretests
bei Schwangeren) zur Vermeidung von Frühgeburtlichkeit als Leistung der
gesetzlichen Krankenversicherung zu prüfen. Die Ergebnisse sollen der
diesjährigen GMK vorgelegt werden.
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3.
Wie soll das vom Senat angekündigte stärkere Engagement im Netzwerk
Frauengesundheit Berlin konkret aussehen ?
Der Senat hat sich von Anbeginn für die Gründung des Netzwerks Frauengesundheit
Berlin stark gemacht, das sich nach einjähriger Vorbereitungsphase im Dezember 2001
gegründet hat. In diesem Bündnis mit heute ca. 45 Mitgliedsorganisationen - Vereinen,
Verbänden, Behörden, wissenschaftlichen Einrichtungen, Projekten - arbeiten dauerhaft
und verbindlich Fachfrauen aus verschiedenen Institutionen (Universitäten, Kliniken,
Projekten, Verbänden, Bezirken, Senatsverwaltungen). Vorrangiges Anliegen des
Netzwerkes ist es, die gesundheitlichen Belange von Mädchen und Frauen
gleichberechtigt in die maßgeblichen Strukturen des Gesundheitswesens und andere
die Gesundheit von Frauen beeinflussende Bereiche der Gesellschaft zu integrieren
und die gesundheitlichen Chancen von Frauen zu verbessern.
Als aktuelle Handlungsfelder mit besonderer Priorität hat das Netzwerk
Frauengesundheit Berlin die Themen „Verbesserung der Qualität im Bereich der
Brustkrebsfrüherkennung und der kurativen Mammografie“ und die „Sensibilisierung der
verschiedenen Bereiche des Gesundheitssystems für die Erkennung von und den
Umgang mit den physischen und psychischen Auswirkungen von Gewalterfahrungen
bei Patientinnen“ erklärt.
Das Thema Gewalt stand bereits in der Gründungsphase des Netzwerks
Frauengesundheit Berlin im Blickpunkt: Die Fachtagung „...Als wäre nichts gewesen –
der Umgang des Gesundheitswesens mit von Gewalt betroffenen Frauen“ wurde im
September 2001 von der ehemaligen Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen
in Kooperation mit der Initiative Netzwerk Frauengesundheit Berlin durchgeführt.
Zum Thema Brustkrebs beobachtet und forciert das Netzwerk die von der
Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV Berlin) abgeforderte Zertifizierung der
Radiologen/innen für eine qualitätsgesicherte Mammographieerstellung.
Es führt Gespräche aus Patientinnensicht mit den zuständigen Einrichtungen zum
Thema Disease-Management-Programme für Brustkrebs. Dazu wurden Forderungen
entwickelt, die bei der Erstellung der Programme (laut Auskunft der KV Berlin ab April
2003) berücksichtigt werden sollen.
Außerdem setzt sich das Netzwerk Frauengesundheit Berlin für die Einrichtung
zertifizierter Brustzentren in Berlin ein und bietet hierzu, gemeinsam mit ihrer
Mitgliedsorganisation „Ärztinnen gegen Brustkrebs e.V.“ an, ein entsprechend den
EUSOMA - Richtlinien gestaltetes Vorhaben (Modell) in Berlin durchzuführen. Das o.g.
Angebot ist den zuständigen Kassen, der KV Berlin und der Ärztekammer bekannt und
wird von allen positiv bewertet.
Ein weiteres Anliegen des Netzwerks ist die fachlich-kritische Begleitung des in Kürze
erscheinenden Berliner Frauengesundheitsberichts und daraus abzuleitende
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Handlungsnotwendigkeiten für Berlin. So ist die Fachkompetenz des Netzwerks bereits
in die Erarbeitungsphase des Berichts mit eingeflossen.
An den Aktivitäten des Netzwerks nehmen Vertreterinnen der Mitgliedsverwaltungen teil
und unterstützen auf diese Weise ganz konkret die Arbeit des Netzwerks. Außerdem
wird die Geschäftsführung für das Netzwerk von der Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Arbeit und Frauen sichergestellt. Damit trägt der Senat der besonderen Bedeutung des
Netzwerks Frauengesundheit Berlin von Anbeginn an Rechnung. Der Senat wird dies
im Rahmen seiner Möglichkeiten auch in Zukunft kontinuierlich tun.
II. Frauengesundheit und Forschung
1.
Welche Forschungseinrichtungen/-projekte an Berliner
und/oder
Wissenschaftseinrichtungen
beschäftigen
Themenstellungen zur Frauengesundheit?
Hochschulsich
mit
Sowohl an der Freien Universität Berlin als auch an der Humboldt-Universität zu Berlin
und der Technischen Universität Berlin sowie an der Alice-Salomon-Fachhochschule
werden Forschungsarbeiten zur Frauengesundheit durchgeführt.
Nach dem wissenschaftlichen Kontext kann bei den Forschungsarbeiten grob zwischen
Studien mit überwiegend naturwissenschaftlich-medizinischem und Studien mit eher
sozialwissenschaftlichem Hintergrund unterschieden werden:
a) Naturwissenschaftlich-medizinische Studien
Der Fachbereich „Humanmedizin“ der Freien Universität Berlin und die medizinische
Fakultät „Charité“ der Humboldt Universität zu Berlin sowie die Universitätsklinika
Charité und Benjamin Franklin greifen in ihren Lehrveranstaltungen und ihren
Forschungsarbeiten immer wieder aktuelle medizinische Themen der Frauengesundheit
auf. In den einzelnen Kliniken, die aufgrund ihrer Konzeption auf bestimmte
frauenspezifische Thematiken spezialisiert sind, werden eine Vielzahl von
entsprechenden Forschungsprojekten durchgeführt.

Forschungsprojekte zu Aspekten der reproduktiven Gesundheit von Frauen, wozu
z.B. die Schwangerschaft, die Geburt oder die ungewollte Kinderlosigkeit gehören,
werden aus den Kliniken für Geburtshilfe und Gynäkologie und den Frauenkliniken
beider Universitätsklinika initiiert. In der Frauenklinik des Universitätsklinikums
Benjamin Franklin existiert seit 2000 ein überregional bedeutendes
Endometriosezentrum, das auf der Basis einer Förderung des Deutschen
Stifterverbandes eingerichtet werden konnte.

Die Behandlung von Brustkrebs steht im Fokus der Forschung der Charité-Klinik für
Frauenheilkunde als auch der Frauenklinik am Universitätsklinikum Benjamin
Franklin, wobei für die Optimierung von Therapien Spezialistinnen und Spezialisten
anderer Fachgebiete z.B. der Radiologie, der Strahlentherapie und der Onkologie
hinzugezogen werden. Außerdem existieren zu diesem Thema verschiedene
interdisziplinäre Forschungsprojekte, die sozialpsychologische Aspekte von
betroffenen Frauen aufgreifen.

Am Fachbereich „Humanmedizin“ der Freien Universität werden wissenschaftliche
Fragestellungen der Wechseljahre und der Zeit danach umfassend und
interdisziplinär behandelt. Besonders hervorzuheben sind die Aktivitäten zum
11
Aufbau einer interdisziplinären klinischen Forschungsgruppe auf dem Gebiet der
postmenopausalen
Frauengesundheit
mit
besonderer
Berücksichtigung
osteologischer Fragestellungen.

Eine Kardiologin an der Charité ist auf die Erforschung von Unterschieden in
Krankheitsverläufen, Diagnose und Therapie von Herzkrankheiten bei Frauen
spezialisiert. Auf ihre Initiative gehen eine Vielzahl von drittmittelgeförderten
klinischen Forschungsprojekten zurück.
b) Sozialwissenschaftliche Studien
Aktuelle Besonderheiten und Entwicklungstrends der gesundheitlichen Lage und
Versorgung von Frauen - vor allem mit nationalem und internationalem Bezug spiegeln sich in den wissenschaftlichen Themenstellungen des Institutes für
Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität Berlin sowie des Zentrums für
Human- und Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin (Freie
Universität Berlin und Humboldt-Universität Berlin) wider.
Darüber hinaus existiert mit dem Berliner Zentrum Public Health (BZPH) ein
organisatorischer Rahmen für die interdisziplinäre und interinstitutionelle Koordination
der Forschungs- und Lehraktivitäten zur Gesundheitsforschung, die auch der
Koordination von wissenschaftlichen Projekten der Frauengesundheit zugute kommt.
Z.B. waren an dem 2001 veröffentlichten Frauengesundheitsbericht in Deutschland in
einer Verbundstudie 1999 im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie,
Senioren und Frauen aus Berlin Wissenschaftlerinnen der HU (Charité) und der TU
beteiligt und haben an seiner Erstellung institutionenübergreifend gearbeitet.
Als andere wichtige Arbeitsschwerpunkte wären u.a. Gewalt gegen Frauen,
reproduktionsmedizinische, geburtshilfliche und gynäkologische Fragestellungen wie
auch Fragen aus der Geschichte der Frauengesundheit zu nennen.
Die Forschungsaktivitäten finden ihren Niederschlag im Postgraduiertenstudiengang
„Public Health“, in Lehrveranstaltungen im Regelstudiengang Humanmedizin und jüngst
in einer gemeinsamen Initiative des Institutes für Gesundheitswissenschaften und der
HU (Charité) – in Fortsetzung der Internationalen Frauenuniversität -, einen
postgradualen Studiengang „Health and Society“ International Gender Studies Berlin an
der Charité als spezialisiertes Lehrangebot zur Frauengesundheit zu etablieren.
Weiterhin beschäftigt sich an der Freien Universität der Fachbereich
Erziehungswissenschaft und Psychologie mit seinen Arbeitsbereichen Prävention und
psychosoziale Gesundheitsforschung/Geriatrieforschung, Psychologie und Geschichte
der Psychologie mit entsprechenden Problemstellungen.
Bedeutende drittmittelgeförderte Beiträge leistet ebenfalls die Alice-SalomonFachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Ihre Beiträge befassen sich
insbesondere
mit
der
anwendungsbezogenen
Analyse
frauenspezifischer
Versorgungsangebote.
Ein Fülle von Studien, die im Rahmen des Berliner Zentrums Public Health erarbeitet
wurden, sind z.B. auf der Internetseite der Technischen Universität Berlin (www.TUBerlin.de/bzph) genannt.
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c) Praxismodell „S.I.G.N.A.L.“
Ein innovatives Praxismodell zur Frauengesundheit ist in Berlin mit dem
deutschlandweit einmaligen Projekt „S.I.G.N.A.L.“ zur Prävention von Gewalt an Frauen
am Universitätsklinikum Benjamin Franklin 1999 eingeführt worden. Ziel dieses
Pilotprojektes ist es, durch Steigerung der Sensibilität und Aufmerksamkeit für das
Gewaltproblem bei Pflegekräften und beim ärztlichen Personal eine verbesserte
gesundheitliche Versorgung von Frauen, die misshandelt worden sind, zu erreichen und
damit einen Beitrag zur Gewaltprävention zu leisten.
Der Name S.I.G.N.A.L. steht als Akronym für konkrete Hinweise, welche Schritte
Professionelle der Gesundheitsversorgung unternehmen sollten, um eine adäquate
Versorgung gewaltbetroffener Frauen sicherzustellen:
Sprechen Sie die Patientin an, signalisieren Sie Ihre Bereitschaft,
Interview mit konkreten einfachen Fragen,
Grundsätzliche Untersuchung alter und neuer Verletzungen,
Notieren und Dokumentieren Sie alle Befunde und Angaben,
Abklären des aktuellen Schutzbedürfnisses,
Leitfaden mit Notrufnummern und Unterstützungsangeboten.
Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend wurde die wissenschaftliche Begleitforschung vom Institut für
Gesundheitswissenschaften an der Technischen Universität durchgeführt (s.a. Teil IV).
2.
Wie gedenkt der Senat den geringen Anteil an Professorinnen in den
medizinischen Fakultäten zukünftig zu erhöhen und welchen Stellenwert hat
dabei das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses?
Durch den Berliner Senat wird dem Anliegen der Gleichberechtigung von Frauen und
der Forderung nach Chancengleichheit hohe Priorität eingeräumt. Bezogen auf den
universitären Bereich findet das seinen Niederschlag im Berliner Hochschulgesetz und
den geltenden Hochschulverträgen. Außerdem wird die Steigerung des Frauenanteils
als Variable bei dem Modell der leistungsbezogenen Zuschussverteilung zwischen den
Hochschulen berücksichtigt. Daneben gehen das Programm zur Förderung von
Nachwuchswissenschaftlerinnen und das Berliner Programm zur Förderung der
Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre auf eine zusätzliche
Finanzierung des Senats zurück.
Als Konkretisierung der allgemeinen Zielsetzung hat nach dem Berliner
Hochschulgesetz
jede
Hochschule
im
Rahmen
ihrer
Selbstverwaltung
Frauenförderrichtlinien aufzustellen und zu verabschieden. In diesen Richtlinien, die
auch für die medizinischen Fachbereiche gelten, gibt es Zielvorgaben und
Verfahrensregelungen für Berufungsverfahren, die zur Erhöhung des Anteils von
Professorinnen und der Förderung des weiblichen wissenschaftlichen NachwuchsPersonals führen sollen. In den vergangenen Jahren war es jedoch trotz der Richtlinien
nicht in dem gewünschten Maße gelungen, den Anteil der Professorinnen in der
Medizin zu erhöhen. Bedauerlicherweise gelang es nicht bei allen Neubesetzungen,
Bewerberinnen zu finden, die die geforderten wissenschaftlichen und praktischen
Voraussetzungen für einen Listenplatz erfüllen.
13
Aus diesem Grund haben zielgruppenorientierte Maßnahmen der medizinischen
Einrichtungen, die zur Förderung und Anwerbung von weiblichem wissenschaftlichen
Nachwuchs beitragen, besondere Bedeutung.
Die Nachwuchsförderung in der Charité besitzt vor diesem Hintergrund ein
anerkennenswertes Gewicht: Um den Frauenanteil unter den Habilitationen zu steigern,
hat die Fakultät ein eigenes Habilitationsstipendienprogramm für Frauen
ausgeschrieben. Dieses Programm erhielt den Namen „Rahel-Hirsch-Stipendium“ in
Würdigung der ersten Professorin der Charité, Rahel Hirsch (1870-1953). Seit 1997
wurden in mehreren Ausschreibungsrunden insgesamt 22 solcher Stipendien vergeben.
Aus dem Berliner Programm zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen, das
vom Berliner Senat eingeführt wurde, sind seit 1997 drei C 1 WissenschaftlerinnenStellen an der medizinischen Fakultät Charité und eine C 1 Wissenschaftlerinnen-Stelle
am medizinischen Fachbereich der Freien Universität besetzt.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Qualifizierungsverfahren an den
Medizinischen Fakultäten oft länger dauern als in anderen Fächern, und dass hier C 1Stellen eine Laufzeit von bis zu 10 Jahren haben.
Die Berliner Hochschulen haben insgesamt drei Professuren, die im engeren Sinne die
Frauengesundheit als wissenschaftlichen Schwerpunkt abdecken. Als wichtiger Schritt
wird insbesondere die Entscheidung der medizinischen Einrichtungen gewürdigt, durch
Einrichtung zweier auf Frauengesundheit spezialisierter Professorenstellen die
Berücksichtigung dieses Forschungsaspekts zu verstärken:
a) Freie Universität Berlin, Fachbereich „Humanmedizin“, Universitätsklinikum Benjamin
Franklin, Professur für Frauenforschung und Osteologie, Frau Prof. Dr. Dören
b) Humboldt-Universität, medizinische Fakultät Charité: Universitätsklinikum Charité Professur für frauenspezifische Gesundheitsforschung mit Schwerpunkt HerzKreislauf-Erkrankungen, Frau Prof. Dr. Regitz-Zagrosek - Charité
c) Technische Universität Berlin - C 3 – Professur für Soziologie insbesondere
Gesundheitssoziologie, Frau Prof. Dr. Maschewsky-Schneider
Zu deren Aufgaben gehört neben der Vertretung des bereits vorhandenen
Forschungsstandes die Analyse und Auswertung von Studien unter dem Gesichtspunkt
geschlechtsspezifischer Differenzen in Krankheitsverlauf und Therapie. Ein weiteres
Ziel ist es, dass die Kenntnis über geschlechtsspezifische Zusammenhänge im Kontext
des sozialen Umfelds Eingang in die klinische Praxis, die Gesundheitsvorsorge für die
Bevölkerung sowie in die medizinische Ausbildung findet.
3.
Welche Projekte beschäftigen sich im Rahmen des Berliner Programms zur
Förderung der Chancengleichheit in Forschung und Lehre mit
Problemstellungen der Frauengesundheitsforschung?
Projekte zu Problemen der Frauengesundheitsforschung im Rahmen des Berliner
Programms zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre:
a) Maßnahmen der Hochschulen
14
Hochschule Projekt
Humboldt
Uni
Humboldt
Uni
Humboldt
Uni
Förderbetrag
1 Professur für Frauengesundheitsforschung 87.000 €
(C3) / Kardiologie (seit 10/2002)
Tagung „gender and cardiovaskular disease“ / 10.000 €
Geschlechtsspezifische
Differenzen
bei
Herzkrankheiten (1/2003)
Internationaler Workshop zur Vorbereitung eines 32.000 €
Masterstudienganges: „Health and Society:
International Gender-Studies Berlin“ (4/2003)
Der medizinische Fachbereich der Freien Universität hat aus diesem Programm die
Finanzierung zweier C2 –Stellen erhalten. Eine weitere C2-Stelle mit weiblicher
Besetzung wurde im Fachbereich Humanmedizin im Rahmen von Zielvereinbarungen
eingerichtet.
b) Stipendien auf dem Gebiet der Frauengesundheitsforschung (im Rahmen des
Stipendienprogramms)
Es wurden aus den Mitteln dieses Programms von der Humboldt-Universität 10
Stipendien an Frauen für Dissertationen und Studien zu Fragen der Frauengesundheit
vergeben.
4.
Werden die an den medizinischen Fakultäten in Berlin durchgeführten
klinischen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz so angelegt, dass bei
arzneilichen Wirkstoffen, die auch bzw. überwiegend bei Frauen zur
Anwendung kommen sollen, ausreichende frauenspezifische Daten
gewonnen werden können und werden die klinischen Daten im Rahmen von
Menschenversuchen geschlechtsdifferenziert erhoben und ausgewertet?
Eine generalisierte und standardisierte Erfassung frauenspezifischer Daten ist nach den
geltenden gesetzlichen Regelungen für klinische Studien in der Bundesrepublik
Deutschland – anders als beispielsweise in den USA – nicht vorgesehen. In der
Vergangenheit ist deshalb entsprechenden Kriterien nur in einzelnen Studien
Beachtung geschenkt worden. Mit der Einrichtung einer zentralen Erfassungs- und
Beratungsstelle für klinische Studien an der Charité wird dieser Problematik zunehmend
Rechnung getragen.
5.
Nehmen die Ethikkommissionen der Universitätsklinika Einfluss darauf,
dass bei den klinischen Prüfungen entsprechende Rahmenbedingungen für
geschlechtsdifferenzierte Datenerhebungen gewährleistet sind?
In der Vergangenheit war der Einfluss der Ethikkommissionen auf das Studiendesign,
was beispielsweise auch die Beachtung frauenspezifischer Aspekte bei der
Datenerhebung betrifft, wegen der Forschungsfreiheit des Studienleiters begrenzt. Die
erforderlichen Standards, die im Sinne einer „good clinical practice“ bei
15
Studienvorhaben einzuhalten sind, unterliegen in Deutschland – veranlasst durch
internationale Entwicklungen – einer am Anfang stehenden methodischen Diskussion in
der Wissenschaftsöffentlichkeit.
Hierzu hat eine Pilotstudie „Gender & Research Ethic Committees“ begonnen, die auf
eine Initiative aus den Niederlanden zurückgeht. In dieser Studie sollen die
Ethikkommissionen der Charité und der Ärztekammer im Hinblick darauf befragt
werden, ob und wie Gender-Aspekte in ihren Begutachtungen aufgenommen werden.
III. Frauengesundheit und Brustkrebs
1.
Wie haben sich Melderaten und Qualität der gemeldeten Daten von
Brustkrebserkrankungen
in
Berlin
seit
Inkrafttreten
des
Krebsregistergesetzes am 1.1.1995 entwickelt? Ist die Erfassungsrate
ausreichend, um für Berlin valide Aussagen zur Inzidenz, regionalen
Verteilung und zu Überlebenszeiten zu treffen und können auf der
Grundlage der Daten des gemeinsamen Krebsregisters (GKR) auch
Schlussfolgerungen zur Inanspruchnahme und zum Stellenwert von
Früherkennungsmaßnahmen getroffen werden?
Wie bereits der Frauengesundheitsbericht Deutschland festgestellt hat, ist mit der
Einrichtung von Krebsregistern in Deutschland ein wichtiger Schritt erfolgt, um eine
Datenbasis für die Forschung zur Entwicklung von Krebserkrankungen in Deutschland
zu erhalten.
Die Qualität eines bevölkerungsbezogenen Krebsregisters ist in erster Linie von der
Erfassung aller Krebserkrankungsfälle einer Region (Vollzähligkeit) und der Erhebung
aller Angaben zu einem Erkrankungsfall (Vollständigkeit) abhängig. Für
wissenschaftlich valide Auswertungen eines Krebsregisters, insbesondere für die
Ermittlung von Erkrankungshäufigkeiten, ist eine Vollzähligkeit der Erfassung von mehr
als 90% erforderlich. Der Anteil sogenannter DCO-Fälle, d.h. der Fälle, die nur anhand
des Leichenschauscheines erfasst werden (death certificate only) und von denen keine
ärztliche Meldung vorliegt, soll dabei nicht höher als 10 Prozent liegen.
Seit 1995 ist in Berlin eine kontinuierliche Verbesserung der Melderate für Brustkrebs
zu verzeichnen. Während aus dem Diagnosejahr 1995 nur knapp 60% der
Erkrankungsfälle gemeldet wurden, konnten für die Diagnosejahre 1997-2000 bereits
Melderaten von über 90% erreicht werden (für 2001 und 2002 liegen noch keine
stabilen Raten vor). Dabei liegen in etwa 20 bis 30% der Fälle jedoch lediglich
Leichenschauschein-Informationen vor, d.h. die ärztliche Melderate liegt bei maximal
80%. Von den erwarteten rd. 1.850 Neuerkrankungsfällen pro Jahr (berechnet mittels
eines Schätzverfahrens des Robert-Koch-Institutes) wurden dem Gemeinsamen
Krebsregister somit nur maximal 1.500 Fälle pro Diagnosejahr im Rahmen der
Behandlung gemeldet.
Die Qualität der ärztlich gemeldeten Daten ist überwiegend hoch, da in der Regel alle
für das Krebsregister erforderlichen Angaben übermittelt werden. Anders sieht es bei
den DCO-Fällen aus, bei denen die klinischen Informationen zum Krebsfall, z.B.
Diagnosejahr, histologischer Befund, Tumorstadium, Therapie etc., fehlen.
Die im Vergleich zu anderen Tumorentitäten (Tumorarten) in Berlin seit einigen Jahren
erreichten hohen Erfassungsraten bei Brustkrebs erlauben inzwischen wieder
Aussagen zum Inzidenztrend.
16
Eine Analyse der regionalen Verteilung ist aufgrund der beobachteten großen
Unterschiede im DCO-Anteil zwischen den Bezirken, die ein Indikator für
Vollzähligkeitsunterschiede zwischen den Bezirken sind, gegenwärtig noch nicht
sinnvoll. (Bei einem Mittelwert von 25% liegt der DCO-Anteil in den Bezirken zwischen 6
und 54%).
Für Überlebenszeitanalysen, die neben den o.g. Voraussetzungen eine
Beobachtungszeit von mindestens 5 Jahren nach Diagnosestellung erfordern, können
Berechnungen frühestens vom nächsten Jahr an für das Diagnosejahr 1997
durchgeführt werden; Überlebensraten für vor 1990 erfasste Erkrankungsfälle (BerlinOst) liegen vor.
Angaben zur Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen sind in den epidemiologischen
Daten, die gem. § 2 Krebsregistergesetz von bevölkerungsbezogenen Krebsregistern
gespeichert werden dürfen, nicht enthalten. Aussagen zur Inanspruchnahme und zum
Stellenwert von Früherkennungsmaßnahmen können aus den Daten des
Gemeinsamen Krebsregisters daher nur indirekt gewonnen werden. Entsprechende
Indikatoren sind z.B. die Zunahme prognostisch günstigerer Tumorstadien, das
vermehrte Auftreten von nichtinvasiven Tumortypen und Mortalitätsraten. Die
Identifizierung sog. Intervallkarzinome (nicht erkannte Karzinome) im Krebsregister
kann für die Prüfung der Sensitivität von Früherkennungsmaßnahmen genutzt werden.
2.
Wie hat sich die Qualität der klinischen Tumordokumentation bei
Brustkrebserkrankungen durch die Arbeit des 1998 gegründeten Tumor
Zentrum Berlin (TZB) insbesondere in bezug auf Verlauf und qualitative
Verbesserungen von Diagnostik, Therapie und Nachsorge entwickelt und
welche Fortschritte sind beim „Onkonet“ diesbezüglich zu verzeichnen?
Zu dieser Frage ist das Tumor Zentrum Berlin e.V. um eine Stellungnahme gebeten
worden, die hier wiedergegeben wird. Das Tumor Zentrum Berlin e.V. hat in seiner
Stellungnahme darauf hingewiesen, dass an der Beantwortung dieser Frage auch die
regionalen Tumorzentren mitgewirkt haben.
a) Die klinische Tumordokumentation
Eine umfassende klinische Tumordokumentation u.a. bei Brustkrebserkrankungen
erfolgt in sechs der sieben regionalen Tumorzentren. Diese EDV-gestützten
Dokumentationen erfassen im einzelnen die Diagnostik, Therapie (operative,
medikamentöse und strahlentherapeutische Therapie) und Nachsorge des
Mammakarzinoms.
Vier Zentren (Buch, Moabit, Spandau und Neukölln) dokumentieren mit dem Giessener
Tumordokumenationssystem (GTDS). Die Leitstelle des Tumorzentrums Charité erfasst
mit Hilfe des TuDok-Systems seit ca. 2 Jahren auch die vom Tumorzentrum UK
Virchow gemeldeten malignen Erkrankungen. Das GTDS wird regelmäßig an die
neuesten
Entwicklungen
der
Onkologie
angepasst.
So
wurden
für
Brustkrebserkrankungen neue diagnostische und therapeutische Entwicklungen
berücksichtigt. Schlüsselkataloge werden zentral angepasst und bilden somit die
Grundlage für vergleichbare Auswertungen.
Am Beispiel von vier regionalen Tumorzentren soll im folgenden der aktuelle Stand und
die Qualität der Tumordokumentation sowie der Versorgung von Brustkrebspatientinnen
detaillierter dargestellt werden.
17
Hervorzuheben ist, dass die von einzelnen Tumorzentren skizzierten kritischen
Anmerkungen keine Einzelfallschilderungen sind, sondern die Situation der
Tumordokumentation in Berlin insgesamt widerspiegeln.
Die Berliner Tumorzentren wurden alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegründet.
Exemplarisch hervorzuheben sind die Tumorzentren Berlin-Moabit e.V. und BerlinBuch. Beide Zentren widmen sich seit mehr als 20 bzw. über 10 Jahren einer
qualitätsgesicherten und interdisziplinären Versorgung u.a. von Brustkrebspatientinnen
auf der Grundlage von (evidenzbasierten) Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des
Mammakarzinoms: Alle gesichert diagnostizierten Brustkrebsfälle werden dokumentiert.
Tumorzentrum Berlin-Buch
Im Tumorzentrum Berlin-Buch wurden im Jahre 2000 ca. 480 primär behandelte
Brustkrebspatientinnen registriert. Innerhalb des Tumorzentrums Berlin-Buch wurden
die Strukturen zur Umsetzung einer qualitätsgesicherten Brustkrebsversorgung
verstärkt. Mit der offiziellen Gründung des Mammazentrums vor drei Jahren wurden die
Voraussetzungen geschaffen, um krankhafte Gewebeveränderungen der weiblichen
Brust möglichst früh zu erkennen, präzise zu befunden, zu entfernen und adäquat nach
zu behandeln. Eine enge Kooperation auch mit niedergelassenen Fachärztinnen/-ärzten
und Radiologinnen/Radiologen ist gegeben. Dieses Mammazentrum ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt das erste im Land Berlin, dass auf der Grundlage der
Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Mastologie (EUSOMA) arbeitet. Diese
definieren die Anforderungen an ein Mammazentrum, an die Qualitätssicherung in der
Brusterkrankungsdiagnostik
und
an
die
Qualitätssicherung
in
der
Brustkrebsbehandlung. Das Mammateam im Klinikum-Buch konnte 98,5% aller
Karzinome bereits vor der Operation durch eine Gewebeprobe sicher nachweisen; bei
den nicht tastbaren Karzinomen betrug dieser Anteil 96,3%. Beide Ergebnisse liegen
über den von der EUSOMA geforderten Mindeststandards. Im Frühstadium gelang die
präoperative feingewebliche Diagnose in 93,2% aller Fälle. Auf der Grundlage dieser
histologischen Daten konnte die Operations- und Therapieplanung verbessert und die
Zahl unnötiger operativer Eingriffe bei Frauen, die nicht an einem Tumor erkrankt waren
(falsch-positive Befunde) verringert werden. Die Zielvorgabe der EUSOMA konnte somit
unterschritten werden. Ein weiterer Erfolg ist für Patientinnen mit einer brusterhaltenden
Therapie zu verzeichnen: Bei 82% dieser Fälle konnte die Therapie mit einer einzigen
Operation abgeschlossen werden.
Diese Zahlen sind ein erster Beleg, dass effektive Strukturen und interdisziplinäres
Zusammenwirken im Rahmen hoher Qualitätsanforderungen einen Beitrag zum Nutzen
der betroffenen Frauen darstellen. Die klinische Dokumentation hat dabei den
Stellenwert eines wesentlichen Instruments zur nachhaltigen und nachprüfbaren
Qualitätssicherung.
Tumorzentrum Berlin-Moabit e.V.
Die aufbereiteten Informationen der Tumordokumentation sind hier regelmäßig
Bestandteil eines fachübergreifenden Qualitätsmanagements in der interdisziplinären
Versorgung u.a. von Brustkrebspatientinnen. Alle Brustkrebspatientinnen mit einer
histologisch gesicherten Tumordiagnose werden routinemäßig sowohl im klinischen
Register erfasst als auch im Onkologischen Arbeitskreis besprochen. Der Onkologische
Arbeitskreis, ein interdisziplinäres Gremium onkologisch erfahrener Ärzte und Ärztinnen
aus Abteilungen des Vivantes-Klinikums im Friedrichshain, Facharztpraxen und
18
onkologischen Schwerpunktpraxen tagt wöchentlich. Dadurch kann die Qualität der
Diagnostik, Therapie und Dokumentation nicht nur für "schwierige Brustkrebsfälle",
sondern auch für die Regelversorgung von Brustkrebspatientinnen gesichert werden.
Mit Schließung des Krankenhauses Moabit konzentriert sich seit November 2001 das
Engagement des Tumorzentrums Moabit ausschließlich auf die Region Berlin Mitte
innerhalb des Vivantes Klinikums im Friedrichshain. Brustkrebspatientinnen aus
Krankenhäusern anderer Träger des ehemals etablierten Kooperationsverbundes
nehmen aufgrund der Umstrukturierungen an dieser qualitätsgesicherten
Versorgungsstruktur nicht mehr teil.
Im Jahr 2000 konnte bei mehr als der Hälfte (52%) aller registrierten neu erkrankten
Frauen (295) ein Brustkrebs in einem frühen Stadium gesichert diagnostiziert werden.
Bei 49% dieser Frauen konnte die brusterhaltende Operation durchgeführt werden.
Tumorzentrum Neukölln
Im Tumorzentrum Neukölln erfolgt die Diagnostik und Behandlung bei
Brustkrebspatientinnen interdisziplinär. Dabei wird jede Brustkrebsneuerkrankung in der
zentralen Datenerfassung dokumentiert. Erfasst wird sowohl die Diagnose als auch der
Verlauf der Erkrankung.
Die bildgebende Diagnostik wird in der Regel zweimal begutachtet. Besondere Fälle
werden in der Tumorkonferenz vorgestellt.
Die pathohistologische Diagnose, entsprechend den Richtlinien der UICC/WHO
(International Union against Cancer/World Health Organization) in Bezug auf Subtypen,
Größe und Resektionsrand wird in der Tumorkonferenz mit dem Ziel diskutiert, die
Behandlung nach den gültigen internationalen Kriterien festzulegen.
Mit dem Tumorzentrum kooperierende niedergelassene Ärzte und Ärztinnen werden
über die im Konsil und der Dokumentation erarbeiteten Ergebnisse informiert und um
Rückmeldungen zur Nachsorge gebeten.
Mit kooperierenden Krankenhäusern wie
zum
Beispiel mit dem St.
Gertraudenkrankenhaus werden seit über 10 Jahren gemeinsame Tumorkonferenzen
für Brustkrebspatientinnen ausgerichtet. Auch diese Patientinnen werden im
Dokumentationssystem des Tumorzentrum Neukölln registriert.
Tumorzentrum Spandau e.V.
Im Tumorzentrum Spandau mit seinen drei Mitgliedsorganisationen unter jeweils
unterschiedlichen
Trägerschaften
unterziehen
sich
jährlich
ca.
500
Brustkrebspatientinnen
einer Primärbehandlung.
Die Qualität der klinischen Tumordokumentation bei Brustkrebserkrankungen von
Frauen hat sich seit 1998 deutlich verbessert. Es werden jetzt alle Neudiagnosen
dokumentiert. Teilweise ist es auch gelungen, eine Verlaufsdokumentation aufzubauen,
allerdings leidet diese noch an „Schnittstellenproblemen“ zwischen dem stationären und
ambulanten Bereich. Hier wäre eine gemeinsame Dokumentationsbasis z.B. auf der
Plattform des „Onkonet“ sehr zu begrüßen.
Im klinischen Bereich müssen hinsichtlich der sehr aufwändigen Verlaufsdokumentation
die personellen Engpässe, für die es auch in absehbarer Zeit keine Abhilfe gibt,
berücksichtigt werden. Die Ärztinnen und Ärzte sind durch die übliche klinische
Dokumentation und die Dokumentation im Rahmen des DRG-Systems erheblich zeitlich
belastet. Insgesamt ist deshalb eine einheitliche Dokumentation anzustreben, bei der
sowohl auf der einen Seite den klinischen Anforderungen genüge getan wird und auf
19
der anderen Seite gleichzeitig ein Leistungsnachweis für die DRG-Abrechnung erfolgt.
Die derzeit übliche teilweise Dreifachdokumentation hinsichtlich der klinischen
Dokumentation im Rahmen des stationären Aufenthaltes, der Tumordokumentation und
schließlich der Leistungsdokumentation beansprucht zu viel Personalressourcen im
ärztlichen Bereich.
Als wesentlicher Aspekt hinsichtlich der Versorgungsqualität der betroffenen
Patientinnen ist hervorzuheben, dass die im Tumorzentrum arbeitenden Klinika
regelmäßige interdisziplinäre Tumorkonferenzen durchführen, in denen gemeinsam die
optimale Behandlung der Patientinnen besprochen wird. Solche Besprechungen finden
teilweise für einzelne Patientinnen wiederholt statt, wenn sich neue klinische Probleme
im Verlauf ergeben. An diesen Tumorkonferenzen sind auch niedergelassene
Kolleginnen und Kollegen beteiligt.
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass seit 1998 Brustkrebserkrankungen in
sechs der sieben Tumorzentren dokumentiert werden. Dies stellt zumindest im Hinblick
auf die Quantität der Dokumentation eine erhebliche Verbesserung dar (1998 geschah
dies nur in drei Tumorzentren). Auch im Hinblick auf die Nutzung dieses Instruments zur
nachhaltigen Qualitätssicherung und -verbesserung der Brustkrebsversorgung ist vor
allem auf die deutlichen und nachweisbaren Verbesserungen für Patientinnen in den
Tumorzentren Buch und Moabit zu verweisen. Für das Land Berlin sind jedoch aus der
Perspektive des Tumor Zentrum Berlin e.V. noch weitere Anstrengungen notwendig, um
allen Frauen und Brustkrebspatientinnen der Region eine nach den neuesten
Erkenntnissen optimierte und qualitätsgesicherte Diagnostik und Behandlung zu
garantieren.
Die Dokumentation der klinisch betreuten Patientinnen hat sich seit 1998 verbessert.
Nach wie vor mangelhaft ist die Verlaufs- und Nachsorgedokumentation.
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Berlin beteiligen sich nur sehr sporadisch an
der Dokumentation. Allein das Tumorzentrum Berlin-Buch verzeichnet für seine mit
Wohnsitz im Land Brandenburg betreuten Krebspatientinnen und –patienten (40%) eine
vollständige Nachsorgedokumentation. Die nachsorgenden Ärztinnen und Ärzte im
Land
Brandenburg
erhalten
eine
Aufwandsentschädigung
für
die
Nachsorgedokumentation.
Die nach wie vor als defizitär zu bezeichnende klinische Tumordokumentation für das
Land Berlin ist im wesentlichen auch dadurch verursacht, dass im Gegensatz zu
anderen Bundesländern eine gesicherte Finanzierungsgrundlage nicht existiert.
Angesichts der angespannten Haushaltslagen sowie der knappen personellen
Ressourcen in den regionalen Tumorzentren sind qualitative Verbesserungen der
klinischen Tumordokumentationen in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
2. Das Onkonet
Das Onkonet-Projekt des Tumor Zentrum Berlin e.V. kann erhebliche Fortschritte
verzeichnen. Am Beispiel der Hodenkrebserkrankungen konnte nunmehr ein erster
Praxistest mit fünf dokumentierenden Zentren erfolgreich abgeschlossen werden. Die
bereichsübergreifende, qualitätssichernde Online-Dokumentation integriert zudem alle
Datenanforderungen des epidemiologischen Krebsregisters. Das GKR hat ein
Teilprojekt "Integration der GKR Datensatzanforderung" des Onkonet-Projektes auch
finanziell unterstützt. Ein erster Datentransfer zum GKR wurde im Februar 2003
erfolgreich durchgeführt.
20
Eine automatische Nachsorgemeldung an das GKR entsprechend den in den Leitlinien
zur Diagnostik und Therapie vorgesehenen Nachsorgeschemata nach 5 bzw. 10 Jahren
ist gewährleistet und wird dazu beitragen, Überlebensraten präziser zu ermitteln.
Die Übertragbarkeit auf alle weiteren Entitäten ist gegeben; ggf. sind
entitätenspezifische
Modifizierungen
analog
des
jeweiligen
Modulaufbaus
vorzunehmen.
Die Vorarbeiten zur Implementierung der Online-Dokumentation für die kolorektalen
Karzinome sind abgeschlossen. Eine Beauftragung zur technischen Umsetzung soll im
April 2003 erfolgen. Ferner sind nun auch erste Vorbereitungen für das
Mammakarzinom und das Bronchialkarzinom getroffen.
Ende des ersten Quartals 2003 wird eine zweite Schulung für alle beteiligten Nutzer der
Hodentumordokumentation stattfinden. Die Einbindung von GKR-MitarbeiterInnen ist
selbstverständlich.
Problematisch bleibt jedoch die Finanzierung des Vorhabens. Bislang wurden die
Kosten für die technische Umsetzung dieses Projektes allein aus den Mitteln des Tumor
Zentrum Berlin e.V. getragen. Sowohl die Krankenkassen als auch die Kassenärztliche
Vereinigung Berlin haben eine Beteiligung an der Finanzierung des Teilprojektes
Mammakarzinom abgelehnt. Die von der Berliner Krebsgesellschaft in Aussicht
gestellte Teilförderung wird nur nach Sicherstellung der Gesamtfinanzierung gewährt.
Trotz einer erfolgreichen Erprobung dieses Dokumentationssystems, dass mit
erheblichem Nutzen für Ärztinnen/Ärzte und vor allem für Patientinnen/Patienten
verbunden ist, scheint seine Realisierung ernsthaft gefährdet. Um so bedauerlicher, da
in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche klinisch und ambulant tätige Ärztinnen und
Ärzte aus allen notwendigen Fachdisziplinen hoch engagiert und motiviert an der
Umsetzung dieses Projektes gearbeitet haben. Diese Ärztinnen und Ärzte haben
eindrucksvoll die Notwendigkeit eines qualitätssichernden Systems demonstriert. Nicht
politische oder finanzielle Unterstützung haben dies bewirkt, sondern allein die
Motivation, die notwendige Transparenz und Qualitätssicherung in der Versorgung
onkologischer Patientinnen und Patienten herzustellen und die Überzeugung, dass
Onkonet ein realistischer und praxisbezogener Weg dorthin ist.
3.
Wie bewertet der Senat die Bemühungen auf Bundesebene zur Einführung
eines qualitätsgesicherten Mammographie-Screenings, das u. a. von der
Berliner Ärztekammer als medizinisch fragwürdig kritisiert wird?
Die GMK hat am 21./22.06.2002 mit Zustimmung Berlins einen Beschluss gefasst, mit
dem die Bedeutung und Notwendigkeit eines systematischen Qualitätsmanagements im
Bereich Früherkennung, Diagnostik und Behandlung von Brustkrebs bekräftigt wird.
Darüber hinaus begrüßte die GMK in ihrem einstimmigen Beschluss die „Absicht der
Selbstverwaltung, ab 2003 ein flächendeckendes Mammographie-Screening, basierend
auf den europäischen Leitlinien, einzuführen. Sie erwartet, dass die bislang
vorliegenden Erfahrungen und Ergebnisse der Modellprojekte für das bundesweite
Screening unverzüglich vorgelegt und herangezogen werden. Die Notwendigkeit einer
epidemiologisch abgesicherten Evaluation wird betont.“
Der Senat ist sich bewusst, dass der Nutzen des Mammographie-Screenings
gegenwärtig kontrovers diskutiert wird. Er folgt – auch unter Berücksichtigung neuester
Studien – dennoch der Auffassung des Sachverständigenrates (Gutachten 2000/2001
21
des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Band III,
S. 450-465), „dass die vorliegenden Ergebnisse aus bevölkerungsmedizinischer Sicht
nicht gegen die Implementierung eines flächendeckenden qualitätsgesicherten
Mammographie-Screenings in Deutschland sprechen, insbesondere wenn dieses
zugleich mit der Verbesserung der gesamten diagnostisch-therapeutischen
Versorgungskette einhergeht.“
Ein entscheidendes Zusatzargument ist dabei die Vermeidung von Schäden und
Kosten, die durch das sogenannte „graue“ Mammographiescreening in Deutschland
verursacht werden. Der Umfang dieser nicht qualitätsgesicherten, verdeckten
Screening-Mammographien wird vom Sachverständigenrat auf 2 – 4 Mio. pro Jahr
geschätzt.
4.
Wie bewertet der Senat die in Nordrhein-Westfalen unterstützte Bildung
zertifizierter Brustkrebszentren, die als Initiative einer „Konzertierten Aktion
gegen Brustkrebs“ im dortigen Landesausschuss für Krankenhausplanung
entwickelt wurden und neben qualitätssichernden Auflagen auch die
Einbeziehung von Patientinnen in die Therapieentscheidung vorsehen?
Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz fordert, wie die
Initiatorinnen und Initiatoren der „Konzertierten Aktion gegen Brustkrebs“ in NordrheinWestfalen, die Qualität bei der Behandlung von Krebskranken durch optimale
Vernetzung der bestehenden stationären, ambulanten und rehabilitativen Angebote zu
verbessern. Dies ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des
beschlossenen Disease-Management-Programms der Bundesregierung in der
Brustkrebsbehandlung. Bei gleichen Zielen unterscheidet sich das Berliner Modell in der
Vorgehensweise, vor allem deshalb, weil die Ausgangssituation in Berlin eine andere
ist.
Bereits 1996 wurde in Berlin der Verein „Tumorzentrum Berlin“ gegründet. Dieser
Verein ist der Dachverband von sieben regionalen Tumorzentren Berlins. Diesen
regionalen Tumorzentren und dem „Tumorzentrum Berlin“ kommt bei der Behandlung
bösartiger Erkrankungen eine Leitfunktion zu. Neben der direkten Behandlung von
Krebspatientinnen und –patienten ist es speziell die Aufgabe der Tumorzentren und
ihres Dachverbandes, den ständigen Erfahrungsaustausch untereinander und mit
externen
Partnerinnen
und
Partnern
(ambulant
tätige
Ärztinnen/Ärzte,
Rehabilitationseinrichtungen,
Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten,
soziale
Bereiche, Patientenvertretungen) zu pflegen und über Konsilien und Tumorkonferenzen
als Ansprechpartner für alle onkologisch Tätigen zu fungieren.
Damit die Tumorzentren ihren Aufgaben gerecht werden können, werden im Berliner
Krankenhausplan strukturelle Festlegungen getroffen, die die Voraussetzung für eine
qualitativ hochwertige onkologische Therapie in diesen Zentren – auch bei der
Behandlung von Brustkrebs – darstellen. Die darüber hinausgehende fachliche
Zuständigkeit sieht die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und
Verbraucherschutz beim „Tumorzentrum Berlin“ und seinen regionalen Mitgliedern. Das
betrifft auch die Verantwortung für die geforderte Verbesserung der intersektoralen und
interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Tumortherapie.
22
IV. Frauengesundheit und Gewalt
1.
Wie weit ist der Stand zur Umsetzung des Berliner Aktionsplans zur
Bekämpfung häuslicher Gewalt?
Anfang Dezember 2002 fand die konstituierende Sitzung des Runden Tisches zur
Umsetzung des Berliner Aktionsplans zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt statt.
Aufgabe des Runden Tisches ist es, die Umsetzung des Aktionsplans zu begleiten und
die dort aufgeführten Maßnahmen zu koordinieren. Am Runden Tisch beteiligt sind die
Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, für Justiz, für Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz, für Inneres, für Bildung, Jugend und Sport, der
Polizeipräsident, die Bezirke Marzahn/Hellersdorf und Mitte sowie verschiedene
Projekte aus der Anti-Gewalt-Arbeit. Bei der Sitzung wurde eine erste Zwischenbilanz
für den Zeitraum seit der Verabschiedung des Aktionsplans im März 2002 gezogen.
Neben
der
Thematisierung
u.a.
des
Standes
der
Umsetzung
des
Gewaltschutzgesetzes, der geplanten (und im Februar 2003 vollzogenen Änderung)
des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (bezüglich des
Platzverweises des Täters), der Problematisierung von Auskunftssperren und des
erfolgreichen Verlaufs des sechsmonatigen Modellversuchs zum Platzverweis des
Täters aus der Wohnung wurde im Bereich Gesundheit folgender Umsetzungsstand
festgehalten:
 Zur Sensibilisierung der (Fach-) Öffentlichkeit hat im November 2002 anlässlich
des Internationalen Tages zur Beseitigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen
eine gemeinsame Pressekonferenz der Senatorin für Gesundheit, Soziales und
Verbraucherschutz und des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Frauen
stattgefunden. Dabei wurde übereinstimmend deutlich gemacht, dass - wie im
Aktionsplan enthalten – die Verbesserung der medizinischen Erstversorgung und
Diagnostik und die langfristige medizinische, therapeutische und soziale
Betreuung gewaltbetroffener Frauen oberstes Ziel ist.
 Für niedergelassene Ärzte und Ärztinnen ist geplant, einen Leitfaden, wie er
bereits für den Bereich Gewalt gegen Kinder existiert, für den Bereich Gewalt
gegen Frauen zu entwickeln. Ein wichtiger Schritt hierzu ist mit der vom Berliner
Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (BIG) in Zusammenarbeit mit
S.I.G.N.A.L. und dem Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte Frauen LARA - erarbeiteten und mit Hilfe der Ärztekammer verteilten
Informationsbroschüre „Wenn Patientinnen von Gewalt betroffen sind“ gemacht
worden.
 Demnächst soll ein Workshop zu stationären Angeboten für psychisch kranke
Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, von der Senatsverwaltung für
Wirtschaft, Arbeit und Frauen durchgeführt werden.
Seit der ersten Sitzung des Runden Tisches haben sich zwischenzeitlich weitere
Entwicklungen ergeben:
 Als
eine
der
Schlussfolgerungen
des
in
Kürze
erscheinenden
Frauengesundheitsberichts Berlin ist die Entwicklung von „Leitlinien für
frauengerechte Angebote in der psychiatrischen Versorgung“ beabsichtigt. Darin
wird auch das Thema „Folgen von Gewalt“ berücksichtigt werden.
23
 Es ist beabsichtigt, die Krankenpflegeschulen in Berlin für eine Aufnahme der
Thematik „häusliche Gewalt“ in die Curricula zu motivieren.
 In den Entwurf der Musterweiterbildungsordnung für Ärzte und Ärztinnen ist der
Bereich der Gewaltprävention aufgenommen worden (s.a. Antwort zu Teil IV 2b).
Noch in diesem Jahr wird ein zweiter Runder Tisch stattfinden, bei dem die weitere
Umsetzung der Maßnahmen erörtert werden soll.
2.
Wie weit sind die angekündigten Bemühungen zur Umsetzung des
S.I.G.N.A.L-Interventionsprogrammes mit seinem Schulungsangebot im
Rahmen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) gediehen, und wie ist
der Stand der Bemühungen, bei der Ärztekammer in Berlin das Thema
„Häusliche Gewalt und gesundheitliche Folgen“ in die fachliche Fort- und
Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte einzuführen?
a)
Umsetzung des S.I.G.N.A.L.-Angebotes im Rahmen des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes
Für den öffentlichen Gesundheitsdienst bestehen zwischen SIGNAL und dem
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg seit 2002 Kontakte. Gegenwärtig werden im
Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg Daten zur Prävalenz häuslicher Gewalt unter
den Klientinnen erfasst, Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
angeboten und Interventionsmaßnahmen diskutiert. Ziel ist, das derzeit im
Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg erprobte System von Datenerhebungen und
Interventionsmaßnahmen zukünftig auch für andere Gesundheitsämter nutzbar zu
machen.
b) Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten
Eine neue Musterweiterbildungsordnung wird voraussichtlich auf dem 106. Deutschen
Ärztetag im Mai 2003 beschlossen werden, die als Empfehlung an die
Landesärztekammern gerichtet ist. Nach dem derzeitigen Informationsstand ist das
Thema „Häusliche Gewalt und gesundheitliche Folgen“ mindestens in den
Weiterbildungsinhalten der Gebiete „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ und
„Kinderheilkunde“ wiederzufinden.
Konkret wurden folgende Formulierungen aufgenommen:
a) Innere Medizin und Allgemeinmedizin: „Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen
und Fertigkeiten in der Gesundheitsberatung, der Früherkennung von
Gesundheitsstörungen einschließlich Gewalt- und Suchtprävention, .....
b) Kinder- und Jugendmedizin: „Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und
Fertigkeiten in der Gewalt- und Suchtprävention und der Erkennung und
Bewertung von Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen, von sozialund umweltbedingten Gesundheitsstörungen.
c) Für das Gebiet „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ wurden folgende
Formulierungen aufgenommen: „Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und
Fertigkeiten in psychogenen Symptomen, somatopsychischen Reaktionen,
psychosozialen und psychosexuellen Störungen unter Berücksichtigung der
gesellschaftsspezifischen Stellung der Frau und ihrer Partnerschaft“.
Es
ist
davon
auszugehen,
dass
die
Ärztekammer
Musterweiterbildungsordnung weitgehend übernehmen wird.
Berlin
die
24
Die Ärztekammer Berlin hat bereits Fortbildungsveranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte
zum Thema häusliche Gewalt geplant. Aus aktuellem Anlass mussten diese jedoch
zurückgestellt werden (Anlass sind mehrere Veranstaltungen zum Thema
„Pockenschutzimpfungen“). Dennoch wird noch in diesem Jahr die Durchführung von
Fortbildungen zu „häuslicher Gewalt“ angestrebt.
3.
Wird bei der derzeitig vorbereiteten Fortschreibung des Krankenhausplanes
1999 das Projekt „S.I.G.N.A.L.“, das durch die Sensibilisierung des
medizinischen Sektors für das Gewaltproblem eine verbesserte
gesundheitliche Versorgung misshandelter Frauen erreichen soll, als Teil
der Grundversorgung in allen Plankrankenhäusern berücksichtigt?
Das Projekt S.I.G.N.A.L. dient der Verbesserung der Qualität u.a. der
Krankenhausbehandlung betroffener Frauen. Sie soll auf Struktur- und Prozessebene
durch Schulung und Training der Beteiligten, die Anwendung des Programms und die
Vernetzung mit anderen Projekten des Anti-Gewalt-Bereichs erreicht werden.
Die Modellphase, die im März 2003 ausläuft und mit einem wissenschaftlichen Bericht
in Form eines Handbuchs abschließt, wurde im Universitätsklinikum Benjamin Franklin
angesiedelt.
Darüber hinaus arbeiten auch das Vivantes - Klinikum Spandau und das Ev.
Waldkrankenhaus Spandau nach dem S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramm.
Das Institut für Fort- und Weiterbildung der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH
plant, alle Leiterinnen und Leiter der Rettungsstellen in Krankenhäusern über dieses
Programm zu informieren und es als verpflichtende Fortbildung anzubieten.
In der Fortschreibung des Krankenhausplans 1999 wird das Projekt S.I.G.N.A.L. nicht
berücksichtigt, da es die Regelungstiefe krankenhausplanerischer Festlegungen
überschreitet. Generell werden Qualitätssicherungsprogramme zu einzelnen
Behandlungsbereichen nicht im Krankenhausplan ausgewiesen.
Berlin, den
. April 2003
------------------------------------------Senatorin für Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz
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