Kleine Zecke, große Wirkung - tückische Krankheit FSME -

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Kleine Zecke, große Wirkung
- tückische Krankheit FSME Prof. Dr. med. Uta Meyding-Lamadé
Chefärztin der Neurologischen Klinik am Krankenhaus Nordwest Frankfurt
und
Leiterin der Arbeitsgruppe Neuroinfektiologie am Neurologischen Forschungslabor im
Otto-Meyerhof-Zentrum der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400 – 69120 Heidelberg
Die Beschwerden reichen bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
von einem harmlosen Kopfschmerz („Schnupfen“ des Gehirns) bis hin zur lebensbedrohlichen Hirnentzündung bei Erwachsenen und Kindern. Impfungen
können die Erkrankung verhindern – oder aber der Verzicht auf Freizeit in der
freien Natur. Die Zecken fallen nicht wie Sterne vom Himmel oder den Bäumen,
sondern halten sich im Gebüsch, an Waldrändern und im Unterholz auf und
sind anspruchslose Hungerkünstler, die bis zu fünf Jahre ohne Blutmahlzeit
auskommen können.
Eine Impfmüdigkeit der Bevölkerung, die globale Erwärmung und zunehmende
Reisetätigkeit tragen zur derzeit wieder steigenden Häufigkeit der Erkrankung
bei. Nach jüngsten Auswertungen scheinen zunehmend auch sehr schwere
Verläufe der FSME aufzutreten, die eine Behandlung auf der Intensivstation
erforderlich machen.
Zecken sind Überträger vieler Erkrankungen und befallen neben den Menschen auch
Hunde, Katzen, Igel, kleine Nager und Wild. Gehirn, Rückenmark und austretende
Nervenwurzeln sowie Hirnnerven können durch die von Zecken übertragenen Erkrankungen bleibend geschädigt werden.
Die am meisten gefürchtete durch Zecken übertragene Krankheit in unseren Breitengraden ist – neben der im Allgemeinen gut zu behandelnden bakteriellen Erkrankung
Borreliose – eine Hirnhaut- und Hirnentzündung, die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine Virkuserkrankung. Risikogebiete für die FSME dehnen sich aus,
aber auch durch eine „Impfmüdigkeit“ in der Bevölkerung nimmt die Erkrankungshäufigkeit derzeit zu. Nur durch die Impfung kann eine FSME verhindert werden; ist der
Mensch einmal erkrankt, gibt es keine wirksame ursächliche Behandlung. Nach einer
flächendeckenden Impfstrategie in unserem Nachbarland Österreich werden dort
mittlerweile nur noch wenige Fälle registriert.
Bei der FSME unterscheidet man meningitische (50 Prozent der Fälle), meningoenzephalitische (40 Prozent) und myelitische (10 Prozent) Verlaufsformen. Entgegen
früherer Berichte, dass in Osteuropa schwerere Verläufe vorherrschen würden, gibt
es nach neueren Untersuchungen hierfür keinen Anhalt. Ein bis drei Prozent aller
Patienten, die eine FSME bekommen, sterben an der Erkrankung. Mindestens bei 4
bis 20 Prozent aller Erkrankten muss mit neurologischen Dauerschäden wie Lähmungen, Lernbehinderungen oder Anfällen gerechnet werden.
Nach dem Zeckenstich beträgt die Inkubationszeit 2 bis 28 Tage, wobei nur in 30 Prozent der Fälle klinische Symptome auftreten. Meist durchläuft die Erkrankung zwei
Phasen, zunächst leidet der Patient an grippeähnlichen Beschwerden mit leichtem
Fieber. Nach einer kurzen Erholungsphase kommt es dann erneut zu Fieber und
neurologischen Ausfallserscheinungen. Diese können vielfältig in der Ausgestaltung
sein: vom einfachen Kopfschmerz („Schnupfen des Gehirns“) mit etwas NackenHinterkopfschmerzen bis hin zu Lähmungen, Bewegungsstörungen, Anfällen und
auch Querschnittsyndromen, die lebensbedrohlich verlaufen können.
Die Diagnose gelingt über die Untersuchung des Liquors (Nervenwasser). Hier können erregerspezifische Antikörper nachgewiesen werden, eine Bestimmung der
FSME-Antikörper im Blut reicht für die Diagnosesicherung nicht. Da das Gehirn einen
privilegierten Platz im Immunsystem einnimmt, ist die Liquoruntersuchung unerlässlich für die Diagnose dieser meldepflichtigen Erkrankung.
Eine direkte Isolierung des Virus gelingt nur in der Akutphase und das auch nur selten, ist somit nicht Goldstandard für die Diagnose.
Derzeit gibt es keine ursächliche Behandlung bei der FSME. Bei manifester Erkrankung ist die Behandlung der Symptome bis hin zur intensivmedizinischen Therapie
wesentlich. Die Passivimmunisierung (Gabe von FSME-Immunglobulin) ist bereits
seit Jahren nicht mehr empfohlen, da hierunter Exazerbationen, also Verschlimmerungen, der Erkrankung beschrieben wurden.
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis ist ein unter Umständen tödliches Krankheitsbild, das durch eine einfache Impfung verhindert werden kann. Insbesondere zum
Start in den Frühling und Sommer sollte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, dass es FSME-Risikogebiete in Deutschland und anderen Ländern
gibt. Vor Urlaubs- und Freizeitaktivitäten im Freien und bei beruflicher Exposition in
FSME-Risikogebieten sollte (möglichst mindestens zwei Monate im Voraus) geimpft
werden. Diese Empfehlung gilt gleichermaßen für Kinder und Erwachsene.
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