„Zeckensaison 2007“ DIE FSME-Erkrankungsfälle im Vormarsch Prof. Dr. med. Uta Meyding-Lamadé Chefärztin der Neurologischen Klinik am Krankenhaus Nordwest Frankfurt und Leiterin der Arbeitsgruppe Neuroinfektiologie am Neurologischen Forschungslabor im Otto-Meyerhof-Zentrum der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 – 69120 Heidelberg Die Beschwerden reichen bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) von einem harmlosen Kopfschmerz („Schnupfen“ des Gehirns) bis hin zur lebensbedrohlichen Hirnentzündung bei Erwachsenen und Kindern. Impfungen können die Erkrankung verhindern – oder aber der Verzicht auf Freizeit in der freien Natur. Die Zecken fallen nicht wie Sterne vom Himmel oder den Bäumen, sondern halten sich im Gebüsch, an Waldrändern und im Unterholz auf und sind anspruchslose Hungerkünstler, die bis zu fünf Jahre ohne Blutmahlzeit auskommen können. Eine Impfmüdigkeit der Bevölkerung, die globale Erwärmung und zunehmende Reisetätigkeit tragen zur derzeit steigenden Häufigkeit der Erkrankung bei. Nach jüngsten Auswertungen scheinen zunehmend auch sehr schwere Verläufe der FSME aufzutreten, die eine Behandlung auf der Intensivstation erforderlich machen. Zecken sind Überträger vieler Erkrankungen und befallen neben den Menschen auch Hunde, Katzen, Igel, kleine Nager und Wild. Gehirn, Rückenmark und austretende Nervenwurzeln sowie Hirnnerven können durch die von Zecken übertragenen Erkrankungen bleibend geschädigt werden. Die am meisten gefürchtete durch Zecken übertragene Krankheit in unseren Breitengraden ist – neben der im Allgemeinen gut zu behandelnden bakteriellen Erkrankung Borreliose – eine Hirnhaut- und Hirnentzündung, die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine Virkuserkrankung. Risiko- und Hochrisikogebiete für die FSME dehnen sich aus, aber auch durch eine „Impfmüdigkeit“ in der Bevölkerung nimmt die Erkrankungshäufigkeit derzeit zu. Nur durch die Impfung kann eine FSME verhindert werden; ist der Mensch einmal erkrankt, gibt es keine wirksame ursächliche Behandlung. Nach einer flächendeckenden Impfstrategie in unserem Nachbarland Österreich wurden dort im vergangenen Jahr nur noch wenige Fälle registriert. Bei der FSME unterscheidet man meningitische (50 Prozent der Fälle), meningoenzephalitische (40 Prozent) und myelitische (10 Prozent) Verlaufsformen. Entgegen früherer Berichte, dass in Osteuropa schwerere Verläufe vorherrschen würden, gibt es nach neueren Untersuchungen hierfür keinen Anhalt. Ein bis drei Prozent aller Patienten, die eine FSME bekommen, sterben an der Erkrankung. Mindestens bei 4 bis 20 Prozent aller Erkrankten muss mit neurologischen Dauerschäden wie Lähmungen, Lernbehinderungen oder Anfällen gerechnet werden. Jede 20. bis 1.000. Zecke enthält das FSME-Virus (je nach Region), wobei hier nur unvollständige Daten vorliegen. Nach dem Zeckenstich beträgt die Inkubationszeit 2 bis 28 Tage, wobei nur in 30 Prozent der Fälle klinische Symptome auftreten. Meist durchläuft die Erkrankung zwei Phasen, zunächst leidet der Patient an grippeähnlichen Beschwerden mit leichtem Fieber. Nach einer kurzen Erholungsphase kommt es dann erneut zu Fieber und neurologischen Ausfallserscheinungen. Diese können vielfältig in der Ausgestaltung sein: vom einfachen Kopfschmerz („Schnupfen des Gehirns“) mit etwas Nacken-Hinterkopfschmerzen bis hin zu Lähmungen, Bewegungsstörungen, Anfällen und auch Querschnittsyndromen, die lebensbedrohlich verlaufen können. Die Diagnose gelingt über die Untersuchung des Liquors (Nervenwasser). Hier können erregerspezifische Antikörper nachgewiesen werden, eine Bestimmung der FSME-Antikörper im Blut reicht für die Diagnosesicherung nicht. Da das Gehirn einen privilegierten Platz im Immunsystem einnimmt, ist die Liquoruntersuchung (Untersuchung des Nervenwassers) unerlässlich für die Diagnose dieser meldepflichtigen Erkrankung. Eine direkte Isolierung des Virus gelingt nur in der Akutphase und das auch nur selten, ist somit nicht Goldstandard für die Diagnose. Derzeit gibt es keine ursächliche Behandlung bei der FSME. Bei manifester Erkrankung ist die Behandlung der Symptome bis hin zur intensivmedizinischen Therapie wesentlich. Die Passivimmunisierung (Gabe von FSME-Immunglobulin) wird nicht mehr empfohlen, da hierunter Exazerbationen, also Verschlimmerungen, der Erkrankung beschrieben wurden. Die Frühsommer-Meningoenzephalitis ist ein unter Umständen tödliches Krankheitsbild, das durch eine einfache Impfung verhindert werden kann. Insbesondere zurzeit, zu Beginn der Sommerferiensaison, sollte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, dass es Risikogebiete in Deutschland und anderen Ländern gibt. Vor Urlaubs- und Freizeitaktivitäten im Freien und bei beruflicher Exposition in FSMERisikogebieten sollte (möglichst mindestens zwei Monate im Voraus) geimpft werden. Diese Empfehlung gilt gleichermaßen für Kinder und Erwachsene. 2