Interview mit der Life-Projektmanagerin Frau Jutta Katz

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Life-Projekt-Managerin Jutta Katz fordert eine Allianz für den Erhalt der artenreichen
„Wetterauer Hutungen“.
Die traditionsreichen Weideflächen, sogenannte „Hutungen“, auf den Kuppen und
Hanglagen im südlichen Landkreis Gießen und in der Wetterau sind die ertragsärmsten,
aber artenreichsten Standorte in der Region. Diese schützenswerten Flächen sind in
wirtschaftlich schwierigen Zeiten entstanden, wurden nie gedüngt und von Schafen oder
Ziegen beweidet. Das waren die Voraussetzungen, dass sich hier eine artenreiche Flora
und Fauna entwickeln konnte. Die Biodiversität zu erhalten und zu entwickeln war die
Aufgabe des Life-Projektes „Wetterauer Hutungen“. Das Life-Projekt und damit die
Förderung für diese Flächen laufen nun zum Jahresende 2014 aus. Projekt-Managerin
Jutta Katz zieht anlässlich der Abschlussveranstaltung beim des Schäferfestes 2014 Bilanz
über die Arbeit und Erfolge.
Frau Katz, was war die Zielsetzung des Projektes?
Das war und ist die Erhaltung und Entwicklung der Hutungen, die durch eine
Jahrhunderte nachgewiesene Nutzung als Weidenflächen entstanden sind. Diese
artenreichen Magerrasen haben sich aus ehemaligen, durch Einschlag von Bau- und
Brennholz und Viehverbiss gelichteten Wäldern entwickelt. Durch die intensive
Beweidung hatten Gehölze und Jungbäume keine Chance mehr. Die offenen, parkartige
Landschaft wurde durch die ständige Beweidung schließlich zu gehölzfreien „Hutungen“
(Wortursprung: „hüten“). Ihre kennzeichnenden Pflanzengesellschaften sind an eine
gewisse Nährstoffarmut (daher: „Magerrasen"), bzw. eine Fülle an Licht (daher:
„Lichtrasen“) angepasst. Seit dem Rückgang bzw. der Aufgabe der Beweidung gewinnen
Büsche und Bäume wieder die Oberhand, die Standorte verfilzen und vergrasen, die
Artenvielfalt der Flächen geht verloren.
Wie wurden diese Ziele umgesetzt?
Es gab mehrere Strategien: zunächst war es die Grundsanierung verbrachter Flächen,
dazu gehörte die Entbuschung und Nachpflege dieser. Denn auch nach Rodungsaktionen
muss das immer wieder aufkommende Gebüsch regelmäßig gestutzt oder entfernt
werden. Zweitens brauchen Magerrasenflächen Beweidung. Deswegen haben wir auch
mit zahlreichen Maßnahmen – wie beispielsweise Zaunbau bzw. der Entfernung alter
-2Zäune, der Beschaffung von Wasserfässern oder Verlegung von Wasserleitungen bis zu
Informations- und Vernetzungsangeboten und nicht zuletzt mit Unterstützung bei der
Vermarktung ihrer Produkte - die Schäfereien unterstützt.
Warum wurden diese artenreichen Flächen ab den 1970er Jahren immer weniger genutzt?
In dieser Zeit hat sich die Landwirtschaft grundlegend verändert. Stichwort:
Ertragsmaximierung. Wirtschaftlich schlechte Flächen wie die Hutungen mit ihrem
Magerrasen wurden aufgegeben. Aber bereits vor Projektbeginn 2009 haben
ehrenamtlich Naturschutzgruppen vor Ort an vielen Stellen Großartiges geleistet. Diese
Gruppen waren dann im Projekt eingebunden und haben auch Rodungen und Nachpflege
übernommen. Teilweise liegt die Bewirtschaftung in den Händen dieser
Naturschutzgruppen, z.B. in Ober-Lais, wo 2013 eine kleine Landschaftspflegeherde vom
Life-Projekt finanziert wurde.
Ohne Darstellung der Projektarbeit keine öffentliche Wahrnehmung. Wie haben Sie das
Projekt in der Region bekannt gemacht?
Es war uns wichtig, die Menschen in der Region auf die Preziosen direkt vor ihrer Haustür
aufmerksam zu machen. Deswegen haben wir in zahlreichen Aktionen und bei
Veranstaltungen auf die Arbeit der Schäfer und der ehrenamtlichen Helfer für den
Naturschutz und damit für die Allgemeinheit hingewiesen. Die über den Projektzeitraum
hinaus der Öffentlichkeit zugänglichen Highlights sind der „Erlebnisraum Schaf und
Natur“ in der Hungener Käsescheune, die Wanderausstellung „Behütete Weiden“ und
die ganzjährig begehbare „Schäfer- und Magerrasenroute“ bei Nidda. 2014 wird zudem
ein Pavillon mit dem Thema „Schaf gestaltet Kulturlandschaft“ im Garten der „Keltenwelt
am Glauberg“ eröffnet. Schäfer und den Naturschutz kann man bei den „Wetterauer
Land- und Lammgenusswochen“, jährlich im September, unterstützen. Da haben wir
mittlerweile auch viele gastronomische Projektpartner im südlichen Landkreis Gießen.
Frau Katz, wenn Sie schon heute ein Resümee ziehen sollten, war die Projektarbeit
erfolgreich?
Für mich persönlich und alle am Projekt Mitwirkenden war es eine sehr spannende Zeit.
Ich habe viel gelernt und sehr engagierte Menschen kennengelernt. Im Projekt selbst
haben wir in jedem Fall die Aufgabenstellung erfüllt, die Zielsetzung erreicht. Gleichzeitig
muss ich jedoch erkennen, dass wir in Lebensräumen wie den „Wetterauer Hutungen“ in
einem fünfjährigen Projekt nur einen Grundstein legen konnten, indem wir den Zustand
vieler Flächen verbessern und die Schäfer bei der naturschutzgerechten Nutzung
unterstützen konnten. Nun muss weiter die Öffentlichkeit für den Fortbestand gewonnen
werden. Denn die Gesellschaft muss entscheiden, was ihr der Erhalt der Artenvielfalt wert
-3ist. Unser Motto: Schäfer pflegen die Landschaft, die Sie lieben. Und die kann künftig nur
erhalten werden, wenn die Schäfer mit ihren „Biorasenmähern“ für ihre Arbeit so
entlohnt werden bzw. so viel erwirtschaften können, dass sie von ihrer Arbeit leben
können. Das geschieht zum einen durch die öffentliche Förderung der Flächenbeweidung
und zum anderen durch den Verkauf des Fleisches und der Wurstwaren.
Frau Katz, Ende des Jahres läuft die Projekt-Förderung aus, wie wird es weiter gehen?
Es wird über den Projektzeitraum hinaus Fördergelder aus dem Topf der EU-AgrarUmweltmaßnahmen und FFH-Schutzgebiet-Mittel geben. Außerdem wird mit den
Projektpartnern und -kommunen eine Nachhaltigkeitserklärung erarbeitet, in der das
Land und die Partner die nachhaltige Nutzung von Anschaffung und Flächen vereinbaren.
Dazu gehört auch, dass die Schäfer weiterhin unterstützt werden, zum Beispiel streben
wir an, dass ihnen die wirtschaftlich nicht auskömmlichen Flächen pachtzinsfrei von den
Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Außerdem versuchen wir bei der neuen
LEADER-Förderung, in der Projekte in ganz Hessen platziert werden können,
beispielsweise Mittel für die Unterstützung der Vermarktung von Produkten vom Lammund Schaf zu bekommen.
Frau Katz, Ihre Prognose für die Wetterauer Hutungen in der Zukunft?
Es gibt hier sehr engagierte Menschen auf allen Ebenen – Schäfereien, Behörden,
Naturschutz, beim Wetteraukreis, in den Projektgemeinden Nidda und Hungen – was
mich sehr optimistisch macht, dass die Flächen weiter erhalten und entwickelt werden.
Der Knackpunkt sind jedoch die Schäfereien. Deren Arbeit für die Artenvielfalt und die
Landschaft braucht Anerkennung und muss sich mehr auszahlen als bisher. Das können
die Menschen in der Region, die das gesunde regionale Lammfleisch kaufen,
unterstützen. Aber es braucht auch ausreichend öffentlicher Gelder.
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