Artenzahl steigt weiter

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Artenzahl steigt weiter
Am Berliner Ring entwickelt sich dank Umstellung der Pflege ein immer bunterer Blütenflor
Seit nunmehr 10 Jahren läuft das Projekt: im Rahmen der SandAchse Franken, der größten
nordbayerischen Naturschutzaktion, wurde 1999 die Mahd auf öffentlichen Grünflächen in
Bamberg Ost zurückgefahren. Entlang der Straßenränder dürfen sich Salbei, Esparsette und
viele andere wilde Blütenstauden nunmehr ungestört bis zur Samenreife entwickeln. Das hat
zu einer Steigerung der Artenzahl von 320 auf 441 geführt.
„Das Projekt ist ein voller Erfolg“, resümiert Dr. Jürgen Gerdes, Biologe im Städtischen
Umweltamt. „Mit weniger Aufwand wurde mehr erreicht. Der Arbeits- und Energieaufwand
für die Pflege hat abgenommen, die Artenvielfalt sich enorm erhöht.“
Für das Projekt war die Stadt Bamberg im Jahr 2008 von der Deutschen Umwelthilfe („Grün
in der Stadt“) ausgezeichnet worden.
„Das ging nur, weil sowohl städtisches Gartenamt als auch das Straßenbauamt bereit waren,
mitzumachen“, so Gerdes. „Sie sind für die Pflege zuständig und mussten ihre Arbeitsgänge
umstellen.“ Auch müssten sich manche erst an das veränderte Erscheinungsbild gewöhnen.
Bei den sehr farbigen Blütenaspekt auf sandigen Böden, wie sie dort vorherrschen, sei das
aber nicht schwierig. Wo in trockenen Frühjahren, wie sie zunehmend auftreten, anderswo die
jungen Austriebe vorzeitig dürr werden, zeigt sich die Vegetation am Berliner Ring etwa mit
dem Wiesensalbei in üppigster Blüte. Auch gefährdete Seltenheiten treten auf, unter anderen
die Violette Königskerze oder der Kicher-Tragant (er heißt wirklich so).
„Naturschutz entscheidet sich in den Städten, wo die meisten Leute wohnen. Jede Fläche, egal
ob waagrecht oder senkrecht, ist ein potentielles Biotop, selbst wenn sie an einer Straße liegt“
fasst der Biologe sein Credo zusammen. Mit dem Motto „Naturstadt Bamberg“ nehme die
Landesgartenschau die Ziele der SandAchse Franken auf. Auch auf dem ERBA-Gelände
seien mit dem Bau des Fischpasses Sandböden freigelegt worden, die mit den linearen
Strukturen der Straßenränder einmal ein zusammenhängendes Netz bilden könnten.
Wichtig für das Gelingen, betont Gerdes, ist neben der Zusammenarbeit der Ämter die
regelmäßige Erfolgskontrolle. Mit dem Diplom-Geographen Hermann Bösche, der auch den
Arbeitskreis Botanik bei der Naturforschenden Gesellschaft leitet, hat sich ein engagierter
Experte des Projektes angenommen. Als hervorragender Pflanzenkenner überwacht er die
Entwicklung der Biotope und dokumentiert sie alljährlich. „Es ist nicht immer leicht, im
Fahrtwind von Lastern zu arbeiten“, sagt er lakonisch, „aber die staunenswerte Vielfalt an
Pflanzenarten macht es wieder wett.“ Bösche unterbreitet den Pflegern Vorschläge
hinsichtlich des günstigen Zeitpunktes der Mahd und nötigen Nacharbeiten, wie etwa die
Entfernung des Schnittgutes, die nötig ist, um eine Verfilzung durch Gräser zu verhindern.
„Je magerer, umso artenreicher“, fasst der Botaniker eine ökologische Regel zusammen. „Zu
viel Stickstoff im Boden nützt nur wenigen Arten, die dann massenhaft vorkommen. Je
weniger davon vorhanden ist, umso größer ist die Vielfalt.“
Von den Straßenrändern am Berliner Ring ausgehend, sollte die zurückhaltende Pflege, so
wünschen es sich die Naturschützer, zunehmend auf andere öffentliche Grünflächen
ausgedehnt werden. Damit läge man im Trend der Zeit: 2010 sei zum internationalen Jahr der
biologischen Vielfalt ausgerufen. „Wo wird denn sonst noch“, so Gerdes, „durch Verzicht
mehr produziert?“
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