Verantwortung für unser Über-Lebensmittel Wasser

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Verantwortung für unser Über-Lebensmittel Wasser
1. Einleitung
Im Anschluss an das Jahr der Berge 2002 deklarierten die Vereinten Nationen (UNO) das
Jahr 2003 zum Internationalen Jahr des Süsswassers. Von der Wüste bis zum Meer drehte
sich alles um das kostbare Gut „Wasser“ und überall fanden Aktionen statt.
Der Schutz und die Zukunft des Wassers prägte mich persönlich, denn über 40 Jahren war
ich beruflich für den Schutz, die Verbesserung und die Erhaltung der Gewässer tätig.
Während 30 Jahren trug ich die Verantwortung für die Überwachung der Gewässer des
Kantons Luzern sowie für die Erfolgskontrolle der getroffenen Massnahmen; unter anderem
auch für die Sanierung des Baldegger- und Sempachersees, die bis heute immer noch
künstlich belüftet werden.
Meine persönlichen Erfahrungen und mein Wissen möchte ich mit einigen Gedanken über
die globalen Süsswasserreserven, die Gefährdungen unseres Wasserschatzes sowie über
den regionalen und lokalen Umgang mit Wasser darlegen. Weiter will ich die Frage zu
beantworten versuchen, ob wir unseren Wasserschatz nachhaltig nutzen und ihn in einem
ökologisch guten Zustand den kommenden Generationen übergeben können.
2. Wasserschatz der Erde
Die Wasservorkommen auf der Erde sind mit 1'360 Millionen Kubikkilometer (km 3) immens.
97.7 % dieser Hydrosphäre sind salzhaltig und liegen hauptsächlich in Form von
Meerwasser vor. Nur gerade 2.3 % der gesamten Wasservorkommen ist Süsswasser (38
Millionen km3). Den grössten Anteil an Süsswasser (29.2 Millionen km3) nehmen Polareis
und Gletscher ein. Unter dem Gesichtspunkt der Wasserversorgung von Bevölkerung,
Landwirtschaft und Wirtschaft darf aber nur die dynamische Komponente des
Wasserkreislaufes berücksichtigt werden. Als ständig nutzbare Ressource steht somit nur
das über die Flüsse ins Meer abfliessende Wasser zur Verfügung. Das sind jährlich rund
40'000 km3, oder gerade 1 % des gesamten vorhandenen Süsswassers der Erde. Dieses
erneuerbare Süsswasser steht in den verschiedenen Gebieten der Erde - je nach Klima und
Bevölkerungsdichte in unterschiedlichen Mengen zur Verfügung. Von diesem
Süsswasseranteil wird weltweit bereits 10 % genutzt und verschmutzt.
Die 300 grössten Flüsse der Erde entwässern Einzugsgebiete, die meist mehrere Länder
umfassen, also ober- und unterliegende Länder. Die Wasserführung dieser Flüsse wird oft
bereits im Oberlauf durch menschliche Nutzungen so verändert und ausgebeutet, dass für
die unterliegenden Länder sowie für die jeweilige Grundwasseranreicherung nicht mehr
genügend Wasser zur Verfügung steht.
Neben den Eingriffen in den Wasserkreislauf und in die Abflussregime der Flüsse erfolgt
meist gleichzeitig eine Beeinträchtigung der Qualität des Wassers. Das „WassermengenProblem“ wird noch zusätzlich durch ein „Wasserqualitäts-Problem“ verschärft.
3. Gefährdungen des Wasserschatzes
Die UNO schrieb im Jahr 1999 über die Süsswasser-Reserven der Welt folgendes:
-2-
1.) Arme Entwicklungsländer wie auch wirtschaftlich entwickelte Länder nutzen den
Süsswasserschatz der Erde keineswegs nachhaltig. Sowohl bezüglich der Wassermenge
wie der Wasserqualität herrschen regionale und lokale Versorgungsengpässe.
2.) Der Wasserverbrauch nimmt weiterhin stetig zu. Ein Drittel der rund 6 Milliarden
Menschen leben heute in Ländern, in denen für die täglichen Bedürfnisse nicht genügend
Wasser vorhanden ist.
Im Jahr 2025 werden sogar zwei Drittel der voraussichtlich 8.5 Milliarden Menschen nicht
genügend Wasser haben.
3.) Der Wassermangel und die Wasserverunreinigungen werden zu gesundheitlichen,
wirtschaftlichen und ökologischen Schwierigkeiten führen.
4.) Die Nahrungsmittelproduktion in der Landwirtschaft verbraucht sehr viel Wasser. Sie wird
durch das Wasserangebot begrenzt.
5.) Wassermangel kann zu lokalen, regionalen und globalen Krisen führen.
6.) Es ist weiterhin notwendig verschiedene technische, kurative und vorsorgliche
Massnahmen zu ergreifen, um die Wasserverunreinigung und den Wasserbedarf zu
vermindern.
7.) Für eine nachhaltige Nutzung und für einen besseren Schutz des Wassers braucht es ein
Umdenken und ein kluges, ganzheitliches und wirkungsvolles Wassermanagement.
Die Hauptaufgaben für ein wirkungsvolles Wassermanagement sind:
-
Verbesserungen der hygienischen Verhältnisse für die Bevölkerung,
Verbesserungen des ökologischen Zustandes der Gewässer und
Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen
Verminderung des Wasserverbrauchs bei der Nahrungsmittelproduktion.
deren
Als Zielvorgabe wurde im Bericht der UNO festgelegt, dass bis zum Jahr 2015 der Anteil der
Menschen, der Hunger leidet, unter schlechten hygienischen Verhältnissen lebt und keinen
Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, zu halbieren sei.
4. Beeinträchtigungen der Wassermenge und der Wasserqualität
Zu den Beeinträchtigungen der verfügbaren Wassermengen gehören:
-
Wasserentnahmen für Wasserversorgung (Trinkwasser und Hygiene), für
Nahrungsmittelproduktion (Agrarwirtschaft) und für Brauchwasser (Gewerbe und
Industrie)
-
Wasserableitungen und Stauhaltungen
Trinkwasserreservoire und Schifffahrt
für
Bewässerung,
Wasserkraftnutzung,
-3-
-
Übernutzung
der
Grundwasserreserven
und
Verminderung
Grundwasseranreicherung durch Versiegelung der Böden (Urbanisierung
Industrialisierung) sowie durch Verdichtung der landwirtschaftlich genutzten Böden
der
und
-
Drainierungen, Trockenlegung und Vernichtung von Überflutungs- und Feuchtgebieten
-
Regulierung und Kanalisierung von Gewässern
-
Verluste durch undichte Wasserversorgungsleitungen und Bewässerungskanäle
-
Direkte Auswirkungen auf Menge und Verteilung von Wasser durch globale
Klimaveränderungen.
Zu den Beeinträchtigungen der Wasserqualität gehören:
-
Hygienische Verunreinigungen durch pathogene Keime, Protozoen, Bakterien und Viren
aus Siedlungen, Spitälern und Abfall-Deponien. Auch gereinigte Abwässer aus
Kläranlagen sind nicht frei von hygienisch bedenklichen Keimen und Umweltschadstoffen
-
Verschmutzungen durch
industriellen Abwässern
-
Verunreinigungen durch nicht-abbaubare (persistente) und toxische Stoffe wie
Schwermetalle, chemosynthetische Verbindungen und Agrochemikalien
-
Überdüngung der Gewässer mit Stickstoff und Phosphor aus intensiv betriebener Landwirtschaft, aus Siedlungsabwässern und aus Niederschlägen (Luftverschmutzung)
-
Verunreinigung durch Mikroverunreinigungen, die sich in der Nahrungskette anreichern
oder Stoffe, die hormonaktiv wirken
-
Versauerung der Gewässer durch Schadstoffe aus der Luft
-
Aufsalzung der Gewässer durch ungeeignete Bodennutzung und Landwirtschaft
-
Verunreinigung der Gewässer durch Abfälle, Leckagen, Unfälle und Havarien
-
Erhöhung der Radioaktivität durch radioaktive Abfälle und Unfälle wie zum Beispiel durch
den Atomreaktorunfall von Tschernobyl oder die Lagerung von radioaktiven Abfällen in
der Nähe von Gewässern.
Schadstoffe
aus
häuslichen,
landwirtschaftlichen
und
5. Europäischer, nationaler und kantonaler Schutz der Gewässer
Probleme mit der Wasserqualität haben nicht nur die armen Entwicklungsländer, sondern
auch die mit Süsswasser gut versorgten, reichen Länder des Nordens. Der neueste Bericht
der UNO über Trinkwasserqualität und Wassermanagement von 122 Nationen stellte fest,
dass Belgien am fahrlässigsten mit Wasser umgeht. Finnland – gefolgt von Kanada und
Neuseeland - verfügen über eine gute Wasserbewirtschaftung. Die Schweiz liegt nur auf
dem 16. Rang. Die Schweizer tragen somit nicht mehr die weisseste Weste, wie viele
glauben.
-4-
Europa hätte genügend Wasser für die Versorgung der doppelten Anzahl von Einwohnern
(etwa 600 Mio. Menschen). Jedoch sind auch in Europa die verfügbaren Wassermengen
durch qualitative und quantitative Beeinträchtigungen gefährdet.
Regionale und lokale Defizite zwischen Nachfrage und Wasserangebot sind in Grossstädten
und dichtbesiedelten Gebieten oft vorhanden. In Europa stützt sich die Wasserversorgung
der Bevölkerung zu 65 % auf Grundwasser. Dabei sind in den Küstenregionen von Spanien,
Italien und Griechenland die Vorkommen an Grundwasser bereits heute massiv übernutzt.
Eine haushälterische Bewirtschaftung und ein besserer Schutz des Grundwassers bleiben
auch in der Schweiz eine vordringliche Aufgabe. Die Wasservorkommen für Grossstädte und
Industriezentren liegen oft im ländlichen Raum, wo meist auch eine intensive Agrarwirtschaft
betrieben wird. Ungefähr 70 % des in der Welt genutzten Wassers wird in der Landwirtschaft
verbraucht und 30 % in Haushalten sowie Gewerbe- und Industriebetrieben.
Die hohen landwirtschaftlichen Erträge werden mit viel Wasser und unter Anwendung von
phosphor- und stickstoffhaltigem Kunstdünger sowie Pflanzenbehandlungsmitteln erkauft. So
wird bereits im ländlichen Raum das Wasser durch Agrochemikalien stark verunreinigt.
Dabei müsste eigentlich gerade bei der Nahrungsmittelproduktion dem Prinzip der
nachhaltigen Nutzung des Wasserschatzes nachgelebt werden. Dies gilt auch für den
Kanton Luzern, wo rund ein Viertel des Schweinefleisches der Schweiz produziert wird.
Diese hohen Schweinebestände können nur durch Importe von Futtermitteln aus dem
Ausland aufrecht erhalten werden. Die von den Schweinen und Kühen produzierten
Jauchemengen werden im Einzugsgebiet der Seen ausgebracht, was zu einer starken
Überdüngung der Böden mit Phosphor und Stickstoff führt. Die Folgen dieser Überdüngung
sind Verunreinigung von Fliessgewässern, Seen und Grundwasser.
Seen reagieren auf Phosphorzufuhren rasch mit einer erhöhten Algenproduktion. Der
mikrobiologische Abbau dieser hohen Algenbiomasse führt in Seen zu einem
Sauerstoffschwund im Tiefenwasser. Dadurch wird der Lebensraum für sauerstoffabhängige
Organismen eingeengt und eine fatale Eigendüngung des Sees setzt ein. Die Versorgung
mit Trinkwasser aus Seen wird erschwert. Die hohe Anreicherung mit Düngestoffen
bedingte, dass der Baldeggersee, Hallwilersee und Sempachersee bis heute künstlich
belüftet werden müssen.
Die Anwendung von zuviel Stickstoffdünger in der Landwirtschaft und auf
Ackeranbauflächen, die längere Zeit brachliegen, bewirken eine Nitrat-Anreicherung im
Grundwasser. Bei höheren Nitrat-Gehalten im Trinkwasser können bei Säuglingen
Gesundheitsschädigungen auftreten.
6. Vier Jahrzehnte Gewässerschutz in der Schweiz und im Kanton Luzern
Gemäss der Gesetzgebung des Bundes ist in der Schweiz der Vollzug des Gewässerschutzes an die Kantone delegiert. Wir können die letzten vier Jahrzehnte bezüglich
Gewässerschutz in folgende Phasen unterteilen:
Phase 1960 bis 1970:
Mit grossem Elan baut die öffentliche Hand in den Siedlungsgebieten
Abwassersammelkanäle, die zu zentralen Abwasserreinigungsanlagen (ARA) führen.
-5-
Siedlungs- und Gewerbeabwässer werden in einer biologischen Stufe behandelt, um Flüsse
und Seen von organischen Schmutzstoffen zu entlasten.
Zum Schutz des Grundwassers werden Mineralöltankanlagen gegen Verlust und Leckagen
besser abgesichert. Es wir vor allem ein technischer Gewässerschutz betrieben.
In der Landwirtschaft beginnt eine Intensivierung der Produktion und eine starke Aufstockung
der Nutztierbestände durch Schweinemast in den Kantonen Luzern und Thurgau.
Phase 1970 bis 1980:
Das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vor Verunreinigung tritt am 8. Oktober
1971 in Kraft, welches in erster Linie die Verbesserung der Wasserqualität in den Gewässern
zum Ziele hatte. Die Siedlungsentwässerung mit zentralen Abwasserreinigungsanlagen
sowie die industrielle Abwasserbehandlung werden schrittweise ausgebaut. Diese
Massnahmen verbesserten die Wasserqualität vor allem in den Fliessgewässern.
In den Seen des Mittellandes findet neben den Phosphoreinträgen aus Siedlungsabwässern
eine zusätzliche Belastung aus den landwirtschaftlich überdüngten Böden statt. Baldeggerund Greifensee sind die am stärksten überdüngten Gewässer der Schweiz. Als
Folgeerscheinungen treten massenhafte Algenentwicklungen, Sauerstoffschwund im
Tiefenwasser und periodisch Fischsterben auf.
Ab 1975 wird gesetzlich verlangt, dass in den Abwasserreinigungsanlagen im Einzugsgebiet
von Seen zusätzlich Phosphor eliminiert werden muss, um die Überdüngung der Seen mit
Phosphor zu bekämpfen. Dies hat zur Folge, dass die kommunalen Kläranlagen zusätzlich
mit einer Phosphat-Fällungsstufe ausgerüstet werden. Im Einzugsgebiet des
Vierwaldstättersees erfolgte dies über eine interkantonale Vereinbarung bereits ab dem Jahr
1971.
Entsprechend dem Gefährdungspotential müssen die Kantone drei verschiedenen
Gewässerschutzbereiche und um öffentlichen Trinkwasserfassungen Schutzzonen
ausscheiden.
Phase 1980 bis 1990:
Im August 1984 führte die Überdüngung des Sempachersees zu einem massiven Fischsterben durch giftige Ausscheidungsprodukte von Blaualgen, die massenhaft auftraten. Die
Phosphoranreicherung in Seen und die Nitratanreicherung im Grundwasser erreicht
Höchstwerte und wird anschliessend gezielt bekämpft.
Baldegger-, Hallwiler- und Sempachersee werden wegen der Überdüngung und
Sauerstoffmangel im Tiefenwasser künstlich belüftet. Die Überwachung der Zuflüsse zeigen,
dass rund 80 % der Phosphor-Belastung des Baldegger- und des Sempachersees diffus aus
den landwirtschaftlich genutzten Böden stammt.
Das neue Umweltschutzgesetz des Bundes tritt 1985 in Kraft. Die Anwendung von
Phosphaten in Textilwaschmitteln wird in der Stoffverordnung des Bundes ab 1986
gesetzlich verboten.
Die Chemisierung der Gewässer hält unvermindert an. Die Sandoz vergiftet im Jahr 1986
durch einen Chemieunfall bei Schweizerhall weite Strecken des Rheins. Im gleichen Jahr
-6-
erfolgt die radioaktive Verstrahlung des Luganersees durch Niederschläge, die durch den
Atomreaktorunfall von Tschernobyl beeinflusst waren.
Phase 1990 bis heute:
Das neue Bundesgesetz zum Schutz der Gewässer (GSchG) vom 24. Januar 1991 bringt mit
dem Zweckartikel neue ökologische Zielsetzungen und Anforderungen.
Erstmals werden die Gewässer als Landschaftselemente und als Erholungräume geschützt.
Verschiedene Gesetze im Bereich Naturschutz, Landschaftsschutz, Wasserbau, Fischerei
und Umweltschutz (Stoffverordnung) werden für einen integralen Schutz der Gewässer
angepasst. In der Schweiz beträgt der Anteil von Fliessgewässern, die durch Verbauungen
(Hochwasserschutz) und Wasserentnahmen (Wasserkraft) nicht beeinträchtigt sind, nur noch
10%. Nach der Ableitung von Wasser für die Wasserkraftnutzung wird nach dem neuen
Gesetz eine ökologische Restwassermenge in Fliessgewässern verlangt.
Neben der Gewässerreinhaltung auf der Stufe Gemeinde und Kanton wird ein ganzheitlicher
Schutz der Gewässer angestrebt, welcher das gesamte Einzugsgebiet eines
Gewässersystems umfasst. Die Gewässer sollen ihre natürlichen Funktionen erfüllen können
sowie eine naturnahe Wasserführung und einen guten ökologischen Zustand aufweisen. Die
Wasserlebensräume sollen so beschaffen sein, dass eine Vielfalt von einheimischen
Pflanzen und Tiere gedeihen kann. Für die Beurteilung der Fliessgewässer bezüglich
Struktur und Lebensraumqualität werden vom Bund Richtlinien erlassen. In der Folge
werden Fliessgewässer naturnaher verbaut.
Die künstliche Belüftung des Sempacher-, Baldeggger- und Hallwilersees werden
weitergeführt, weil die Düngestoffbelastung aus den landwirtschaftlich genutzten Böden
immer noch zu hoch ist.
Untersuchungen in Fliessgewässern unterhalb von Kläranlagen zeigten in der Wyna im
Kanton Aargau und im Winkelbach (ARA Eschenbach-Inwil-Rain) im Kanton Luzern eine
Verweiblichung von männlichen Bachforellen durch hormonaktive Substanzen auf.
Für das Einzugsgebiet der Kleinen Emme von 480 Quadratkilometern wird erstmals ein
Leitbild in Form einer Flussgebietsplanung nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
erstellt. Den ökologischen Zustand und die verschiedenen Nutzungen des Flusses entlang
dem „Wasserweg Kleine Emme“ konnte ich mit Hilfe von 14 Schautafeln der lokalen
Bevölkerung als nachhaltige Wissensvermittlung darstellen.
7. Fazit
Das neue Schweizerische Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer ist im
internationalen Vergleich fortschrittlich. Einen noch besseren ökologischen Ansatz für die
nachhaltige Nutzung der Gewässer enthält die neue Wasserrahmenrichtlinie der
Europäischen Union. Sie verpflichtet seit dem Jahr 2001 alle EU-Länder, ihre Gesetzgebung
entsprechend den Zielsetzungen eines nachhaltigen Wassermanagementes anzupassen.
Jedes Gesetz ist aber nur wirkungsvoll, wenn es vollzogen wird. Der Vollzug hängt vom
politischen Willen, dem Durchsetzungsvermögen der Verwaltung, dem Druck und den
Wertvorstellungen der Öffentlichkeit und der wirtschaftlichen Lage ab. Statt einen Vollzug
-7-
zum Schutz der Gewässer und zum Wohl der Allgemeinheit durchzusetzen, startete man
auch in der Schweiz eine Umwelt-Werbepropaganda, um den beginnenden
Vertrauensverlust wett zu machen. Mit Öffentlichkeitsarbeit und plakativen Werbespots
erhoffte man sich eine Verhaltensänderung bei der Bevölkerung zu bewirken.
Gegenwärtig ist aber Umweltschutz kein Karrierewort mehr. Obwohl ja Umweltschutz die
Verbesserung unserer Lebensqualität bedeutet, wurde inzwischen in vielen Kantonen das
Wort „Schutz“ in der Bezeichnung der Fachstellen für Gewässer- und Umweltschutz
gestrichen.
Während der letzten 10 Jahre erfolgte in der Schweiz eine Liberalisierung, Deregulierung
und Privatisierung von öffentlichen Aufgaben, die auch gemeinschaftliche Umweltaufgaben
wie zum Beispiel die Trinkwasserversorgung und die Entsorgung von Abwasser und Abfällen
betrafen. Öffentliche Güter wie Wasser, Boden und Luft wurden vermehrt der Marktwirtschaft
unterstellt. Staatlicher Vollzug wurde zunehmend als polizeiliche Massnahme verpönt. Mit
Schlagwörtern wie „New Public Management“ wurden staatliche Aufgaben dem freien
Unternehmertum unterworfen. Mit dem Versprechen einer besseren Effizienz zog sich der
Staat aus der Verantwortung und dem Vollzug zurück.
Die Überwachung und die Kontrolle von Gewässerschutzmassnahmen sind heute an
Branchenvertreter (zum Beispiel Revision der Tankanlagen und Kontrolle des ökologischen
Leistungsnachweises in den landwirtschaftlichen Betrieben) oder an die Industrie- und
Gewerbebetriebe (Selbstkontrolle durch Umwelt-Managementsysteme) delegiert worden.
Die sich anbahnende schlechtere wirtschaftliche Lage, die Marktliberalisierung und der
Privatisierungstrend führten zu einem Spardruck, wobei rasch die Bereiche des
Umweltschutzes und der Umweltbeobachtung geopfert wurden. Durch ständige
Reorganisationen und Aufhebung von Fachstellen wurden Fachkompetenz und Grundwissen
zum Schutz unseres Wasserschatzes sorglos über Bord geworfen.
Obwohl in der Bevölkerung weiterhin ein hohes Bewusstsein und Verständnis für den Schutz
der Gewässer vorhanden ist, wehte politisch seit den letzten 10 Jahren ein kalter
Gegenwind. Ein Luzerner Landwirt und Nationalrat beantragte sogar, dass das in der
Schweiz für den Gewässerschutz zuständige Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft
(BUWAL) abzuschaffen sei. Gegenwärtig wird im Parlament versucht, das Beschwerderecht
von Umweltschutzorganisationen aufzuheben, währenddem weltweit die Nicht-Regierungsorgani-sationen (NGO) von den Entscheidungsträgern als Berater und Ideenlieferanten
beigezogen werden. Die Aufgabe der NGO’s ist heute erst recht notwendig, weil die
Behörden und die Verwaltung die gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr vollziehen wollen
oder können. Leider wird nicht verstanden, dass ein komplexes demokratisches
Gesellschafts- und Wirtschaftssystem auch anspruchsvolleren gesetzlichen Regelungen zum
Schutz des Gemeinwohls bedarf.
Das abgeänderte Raumplanungsgesetz des Bundes, das vorher eine klare Trennung
zwischen Siedlungsgebiet und nicht-überbaubarem ländlichem Gebiet aufwies, wurde so
verwässert, dass nun auch in der Landwirtschaftszone ortsfremde Bauten erstellt werden
können. Grundprinzipien einer nachhaltigen Raumplanung werden über Bord geworfen. Die
Frage sei erlaubt, ob durch diese Zersiedelung nicht auch die Mobilität zusätzlich gefördert
und eine kostengünstige Abwassersammlung und -behandlung verunmöglicht wird?
Die Schweizer bewegen sich meisterhaft in Zwischenräumen und Schlupflöchern, stellte
kürzlich ein österreichischer Wasserfachmann fest. Im Kanton Luzern war es mit dem
-8-
Einverständnis der Behörden möglich, dass eine Gemeinde am Vierwaldstättersee direkt
über ihrer eigenen Seewasserfassung eine Hafenanlage für Boote erstellen konnte. Hier
konkurrieren kurzfristige Einzelinteressen mit dem nachhaltigen Schutz der
Trinkwassernutzung.
Konzessionen für die Wasserentnahme von Kraftwerken an der Kleine Emme wurden ohne
die gesetzlich vorgeschriebenen Auflagen betreffend Restwassermengen im Fliessgewässer
an neue Eigentümer überschrieben. Das vom Bundesrat in der Stoffverordnung geforderte
Verbot der Anwendung von Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln im Abstand von 3
Metern von einem Gewässer, wird selten eingehalten, Verstösse werden kaum je geahndet.
Der hohe Stand der Abwasserreinigung in der Schweiz führt dazu, dass die Öffentlichkeit im
Glauben gelassen wurde, dass das in Kläranlagen gereinigte Abwasser Trinkwasserqualität
aufweise. Durch die Einleitung von gereinigten Abwässern der 1991 erstellten Kläranlage
ARA Entlebuch in die Kleinen Emme wurde eine von der Öffentlichkeit gern besuchte
Badestrecke hygienisch so belastet, dass im Sommer 2002 Badende mit einer
Salmonelleninfektion ins Spital eingeliefert werden mussten. In den Kantonen Luzern,
Aargau, und Waadt wurde neulich festgestellt, dass die Einleitung von gereinigten
Abwässern aus kommunalen Kläranlagen zur Verweiblichung von männlichen Forellen
führte. Bei geringer Verdünnung von Abwässern aus Kläranlagen können die Grenzwerte
und gesetzlichen Qualitätsanforderungen an Fliessgewässer kaum mehr eingehalten
werden.
Der Trend zum Missbrauch und zur Beeinträchtigung der aquatischen Ökosysteme und des
Wassers ist ungebrochen. Das einzig „Nachhaltige“ ist die andauernde Belastung und
Überlastung unserer Wasser-Ressourcen. Ursache ist nicht ein Mangel an griffigen
Gesetzen, sondern ein Mangel des politischen Willens und des behördlichen Vollzuges,
unseren Wasserschatz für die kommenden Generationen zu schützen. Nur mit Hilfe einer
aufwendigen Abwasserbehandlungstechnik oder der künstlichen Belüftung von Seen können
somit die gesetzlichen Qualitätsanforderungen für Gewässer eingehalten werden. Dies ist
mit hohen Kosten verbunden, was wiederum aufzeigt, dass wir uns eben nicht nachhaltig
verhalten.
8. Schlussfolgerung für den Schutz der Gewässer in der Schweiz
Die Schweiz als Wasserschloss Europas trägt eine besondere Verantwortung. Der Reichtum
an Wasser und an Geld sollte uns zu erhöhten Anstrengungen zum nachhaltigen Schutz der
Gewässer verpflichten. Ich musste aber selber erfahren, wie in der Verwaltung im letzten
Jahrzehnt kompetente und verantwortungsbewusste Personen ausgebootet, in die
Frühpension geschickt oder abgesetzt wurden, als sie auf Missstände und auf krasse
Vollzugsmängel beim Schutz unserer Gewässer hinwiesen. Wo finden wir noch eine Lobby
für einen ganzheitlichen Schutz sowie eine zukunftsfähige Nutzung unseres Wasserschatzes
in Politik, Verwaltung und Wirtschaft inklusive Tourismus?
In der föderalistischen Struktur der Schweiz tun sich die kommunalen und kantonalen
Behörden oft schwer, eine gemeinsame Verantwortung für die Wasserbewirtschaftung
(Versorgung und Entsorgung) und für einen andauernden Schutz in einem grösseren
Gewässereinzugsgebiet
zu
tragen.
Grenzüberschreitende
Planungen
der
Wasserbewirtschaftung sind aber in der Schweiz möglich, wie die gemeinsamen
Anstrengungen der Kantone in den Einzugsgebieten der Thur (naturnaher Wasserbau), der
Bünz
(Regionaler
Entwässerungsplan)
sowie
in
den
Einzugsgebieten
des
-9-
Vierwaldstättersees (Aufsichtskommission Vierwaldstättersee der Kantone Uri, Schwyz,
Obwalden, Nidwalden und Luzern) und des Genfersees (Internationale Kommission zum
Schutz des Genfersees) zeigen.
Die Schweiz weist noch einen guten Wissensstand und eine langjährige Erfahrung im Schutz
und bei der Nutzung von Gewässern auf. Unter anderem besitzen wir eine hohe Kompetenz
für die Erfassung des Wasserhaushaltes im alpinen Raum oder die Trinkwasseraufbereitung.
Wie lange bleibt noch unser Ruf als gute Gewässerschutzspezialisten ungetrübt? Der Schutz
unseres Wasserschatzes bleibt somit eine andauernde Aufgabe. Neben dem qualitativen
und quantitativen Gewässerschutz bräuchte es aber auch einen ästhetischen (Schutz der
Gewässer als Landschaftselemente) sowie einen ethischen Gewässerschutz (nachhaltige
Nutzung des Wasserschatzes). Völlig unterentwickelt ist in der Schweiz der Schutz der
Gewässer als Naturdenkmäler und als Kulturerbe.
Was zielstrebige und motivierte Teamarbeit auf dem Wasser ermöglichen kann, zeigte uns
im Jahr 2003 die unter Schweizer Flagge segelnde Alinghi-Crew. Wir wären als heute
führende Segelnation durchaus in der Lage, auch im Gewässerschutz einen besseren Rang
heraus zu fahren.
Während meines langjährigen Einsatzes für unsere Gewässer habe ich gelernt: „Bleibe
beharrlich wie der stetige Wassertropfen. Nur wer wie die Forelle - trotz Hindernissen und
Gefahren - gegen den Strom schwimmt, erreicht die Quellen.“
Dr. Pius Stadelmann
IAD Landesvertreter CH,
Präsident
Landschaftsschutzverband
Vierwaldstättersee
Literaturhinweise:
United Nations 2002
Comprehensive Assessment of the Freshwater Resources of the World,
www.un.org/esa/sustdev/freshwat.htm
Bloesch J. 2002
10 Jahre Gewässerschutz: Wie steht es mit der Schweizerischen Politik?
Natur und Mensch, Rheinaubund, Schaffhausen, Nr. 3/2002:2-5
Stanners D. and Bourdeau Ph. 1995
Europe's Environment: The Dobris Assessment, European Environment Agency, Copenhagen,
Danemark, 676 Seiten
Stadelmann P. und Lovas R. 2000
Flussgebietsplanung für einen voralpinen Fluss in der Schweiz. Kleine Emme im Kanton Luzern,
Gas-Wasser-Abwasser (Zürich), 80: 1-24
Pius Stadelmann, Hydrobiologe, Dr. sc. nat. ETH; 1971-1974 Postdoctoral
Fellow National Research Council of Canada, Research Scientist at Canada Centre of Inland Water (CCIW), Burlington, Ontario, Canada. 19741985 Abteilungsleiter im kantonalen Amt für Gewässerschutz und 19862003 Hauptabteilungsleiter und später Wissenschaftliche Dienste, Amt für
- 10 -
Umweltschutz des Kantons Luzern. Projektleiter der künstlichen Belüftung
des Sempacher- und Baldeggersees; 1998 Projektleiter des "Wasserweg
Kleine Emme"; Mitglied in verschiedenen kantonalen, nationalen und
internationalen Kommissionen; Vortrags- und Lehrtätigkeit an
Fachschulen (ZTL, ATIS, HWV) und Hochschulen (ETH/EAWAG,
Universität Zürich, Universität Konstanz). Verfasser von rund 40
Publikationen über Sanierung und künstliche Belüftung von Seen, über
Fliessgewässer, Flussgebietsplanung, Grundwasser und integralen
Gewässerschutz.
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