Keine Hoffnung für Palästina - SALAM SHALOM Arbeitskreis

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Keine Hoffnung für Palästina?
1. Jeder weiß, wie die äußeren Regelungen für eine Lösung des Konflikts aussehen müssten,
wenn jüdische Israelis und Palästinenser einen dauerhaften Frieden bekommen sollen:
- Rückzug Israels auf die Grenzen vom 4. Juni 1967 (UN-Resolution 242 vom November
1967)
- uneingeschränkte Souveränität der Palästinenser über die ihnen dann verbliebenen 22% des
historischen Palästinas
- nationale Selbstbestimmung der Palästinenser in einem demokratischen Staat
- (Ost-)Jerusalem als dessen Hauptstadt
- einvernehmliche Regelung der Fragen der Rückkehr und der Entschädigung der
palästinensischen Flüchtlinge (UN-Resolution 194 vom Dezember 1948) - - Beendigung der
Apartheid
in Israel: wirkliche Gleichberechtigung der dort lebenden palästinensischen Minderheit
- friedliche Koexistenz beider Staaten, eventuell spätere Wirtschaftsunion, Föderation …
Für die Zwei-Staaten-Lösung hat sich die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation)
unter Führung Yasser Arafats bereits im Jahre 1988 entschieden (palästinensische
„Unabhängigkeitserklärung“). - Auch die Hamas hat dieses einst von ihr vehement bekämpfte
politische Programm inzwischen längst akzeptiert (Wahlprogramm 2005/06)
[Helga Baumgarten, Kampf um Palästina,Freiburg 2013, S. 155]
Die Vollversammlung der UNO stimmt jedes Jahr über eine Resolution namens „Friedliche
Regelung der Palästina-Frage“ ab. Darin spricht sie sich stets für die Herbeiführung einer
Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina aus und bekräftigt zu diesem Zweck den
„Grundsatz der Unzulässigkeit des Gebietserwerbs durch Krieg“ sowie die „Illegalität der
israelischen Siedlungen in dem seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich
Ostjerusalems“ und sie „unterstreicht die Notwendigkeit a) des Abzugs Israels aus dem seit
1967 besetzten palästinensischen Gebiet einschließlich Ostjerusalems b) der Verwirklichung
der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes, allen voran des Rechts auf
Selbstbestimmung und des Rechts auf seinen unabhängigen Staat“ sowie die Notwendigkeit
einer gerechten Lösung des Problems der Palästinaflüchtlinge in Übereinstimmung mit ihrer
Resolution 194 (III) vom 11. Dezember 1948.“ Das protokollierte Abstimmungsergebnis im
Jahre 2009 [neuere Zahlen liegen mir nicht vor, E.L.]: 164 Ja-Stimmen, 4 Enthaltungen, 7
Nein-Stimmen (Israel, USA, Australien, Marschallinseln, Mikronesien, Nauru, Palau)
[Norman Finkelstein, Israels Invasion in Gaza, Hamburg 2011, S.41f]
2. Jeder, der es wissen will, weiß auch, dass es eine Chance, den Frieden durch eine ZweiStaaten-Lösung zu erreichen, nicht mehr gibt - falls es sie als realistische Option je gegeben
hat.
Keine israelische Regierung hat die Idee von einem Staat Palästina jemals gutgeheißen, keine
hat sich je vom zionistischen Ziel - „Ganz Palästina als jüdischer Staat“ (Ben Gurion) verabschiedet. Alle haben sie über Jahrzehnte den Kolonisierungsprozess vorangetrieben
durch Landraub, Ressourcendiebstahl, Vertreibung der einheimischen Bevölkerung,
Siedlungsbau, Apartheidsmauer, de-facto-Annexion der C-Gebiete im Westjordanland
(ca.60%) und haben so Tatsachen geschaffen („facts on the ground“), die einen
palästinensischen Staat verhindern sollten und mittlerweile auch definitiv unmöglich machen.
Objektiv ist auf diese Weise eine Ein-Staat-Situation entstanden, allerdings in Form eines
Apartheid-Staates, in dem – und das ist die völkerrechtliche Definition von Apartheid – die
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Herrschaft der einen religiös-ethnischen Gruppe, (in diesem Fall der Juden) über die andere
Gruppe (die Palästinenser), institutionalisiert und Staatsräson ist.
3. Hätten Arafat und die Seinen (unter ihnen z.B. Abbas) diese Entwicklung voraussehen
sollen, als sie sich 1993 auf den Oslo-„Friedensprozess“ eingelassen haben?
Sie glaubten, die Befreiung des palästinensischen Volkes von der kolonialen Unterdrückung
und seine Selbstbestimmung in einem souveränen Staat auf dem Verhandlungsweg erreichen
zu können. Auch der israelische Premier Rabin war zu der Einsicht gelangt, dass die Situation, in der sich Israelis und Palästinenser befanden, verändert werden müsse. Nur war sein
Ziel nicht eine Beendigung der Besatzung, sondern ihre „Reform“, ihre Verfeinerung im
Sinne Israels. Ein palästinensischer Staat im „Lande Israel“ kam für ihn so wenig infrage wie
für alle anderen Links-oder Rechts-Zionisten.
Die Palästinenser ließen sich auf Verhandlungen mit einem ungleich mächtigeren Partner ein,
der zudem wahrscheinlich noch nicht einmal vorgab, an einer gerechten, d.h. auch die Rechte
und legitimen Interessen der Palästinenser berücksichtigenden Lösung des Konflikts interessiert zu sein. Und sie lieferten, was die Israelis verlangten:
Sie erkannten den Staat Israel an (das bedeutete implizit den Verzicht auf 78% des historischen Palästinas). Sie anerkannten ebenfalls das Recht Israels, in Frieden und Sicherheit zu
existieren. Sie verzichteten in alle Zukunft auf den Einsatz von Gewalt und erklärten sich
bereit, als Autonomiebehörde in den besetzten Gebieten – gewissermaßen als Israels Polizeitruppe - für die Sicherheit der Besatzungsmacht zu sorgen und möglichen palästinensischen
Widerstand zu unterdrücken.
Was bekamen sie dafür?
Israel erkannte die Existenz des palästinensischen Volkes und die PLO, die Palästinensische
Befreiungsorganisation (Fatah und die anderen politischen Organisationen – außer Hamas),
als legitime Vertretung der Palästinenser an. Das war´s. In der Osloer „Prinzipienerklärung“,
die am 13.September 1993 in Washington von Arafat und Rabin feierlich unterzeichnet
wurde, und in allen darauffolgenden Osloer Verträgen fehlte „die israelische Anerkennung
des Rechts dieses palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und die Realisierung dieses
Rechts im Rahmen eines eigenen Staates. Ebenso fehlte jeder Verweis darauf, dass die
Palästinenser nicht weniger als Israel das Recht haben sollten, in Frieden und Sicherheit zu
existieren. […] Nirgendwo wurde eine Beendigung der Besatzung ausdrücklich erwähnt.“
[Baumgarten S. 110] Von einem Siedlungsstopp war auch später keine Rede.
Die Ungereimtheit dieser Vereinbarung blieb kritischen Beobachtern nicht verborgen. Edward
Said, der bedeutende palästinensisch-amerikanische Literaturwissenschaftler, bemerkte, „die
PLO sei die erste nationale Befreiungsbewegung in der Geschichte, die ein Abkommen
unterzeichnet habe, mit dem das Besatzungsregime an der Macht bleibt“. [Baumgarten S.112]
Die Hamas beklagte die „Schande der Kapitulation“, die Aufgabe „aller grundlegenden
nationalen und legalen Prinzipien“ der Palästinenser. [Baumgarten S.112f]
Sollten die palästinensischen Verhandler mit der Fairness der Gegenseite oder mit der
Honorierung ihrer eigenen Willfährigkeit gerechnet haben, so wurden sie bitter enttäuscht.
Was sich in diesem „Friedensprozess“ durchsetzte, waren die Interessen der Macht, und die
war nicht auf Seiten der Palästinenser.
Als Arafat am Ende eines jahrelangen Verhandlungsweges im Jahre 2000 in Camp David dem
vereinten Druck des israelischen Premiers Barak und des amerikanischen Präsidenten Clinton
widerstand und sich weigerte, das israelisch-amerikanische „Friedens“-Diktat zu
unterzeichnen, avancierte er auch noch zum undankbaren Bösewicht, und Barak verbreitete
mit großem Erfolg die Botschaft: „Wir haben keinen Partner für den Frieden“ – wobei er, wie
alle israelischen Politiker, unter „Frieden“ natürlich einen Frieden zu den Bedingungen Israels
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verstand. So gesehen, hatte er noch nicht einmal gelogen, wenngleich die Öffentlichkeit seine
Worte anders verstehen musste und auch sollte.
4. Jeder, der die Gründe für das Scheitern des Oslo-Prozesses verstanden hat, und jeder, der
das bisherige Resultat des zionistischen Kolonisierungsprojekts unvoreingenommen zur
Kenntnis nimmt, weiß, dass bei den israelisch-palästinensischen Verhandlungen, die
gegenwärtig auf amerikanischen Druck stattfinden, für die Palästinenser nichts Gutes
herauskommen kann. Ihre Position am Verhandlungstisch ist heute wesentlich schwächer als
vor 20 Jahren beim Start in Oslo:
> Die Israelis sehen keine Notwendigkeit, an der Situation etwas zu ändern: sie haben ihr
zionistisches Projekt weitgehend realisiert, sie haben die Kontrolle über das ganze Land, die
Zertrümmerung der palästinensischen Gesellschaft, ihre geographische, soziale, politische
Fragmentierung und Teilung ist gelungen, die sogenannte Autonomie-Behörde im
Westjordanland ist ein meist leicht zu lenkender, weil finanziell erpressbarer
„Kooperationspartner“. Und wenn zur Aufrechterhaltung einer glaubwürdigen Abschreckung
gelegentlich Militär- schläge gegen den Gazastreifen nötig werden, dann ist das - neben
anderen Vorteilen auch gut für das so wichtige Image vom bedrohten Israel. International gibt
es von Seiten der Ver-bündeten (USA, EU und Deutschland) zwar hin und wieder Kritik, aber
nur „unter Freunden“, d.h. die prinzipielle Unterstützung wird nicht an irgendwelche
Bedingungen, z.B. an eine Änderung der völkerrechtswidrigen Politik, geknüpft. Alles in
allem also eine eher komfor-table Lage. Die Motivation, dem am Boden liegenden Feind
irgendwelche Konzessionen zu machen, ist da verständlicherweise nicht eben groß.
> Wie wenig die Palästinenser auf den amerikanischen Außenminister als ehrlichen Makler
zählen können, zeigt der jüngst von diesem präsentierte Vorschlag, wie eine Bedrohung von
Israels Sicherheit durch ein semisouveränes palästinensisches Gebilde (von einem „Staat“ will
man in der ins Auge gefassten „Übergangsphase“ ehrlicherweise offenbar nicht sprechen )
ausgeschlossen werden könnte. „Noch nie zuvor hat sich eine amerikanische Regierung so
einseitig die Forderungen Israels zu eigen gemacht.“ Militärische Kontrolle aller Außengrenzen und des ganzen Jordantales für mindestens 10 bis 15 Jahre nach Abschluss eines
„Friedensvertrages“, ohne Abzugsgarantie nach Ablauf dieser Frist. (Das Jordantal, 20 % bis
25% der Fläche eines künftigen palästinensischen Staates, wäre wegen seiner Fruchtbarkeit
für dessen Wirtschaft von größter Bedeutung.) Vollständige Kontrolle auch des Luftraums
durch Israel. [Flugblatt, Rückseite: Knut Mellenthin, Was haben die Palästinenser …zu
erwarten?]
> Die Europäische Union, Hauptfinanzier der Autonomiebehörde, droht Abbas mit der
Einstellung ihrer Zahlungen (auf die dieser existentiell angewiesen ist), wenn am Ende der
Verhandlungen kein Ergebnis mit seiner Unterschrift vorliegen sollte. Das ist die Peitsche.
Das Zuckerbrot, mit dem Israel und die Palästinenser zu einer Übereinkunft verführt werden
sollen, besteht in dem Angebot einer „besonderen privilegierten Partnerschaft“, und die
brächte beträchtliche wirtschaftliche Vorteile (vor allem wohl für die voll entwickelte
israelische Volkswirtschaft).
> Was der deutsche Außenminister Steinmeier verlauten lässt, stimmt – wie die Dinge nun
einmal sind – auch nicht optimistisch für die Sache der Palästinenser. Der Friedensprozess,
meint er, sei „in eine ganz entscheidende Phase“ eingetreten. „Die Chancen scheinen diesmal
besser, als es in früheren Zeiten war. Wir sind guter Hoffnung, dass es diesmal gelingt, die
Grundlagen für eine Zweistaatenlösung zu legen.“ (zitiert nach junge Welt vom 15.1.14) Nach
Gesprächen mit seinem amerikanischen Kollegen zeigte er sich entschlossen, „beide Seiten“
zu Zugeständnissen zu bewegen. Ob er wirklich weiß, wovon er spricht? Zu welchen
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Zugeständnissen will er denn Abbas bewegen? „Kann man“, fragt die Kolumnistin der Neuen
Rheinischen Zeitung Evelyn Hecht-Galinski, „einem nackten Mann in die Taschen greifen?“
Eckhard Lenner
SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.
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