Hans- Hermann Jansen Hamburg, den 15.12.2011 Die Wahrheit über den Neoliberalismus, oder wann werden wir vernünftig. Vor dem Hintergrund der schlechten Umfragewerte der Bundes-Liberalen und der Ereignisse in Berlin erscheinen seit einigen Wochen ungewohnt häufig Artikel in der Presse, die sich, neben der scharfen und zum Teil auch zynischen Kritik, mit dem Liberalismus und seinem Kern, der Beziehung zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Effizienz, beschäftigen. Diese zumeist wohlmeinenden Artikel alleine werden allerdings den Wähler nicht davon überzeugen können, wie wichtig eine liberale Politik für die freiheitliche Entwicklung und damit den allgemeinen Wohlstand in unserem Land ist. Diese Debatte nährt sich vor allem aus der Frage, ob die derzeitigen Vorstellungen und Auslegungen über die Soziale Marktwirtschaft und diese selbst noch ausreichen, um den Veränderungen der Märkte und in der Gesellschaft gerecht zu werden. Da jeder derartigen Debatte eine Analyse vorausgehen sollte, lohnt die Erinnerung, dass der Manifestierung der Sozialen Marktwirtschaft grundlegende Überlegungen über wirtschaftliche Vernunft und gesellschaftliche Harmonie vorausgingen. Nach der Katastrophe zweier Weltkriege, haben sich starke Persönlichkeiten Gedanken gemacht, wie man einen neuen, mittleren (einen dritten) Weg finden kann, zwischen den erwiesenen Fehlentwicklungen durch den Sozialismus einerseits und den ungezügelten Kapitalismus andererseits. Maßgeblich durch die Freiburger Schule (Walter Eucken, Franz Böhm, Hans Großmann Doerth) inspiriert, wurde die These einer Wirtschaftsordnung geformt, die durch eine, vom Staat zu ordnende Marktwirtschaft (Ordoliberalismus), einen fairen und effizienten Wettbewerb ermöglicht und sichert, sowie (bzw dadurch) Wohlstand für alle Bürger generiert. - 2 Das Soziale und der Markt gehen in dieser Ordnung eine Symbiose ein. Diese Grundsätze wurden mit dem Etikett Neoliberalismus versehen. Leider findet parallel zu der erwähnten konstruktiven Debatte auch eine massive Kampagne statt, die den Neoliberalismus als Anarcho-Kapitalismus, oder als eine, von den Liberalen aus Amerika importierte, Wirtschafts-Ideologie diffamiert. Diese Vorgänge haben Stammtischniveau und resultieren aus mangelhaftem Wissen, oder sind böswillig. Selbst namhafte Persönlichkeiten, denen man gewiss keine Einfalt unterstellen kann, heizen diese Diskussion an. Die Wahrheit ist, dass die Freiburger Schule und somit die Thesen über den Neoliberalismus, wesentlich die Grundlage für die Soziale Marktwirtschaft bilden. Diese wurde maßgeblich von Alfred Müller-Armack, Leiter der Grundsatzabteilung im Wirtschaftsministerium Ludwig Erhards, definiert und von Erhard gegen den Argwohn der Amerikaner durchgesetzt. Die Soziale Marktwirtschaft und eben der Neoliberalismus stellen den Menschen in den Mittelpunkt allen gesellschaftlichen Geschehens. Wirtschaft und Staat haben demzufolge einzig und allein den Sinn und die Aufgabe dem Menschen zu dienen. Die Väter dieser Thesen haben vor allem erkannt, dass ein völlig frei wettbewerbender Markt seine Freiheit selber abschafft. Zu den wichtigsten Spielregeln zählt daher, dass Machtkartelle und unfaire Verdrängung zu verhindern sind. Ebenso soll die Freiheit auf dem Markt mit einem sozialen Ausgleich verbunden werden. Der Neoliberalismus und die Soziale Marktwirtschaft verstehen sich also als die Gestalter einer klaren Rahmenordnung für Wirtschaft und Gesellschaft, welche die individuellen Freiheitsrechte schützt und die die Kraft des Wettbewerbs zum Wohle aller nutzt. Der Liberalismus fordert Respekt gegenüber Leistung, Ertrag und Besitz. In gleichem Maße fordert er Solidarität ein, gegenüber den Bürgern, die in Not geraten sind. Allerdings wird er immer zuerst nach Wegen suchen, die Bedürftigen aus ihrer Isolation zu befreien und ihnen zu helfen, in das gesellschaftliche Leben zurückzufinden. Materielle Hilfe hat ihren selbstverständlichen Platz für einen notwendigen Zeitraum oder in schweren Fällen auch auf Dauer. Subsidiarität hat Vorrang vor Abhängigkeit vom Staat. - 3 Man kann das Wesen der Sozialen Marktwirtschaft gerne mit einem Fußballspiel vergleichen: Jeder Spieler und jede Mannschaft darf sich ihren Talenten und ihren Konzepten entsprechend entfalten. Alles jedoch geschieht nach klaren Regeln. Diese werden vom Schiedsrichter (Staat) überwacht und Verstöße werden geahndet. Der, ihr zu Grunde liegende Neoliberalismus, ist also keinesfalls rein kapitalistisch ausgerichtet. Er erkennt, dass ein ungezügelter Kapitalismus zu sozialen Verwerfungen führt. Da andererseits der Sozialismus die Menschen in staatliche Abhängigkeit und in Armut bringt, lehnt er jede staatliche Bevormundung und die immer mit ihr einhergehende Regulierungswut ab. Kompetente Rahmenbedingungen sollen Fehlentwicklungen verhindern. Übertriebenes Regulieren soll jedoch vermieden werden. Linke Überzeugungen, die nach einem egalitären Gerechtigkeitskonzept rufen, Leistung beargwöhnen, sowie Ertrag vergesellschaften wollen, stehen diesen Grundsätzen entgegen. Wenn Leistung sich nicht mehr lohnt, schwindet die Leistungsbereitschaft und mit ihr der wirtschaftliche Ertrag. Das Steueraufkommen, das materielle Solidarität erst ermöglicht, wird geringer. Ebenso missachtet linke Politik die menschliche Natur, die immer nach Vorteilen strebt. Daraus folgt, dass die Gleichschaltung der Individuen nur möglich ist durch Diktatur. Der wahre Neoliberalismus steht für Demokratie und die sie tragenden Mehrheitsentscheidungen. In gleichem Maße schützt er Minderheiten. Er steht für Pluralismus, aber er besteht auch auf dem Respekt vor dem Grundgesetz. ----------------------------------------------------- Der Markt braucht einen Ordnungsrahmen, aber er erstickt an Überreglementierung und Interventionismus. Je mehr der Staat übertrieben reguliert, desto geringer wird der Ertrag der Wirtschaft. Das schadet letzten Endes immer zuerst dem „Kleinen Mann“. Was nicht erwirtschaftet wird, kann nicht verteilt werden. (Siehe Staatsverschuldung) ----------------------------------------------------- - 4 - Die Gefahren für die Soziale Marktwirtschaft liegen im Überziehen der sozialen Belange auf der einen Seite, sowie in Gier und Unvernunft auf der anderen. Die Verwerfungen zeigen sich u.a. durch Protektionismus, Planwirtschaft, Bevormundung und der alles regulierenden Abhängigkeit der Bürger vom Staat durch zu hohe direkte und indirekte Steuern. Die Herausforderungen für diesen „deutschen Weg“, entstehen durch die kapitalistisch ausgerichteten globalen Märkte und Finanzmärkte. ---------------------------------------------------- Der Neoliberalismus und die Soziale Marktwirtschaft bauen auf die Vernunft, sowie den Willen der Bürger, ein gemeinsames Haus bestellen zu wollen. Dies bedingt die Einsicht, dass wir vom Gemeinwesen nicht nur profitieren dürfen, sondern diesem auch zu dienen haben. Sie zeichnen also das Bild einer Gesellschaft, in der ihre Bürger einen Staat unterhalten und ihm den Auftrag geben, sowie die Macht verleihen, das Gemeinwohl zu organisieren, für Recht und Ordnung zu sorgen, aber vor allem die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Ein solcher Staat und besonders seine Politiker sind im Gegensatz zu linken Überzeugungen nicht der Vormund der Bürger, sondern deren Dienstleister.