Unterhaltung in den vierziger Jahren

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GÜNTHER SCHIFTER
UNTERHALTUNG IN DEN VIERZIGER JAHREN
Ein Archiv beschwört Erinnerungen
1940
Unterhaltung hier in Österreich in den vierziger Jahren: Die erste Hälfte der Dekade war zensuriert. Die zweite
teilweise auch. Es kam darauf an, wo man war. Ich erinnere mich an eine italienische Band in der Splendid Bar
in Wien, deren Kennmelodie 1940 noch OL MARIE war und die alle bekannten amerikanischen Titel von
damals spielte: JEEPERS CREEPERS, HOLD TIGHT, SOUTH OF THE BORDER, HURRY HOME, MY
OWN, THREE LITTLE FISHIES, LITTLE SIR ECHO...
Im Brunswick-Hauptgeschäft am Getreidemarkt Nr.10 bekam man noch die letzten Brunswick-Platten mit
amerikanischer Swingmusik. Ab 23.Februar 1940 lief in sechs Wiener Kinos der Dokumentarfilm DER
FELDZUG IN POLEN.
Hitlerjugend und Streifen der Wehrmacht durchkämmten Kinos und Tanzlokale nach sogenannten
„arbeitsscheuen Elementen“. Man hatte schon Scherereien, wenn man nur etwas längere Haare
hatte.
BARS gab es eine Menge.- die Renaissance-Bar, Singerstraße 9, die Kaiser-Bar in der Krugerstraße, die 0Höhle, die Eden-Bar, die Koralle, die Bijou-Bar in der Naglergasse, die Hölle, die Barock-Bar und den AchmedBar am Petersplatz. Die Band dort spielte, mit „Hausneger“ Dolly am Schlagzeug, ausschließlich amerikanische
Nummern.
Es gab auch eine Reihe von DIELEN, wie die Münchner-Diele, die Berliner-Diele oder die Papageno-Diele.
Das treudeutsche Wort wurde hier von einigen Barbesitzern verwendet, weil sie offensichtlich glaubten, „Bar“
sei ein den neuen Herren nicht genehmes Wort.
Im Haus Palmhof, in der Mariahilfer Straße 135, spielte man swingende Tanzmusik, in der Femina,
Johannesgasse 1, lief die Ausstattungsrevue WENN SIE WÜSSTEN mit Fritz Imhoff und vielen anderen Stars
und Teddy Kern.
Teddy war unter dem Namen Teddy Bill ein Filmstar von Weltruf gewesen, war in unzähligen Stummfilmen
aktiv und ab 1930 auch in deutschen Tonfilmen. Die Machtübernahme der Nazis im Jänner 1933 beendete seine
Tätigkeit in Deutschland. Er fuhr nach Österreich und in die CSR und arbeitete dort weiter. Als Teddy Kern kam
er 1940 nach Wien.
Auf dem Kriegssektor ereignete sich 1940 einiges. Hitler startet seinen Feldzug gegen Dänemark,
besetzte Norwegen und führte den Blitzkrieg" gegen Frankreich. Deutsche Besatzungstruppen
hatten Paris, die größeren Städte und natürlich die gesamte Atlantik- und schließlich auch die
Mittelmeerküste besetzt.
Swingfans in Uniform kauften in Frankreich jede Menge Schellackplatten mit den neuesten US-Schlagern und
Jazztiteln. In der Heimat wurden diese Raritäten kopiert, und zwar meistens auf biegsamen Decelithfolien, und
so war z.B. Glenn Millers IN THE MOOD 1940 ein Hit in „Großdeutschland“.
Aber solche Titel konnte man offiziell im Reichsrundfunk nicht spielen. Man brauchte also Ersatz für die
ausländischen Swingbands und gründete das Deutsche Tanz- und Unterhaltungsorchester. Unter der Leitung von
Georg Haentzschel und Willi Stech spielte die Elite der deutschen Musiker, soweit sie nicht in den Krieg
eingezogen war.
Aber das Resultat paßte dem Nazi-Propagandaministerium nicht, die Musik war zu swingy und durfte nur via
Kurzwelle fürs Ausland gesendet werden.
Aber noch waren die Orchester von Willy Berking, Michael Jary und Hans Rehmstedt vorhanden. Sie brachten
zwingende Titel unter SPITZENSERIE und EXZENTRIKSERIE auf den Markt. Jary, ein Astrologiefan,
benannte seine Nummern nach Sternzeichen - Zwilling, Waage, Stier, Jungfrau - und dabei blieb es. Er hatte die
restlichen Sternzeichen zwar schon konzipiert und arrangiert, aber sie waren den „Aufpassern“ dann doch zu
„schwingend“. Auch Willy Berking mußte seine „Berking-Spitzenserie“, die bis Nr.7 ging und vierzehn Titel
umfaßte, einstellen.
1940 herrschte nach den letzten deutschen Kriegserfolgen Hochstimmung in Nazi-Deutschland - schließlich war
man Herr auf dem Kontinent, und es konnte nun gegen England gehen. Man hatte das Tanzverbot, das bei
Kriegsbeginn im September 1939 in Kraft getreten war, wieder aufgehoben.
Vis-à-vis vom Landesgericht 1 wurde eine Hamburger Hafenschenke mit Schunkel- und Akkordeonmusik
eröffnet - im Haus Palmhof spielte die Kapelle Edi Csoka veritablen Swing. Tibor von Halmay, österreichischer
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Filmstar, trat in den Kammerspielen in dem Stück DER ROTE WINKEL au£. Einen roten Winkel mußte die
Auto - Kennzeichentafel aufweisen, wenn man kriegswichtig eingestuft war und das Auto benutzen durfte. Die
Autokennzeichen waren damals weiß mit schwarzer Schrift.
Krieg braucht Unterhaltung
Der Unterhaltungsbedarf war enorm. Der Wiener Prater war täglich überfüllt. Das Geld wurde mit beiden
Händen ausgegeben. Es gab zwar nicht viel zu kaufen, aber man konnte es sich „richten“. Alkohol floß in
Strömen, wenn man dafür bezahlte. Nur ein ausländischer Paß war nicht zu bekommen, nicht einmal um viel
Geld.
Im August 1940 begann die Luftschlacht um England, und die Antwort ließ nicht lange auf sich
warten - englische Flieger griffen erstmals Berlin an. Die Bekanntmachung über die Beschaffung
von Selbstschutzgeräten, Luftschutz-Handfeuerspritzen und Apotheken mußten in allen Hausfluren
affichiert werden.
In der Staatsoper wurde ein von Oscar Fritz Schuh neu inszenierter DON GIOVANNI von Mozart mit Paul
Schöffler gegeben, u.a. mit Anton Dermota und Esther Rethy. Das Sirnpl startete DIE NEUE SIMPL REVUE, in
der Komödie sah man Ida Wüst in dem Stück DIE MÄNNER SIND NICHT DANKBAR, in den Kammerspielen
TREFFPUNKT ISCHL mit Hans Olden und Christl Storm und im Stadttheater LISA BENIMM DICH mit dem
Ehepaar Friedl Czepa und Rolf Wanka in den Hauptrollen.
1941
Das deutsche Afrika-Korps wird aufgestellt, auf dem Balkan tobt der Krieg. Deutsche Truppen
besetzen Griechenland und Jugoslawien. Am 22.Juni beginnt der Angriff auf die Sowjetunion, und
am 7.Dezember bombardieren japanische Flugzeuge Pearl Harbor. Einige Tage später stehen auch
die USA mit Deutschland im Krieg.
Das Abhören ausländischer Sender, sogar jener von befreundeten Nationen, war bei Todesstrafe verboten. Und
trotzdem hörte man BBC London oder amerikanische Kurzwellensender.
Man war informiert, nicht nur über die politische Szene, sondern auch über das, was im Ausland an Unterhaltung
geboten wurde. Man kannte die letzten Hits, wußte, wie die neuesten Filme hießen und wer die neuen Stars
waren. Bands aus Belgien, Holland, Frankreich, auch aus Dänemark und Norwegen kamen für Gastspiele nach
Berlin und fuhren dann mit halbem Personal wieder zurück. Viele dieser westlich geschulten Musiker nahmen
deutsche Angebote an und halfen dem „deutschen Swing“ auf die Beine - zum Mißvergnügen der Nazis.
Horst Winter z.B. beschäftigte Tip Tischelaar, Josse Breyre, Lou Logist, Rimis van den Broek und Andre Smit.
Die „Swing – Renaissance“ 1941/1942 war von den Nazis nicht mehr aufzuhalten. Die Konzerte der Bands aus
dem Westen waren schon Wochen vorher ausgebucht, und man mußte gute Beziehungen haben, um
hineinzukommen. Die Bands waren den Swingfans schon gut bekannt, denn die Platten waren schon einige Zeit
auf dem Markt. Telefunken hatte knapp nach dem Frankreich-Feldzug mit Aufnahmen begonnen. In Brüssel
hatte man eine Band von Fud Candrix schon seit Jahren unter Vertrag. Dann war da noch Ernst van t‘Hoff und
Jean Omer. Später traten sie dann alle einmal in Berlins berühmtem Tanzpalast, dem DELPHI, auf Ernst van
t‘Hoff hatte z.B. eine Kennmelodie, die begann „Alles wird gut....“
Und zu jener Zeit hatte BBC London ein Pausenzeichen kurz-kurz-kurz-lang , in Morseschrift „V“ für Victory.
Daß dies den Reichsmusikkammerspezialisten nicht auffiel, war ein Wunder. Aber ein echter Nazi hörte diese
„plutokratischen, jüdisch-verseuchten“ Radiosender eben nicht.
Jazz um 2 Reichsmark 50
Es muß um diese Zeit gewesen sein, da ging ich wieder einmal in ein bekanntes Plattengeschäft auf der
Rotenturmstraße, und ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen: auf der Budel standen Stöße von ODEON SWING - Platten mit den jazzigsten Titeln der Bands der Jazz-Geschichte. Die „Odeon Swing Music
Series“, wie diese Marke offiziell hieß, war ein deutsches Erzeugnis, obwohl dies mit keiner Silbe auf dem
Etikett erwähnt wurde. Viele Platten waren identisch mit der englischen PARLAPHONE „RHYTHM“ STYLE
SERIES.
Begonnen wurde die ODEON-SWING-SERIE 1937, vor allem für den Export. Die Platten selbst waren aber
auch im Handel zu bekommen, nur mußte man sie bestellen. Schließlich widersprach ja diese Musik den Ideen
der Nazis. Und diese Platten lagen nun stoßweise vor mir! Preis: RM 2.50, das war der Preis einer normalen
Schellack damals. Ich kaufte natürlich einige, leider nicht genug. Die Serie war noch 1944 in den neutralen und
in den von den Deutschen besetzten Ländern zu bekommen. 92 Platten gab es insgesamt in dieser Reihe, wie
gesagt, das Beste vom Besten: Louis Armstrong, Duke Ellington, McKenzie‘s Celestial Beings, die Dorsey
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Brothers, Frankie Trumbauer, die OK Rhythm Kings, Miff Mole und viele mehr. Ich wunderte mich, wie diese
Platten in das Geschäft gekommen waren oder, besser gesagt: durch wen. Ich lernte ihn nach dem Krieg dann
kennen, er war Soldat in Belgien gewesen, hatte dort Platten gekauft und hier dann weiterverkauft.
1942
St. Louis Blues oder das Lied vom traurigen Ludwig
Der Wiener Jazzgeiger Herbert Myttheis spielte damals in der Peterle-Bar in der Jasomirgottstraße, gleich beim
Stephansdorn. Er sollte gleich um die Ecke in Riedl‘s Steffl-Diele gemeinsam mit Ernst Landl ab 1943 zu
höchstem Swingruhm gelangen. Zusammen mit dem Gitarristen Victor Duchini und dem Drummer Arthur Motta
boten sie erstklassigen Swing à la HOT CLUB DE FRANCE und spielten fast ausschließlich amerikanische
Hits, die durch deutsche Titel „tragbar“ gemacht wurden. Andere Musiker kamen oft dazu, und so entwickelte
sich gelegentlich eine richtige „Jam-Session“. Man hörte den ONE O'CLOCKJUMP, den FLAT FOOT
FLOOGEE, der unter dem deutschen Titel DIE MÜLCHFRAU HOT‘ HEIT‘ KANE SEMMELN angesagt
wurde. Der ST.LOUIS BLUES war DAS LIED VOM TRAURIGEN LUDWIG.
Der Pianist und Sänger Jeff Palme versammelte regelmäßig die besten Jazzmusiker Wiens in seiner Wohnung,
und auch dort wurde“gejammt“. Einige Plattenfolien sind davon noch erhalten und zeigen das hohe Jazz-Feeling
der Musiker damals, mitten im Krieg.
Im Reichssender Wien nahm eine Bigband unter der Leitung von Feldwebel Ludwig Babinski die besten
Swingtitel auf, und zwar für den Europa-Sender, der seine Sendungen ins Ausland ausstrahlte Man hatte keine
Hemmungen, JOSEPH- JOSEPH zu spielen. Dieser amerikanische Hit der Kriegszeit war natürlich in
Deutschland verboten, aber bald fand sich ein Arrangeur, der dafür den Titel SIE WILL NICHT BLUMEN UND
NICHT SCHOKOLADE erfand, und das war Note für Note der Joseph-Schlager.
Horst Winter spielte im Juli 1942 ICH UND DU auf Schallplatte, und das war STOP! IT'S WONDERFUL.
Der TIGER PAG feierte als SCHWARZER PANTHER seine Auferstehung, und Fred Dömkes Band spielte
1942 auf Polydor den Titel HALLO BENNY, und das war SWEET GEORGIA BROWN. Gemünzt war der Titel
auf Benny de Weille, der damals eine swingende Band hatte und auch ein Bar-Trio, das à la Benny Goodman
Trio spielte. Es war ein Phänomen der Zeit, daß der Jazz seine Hochblüte gerade dann erlebte, als sich das
Kriegsglück der Deutschen deutlich neigte.
1943
Um die Jahreswende 1942/43 ereignete sich die Katastrophe von Stalingrad, die gesamte deutsche
Ostfront begann abzubröckeln. Das Afrika-Korps wurde aus Afrika vertrieben, und im Pazifik
zeichnete sich eine Wende des Krieges zugunsten der Amerikaner ab.
In der Schiefen Laterne plauderte Max Lustig
In der Schiefen Laterne plauderte Max Lustig, die Kapelle Trandl hörte man im Café Dank, Wondra und Zwickl
waren im Simpl und befanden sich jeweils mit einem Fuß im KZ, wenn sie über die Weltlage berichteten.
Charlotte Waldow war im Wintergarten, wo auch Karl Machek mit seinen Solisten spielte. In der Femina lief die
Ausstattungsrevue VON A-Z unter der Regie von Teddy Kern. Die Fratelli Sereno fand man im Triumph,
Annagasse 3, und Cefalo der „Hexer“ war im Ronacher. Curd Jürgens absolvierte im Raimundtheater das
Gastspiel ICH BIN IN MEINE FRAU VERLIEBT. Paul Löwinger sah man in der Löwingerbühne im 10.Bezirk,
Landgutgasse 2-4, in dem Stück DIE TUGEND-BRILLE.
Der Weltkrieg tritt in eine entscheidende Phase. Im Februar 1943 redet Goebbels vom totalen Krieg',
im Sommer landet die britische Armee auf Sizilien, Mussolini wird abgesetzt, die 5. US-Armee geht
bei Salerno an Land
1944
Im Jänner sprengen die Russen den deutschen Belagerungsgürtel um Leningrad , die Alliierten
landen an der Normandieküste und marschieren im August 1944 in Paris ein. Zu Weihnachten 1944
ist Budapest von den Russen eingeschlossen, am 1.April stehen sie vor Wiener Neustadt.
Eine hektische Flucht der Obernazis aus Wien setzt ein, obwohl die Sondergenehmigungen zum Verlassen der
Stadt sehr schwer zu erlangen sind. Der Betrieb der Wiener Stadtbahn wird eingestellt und Wien zum
Verteidigungsbereich erklärt Hier bei uns werden sämtliche Unterhaltungslokale und Theater geschlossen.
Im Großdeutschen Reich wird zum letzten Aufgebot aufgerufen, dein „Volks-Sturm“.
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Zahnreinigungs- und Abführmittel waren die einzigen, die in der letzten Ausgabe der KLEINEN WIENER
KRIEGSZEITUNG (ein Zusammenschluß von vier Wiener Zeitungen) inserierten. Sonst gab es nur
Todesanzeigen, amtliche Verlautbarungen und Überschriften wie: „Kein Fußbreit Boden dem Feind“ oder „Die
Deutschen kämpfen wie verwundete Tiger“...
1945
Am 5.April 1945 beginnt die „Schlacht um Wien“, am 10. April steht die Rote Armee am Ring, und am Freitag, dem Dreizehnten, ist der Kampf zu Ende. Die deutschen Truppen ziehen sich auf
das Nordufer der Donau zurück.
Am 15.April erscheint die erste Nummer der von der sowjetischen Besatzungsmacht herausgegebenen
ÖSTERREICHISCHEN ZEITUNG, im Untertitel FRONTZEITUNG FÜR DIE BEVÖLKERUNG
ÖSTERREICHS. Am 24.April 1945 spielte man in Wien den ersten russischen Film im Kino- IWAN DER
VIERTE und am Sonntag, 29.April 1945, nahm die RAVAG die Sendetätigkeit wieder auf - nach sieben Jahren.
Auf den Wellen 506m und 228m hörte man von 19.30 bis 21.30 Uhr eine Sendung, die der Wiedergeburt
Österreichs gewidmet war. Ab 2.Mai funktionierte die Briefpost wieder.
Nach dem 30.April spielten in Wien schon wieder 17 Kinos. Das Raimundtheater wurde mit dem Singspiel
DREIMÄDERLHAUS in Betrieb genommen, mit Toni Nießner, Elfi König, Fritz Imhoff, Max Brod, Mizzi
Günther und Else Rambausek. Im Großen Konzerthaussaal fand eine Maifeier mit Künstlern von Oper, Bühne
und Film statt. Im Apollo-Kino glänzte eine Jazzmatinee mit dem Orchester von Walter Heidrich. Unter dem
Titel „beschwingte Rhythmen“ hörte man russische, englische und amerikanische „Tanzweisen“. Die Wiener
Symphoniker wurden aufgerufen, sich ehestens in der Kanzlei des Wiener Konzerthauses zu melden, zwecks
Aufnahme ihres Dienstes. Franz Léhar beging in Bad Ischl seinen 75.Geburtstag.
Man gewöhnte sich langsam wieder daran, den Radioapparat lauter spielen zu lassen, wenn man die Nachrichten
der BBC London abhörte. Bei mit standen die Fenster nun weit offen, wenn ich Jazzplatten spielte. Das erste
Wiener Jazzorchester unter der Leitung von Ludwig Babinski und Ernst Landl spielte für russische Offiziere in
Baden. Sie wurden jeden Tag abgeholt und wieder nach Hause gebracht, und zu essen gab‘s dort auch genug.
Man war froh, dem Krieg entkommen zu sein.
Der „Hot Club de Vienne“
Die Wiener Straßenbahnen waren von 5.45 bis 19.30 Uhr in Betrieb
Robert de Contis Band spielte im Hietzinger Parkhotel. Im Juni übernahm dann Joe Ribari die Band. Im August
1945 tauchten die ersten Amerikaner in Wien auf Verschiedene Hotels wurden requiriert und auch einige
Lokale, wo Clubs eingerichtet wurden, die vielen österreichischen Musikern Arbeit boten. Man wurde verpflegt
und bekam Zutritt zu den neuesten amerikanischen Musiknummern und Noten.
Die ersten US-Platten waren die sogenannten V-DISCS, Spezialaufnahmen für die US-Soldaten.
Die Briten hatten ebenfalls ihre Soldatenclubs in Wien. Die österreichische Band von Herbert Myttheis jazzte im
englischen 0ffiziersclub Bag 0‘Vails, die Rudy-Kreczyk-Band im US-Club Casa Jose.
Der Nachholbedarf an internationaler Unterhaltung war groß, und so waren die diversen Veranstaltungen,
Matineen, Jazz-und Tanzlokale ein gutes Geschäft. Horst Winter, den die Kriegswirren nach Wien verschlagen
hatten, begann bereits Ende 45 eine Bigband aufzustellen, aus der später das berühmte WIENER
TANZORCHESTER wurde.
Eine Schweizer Schallplattenfirma machte damals das Geschäft ihres Lebens. Auf ihrer Marke ELITE SPECIAL
nahm sie die ersten österreichischen Kapellen auf- das Wiener Tanzorchester, der HOT CLUB DE VIENNE.
Herbert Myttheis hatte eine eigene Band, die auf TELEFUNKFEN aufnahm. Peter Kreuder, damals in Wien, war
auf ELITE SPECIAL zu hören, wie auch Fred Kraus, Michael Jary, Erwin Halletz, Karl Loube und Heinz
Neubrand, der übrigens damals als einziger Österreicher im amerikanischen Soldatensender WOFA, BLUE
DANUBE NETWORK spielte.
Die Sendergruppen entstehen
Die Amerikaner hatten in Grinzing, am Schreiberweg, in einer großen Villa ein Studio eingerichtet. Mit sechs
Mann betrieben sie einen Sender, der in Wien, Linz und Salzburg auf Mittelwelle täglich ein Programm von
sieben Uhr früh bis Mitternacht ausstrahlte. Durch diesen Sender wurden viele Österreicher mit den neuesten
US-Hits vertraut und viele zum Jazz bekehrt.
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Auch die Engländer hatten ihren Sender mit Studios in der heutigen Fasangarten-Kaserne. Außerdem betrieben
die Engländer die Sendergruppe ALPENLAND mit Sendern in Wien, Graz und Klagenfurt. Österreicher
lieferten die Programme - unter englischer Oberleitung.
Gleiches taten die Amerikaner mit ihrer Sendergruppe ROT - WEISS - ROT, mit Sendestationen in Wien, Linz
und Salzburg.
In Wien befanden sich die Studios in einer Großwohnung in der Seidengasse. Mit vier Studios und ca. 100 Mann
„Besatzung“ wurde ein erstklassiges Programm geliefert.
Die Franzosen hatten in ihrer Zone in Tirol und Vorarlberg, die Sendergruppe WEST laufen, und die Russen
hatten sich in der Wiener Argentinierstraße, im Funkhaus der RAVAG niedergelassen.
Es dauerte nicht lange, und die ersten amerikanischen Musicalfilme waren da: DIE BADENDE VENUS mit dem
Orchester von Harry James und Xavier Cugat. Der TRUMPET BLUES war eine Zeitlang der Gassenhauer
schlechthin. Harry James Platten verkauften sich hervorragend, die PARLOPHON-Plattenfirma war glücklich.
In Salzburg wurde die berühmte „Rhythmische Sieben“ gegründet und machte erstklassigen Jazz mit Vollprofis
wie Richard Priessnitz , Fred Gallosch und Meini Geppert. Zur gleichen Zeit lieferten in Wien die Bigband unter
Fred Clement und die Band-Within-The-Band, die Nine Serenaders, sehr swingende Nummern, die es auch auf
Schellackplatten gab.
Man mußte nachholen, was man fünf Jahre lang hatte entbehren müssen!
Autor: Günther Schifter
(Entnommen aus „LESEHEFT DER ÖSTERREICHISCHEN PHONOTHEK“ 1. Jahrgang 1998, Nr. 1, 2.
Auflage ISBN 3-9500913-2-7)
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