1 Michael Zojer 220.557 Seminar für Neuere Geschichte / Sommersemester 2004 „Starker Staat, schwacher Staat?“ Fürstliche Herrschaft und politische Kontrolle in der Neuzeit LV – Leiter: Prof. Mag. Dr. Reinhard Stauber Institut für Geschichte an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt „Von Kriegsunternehmern und Kontributionszahlungen“ Die österreichische Armeefinanzierung im dreißigjährigen Krieg 2 Michael Zojer Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch genaue Quellenangaben gekennzeichnet. Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird. Michael Zojer Klagenfurt, 02. Februar 2011 3 Michael Zojer Inhaltsverzeichnis Die österreichische Armeefinanzierung im dreißigjährigen Krieg .................................................................................. 1 Die österreichische Armeefinanzierung im dreißigjährigen Krieg .................................................................................. 4 Die österreichische Armeefinanzierung im dreißigjährigen Krieg .................................................................................. 4 1) Die Reichsarmee, ihre Zusammensetzung und Finanzierung ...................................................................... 6 2) Zum Söldnerwesen und seiner Bedeutung im dreißigjährigen Krieg ....................................................... 14 3) Die spanischen Habsburger und ihre Rolle als Geldgeber des Kaisers ..................................................... 19 4) Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur . 22 4 Michael Zojer Die österreichische Armeefinanzierung im dreißigjährigen Krieg Die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit war neben zahlreichen anderen Entwicklungen wie dem fortschreitenden Prozess der „europäischen Staatenbildung“ auch mit grundlegenden Veränderungen des Kriegswesens verbunden: Die Art der Kriegsführung erhielt ein völlig neues Gesicht. Ständige Fortschritte im Bereich der Waffentechnik, (Verbesserung der Feuerwaffen, Aufkommen der Artillerie als neue Waffengattung etc.) sowie die Einführung bisher unbekannter Taktiken müssen als wesentliche Elemente dieser Veränderung angesehen werden, doch waren es insbesondere Faktoren wie der stetige Anstieg der Truppenzahlen und das spätere Aufkommen stehender Heere (zumindest seit 1565 / 66 in Kriegs sowie ab 1649 / 50 auch in Friedenszeiten), die den Charakter des neuzeitlichen Kriegswesens nachhaltig prägten. Die Anwerbung und Erhaltung der massiven Heeresaufgebote, in denen Söldner eine immer wichtigere Stellung einnahmen, war für die jeweiligen Oberbefehlshaber mit teilweise immensen, finanziellen Aufwendungen verbunden und konnte vielfach nur durch die Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten zur Geldbeschaffung bewältigt werden. Das ständige Anwachsen der Summen, die zur Finanzierung der Verteidigung und der Kriege wurde in der frühen Neuzeit auch im Herrschaftsbereich der österreichischen Habsburger zu einem beschleunigenden Faktor für die Weiterentwicklung von Steuer- und Finanzsystemen1. Bedingt durch den überaus langen Finanzierungszeitraum sowie den gewaltigen Bedarf an Truppen, Proviant und Kriegsmaterial wurde die Aufbringung der Kriegskosten, speziell im Verlauf des dreißigjährigen Krieges, entscheidend über Sieg und Niederlage. Als die Ereignisse der Jahre 1618 und 1619 (Prager Fenstersturz, Absetzung Ferdinands II. als König durch den böhmischen Landtag, Wahl Friedrichs V. zum neuen König von Böhmen) den böhmisch – pfälzischen Krieg auslösten, konnte nicht vorhergesehen werden dass damit die erste Phase eines Krieges eingeleitet wurde, welcher die Bevölkerung Europas für drei Jahrzehnte in Angst und Schrecken versetzen sollte. 1 Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im Konfessionellen Zeitalter, Teil 1 (=Österreichische Geschichte, Wien 2003), 409f. 5 Michael Zojer Der dreißigjährige Krieg prägte das Gesicht Europas wie kein anderer militärischer Konflikt zuvor: Als Auseinandersetzungen Folge der wurden ganze außergewöhnlich Landstriche grausam entvölkert geführten wobei der Bevölkerungsstand der Jahre vor Kriegsbeginn in manchen Regionen teilweise erst nach weit über 100 Jahren wieder erreicht werden konnte. Das gesamte Ausmaß der menschlichen Tragödie die der Krieg mit sich brachte, lässt sich leicht an Hand zeitgenössischer Bevölkerungsstatistiken rekonstruieren. Die österreichischen Habsburger mussten während des dreißigjährigen Krieges zeitgleich mit zwei militärischen Problemfeldern gewaltigen Ausmaßes fertig werden: Zum Einen galt es die ständige Bedrohung des eigenen Reichs und des gesamten Abendlandes durch die anstürmenden Osmanen abzuwenden, zum Anderen kämpfte man um die Wahrung politischer und religiöser Interessen an der Spitze der katholischen Liga. Der österreichische Militärapparat basierte zur damaligen Zeit auf zwei Säulen: dem von den Landständen organisierten Landesdefensionswesen und professionellen Söldnertruppen. Im dualistischen Staat des 17. Jahrhunderts war die Finanzierung und Organisation des Kriegswesens weitgehend Sache der Stände, die jedoch selbstverständlich in enger Kooperation mit den landesfürstlichen Behörden agierten. Neue Heeresstrukturen wie die aus den Truppenkörpern der katholischen Liga zusammengefasste Reichsarmee erforderten zusätzliche Finanzmittel, die teilweise nur mit Anleihen beziehungsweise Vorschüssen gedeckt werden könnten. In diesem Zusammenhang muss das im weiteren Verlauf des „Kriegsunternehmertum“ besonders hervorgehoben werden. Textes behandelte 6 Michael Zojer 1) Die Reichsarmee, ihre Zusammensetzung und Finanzierung Mit der Fortdauer des Krieges kam es auf Grund neuer politischer Konstellationen und der Ausweitung des Konfliktes zu Veränderungen der Heeresorganisation und der Kriegsführung auf Seiten der katholischen Bündnispartner. Die Bestimmungen des Prager Friedens von 1635 und seiner Nebenrezesse sowie die Vereinbarungen zwischen Kurfürst Maximilian I. von Bayern und Kaiser Ferdinand II. bildeten die Grundlage für die Schaffung der Reichsarmee, worunter gemäß Hubert Salm die, mit den Truppen der verbündeten Reichsstände zusammengefasste kaiserliche Armee verstanden werden muss. Bei der in der Regel als Reichsarmada bezeichneten Reichsarmee handelte es sich um die Gesamtheit aller Streitkräfte der so genannten Reichsallianz. Mit ihrer Einrichtung änderten sich auch die Voraussetzungen für die späteren, militärischen Operationen2. Konkret setzte sich die Reichsarmee zusammen aus: a) der kaiserlichen Reichsarmee als Verband sämtlicher Truppen unter der unmittelbaren Verfügungsgewalt des Kaisers, wobei hier auf die Gliederung in immediate (unter direkter Führung des Kaisers) und mediate (unter der militärischen Führung des Generalleutnants als Stellvertreter des Kaisers) Einheiten hinzuweisen ist. b) der kurbayerischen Reichsarmee, gestellt von Kurfürst Maximilian von Bayern c) der kursächsischen Reichsarmee unter dem Oberkommando des Kurfürsten Georg I. von Sachsen d) der westfälischen Kreisarmee, bestehend aus immediaten kaiserlichen sowie aus mediaten kurkölnischen, kurbayerischen (bis 1638) und bischöflich – osnabrückischen Regimentern und Kompanien. Die letzte Komponente der Reichsarmee bildete schließlich e) der Hauptarmee, einem Verband unterschiedlichster Truppenverbände, zusammengestellt aus den oben genannten Teilen der Reichsarmee3. Hubert Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg. Der Niederrheinisch – Westfälische Reichskreis 1635 – 1650 (=Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.v.., Münster 1990), 11f. 3 Ebd., 12 f. 2 7 Michael Zojer Die Finanzierung der Reichsarmee stellte die „katholische Allianz des Reiches“ vor massive Probleme und konnte, vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg, nur durch die Nutzung vielfältiger Möglichkeiten zur Geldbeschaffung aufrechterhalten werden. Der Staat des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts verfügte in der Regel noch nicht über ein völlig ausgeprägtes Steuerwesen, weshalb es zumeist nicht möglich war, auf regelmäßige Steuereinkünfte zurückzugreifen. Das stetige Anwachsen der Summen die zur Verteidigung und Kriegführung der werdenden Habsburgermonarchie benötigt wurden, erwies sich jedoch als ein beschleunigendes Element in Hinblick auf die Entwicklung eines leistungsfähigeren Finanz- und Steuerwesens4. Im Normalfall deckte man die anfallenden Kosten für Hofhaltung, Kammergericht und auch der Landesverwaltung, indem man auf die Einkünfte aus Regalien (wirtschaftlich nutzbaren Hoheitsrechten) und den eigenen Domänen (Kron- und Tafelgüter) zurückgriff5. Spezielle Ausgaben, bedingt durch militärische Auseinandersetzungen, konnten allerdings nicht durch Verwendung von Mitteln aus jenen, gewöhnlich nicht steigerungsfähigen, Finanzquellen gedeckt werden. Im Falle konkreter Bedrohung (in casu extremae necessitatis6) konnten allerdings zweckgebundene Steuerleistungen der Reichs- und Landstände eingehoben werden, um mit diesen Finanzen Investitionen im militärischen Bereich zu tätigen. In Kriegszeiten war der Landesfürst daher auf außerordentliche Steuerzugeständnisse der Stände sowie auf Kredite oder Subsidienzahlungen (Zahlung von Hilfsgeldern) angewiesen7. Ferdinand II. verfügte als Kaiser vorerst weder über eine schlagkräftige, eigene Armee, noch über die Möglichkeiten zur Erhaltung einer Solchen. Wie es der damals weit verbreiteten Praxis entsprach, betraute auch er mit Albrecht von Wallenstein einen „Kriegsunternehmer“ mit der Aufstellung einer Armee und erteilte diesem im Jahre 1625 die Befugnis zur Rekrutierung von rund 20000 Mann8. Wallenstein verpflichtete sich unter anderem, dem Kaiser die Kosten für Sold, Verpflegung und Ausrüstung des, von ihm geführten Heeres vorzustrecken – selbstverständlich 4 mit dem Gedanken an die zahlreichen Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht, 409. Johannes Kunisch, Wallenstein als Kriegsunternehmer. Auf dem Wege zum absolutistischen Steuerstaat. In: Uwe Schulz, Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer (München 1986), 153. 6 Ebd., 153 7 Ebd., 153 f. 8 Moritz Ritter, Das Kontributionssystem Wallensteins. In: Historische Zeitschrift 90 (1903), 198ff. 5 8 Michael Zojer Bereicherungsmöglichkeiten, die sich ihm, im Rahmen seiner Tätigkeit als oberster Feldherr der kaiserlichen Reichsarmee, bieten würden. Ohne das, auf Kontributionszahlungen besetzter Gebiete (de facto bezog Wallenstein allerdings auch die Lande des Reichs und deren Einwohner in die Unterhaltszahlungen mit ein) basierende Finanzierungssystem Wallensteins wäre die Erhaltung eines derartigen Heeresaufgebotes für den Kaiser nicht möglich gewesen 9. Dies zeigt auch folgender Auszug aus einer Erklärung der kaiserlichen Hofkammer an den kaiserlichen Hofkriegsrat vom November 1626: 1.° Es ist der Hoffcamer wegen underhaltung der Walnstainischen armada nicht allein nichts bewust jechmals gewesen, sondern man hat dieselbe gleichsam assecurirt, dz ohn allen Ihr Kayl. May. Entgelt der herzog von Fridlandt gedachte seine underhabende armada mit aller nottdurfft, biß dz es etwa wiederumben zu friden standt gelangen möchte, versechen wurde. 2.° Wie dan auch für dz ander khein müglikheit gewesen währe, auch noch nit ist,der Hoff Camer allein einen so möchtigen exercitum, der gleichen vor disen von aller deß Röm. Raich unnd ander Königreich unnd lande einkhumbenden contributionen nichmahls underhalten, bey abgang gedachter Kön. unnd länder verwilligung, mit der Proviant außzuhalten10. Obwohl Wallenstein stets auf dem Modell der Versorgung der Armee mit kaiserlichen Mitteln beharrte, da er „lediglich die Kosten der ersten Aufstellung selbiger übernommen habe“, war sowohl ihm, als auch dem Kaiser von Anfang an bewusst, dass die arg strapazierten kaiserlichen Kassen nicht für derartige Vorhaben herangezogen werden konnten. Als jährlicher Aufwand zur Besoldung eines Infanterieregimentes in der Größenordnung von etwa 3000 Mann mussten jährlich etwa 400000 bis 450000 Gulden kalkuliert werden. Die jährlichen Soldausgaben für ein Kavallerieregiment von rund 1200 Mann Truppenstärke betrugen zwischen 260000 und 300000 Gulden. Bedingt durch die Existenz zahlreicher Quellen, lassen sich alleine die schwedischen Kriegskosten in Deutschland während des dreißigjährigen Krieges auf eine Summe zwischen 30 und 45 Millionen Gulden festlegen11. Derartig hohe Ausgaben konnten keinesfalls alleine durch die Einnahmen Kunisch, Wallenstein als Kriegsunternehmer, 156 – 159. Kaiserliche Hofkammer an den kaiserlichen Hofkriegsrat, Wien, November 1626. In: Gottfried Lorenz (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Freiherr vom Stein - Gedächtnisausgabe 20, Darmstadt 1987),Nr. 18, 111 f. 11 Kunisch, Wallenstein als Kriegsunternehmer, 155f. 9 10 9 Michael Zojer aus den „klassischen Geldquellen“ (Privilegien, wie etwa Münzrechte aber auch Erträge der eigenen Domänen) gedeckt werden. Daher gewannen Gelderschließungsmaßnahmen, die sicherstellen sollten, dass „der Krieg den Krieg ernährte12“ immer stärker an Bedeutung, bis sie schließlich zum zentralen Element der Kriegsfinanzierung in der Zeit des dreißigjährigen Krieges avancierten. Das Einheben von Kontributionen war zwar ursprünglich beschränkt auf besetzte Territorien. Dennoch wurden schon vom ligistischen Heer unter der Führung Tillys, seit Verlagerung der Kriegshandlungen nach Norddeutschland, an jedem seiner Aufenthaltsorte Unterhaltszahlungen eingefordert, gleichgültig ob es sich bei den betroffenen Territorien um Gebiete der Bundesgenossen, der Neutralen oder aber der Feinde handelte13. Neben der Bereitstellung von Mannschaftsquartieren hatten die Oberhäupter der betroffenen Städte beziehungsweise Gebiete auch für das Heranschaffen der benötigen Proviantvorräte und die Ablieferung diverser Pflichtabgaben (beispielsweise das sogenannte Servis, dessen Hauptbestandteile Salz, Brennholz und Beleuchtungsmittel waren) Sorge zu tragen. Zu diesem Zwecke kam es zur Bildung sogenannter Kontributionsbezirke in der Umgebung des, zum Truppenstandort auserkorenen, Gebietes. In jedem der genannten Bezirke hatten Städte und Ämter einen festgelegten Beitrag zu den benötigten Proviantlieferungen zu leisten, wobei die angelieferten Nahrungsmittel keine Abgabe darstellten, sondern nach festgelegter Taxe aus dem Gold der Truppen bezahlt werden sollten. Die Untertanen erhielten bei Ablieferung des geforderten Proviants vom Stadtrat Quittungen, die ihnen das Geld für die gelieferten Waren sichern sollte. Vielfach erfolgten die Zahlungen von Seiten der belieferten Truppen prompt und problemlos, allerdings kam es wohl ebenso häufig zu Zahlungsverzögerungen oder zum kompletten Ausbleiben der finanziellen Entschädigungen. Speziell Wallenstein erwies sich als überaus fähig, was die Beschaffung der Mittel zur Erhaltung seines Truppenkontingentes betraf. Die von ihm geforderten Kontributionen waren keineswegs als Notbehelf zur Überbrückung finanzieller Engpässe zu betrachten. Vielmehr war Wallenstein stets darauf bedacht, die Wirtschaft und die finanziellen Möglichkeiten der von ihm okkupierten Gebiete nicht durch unaufbringbare Forderungen nachhaltig zu schädigen, wodurch es ihm gelang, ein 12 13 Ebd., 156. Ritter, Das Kontributionssystem Wallensteins, 216f. 10 Michael Zojer Kontributionssystem aufzubauen, mit dem auch ein gewaltiges Heer über Jahre hinweg besoldet und erhalten werden konnte14. Trotz des durchdachten Abgabensystems kam es in zunehmendem Maße zu Übergriffen durch Kommandanten der wallensteinischen Armee, die sich rücksichtslos auf Kosten der leidenden Bevölkerung bereicherten. Wallensteins Selbstherrlichkeit, mit der er sich über lange bestehende Rechtsnormen und Hoheitsrechte hinwegsetzte muss neben den Willkürakten seiner Söldner als Ursache für die steigende Ablehnung, mit der er und seine Männer im Reich zu kämpfen hatten, gesehen werden15. Trotzdem verlor das von Wallenstein mitgeprägte System der Kontributionen, als wesentliches Mittel zur Truppenfinanzierung, auch nach seinem Tod nichts von seiner Bedeutung und wurde auch von seinen Nachfolgern in den wesentlichsten Zügen beibehalten. Neben den bereits erwähnten Kontributionen waren, sowohl für den Kaiser als auch für die Liga, die Subsidienzahlungen des Papsttums von immenser Bedeutung. Als Oberhäupter der katholischen Kirche erwiesen sich Papst Paul V., (jener belegte 1620 zur Unterstützung des Kaisers sogar den italienischen Klerus mit einem dreijährigen Zehnt) aber auch dessen Nachfolger, Gregor XV. als große Förderer des Kaisers und auch der katholischen Liga unter der Führung Maximilians von Bayern (seit 1623). Insbesondere während der Amtszeit Gregors XV. (vom Februar 1621 bis zum Juli 1623) konnte sich der Kaiser über großzügige Unterstützung aus Rom freuen. Er führte nicht nur die von seinem Vorgänger und dem Kaiser ausgehandelten, monatlichen Hilfszahlungen fort, sondern er erhöhte deren Summe noch zusätzlich16. Zentral für die deutsche Politik Gregors waren die Bemühungen, den Kaiser endlich zur Ernennung Maximilians von Bayern zum Pfälzischen Kurfürsten zu bewegen. Nur bei Erfüllung dieser Bedingung wollte der Papst dem Kaiser weiterhin seine finanzielle Unterstützung gewähren. Gregor XV. setzte seine Hoffnungen vor allem auf die Liga – wohl auch bedingt durch die großen Erfolge des Jahres 1622 an denen das Ligaheer unter Tilly wesentlichen Anteil hatte. Zwischen dem Kaiserhof und der Liga kam es zu Spannungen, da man Verhandlungen mit dem Papst häufig dazu nutzte um die, oft als ungerecht empfundene, Verteilung der 14 Kunisch, Wallenstein als Kriegsunternehmer, 159f. Ebd., 159. 16 Dieter Albrecht, Zur Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges. Die Subsidien der Kurie für Kaiser und Liga 1618 – 1635. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 19 / 3 (1956), 540ff. 15 11 Michael Zojer Subsidien anzuprangern und sich wechselseitig Unterstützungsgelder abspenstig zu machen17. Die Amtszeit Urbans VIII. war in ihren ersten acht Jahren gekennzeichnet von einem fast völligen Aussetzen der Subsidienzahlungen an Kaiser und Liga. Erst im Dezember 1631 gewährte der Papst dem Kaiser und der Liga wieder laufende monatliche Subsidien18. Von den genauen Summen der Geldflüsse aus Rom weiß man, dass unter Paul V. rund 625000 Gulden, in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren, an Kaiser und Liga überwiesen wurden. Für die Jahre unter Gregor XV. lassen sich derartige Angaben nur schwer und unter Berücksichtigung der „unglaublichen Münzverschlechterung zwischen Sommer 1621 und Herbst 162219“, machen. Während der Scudo als jene Währung in der die päpstlichen Hilfsgelder an Bankiers ausbezahlt wurden stabil blieb, erlebte der Gulden eine rapide Entwertung. Die Bankiers als Mittelsmänner zahlten die, in Scudi eingelangten, monatlichen Geldbeträge, wie festgelegt, in Gulden aus. Durch die Wertminderung des Gulden mussten von päpstlicher Seite immer geringere Scudo – Beträge überwiesen werden, wobei der Realwert der in Gulden ausbezahlten „Monatsraten“ wesentlich verringert wurde20. Trotz der geschilderten Problematik lassen sich für die Zeit Gregors XV. als Papst Subsidienzahlungen in der Höhe von rund 1239000 Gulden in guter Münze sowie 700000 Gulden in schlechter Münze annehmen. In den letzten Jahren unter Urban VIII. von 1631 – 1635 flossen immerhin noch 550000 Taler (der Taler wurde dem Gulden wegen seiner Wertbeständigkeit vorgezogen) in die Kriegskassen von Kaiser und Liga21. Neben den bereits genannten Zahlungen der Kurie konnten sich Kaiser und Reich im Verlauf des Krieges auch auf Hilfsgelder aus dem habsburgischen Spanien stützen. Spanien engagierte sich bereits früh finanziell im Rahmen der kaiserlichen Kriegsführung. So operierten etwa in den Jahren von 1618 bis 1620 spanische oder mit spanischen Geldern besoldete Truppen bei den Kampfhandlungen in Böhmen und im Reich. Graf Oñate, spanischer Botschafter am Kaiserlichen Hof, leitete über Albrecht, Die Subsidien der Kurie, 542 – 545. Ebd., 555. 19 Albrecht, Die Subsidien der Kurie, 544. 20 Ebd., 544. 21 Ebd., 562. 17 18 12 Michael Zojer Mailand große Geld und Truppenlieferungen an Ferdinand II., der im Juli 1620 auf über 12000 Mann unter spanischer Besoldung zurückgreifen konnte22. Den Hintergrund für die Zahlung spanischer Subsidien war stets die Hoffnung, den Kaiser und das Reich auf diese Weise zum Eintritt in den Kampf gegen die abtrünnigen Niederländer zu bewegen. Trotz großzügiger Hilfsleistungen (allein 1632/33 floss eine Million Gulden über Wallenstein in die kaiserliche Kriegskasse) wurden die Spanier enttäuscht, da sowohl Ferdinand II. als auch sein Sohn Ferdinand III. vor einem Bruch mit den nördlichen Niederlanden oder Frankreich zurückschreckten23. Bedingt durch permanente Rückschläge und mangelndes Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Kaisers reduzierte man nach den großen Aufwendungen der Jahre 1635/36 (über 3,5 Millionen Gulden!) die Zuwendungen massiv und beschränkte die Zusammenarbeit ab 1641 auf die Bereitstellung kaiserlicher Truppen gegen Bezahlung24. Mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges beginnt für die tradierte Militärhistoriographie gleichsam auch der Unterhalt stehender Truppen in großem Stil, wobei allerdings zur Verteidigung der von den Türken schwer bedrängten, habsburgischen Gebiete schon seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts „stehende“ Truppenkörper gebräuchlich waren. Auch wenn die Erfahrungen der Kriegsjahre die Hinwendung zum stehenden Heer beschleunigte, verlief der Auf- und Ausbau ständig bereitgehaltener Streitkräfte in einem vielschichtigen und längerfristigen Prozess, der strukturelle Änderungen sowohl im Heeres- als auch im Staatswesen einschloss. Der kontinuierliche Unterhalt eines Heeres wird zu Recht als typisches Kennzeichen eines absolutistischen Staates gesehen, in dem die auf den Landesfürsten eingeschworene Streitmacht als Mittel zur Durchsetzung des Absolutismus dient. Hildegard Ernst, Madrid und Wien 1632 – 1637. Politik und Finanzen in den Beziehungen zwischen Philipp IV. und Ferdinand II. (=Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 18, Münster 1991), 18f. 23 Hildegard Ernst, Spanische Subsidien für den Kaiser 1632 bis 1642. In: Konrad Repgen (Hg.), Krieg und Politik 1618 – 1648. Europäische Probleme und Perspektiven (=Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 8, München 1988), 299ff. 24 Ebd., 301. 22 13 Michael Zojer Aus nahe liegenden Gründen stieß daher der Landesfürst bei der Durchsetzung seiner Pläne bezüglich eines stehenden Heeres meist auf massiven Widerstand der Stände25. 25 Bernhard Sicken, Der Dreißigjährige Krieg als Wendepunkt. Kriegführung und Heeresstruktur im Übergang zum miles perpetuus. In: Heinz Duchard (Hg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte (=Historische Zeitschrift, Beiheft 26, 1998), 581f. 14 Michael Zojer 2) Zum Söldnerwesen und seiner Bedeutung im dreißigjährigen Krieg Das Wesen des Dreißigjährigen Krieges war entscheidend geprägt vom Einsatz der zahlreichen Söldnerheere, die sich zum wichtigsten Instrument der Kriegsführung während jener Zeitepoche entwickelten. Das Söldnerheer der damaligen Zeit darf noch nicht als Element des staatlichen Militärwesens gesehen werden, vielmehr standen die Dienste einer Söldnerarmee jedem zur Verfügung, der die notwendigen Mittel zur Bezahlung der Truppen aufzubringen vermochte. Obwohl Geld die Entscheidung erleichterte war es dennoch nicht alleine ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, in wessen Dienst man die eigene Kampfkraft stellen sollte. Bei Kriegsbeginn bestimmte meist die Konfession die Bannerfarben unter denen man marschierte. Die Nationalität spielte bei der Wahl des „Arbeitgebers“ keine Rolle – gerade die multikulturelle Prägung vieler Söldnerverbände wurde zu einem weiteren speziellen Merkmal des Heereswesens im Dreißigjährigen Krieg26. Als Beispiel für die Vielzahl der innerhalb eines Truppenverbandes vereinten Nationalitäten kann das Fußregiment des Feldmarschall – Leutnants Gilles de Haes (1597 – 1657) herangezogen werden, welches im Herbst 1644 aus abgedankten Italienischen Söldnern formiert und zum Teil vom Kurfürst von Bayern mit Waffen ausgestattet wurde: das Regiment setzte sich zusammen aus 534 Deutschen, 218 Italienern, 54 Polen, 51 Slowenen, 43 Burgundern, 26 Griechen, 24 Lothringern, 18 Dalmatinern, 15 Franzosen, 15 Türken, 14 Tschechen, 11 Spaniern sowie fünf Ungarn, zwei Kroaten, zwei Schotten, zwei Sizilianern und einem Iren 27. In der Literatur finden sich zahlreiche Beispiel für die Mobilität von Söldnern und Söldnerführern sowie die Multinationalität vieler Militäreinheiten. So führt etwa Bernhard Kroener dem Leser in bemerkenswerter Weise die auch für heutige Verhältnisse noch beeindruckende beruflich bedingte „Reisetätigkeit“ des schottischen Soldaten Andreas (Andrew) de Melvill(e) vor Augen. Dieser diente während des 17. Jahrhunderts in beinahe allen Teilen Europas28. Neben einer Vielzahl verschiedener Nationalitäten fanden sich in den meisten der Söldnerregimenter auch Angehörige der unterschiedlichsten sozialen Klassen und Gruppierungen. Helmut Lahrkamp, Dreißigjähriger Krieg - Westfälischer Frieden. Eine Darstellung der Jahre 1618 – 1648 (Münster 1999), 157. 27 Ebd., 159. 28 Vgl. Bernhard Kroener, „Der Krieg hat ein Loch…“. Überlegungen zum Schicksal demobilisierter Söldner nach dem dreißigjährigen Krieg. In: Duchard (Hg.),Der Westfälische Friede, 599 – 633. 26 15 Michael Zojer Die freie Geburt war längst nicht mehr Voraussetzung für den Eintritt in den Kriegsdienst. Trotz des hohen „Bauernanteils“ der Gesamtbevölkerung (fast 90 Prozent) ergaben Berechnungen, dass immerhin 52 Prozent der ausgedienten Söldner im 17. Jahrhundert städtischer Herkunft waren. Die Zahlen verdeutlichen, dass der Bauer jener Zeit wohl nur schwer zum Zurücklassen seines Hofes und seiner Familie bewegt werden konnte, um sich als Söldner seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Trotz des ausbleibenden „Massenansturms“ der Bauern auf die Söldnerheere bestand zu keinem Zeitpunkt Mangel an Rekruten, denn Abenteuerlust und Profitstreben bewegten immer mehr Studenten, Gesellen und Lohnarbeiter aber auch gesellschaftliche Randgruppen wie Verbrecher oder Landstreicher dazu, sich für ein Leben als Söldner zu entscheiden29. Auch wenn Abenteuerlust und in vielen Fällen reiner Patriotismus Menschen zum Weg in den Solddienst veranlassten: der bei weitem häufigste Grund sich einem Söldnertrupp anzuschließen, waren ökonomische Interessen. Je länger der Krieg dauerte, desto rascher schritt die Verarmung der Menschen voran und nicht umsonst schreibt Geoffrey Parker in seinem Text über die Soldaten des dreißigjährigen Krieges: „Most soldiers do indeed seem to have joined up, because they could not longer survive in civilian life30“. Die Formierung und spätere Erhaltung schlagkräftiger Söldnerheere konnte nur durch das Zutun der obersten staatlichen Gewalten (Kaiser, Städte, Fürsten) erreicht werden. Sie betrauten einen Obersten oder Hauptmann mit der Aufstellung eines Truppenkörpers (Regiment oder Fähnlein) und versahen selbigen mit den dazu notwendigen Privilegien: dem Offizierspatent, einem „Bestallungsbrief“, sowie einem sogenannten „Artikelsbrief“. Der Bestallungsbrief, oft auch als Bestallungspapier bezeichnet, diente zur Festlegung der Soldatenzahl, sowie des Sold- und Sammelplatzes und bestimmte gleichzeitig die Anzahl der Truppeneinheiten innerhalb des zu bildenden Truppenkörpers. Zweck des Artikelsbriefes hingegen war die Reglementierung des Rechtsgebrauches sowie der juristisch – sozialen Beziehungen innerhalb des Regiments für dessen Bildung der Inhaber des Offizierspatentes meist die benötigten Finanzen vorschoss oder überhaupt zur Verfügung stellte 31. 29 Herbert Langer, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges (Stuttgart u. a. 1978), 89ff. Geoffrey Parker, The Soldiers of the Thirty Years’ War. In: Repgen (Hg.), Krieg und Politik, 307. 31 Langer, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges, 92. 30 16 Michael Zojer Hintergrund für das gönnerhafte Auftreten zahlreicher Söldnerführer während des großen Krieges war selbstverständlich die Aussicht auf spätere Entschädigungen (durch den/die Dienstgeber) und die vielen Bereicherungsmöglichkeiten, die sich im Verlauf des Krieges bieten würden. Wichtigste Voraussetzung für die Qualifikation als Feldherr im dreißigjährigen Krieg war die Existenz finanzieller Ressourcen, auf die man zurückgreifen konnte. Der Wohlstand eines Feldherren zählte weit mehr als dessen militärische Erfolge wie zahlreiche Beispiele militärischer Führungspersönlichkeiten, die von einer Niederlage in die nächste schlitterten aber wegen ihrer Fähigkeit zur Beschaffung dringend benötigter dennoch „unangetastet“ blieben, belegen können32. Am Anfang jeder Söldnerkarriere stand das so genannte Laufgeld, welches der angeworbene Soldat aus der Hand des Werbers entgegennimmt. Nach Auszahlung des Laufgeldes war der nun registrierte Neugeworbene verpflichtet, sich unverzüglich zum Musterplatz zu begeben. Hierbei ist zu bemerken, dass es immer wieder zu „Laufgeldbetrügereien“ kam und angeworbene Soldaten trotz Entgegennahme des Laufgeldes nicht zur Musterung erschienen. Derartige Vergehen stellten allerdings kaum ein größeres Problem dar, da sich der bei weitem größte Teil der Angeworbenen moralisch dazu verpflichtet fühlte, für das erhaltene Geld Leistung zu erbringen und daher auch am Musterungsplatz erschien 33. Im Zuge der Musterung wurden Waffen und Ausrüstung an die neu rekrutierten Truppen verteilt, sowie das eigentliche Ritual der Musterung, als symbolischer Eintritt in eine Gemeinschaft, durch den Befehlshaber oder dessen Vertreter, den Kommissar, vollzogen. Die feierliche Verlesung des Artikelsbriefes und die anschließende Vereidigung der Soldaten bildeten schließlich den Abschluss des, sich über mehrere Tage hinweg erstreckenden, Musterungsprozesses34. Die Besoldung der Truppen erfolgte in der Regel nach genau festgelegten Richtlinien. Jeder der einzelnen Truppenränge bezog ein bestimmtes monatliches Fixum, (tatsächlich war eine regelmäßige Auszahlung des Soldes aber überaus selten) wobei Haupt- und Befehlsleute selbstverständlich besser bezahlt wurden. Neben Geldzahlungen empfing der Söldner etliche weitere Leistungen von Seiten seines „Kriegsherren“. Parker, The Soldiers of the Thirty Years’ War, 308f. Reinhard Baumann, Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg (München 1994), 72f. 34 Langer, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges, 93. 32 33 17 Michael Zojer Diese umfassten unter anderem die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Werkzeug sowie die Bereitstellung der benötigten Unterkünfte. Die Finanzierung der Truppen entwickelte sich, wie im bisherigen Verlauf dieses Textes bereits mehrfach erwähnt, immer weiter hin zur Idee, dass „der Krieg den Krieg ernähren müsse“ und so wurden Kontributionszahlungen der Aufenthaltsgebiete allmählich das wichtigste Mittel zur Finanzierung der Söldnerverbände des Dreißigjährigen Krieges. Problematisch gestaltete sich das Leben der Söldner in der so genannten „Gartzeit“ – der Zeit ohne Soldvertrag. Im Normalfall waren bis zum Ende eines Feldzuges sämtliche der noch ausständigen Gehälter ausbezahlt worden und die nun nicht mehr gebrauchten Söldner hatten ihr Abzugsgeld, zumeist in der Höhe eines halben Monatssolds, in Empfang genommen. Es kam allerdings immer wieder zu Abmusterungen, deren Hintergründe schlichtweg darin lagen, dass die zur Erhaltung der Truppen erforderlichen Gelder und Versorgungsgüter nicht mehr beschafft werden konnten. Die entlassenen Söldner waren gezwungen ihre weitere Versorgung selbst zu organisieren. Vielfach wurden sie dabei unterstützt durch behördliche Anordnungen, welche die Zivilbevölkerung zu Abgaben an die umherstreunenden „Gartbrüder“ verpflichteten. Wo derartige Unterstützungsregelungen jedoch nicht vorhanden waren, kam es schnell zu gewalttätigen Übergriffen der, immer noch bewaffneten, Vaganten unter denen der betroffene Teil der Zivilbevölkerung massiv zu leiden hatte35. Die größte Gefahr für das Leben der Soldaten im Krieg ging, neben den ständigen Kampfhandlungen, von den zahlreichen Seuchen aus. Man nimmt heute an, dass im Verlauf des Krieges mehr Soldaten an Seuchen zugrunde gingen als an den Folgen der Gefechte und Schlachten. Typhus, Ruhr und Skorbut zählten zu den ständigen Begleitern der Söldnerverbände. Immer wieder traten derartige Seuchen im Bereich der Truppenlager auf und dezimierten, vor allem bei längeren Belagerungen, ganze Armeen massiv36. Es waren die ständigen Plünderungen und Verwüstungen der umherziehenden Streitkräfte die maßgeblich zum Entstehen eines tief greifenden Hasses der Bevölkerung gegenüber dem Kriegshandwerk und somit auch dem Söldnerwesen. Vor allem der gewaltige „Anhang“ jeder Truppeneinheit sorgte im Umland des 35 Langer, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges, 98f. Lahrkamp, Dreißigjähriger Krieg – Westfälischer Frieden, 166. sowie Parker, The Soldiers of the Thirty Years’ War, 312f. 36 18 Michael Zojer jeweiligen Aufenthaltsortes durch unzählige Diebstähle und Überfälle für Chaos. Die Nachhut eines Regimentes umfasste neben dem familiären Anhang der Söldner zahlreiche Menschen, die von den Bedürfnissen der Söldner zu profitieren hofften (Marketender, Prostituierte etc.)37. Immer öfter kam es zu organisiertem Widerstand der Bauern gegen die plündernden Scharen, die sich vielerorts in einen regelrechten Kleinkrieg mit der ansässigen Bevölkerung verwickelt sahen38. Die Söldner des dreißigjährigen Krieges waren Angehörige eines eigenen Standes mit eigenem Rechtsverständnis und eigener Gerichtsbarkeit. Bedingt durch das rücksichtslose und brutale Vorgehen gegenüber der ohnehin schon schwer in Mitleidenschaft gezogenen Bevölkerung (man denke nur an die erschreckende Kreativität der Soldaten, was die Erfindung neuer Foltermethoden betraf) wurde der Söldner im Verlauf des Krieges zum höchsten Feindbild aller geschundenen Zivilisten. Die Greueltaten der Söldner und Soldaten in „den dreißig Jahren“ schädigten das Ansehen des Kriegsvolkes nachhaltig und bewirkten, dass sich Streitkräfte auch in späterer Zeit noch mit massiver Ablehnung von Seiten des Volkes konfrontiert sahen. 37 38 Langer, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges, 96f. Ebd., 106f. 19 Michael Zojer 3) Die spanischen Habsburger und ihre Rolle als Geldgeber des Kaisers Spaniens Rolle im dreißigjährigen Krieg war bis zum Mai des Jahres 1635, als Frankreich der spanischen Krone offiziell den Krieg erklärte, eine passive. Man beschränkte sich auf die finanzielle Unterstützung des Kaisers in der Hoffnung ihn zum militärischen Handeln gegen das Frankreich Ludwigs XIII. zu bewegen, nachdem über Jahre hinweg ein Konflikt zwischen den beiden Großmächten schwelte (Mantuanischer Erbfolgekrieg)39. In Spanien hatte sich bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts eine Vielzahl von Problemen gestaut, die kaum beseitigt werden konnten. Eines der grundlegendsten Probleme war die Tatsache, dass es sich bei der spanischen Monarchie, anders als in Frankreich, um eine so genannte „composite monarchy“ (eine Union unterschiedlichster Königreiche und Fürstentümer, deren Repräsentanten jeweils eigene Interessen verfolgten) handelte. Lediglich der militärische Schutz des Gesamtkönigreiches band die verschiedenen Teilherrschaften an Kastilien - das eigentliche Kernland der Monarchie. Die Unterschiede zwischen Kastilien und Frankreich zeigten sich allerdings auch auf anderer Ebene. Die Bevölkerung Kastiliens war bereits seit den 1570er Jahren durch den beinahe permanenten Kriegszustand zur Zahlung hoher Steuern verpflichtet. Obwohl die Einnahmen aus den amerikanischen Kolonien vorerst noch anstiegen (die Silbererträge schrumpften seit 1600 stetig), war das bevölkerungsmäßig eher kleine Kastilien (unter 7 Millionen Menschen an der Wende zum 17. Jahrhundert) dazu gezwungen, den Hauptteil der Kosten für die Verteidigung des spanischen Weltreiches zu tragen. Die Länder der aragonesischen Krone, die iberischen Randprovinzen und seit 1580 auch das neu erworbene Portugal, ließen eine zusätzliche Besteuerung ihrer Einwohnerschaft nicht zu40. Unter Olivares, der als Minister die Geschäfte Spaniens in der Zeit von 1621 bis 1643 leitete, erfolgten Versuche, der voranschreitenden Finanz- und Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Die spanischen Besitzungen in Italien, das Königreich beider Sizilien aber auch Portugal, Aragon, Valencia und Katalonien sollten durch eine Waffenunion stärker in die spanischen Kriegsfinanzierung eingebunden werden. Das Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht, 377 – 381. Ronald Asch, Kriegsfinanzierung, Staatsbildung und ständische Ordnung in Westeuropa im 17. und 18. Jahrhundert. In: Historische Zeitschrift 268 (1999), 648ff. 39 40 20 Auftreten von Volkserhebungen Katalonien (1640) und Sezessionserscheinungen Michael Zojer in Portugal, und später auch in Süditalien zeigten jedoch, dass eine Steigerung der Staatseinnahmen nicht auf diese Weise herbeigeführt werden konnte. Mit dem Ziel die immensen Heereskosten zu verringern, kam es unter den Nachfolgern Philipps II. (1556 – 1598) zu einer umfassenden Reform des spanischen Kriegswesens. Private Kriegsunternehmer übernahmen die Versorgung ganzer Heeresteile und wurden dafür mit Barzahlungen oder einträglichen Privilegien entschädigt. Adelige Großgrundbesitzer wurden mit der Rekrutierung von Soldaten betraut. Sie griffen hierbei zumeist auf ihre eigenen Bauern zurück und wurden für die Kosten jener „Aushebungen“ mit der Oberhoheit über Städte, Gerichtsbarkeitsrechte und Steuern entlohnt. Anders als in Frankreich wurde der, auf diese Weise gestärkte Adel, von der Krone nicht als Bedrohung gesehen. Die Bedeutung der spanischen Aristokratie für den Staat war enorm, denn Angehörige jener Schicht übernahmen die wichtige Aufgabe der Kreditbeschaffung für einen Staat, der selbst kaum noch kreditwürdig war. Seit etwa 1635/40 folgte auch Spanien dem Vorbild anderer europäischer Staaten und verfolgte die Idee des Krieges, der vom Kriege lebt41. Seit Phillip II. war es eines der Hauptziele spanischer Außenpolitik gewesen, Österreich zum Bruch mit Frankreich, das die abtrünnigen Niederlande unterstützte, zu bewegen. Trotz der prekären Finanzlage Spaniens investierte Olivares allein 1632/33 eine Million Gulden an den kaiserlichen Generalissimus Wallenstein, in der Hoffnung, dadurch seine Truppen zum Kampf gegen Frankreich oder die Niederlande zu gewinnen. Nachdem alle Aufwendungen nichts bewirkten, kam es am 31. Oktober 1634 zu einem Vertrag, der sowohl den Kaiser, als auch Spanien zufrieden stellen sollte: Spanien versprach dem Kaiser Geld, der dafür einwilligte, den Bruch mit Spanien zu vollziehen. Als sich zeigte, dass auch dieser Vertrag nicht zur Erfüllung kommen würde, da der Kaiser das mit Sachsen aufgebaute Friedenswerk durch Bekanntwerden des Abkommens mit Spanien gefährdet sah, versuchte man den Kaiser auch ohne Vertrag für die Unterstützung der spanischen Anliegen zu gewinnen. Die spanischen Anliegen waren jedoch alles andere als leicht erfüllbar. Man wollte Frankreich schwächen um die französische Unterstützung der Niederlande zu 41 Asch, Kriegsfinanzierung, 652f. 21 Michael Zojer beenden. Weiters sollten die abtrünnigen Provinzen zu einem für Spanien akzeptablen Frieden gezwungen werden, was 1635 vor allem den holländischen Verzicht auf Pernambuco voraussetzte. Für Olivares war klar, dass die Frage des Fortbestandes oder des Ruins der spanischen Monarchie an das Erreichen jener Ziele gebunden war. Man mobilisierte daher in den Jahren vor der französischen Kriegserklärung die letzten Reserven der spanischen Ressourcen, um dadurch den Lauf der Dinge zu Gunsten der spanischen Krone zu verändern. Durch Aufnahme hoher Kredite gelang es der spanischen Botschaft in Wien für die Jahre 1635 und 1636 über 3500000 Gulden zur Verfügung zu stellen42. Mit den Geldern sollten im militärischen Bereich drei verschiedene Posten finanziert werden: Die Anwerbung von Truppen die direkt der spanischen Krone unterstellt sein sollten, die Übernahme von Truppen aus dem kaiserlichen Heer (gegen Erstattung der Werbegelder), sowie die Subsidien für den Kaiser, die jedoch an bestimmte Verwendungszwecke gebunden waren43. Nachdem Ferdinand II. bis zum Zeitpunkt der französischen Kriegserklärung an Spanien nicht zum Eintritt in den Krieg gegen Frankreich bereit war, ging Spanien vorerst als einzige der beiden Habsburgermächte in den offenen Konflikt mit Frankreich über, dessen Ende mit dem Pyrenäenfrieden von 1659 auch das Ende Spaniens als Weltmacht besiegeln sollte. 42 43 Ernst, Spanische Subsidien, 299f. Ernst, Spanische Subsidien, 300. 22 Michael Zojer 4) Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur a.) gedruckte Quellen Kaiserliche Hofkammer an den kaiserlichen Hofkriegsrat, Wien, November 1626. In: Lorenz Gottfried (Hg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins (=ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte der Neuzeit, Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe 20, Darmstadt 1987), Nr. 18, 111 – 114. b.) Literatur Albrecht Dieter, Zur Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges. Die Subsidien der Kurie für Kaiser und Liga 1618 – 135. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 19 / 3 (1956), 534 – 568. Asch Ronald G., Kriegsfinanzierung, Staatsbildung und ständische Ordnung in Westeuropa im 17. und 18. Jahrhundert. In: Historische Zeitschrift 268 (1999), 635 – 672. Baumann Reinhard, Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg (München 1994). Ernst Hildegard, Madrid und Wien 1632 – 1637. Politik und Finanzen in den Beziehungen zwischen Philipp IV. und Ferdinand II. (=Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 18, Münster 1991). Dies., Spanische Subsidien für den Kaiser 1632 bis 1642. In: Repgen Konrad (Hg.), Krieg und Politik 1618 – 1648. Europäische Probleme und Perspektiven (=Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 8, München 1988), 299 – 303. Kroener Bernhard, „Der Krieg hat ein Loch…“. Überlegungen zum Schicksal demobilisierter Söldner nach dem dreißigjährigen Krieg. In: Duchard Heinz (Hg.),Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte (=Historische Zeitschrift, Beiheft 26, 1998), 599 – 633. Kunisch Johannes, Wallenstein als Kriegsunternehmer. Auf dem Wege zum absolutistischen Steuerstaat. In: Schulz Uwe (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer (München 1986), 153 – 162. Lahrkamp Helmut. Dreißigjähriger Krieg – Westfälischer Frieden. Eine Darstellung der Jahre 1618 – 1648 (Münster 1999). Langer Herbert, Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges (Stuttgart u.a. 1978). Parker Geoffrey, The Soldiers of the Thirty Years’ War. In: Repgen (Hg.), Krieg und Politik, 303 – 317. Ritter Moritz, Das Kontributionssystem Wallensteins. In: Historische Zeitschrift 90 (1903), 193 – 250. 23 Michael Zojer Salm Hubert, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg. Der Niederrheinisch – Westfälische Reichskreis 1635 – 1650 (=Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 16, Münster 1990). Sicken Bernhard, Der Dreißigjährige Krieg als Wendepunkt. Kriegführung und Heeresstruktur im Übergang zum miles perpetuus. In: Duchard Heinz (Hg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte (=Historische Zeitschrift, Beiheft 26, 1998), 581 – 599. Winkelbauer Thomas, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im Konfessionellen Zeitalter, Teil 1 (=Österreichische Geschichte, Wien 2003).