… 3.3 Die Heiratspolitik der Buddenbrooks Die Buddenbrooks führen eine besonders altmodische und praktische Heiratspolitik. Obwohl bereits am Ende des 18. Jahrhunderts Liebesheiraten nicht mehr so abgelehnt wurden wie zu Zeiten der ersten Generation im Roman (vgl. Rosenbaum 1982, S. 285), wird in der Kaufmannsfamilie doch stets an dem Begriff der ,vernünftigen Liebe‘ festgehalten, sodass die Liebe zwischen Tony und Morten Schwarzkopf eine Unmöglichkeit darstellt. Die Heirat ist lediglich eine Tradition und vor allem eine Geschäftsverbindung. Thomas erhofft sich von seiner Ehe mit Gerda Arnoldsen nicht nur einen geschäftlichen Vorteil (S. 289 f.)1, sondern auch mehr Erfolg durch seinen neuen Status als Ehemann. Ich halte meine Carrière weder geschäftlich, noch, sagen wir scherzeshalber: politisch für beendigt […], aber das rechte Vertrauen der Welt gewinnt man erst, wenn man Hausherr und Familienvater ist. (S.303). Die Frau hatte in einer Unternehmerfamilie nicht viel mehr als eine ,dekorative‘ Funktion. Die einzige akzeptable Lebensperspektive der großbürgerlichen Frau war im 19. Jahrhundert die Ehe, vorzugsweise einer vorteilhaften Partie (vgl. Rosenbaum 1982, S. 339). Nun stellt sich die Frage, warum es dem erfahrenen Geschäftsmann Jean Buddenbrook nicht gelingt, eine geeignete Partie für seine Tochter Tony zu finden. Ein wachsamer Geschäftsmann hätte sich frühzeitig um einen geeigneten Partner für seine Tochter gekümmert und nicht den ersten, fremden Bewerber, in diesem Fall Bendix Grünlich, ausgewählt. Jean zeigt nachlassenden Geschäftselan, Menschenkenntnis und zunehmende Naivität, da er sich bei den Nachforschungen über Grünlich auf Gerüchte verlässt und somit nichts über seine negativen Geschäftsbilanzen und die wahren Beweggründe, Tony zu heiraten, erfährt. Was Duchamps sagen, die ich befragte, klingt auch nicht übel: Seine Verhältnisse seien ihnen zwar nicht bekannt, aber er lebe gentleman like, verkehre in der besten Gesellschaft, und sein Geschäft sei ein notorisch lebhaftes und weit verzweigtes […] (S. 111 f). … 1 Die in Klammern gesetzten Seitenzahlen beziehen sich auf die verwendete Ausgabe des untersuchten Werkes. Hinweis: Diese Angabe muss nur bei der ersten Erwähnung erfolgen. Seitenzahl