Nachtschatten - Online Media Server

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Philipps-Universität
FB 09 SS 2005
HS: Der Filmregisseur Niklaus Schilling
Leitung: Karl Prümm
Impulspapier zu Nachtschatten (1971)
Regie: Niklaus Schilling. Kamera: Ingo Hamer.
Referenten: Pia Huneke und Matthias Michel
12.Mai 2005
Die Schauspieler
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vier Schauspieler werden im Vorspann genannt, davon haben nur zwei eine tragende Rolle. Die Bäuerin ist
eher Statistin (sie begegnet Eckmann, als er die ohnmächtige Elena nach Hause trägt). Zwar klärt der Wirt
Eckmann über seine Ähnlichkeit mit dem Verstorbenen auf (was diesen zu wundern scheint), sein Auftritt
dauert indes nur wenige Minuten.
Die Charaktere sind zunächst völlig ohne psychologische Tiefe gezeichnet, eher noch skizziert. Später
erfahren wir zwar Elenas Geschichte, können Teile ihres sonderbaren Verhaltens nachvollziehen, jedoch
bleibt auch sie auf Distanz zu uns
Durch die stark stilisierten Dialoge und die Art, wie sie vorgetragen werden (Theatralisierung), wird ein
Realismus nie realisiert. Ständig hinterfragen wir die Bilder und die Geschichte
Dadurch macht uns der Film auf sein konstruktivistisches Prinzip aufmerksam
Anlehnung an die früheren Filme Schillings, besonders auch an Jean-Marie Straub, Fassbinder und sein
Antitheater: „Eine motorische Sprache, in der auf Kosten der Bedeutungsfunktion Satzstücke als Gesten
behandelt werden“(Grafe)
Die Musik / Der Ton
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Zum ersten Mal ertönt Musik, als Elena im Sessel einschläft. Wir hören „Ases Tod“ aus der Peer GyntSuite von Edvard Grieg in einer Bearbeitung
Die Musik erscheint immer dann, wenn eine unheimliche, aber dennoch ruhige Stimmung vorherrscht
Niemals untermalend, immer „erzählend“
Zur Kennzeichnung von Hinweisen auf Werner Berg ein Akkord aus Ases Tod
Häuft sich gegen Ende
Häufig unheimliche Stille, in der man dann jedes Räuspern wahr nimmt (Schilling: „Selbst da, wo ihr
Dialog direkt Information wurde, waren die Pausen wichtiger.“)
Bildästhetik
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Lange Einstellungen
Langsame Fahrten
Spiel mit Licht und Schatten
Immer wieder erscheinen uns die Figuren im Zwielicht, oft im direkten Gegenlicht, so dass sie sich zu
bloßen Schatten verwandeln.
Entkörperlichung der Elena
Die Kamera als Vermittler von Stimmung, nicht von Fakten
Enigmatische Bilder
Die Konstruktion des filmischen Raumes wird durch Bild und Ton gleichermaßen unterstützt.
(Kamera bleibt im Raum, wenn die Figuren ihn verlassen und übergibt die Funktion des Beobachters, des
Zeugen an den Ton)
Dennoch bleibt eine labyrinthische Raumkonstruktion, wir scheinen uns im Haus zu verlaufen. (Niemals
bekommen wir, ähnlich wie Jan Eckmann, alle Zimmer zu sehen)
Abschlussszene: Das Haus, die Landschaft selbst werden zu Schatten, zu Phantomen, bis sie sich in
Dunkelheit auflösen.
Heimat
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Moor als Ort des Unheimlichen (häufig Topoi in der Literatur)
Isolation der Schauplätze verstärkt das Gefühl des Unheimlichen
Heimat als Wohnort Elenas als Nicht-Heimat („Das Haus steht leer. Immer.“): Sie wird von den
Einwohnern gemieden: Unterstellung, sie habe etwas mit dem Tod ihres Mannes im Moor zu tun
Heidelandschaft nimmt eine exponierte Stellung ein (im Kontrast zum „Kammerspiel“ im Haus)
 Die einzige Sequenz mit off-Ton: Bebilderung von Elenas Bericht
 Zuschauer weiß wie die Geschichte/Elenas Erzählung ausgeht [Wirt/Zeitung], allerdings
Frage: Wie viel Schuld trägt sie?
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Horrorelemente
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Phantome, Geister, Doppelgänger („Vertigo“, „Marianne“)
Vermischung von Traum und Wirklichkeit; das Bild verliert seine Glaubwürdigkeit zugunsten einer
Stimmung
Rolle der Landschaft als Faktor der Isolation und als Abbild von Seelenzuständen (wie auch in Nosferatu /
Dracula: Die Karpaten als bedrohlicher Lebens- und Todesraum
Zwei isolierte Charaktere in einem einsamen Haus – Die Vorraussetzung für etwa 60% aller
amerikanischen Horrorfilme der Achtziger Jahre
Das Motiv des Doppelgängers
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Doppelgänger als Todesbote (Das Phantom substituiert die reale Person) wie in „Der Student von Prag“,
„Das Bildnis des Dorian Gray“
 In Nachtschatten: Elena stirbt am Ende (wenn auch auf nicht natürliche Weise)
Spiegelung zweier zunächst unabhängiger Biografien (Jan Eckmann/Werner Berg)
(„Ich bin vor 3 Jahren gestorben!“)
Spaltung des Bewusstseins („Spider-Man“ (The Goblin), „Multiplicity“)
 das Erschreckende in Nachtschatten: Verbindungen zum toten Doppelgänger (Traum) bevor
Jan von Werner Berg erfährt
Der Doppelgänger als Projektion der innersten Wünsche
Schöpfungsgeschichte: Kreatur als Ebenbild des Schöpfers (Golem des Rabbi Löw)
Die Fotos: „Ich bin glücklich. Wir sollten Fotos machen.“
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 Abbild der Wirklichkeit??
Zwei Fotos (Polaroids) macht Jan augenscheinlich von Elena: In einer späteren Sequenz im Haus hält Jan
drei Bilder in der Hand. Zwei Bilder von Elena: Auf dem ersten ist sie fast ganz Schattengestalt und hebt
sich vom hellen Hintergrund ab. Auf dem Zweiten ist die Blumenstruktur ihres Kleides zwar zu erkennen,
aber ihr Gesicht verschwindet in der Schwärze des Baumwipfels.
 Elena als Schattengestalt? Die Zeitung schreibt: „Doch ein Schatten bleibt über Elena Berg“
Das dritte Bild ist eine Doppelbelichtung: Elena und Jan verschwimmen zu einer Person „Wir müssten
beide drauf sein. Kannst du das?“
 eine Kamera, die das Nicht-Reale abbilden kann? > Eine Bewegung, die der ganze Film
vorführt: Stimmungen einfangen, die zur Bedeutungsebene beitragen.
Das Hochzeitsfoto und Zeitungsfoto: Als Beweis für den Doppelgänger?
Die Traumsequenz
Jan Eckmann träumt von seinem Grabstein. Elena sitzt neben dem Grabstein und pflückt den Klatschmohn. Nach
den Daten auf dem Grabstein müsste er schon drei Jahre tot sein (27.Juli 1968). Das Kalenderblatt im zunächst
verschlossenen Zimmer zeigt dasselbe Datum an.
 Das Verhältnis von Traum und Wirklichkeit? Elena trägt das gleiche Kleid im Traum wie in
der darauf folgenden Sequenz. Ihre Bewegungen im Traum sind synchron zu denen in der
„Realität“.
Zeichen
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Die stehen gebliebene Zeit: Es ist immer acht Uhr (die Kamerabewegungen führen zu demselben Eindruck:
„die Magie fließender Kamerabewegungen, die die Zeit aufheben“(Grafe))
Der Totenkopf
Schatten in der Nacht, wenn Eckmann aus dem Fenster schaut (1.Abend)
Der Klatschmohn (2x)
Wermut (Werner Berg hat anscheinend immer Wermut getrunken. Elena: „Du hast es doch immer
getrunken.“ <> Eckmann mag ihn nicht)
Das geheimnisvolle Zimmer (Auflösung, warum das Zimmer verschlossen ist: offensichtlich das Zimmer
von Werner Berg)
Farbenmetaphorik: sie in schwarzer Kleidung: Witwentracht? (später: weißes Blumenkleid: dann ist sie
auch viel lebendiger)
Zeitung im Briefkasten, die dort nach Elenas Aussage seit zwei Jahren liegt
Diskussion
1. Welchen Weg schlägt Schilling mit Nachtschatten auf der Suche nach einem neuen Kino ein?
2. Nachtschatten als Geistergeschichte oder Mysterienspiel?
3. Lange Einstellungen und Direktton als Stilform par excelence für den Realismus durchbrochen?
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