Skip – der halbe Skipper - boote

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Am schönsten war es überall
Motorboot „MOLLY“ mit Skip und Skipper auf großem Ostseetörn
Prolog
Wann bei mir, der ich ja aus dem tiefsten Binnenland stamme, die Liebe zu Schiffen, Booten und
Wasser begann, kann ich nicht mehr genau sagen.
Vielleicht wurde der Grundstein schon in meiner frühen Kindheit, in den fünfziger Jahren, gelegt,
als ich an Sonntagen von meiner Mutter in einen schicken Matrosenanzug gesteckt wurde, was
damals der gängigen Kindermode entsprach.
Ich fand mich darin immer recht schneidig und besonders die flatternden Bändchen an der Mütze
hatten schon was.
Jedenfalls stand bei mir der Wunsch mit der Schifffahrt näheren Kontakt aufzunehmen schon so
lange ich denken kann, fest.
Da ich einen angeborenen Sehfehler habe, der damals allerdings zu spät erkannt wurde und somit
nicht mehr korrigierbar war, fiel eine Nautische Laufbahn in der christlichen Seefahrt, nach
Beendigung meiner Schulzeit aus.
Das war mein erster herber Schicksalsschlag in meiner noch nicht einmal begonnenen
Skipperkarriere.
Zum Glück waren die Anforderungen in Punkto Sehvermögen in der Binnenschifffahrt nicht ganz
so streng und ich erhielt einen Lehrvertrag zum Bootsmann bei einer Reederei in Wesseling bei
Köln.
Nach erfolgreicher Abschlussprüfung vor der Industrie und Handelskammer, war ich also drei Jahre
später Bootsmann.
Nun wollte die weitere Karriere geplant sein.
Kapitäne gab es damals noch genug in der Binnenschifffahrt und so war absehbar, dass der Weg
zum Kommando über ein Schiff recht lange dauern würde.
Zu der Zeit fing aber der große Umbruch in der Binnenschifffahrt an und die ersten Neubauten von
großen Schubbooten, die in der Contenuefahrt eingesetzt wurden, entstanden.
Diese Boote die immerhin anfangs um die 8.000 Tonnen Ladung befördern sollten, waren natürlich
mit großen Doppelmaschinenanlagen ausgerüstet.
Da Boote nur Geld verdienen, wenn sie in Fahrt sind, erlebte der Berufsstand der Maschinisten, der
in der Binnenschifffahrt mit dem Rückgang der großen Schleppboote praktisch auszusterben drohte,
einen zweiten Frühling.
Reparaturen mussten an Bord erledigt werden und mit dem Ansteigen der Schubverbandsgrößen
auf 12.000 und später sogar auf 16.000 Tonnen, wuchsen die Motorenanlagen auf bis zu 6.000 PS
an.
Die 1.Maschinisten wurden zu den wichtigsten Leuten an Bord und waren in der gleichen
Gehaltsklasse wie die Kapitäne.
Das sie insgeheim sowieso der Chef an Bord waren, ist ein offenes Geheimnis.
Also wechselte ich in die Technik.
Über die Stationen Matrose-Motorenwart und 2. Maschinist gelangte ich auf die Position des 1.
Maschinisten.
Zu der Zeit ließ unsere Reederei das bis dato erste Dreischrauben Schubboot , mit der damals
höchsten Leistung von 4.500 PS bauen.
Ich wurde zu einer Schulung bei MTU in Friedrichshafen geschickt und übernahm danach die
Bauaufsicht über den Neubau.
Mit 22 Jahren war ich der jüngste Chief unserer Reederei.
Ende der achtziger Jahre war das Ende der großen Schubverbände auf dem Rhein absehbar, da der
Trend zu immer größeren Einzelfahrern ging, die auch Leichter mitnehmen konnten.
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Diese Schiffe können einfach dem Markt entsprechend besser betrieben werden und benötigen
immer nur die Mindestbesatzung, die für den entsprechenden Einsatz vorgeschrieben ist.
Maschinenpersonal wird so ganz eingespart und die Wartungen von Fremdfirmen durchgeführt.
Das Boot auf dem ich fuhr, war inzwischen auch schon fast zwanzig Jahre alt und es stand ein
Verkauf an.
Ich musste mich entscheiden, ob ich zurück in die Nautik wechseln wollte, oder gleich den Schritt
an Land wagen sollte.
Nach 22 Jahren in der Schifffahrt entschied ich mich dafür, an Land neue Aufgaben zu suchen.
Schon nach einem Jahr meldeten sich erste Entzugserscheinungen und von da an charterten wir
regelmäßig in den Niederlanden ein Boot, auf dem wir unsere Urlaube verbrachten.
Schnell wurde uns das Ijsselmeer und die Kanäle zu eng und wir wollten auch mal salzigeres
Wasser außenbords haben.
Dazu musste ich allerdings erst den Sportbootführerschein See erwerben.
Den Schein für Binnen hatte ich nur beantragen müssen, da dazu ein Nachweis über meine
Berufsausbildung reichte.
In Karlsruhe meldete ich mich also beim dortigen Yachtklub an, um das fehlende Papier zu
erlangen.
Die Ausbildung dort im tiefsten Binnenland war schon etwas seltsam, hatten die meisten doch von
See soviel Ahnung, wie ich vom Bergsteigen.
Aber es kam ja nur darauf an, den Schein zu erhalten. Der Rest musste sich sowieso erst in der
Praxis einstellen.
Nun konnten wir unsere Chartertouren auch auf die Inseln vor der Küste ausdehnen.
Parallel dazu suchten wir das passende Boot für uns.
Es sollte ein Motorboot sein, da meine Frau nicht für das Segeln zu begeistern war und es sollte wie
ein Schiff aussehen, nicht wie ein verkapptes Designerstück.
Auf der Boot 1996 sah ich die „Nordic-Tug 26“ und es war Liebe auf den ersten Blick. Solche
Boote liebt man eben, oder man findet sie unmöglich.
Dazwischen gibt es nichts.
Nach der Messe fuhren wir zum Importeur nach Wilhelmshaven, wo wir ein paar Stunden später
mit einem Kaufvertrag wieder herauskamen.
Als Bonus erhielten wir einen Liegeplatz, für ein Jahr, in Wilhelmshaven.
In diesem Jahr lernten wir die Vorzüge von Wilhelmshaven so zu schätzen, dass wir nun, nach
zwölf Jahren unser Boot immer noch dort liegen haben.
Während dieser Zeit haben wir Reisen in den Limfjord, nach Bornholm und in die Niederlande
unternommen.
Leider hatten wir dazu nie mehr als drei Wochen Zeit, dann war der Urlaub zu Ende.
Erst seit ich mich mit 52 Jahren für mehr Lebensqualität anstatt Konsumquantität entschied,
verbringe ich die Sommerzeit mit Skip auf dem Boot.
Gleichzeitig mit meinem Ausscheiden aus dem Beruf, erhielt meine Frau die Chance ,die Leitung
einer Kindertagesstätte zu übernehmen, was sie jetzt, da ich nicht mehr in meinem Beruf als
Werksleiter eines großen Betonsteinwerkes stand, auch gerne annahm.
In der Sommerzeit besucht sie uns regelmäßig und auch die Urlaube verbringen wir natürlich
gemeinsam auf dem Wasser.
Dazwischen machen Skip und ich kleinere Touren im Bereich der Deutschen Bucht.
Als mir vor ungefähr zwei Jahren ein Buch über eine Ostseerundreise in die Hände fiel, war der
Funke gesetzt. Immer öfter dachte ich : „ Das machen wir auch mal.“
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Anfangs war dabei immer an den Zeitraum gedacht, wenn auch Christina über genug Zeit für eine
solche Reise verfügt.
Nach und nach dachte ich dann aber auch darüber nach, nicht mehr so lange zu warten, in der
Hoffnung auch dann noch fit genug für eine solche Reise zu sein.
Dazu kam noch, dass in dieser Zeit bei einem Cousin von mir, der noch um einiges jünger als ich
ist, Krebs festgestellt wurde.
Dies zeigte mir deutlich, dass Gesundheit im Alter nicht selbstverständlich ist.
Warum alles in die Zukunft verschieben?
Packen wir es an!
„Molly“ war durch verschiedene Umrüstungen inzwischen einhandtauglicher und so musste ich mir
eigentlich nur die nötigen Karten und Handbücher besorgen.
Dabei fiel mir zum erstenmal die Dimension des ganzen auf.
Für meinen Plotter, der noch nicht die neueste Generation von C –Map Modulen verarbeiten kann,
brauche ich zum Beispiel sechs verschiedene Module, um die Reisestrecke komplett abzudecken.
Das waren die ersten knapp 1.400 Euro, die an Reisekosten anfielen.
Papierkarten wollte ich nur als rein Notfall und Planungsunterlagen.
Deshalb reichten mir Übersegler im Maßstab zwischen 1 zu 250.000 bis 1 zu 500.000.
Aber auch davon waren fast 18 Blatt notwendig.
Bis auf die Blätter der nördlichen und südlichen Bottensee erhielt ich alle Blätter leihweise vom
Geschäftsführer unserer Marina, der schon einmal von Finnland aus, ein Boot nach Wilhelmshaven
überführt hatte.
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank dafür.
Während der Planung, kam auch immer wieder der Gedanke auf, die Reise zusammen mit einem
Bekannten oder Freund zu meistern. Das scheiterte allerdings in den häufigsten Fällen an der
mangelnden Zeit.
Zum Schluss war nur noch mein Schwager im Rennen, der auch gerne mitgefahren wäre, zumal er
die Zeit hätte.
Aber auch er machte einen Rückzieher, als er sich der ganzen Dimension des Projekts und dessen
Dauer bewusst wurde.
Auch die Möglichkeit einer Begleitung durch ein anderes Boot, wo man sich zwar nicht ständig auf
der Pelle zu hocken bräuchte, aber sich im Notfall doch gegenseitig helfen könnte, wurde an mich
herangetragen.
Aber auch diese Lösung kam aus verschiedenen Gründen nicht zum Abschluss.
Im Nachhinein betrachtet, bin ich ganz froh darüber, dass ich die Reise Solo vollzogen habe. Auf
Teilen der Fahrt fuhr ich verschiedene Etappen eine Zeit lang mit anderen Booten zusammen. Das
war sehr schön und gab natürlich auch eine gewisse Sicherheit.
Trotzdem schränkt es natürlich auch ein.
Ich glaube nicht, dass ich die gesamte Runde in der zur Verfügung stehenden Zeit geschafft hätte,
wenn immer wieder Kompromisse in Bezug auf Etappenlängen oder Wetterlagen, nötig gewesen
wären.
Die Reise war wirklich toll, ich habe viele nette Leute kennen gelernt, viel neues gesehen und bin
auch in neue Dimensionen vorgestoßen, was die erlebten Seeverhältnisse betrifft.
Vom Wetter her hatte ich auf der gesamten Reise viel Glück und obwohl der Sommer 2008 nicht zu
den wärmsten gehörte, hatte ich zumindest die überwiegende Zeit trockenes Wetter.
Ab Ende Juni nahmen die Starkwindtage zwar kontinuierlich zu, aber erstens war damit zu rechnen,
da es dem normalen Wetterverlauf dieser Region entspricht und zweitens konnte ich , nicht zuletzt
auch wegen der auf der Reise gewonnenen Erfahrungen , in den überwiegenden Fällen meinen
„Fahrplan“, einhalten.
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Nun, da ich wieder zu Hause bin, kann die nächste Phase beginnen:
Träumen von der vergangenen Fahrt und langsames Planen der nächsten.
Irgendwie geht mir der Name „Scapa Flow“ und der Begriff „Rund Großbritanien“ nicht mehr aus
dem Kopf.
Mal sehen was sich daraus entwickelt!
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Mein Reisebegleiter
Skip – der halbe Skipper
Bei Skip handelt es sich um einen fünfjährigen Huskymischling, dessen Mutter oder Großmutter
einmal nähere Beziehungen zu einem Schäferhund gehabt hatten.
Außer der Fellfärbung ist bei Skip aber davon nichts zurückgeblieben.
In seinem Verhalten ist er ein echter Husky.
Leider hat er auch den Jagdtrieb von diesen geerbt.
Bis zum Alter von ungefähr eineinhalb Jahren, ging es noch. Aber nachdem er auf fast jeder der
Ostfriesischen Inseln einmal Solo unterwegs war ebenso in Bremerhaven und bei uns zuhause
mehrstündige Ausflüge unternahm, wurde der Leinenbann über ihn verhängt.
Sorgen ob er den Weg zurück auch wiederfände, mussten wir uns allerdings nie machen. Auch in
fremden Häfen wusste er genau wo „Molly“ zu finden ist.
Ein echter Seemann also.
Inzwischen darf er also nur noch an der Laufleine von Bord und das gleiche gilt auch für die
Landausflüge in unserem Winterlager in Süddeutschland.
Ansonsten ist er der perfekte Bordhund.
Er ist seefest und findet überall, wo wir einen Weg an Land finden, auch für sich eine Möglichkeit.
Am liebsten fährt er mit dem Beiboot, in das er auch alleine ein- und aussteigen kann.
Hohe Leitern bezwingt er, indem er sich ganz ruhig auf meine Schultern legt und sich so
transportieren lässt. Das habe ich seit seiner Welpenzeit mit ihm geübt und er verhält sich dabei
vollkommen ruhig, bis zum Kommando abzusteigen.
Ohne ihn hätte ich mir diese Reise nicht vorstellen können.
Er war und ist Kumpel, Beschützer und Seelentröster in einem.
Manchmal aber auch ein eigensinniger Teufelsbraten.
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Das Boot
Bei „Molly“ handelt es sich um ein Boot vom Typ „Nordic-Tug 26“, das in Burlington / Wa. USA
gebaut wurde.
1996 wollte die Werft auch in Europa Fuß fassen, nicht zuletzt deshalb, weil zu dieser Zeit der
Wechselkurs D-Mark – Dollar sehr günstig stand.
Insgesamt kamen drei Boote dieses Typs nach Europa.
Der Versuch wurde allerdings wegen des steigenden Dollarkurses und wohl auch wegen
mangelnder Baukapazität der Werft, Anfang 1997 wieder aufgegeben.
Inzwischen wird das 26 Fuß-Modell , bei dem es sich um „Molly“ handelt, nicht mehr gebaut und
ähnliche Modelle gibt es erst ab 32 Fuß Länge.
„Molly“ hat die Baunummer 170 und ist das vorletzte Boot diesen Typs, das ausgeliefert wurde.
Wir kauften sie neu und bis zu ihrer Auslieferung im Februar 1997 mussten wir genau ein Jahr auf
sie warten.
Nach wie vor sind wir, also meine Ehefrau und ich sicher, dass es kein vergleichbares Boot dieser
Größe gibt, das genauso viel Platz, Komfort und Seetauglichkeit vereint.
„Molly“ ist 8.03 Meter lang , 2,96 Meter breit und hat an der Ruderhacke einen Tiefgang von 1,05
Metern.
Ausgerüstet ist sie mit einem Yanmar vier Zylinder-Motor und einem 3 KW Bugpropeller von
Sleipner.
Das Boot hat einen 380 Liter fassenden Dieseltank, plus 120 Litern Reserve in Kanistern.
Es sind zwei getrennte Wassertanks von je 125 Litern vorhanden.
Die Ruderanlage ist hydraulisch.
Selbstverständlich gehört auch ein 80 Liter fassender Fäkalientank zur Ausrüstung. Der kann
wahlweise abgesaugt werden ,oder man lenzt auf See über eine mit Zerhacker ausgerüstete Pumpe .
In der Achterpik habe ich einen 2 KW Honda Generator.
Zur Ausstattung der Pantry gehört ein 60 Liter Kühlschrank und ein Origo4300E, mit dem man
wahlweise elektrisch oder mit Spiritus kochen kann.
Warmwasserboiler, Einhebelmischventile und eine Dusche im Sanitärraum sind in dieser
Bootsklasse ebenfalls nicht selbstverständlich.
Zur Stromversorgung stehen zwei 100 Ampere Batterien zur Verfügung, was anbetracht des zur
Verfügung stehenden Generators, immer ausreicht.
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Nautische Ausrüstung:
Auf „Molly“ habe ich ein Raymarine RL80C Gerät installiert, das mit C.-Map Modulen bestückt
wird. Der Bildschirm hat 10,4 Zoll Diagonale und der Radarantennen Durchmesser der 2 KW
Antenne beträgt 48 Zentimeter.
Sowohl mit der Kartendarstellung der C-Map Module als auch der Funktion und Bedienbarkeit der
Anlage bin ich sehr zufrieden.
Manchmal wünscht man sich zwar einen noch größeren Bildschirm oder auch einen größeren
Antennen Durchmesser, was der Auflösung des Radarbildes zugute käme, aber was wäre das Leben
ohne Wünsche.
Die Anlage ist vernetzt mit einem Robertson AP11 Autopiloten und der Shipmate RS8300
Funkanlage um bei eventuellen DSC Notrufen automatisch die Position zu senden.
Der Autopilot besitzt einen eigenen Fluxgate Kompass. Zudem gibt es noch einen fest eingebauten
Magnet Kompass und einen Peilkompass mit einer Halterung, so dass er auch als Steuerkompass
verwendet werden kann.
Zusätzliches Back up ist ein Magellan GPS, das sowohl mit Bordstrom als auch autark betrieben
werden kann. Es verfügt über eine eigene fest eingebaute, sowie eine Handantenne.
Als Reserve für die Funkanlage ist noch ein Accu betriebenes Handfunkgerät an Bord.
Das Echolot ist ein ST30 von Autohelm.
Ebenfalls ist ein fest eingebautes Radio mit UKW, MW und LW, sowie ein kleiner Weltempfänger
mit 7 KW Bereichen an Bord.
Ein Wempe Chronometer mit Baro-,Thermo-und Hygrometer ist auch an Bord vorhanden.
Zwei gute Steiner Ferngläser vervollständigen die nautische Ausrüstung.
Zirkel, Dreiecke und Papierkarten, sowie restlicher Kleinkram sind selbstverständlich und deshalb
hier nicht aufgeführt.
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Sicherheitsausrüstung
Im Falle eines Wassereinbruchs, gibt es auf „Molly“ drei elektrische Lenzpumpen. Zwei davon sind
durch Schwimmerschalter automatisch gesteuert.
Dann gibt es noch eine manuelle Handpumpe und ich habe am Hauptmotor ein zwei Wege Ventil
eingebaut, mit dem ich über einen Saugschlauch in allen Abteilungen lenzen kann.
Im Notfall kann ich mit dem bordeigenen zwei KW Generator auch eine 220Volt Tauchpumpe
betreiben.
Wenn alle Stricke reißen, gibt es auch noch eine Pütz an Bord.
Gegen Feuer haben wir zwei jeweils 2 Kilo Feuerlöscher, die auch regelmäßig geprüft werden und
eine Löschdecke. Sonst hilft ebenfalls die Pütz.
Ein Rauchmelder ist auch installiert.
Auf dem Steuerhausdach fahre ich ein Plastimar Festrumpf Schlauchboot von 220 Zentimetern
Länge, für das an der Achterreling ein Honda 2 PS Motor hängt.
Verbandskästen für Mensch und Tier sind ebenso an Bord und werden regelmäßig kontrolliert.
Am Bug fährt „Molly“ einen 10 Kilo Delta Anker mit 35 Meter 8mm Kette.
Als Heckanker haben wir einen 8 Kilo Brittany Anker mit Leine und Bleileinenvorlauf.
Ein 8 Kilo Delta Anker ist in Reserve.
Es gibt einen fest eingebauten Scheinwerfer mit Punkt- und Breitstrahler und einen
Handscheinwerfer.
Als letztes ist noch ein Rettungsring mit Nachtlicht und ein Livesling System an Bord.
Zur persönlichen Sicherheitsausrüstung gehören zwei Automatik-Schwimmwesten 100 und zwei
Automatik-Westen 150 mit integriertem Lifebelt. Dazu gehören ebenfalls Blitz-bzw. Nachtlichter.
Für mich habe ich noch einen Überlebens-Arbeitsanzug mit integrierten Sicherheitsstiefeln, der
auch ohne Weste genug Eigenauftrieb entwickelt. Es ist ein „Sea-Horse“, wie ihn auch die finnische
Seerettung einsetzt.
Last but not least, habe ich an Backbord und an Steuerbord Fangleinen fest angebracht, die über die
gesamte Länge des Bootes reichen und mir ermöglichen, auch ohne dass die Badeleiter herab hängt,
alleine wieder an Bord zu kommen.
Im Mast, auf gut 4,50 Meter Höhe fahre ich einen Radarreflektor mit Solas Zulassung.
Für die Ruderanlage ist eine Notpinne vorhanden.
Selbstverständlich sind auch genügend lange und ausreichend dicke Festmacher-Leinen, sowie eine
70 Meter lange Schleppleine an Bord.
Jetzt fällt mir nur noch der Treibanker ein, der ebenfalls der Sicherheit dient.
Am Rande sind noch genügend Holzpropfen und Brettchen zu erwähnen, die zusammen mit dem
notwendigen Werkzeug und Material zur Leckbekämpfung eingesetzt werden können.
Dieses Material wird durch ein Lecksegel ergänzt.
Falls das alles nicht mehr hilft, sind genügend Handraketen, Fackeln, Knicklichter, ein NicoSignalgeber und eine Kaliber 4 Signalpistole griffbereit, für die natürlich auch genug Munition
vorhanden ist.
Für die Signalpistole ist der vorgeschriebene Tresor an Bord eingebaut.
Bis auf die Teile, die entweder so selten, oder auch so oft benötigt werden, dass sie mir jetzt nicht
einfallen, müsste das so grob alles sein.
Insgesamt, bin ich der Meinung, dass „Molly“ immer in Anbetracht, dass es sich „nur“ um ein acht
Meter Boot handelt, recht gut ausgerüstet ist.
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Die Reiseausrüstung
Ich versuchte so viel wie möglich an Vorräten mitzunehmen, um unterwegs nicht so viel einkaufen
zu müssen.
Die Versorgungsmöglichkeiten waren zwar überall sehr gut, aber teilweise waren doch recht lange
Wege zurück zu legen. Von den Preisen her waren keine gravierenden Unterschiede zu denen in
Deutschland zu registrieren.
Den einen oder anderen preislichen Ausreißer gab es natürlich und auch die Preise in kleinen,
abgelegenen Tante Emma Läden lassen sich natürlich nicht mit denen vom Discounter vergleichen.
Mein Pfeifentabak reichte nur für ungefähr zwei Drittel der Reise, so dass ich gezwungen war, ab
Schweden, mir diesen unterwegs zu besorgen. Speziell in Schweden war das sehr teuer.
Beim Beginn der Reise hatte ich unter anderem, folgende Vorräte an Bord:
(Gourmets bitte weg schauen)
Fertiggerichte für 160 Tage. Überwiegend Tellergerichte, die im Wasserbad aufzuwärmen sind, aber
auch Komplett-Gerichte in Konserven.
60 Liter Cola
20 Liter Milch
27 Liter O-Saft
18 Liter Mineralwasser
50 Kg Hundefutter
Das sind jetzt nur die dicksten Brocken.
Im Prinzip hatten wir alles was von der Haltbarkeit her ein halbes Jahr überdauert, an Bord
mitgeführt.
Ich wollte unterwegs nur Frischwaren zukaufen, was ungefähr für zwei Drittel der Reise auch
klappte. Danach musste ich beispielsweise auch Getränke vor Ort holen.
Einen großen Teil machten dabei Konzentrate für Mixgetränke aus, wie sie besonders in Schweden
weit verbreitet sind.
Auch zu Beginn der Fahrt habe ich schon aus Deutschland solche Konzentrate mitgenommen.
An Bord habe ich einen Soda-Mixer, für den ich zwei Kohlensäure Patronen dabei hatte. Allerdings
reichte eine aus. Viele stehen ja dem Genuss von unabgekochtem Trinkwasser an Bord skeptisch
gegenüber, aber ich hatte damit noch nie Probleme. Da ich noch nie irgendwelche Zusatz -oder
Desinfektionsmittel in meine Trinkwassertanks gegeben habe, baute ich vor der Reise noch einen
Aktivkohle Filter zwischen Tank und Leitungsnetz. Auch fertigte ich mir ein Stück Schlauch mit
einer Filterpatrone an, das ich beim Bunkern von Trinkwasser, immer zwischen Füllschlauch und
Tank anschließe.
An Betriebsmitteln hatte ich vorsorglich 25 Liter Spiritus zum Betrieb meines Origo Kochers
mitgenommen. Da der Kocher aber auch elektrisch betrieben werden kann und wir fast überall
Landstrom zur Verfügung hatten, verbrauchte ich davon nur zwei Liter. Wahrscheinlich reicht der
Rest für unser gesamtes Bootsleben.
Für den Generator und den Außenborder waren 20 Liter Benzin an Bord und für die Not- Laternen
2 Liter Petroleum.
An Ersatzteilen führte ich nur je einen Öl- und Dieselfilter, sowie einen neuen Einsatz für den
Wasserabscheider, Reservekeilriemen und Impeller und ein Ersatz Thermostat an Bord mit.
Dazu kam noch das umfangreiche Werkzeug, das aber immer an Bord ist. In dieser Wunderkiste
finden sich auch viele,viele Kleinteile, mit denen man zumindest provisorische Reparaturen
durchführen kann.
Selbstverständlich hatten wir auch genügend Kleber ,Silikon, Dichtmaterialien und so weiter dabei.
Diverse Verlängerungskabel, Wasserschläuche und Lampen gehören ebenfalls zur Grundausrüstung
von „Molly“
Die restliche Ausrüstung unterschied sich nicht wesentlich von der eines „normalen“ Urlaubs.
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Inhaltsverzeichnis
Seite
1 - 3
Kein Problem......
Vorbereitungen zur Abfahrt
4 - 5
Die Reise beginnt
Wilhelmshaven - Laboe
6 - 9
Deutsche Ostseeküste im kalten Frühling
Laboe - Stettiner Haff
10 - 19
Unbekanntes Polen
Stettiner Haff - Danzig
20 - 32
Der große Sprung ins Baltikum
Danzig - Rigaische Bucht
33 - 35
Wir nähern uns dem 60. Breitengrad
Rigaische Bucht - Helsinki
36 - 44
Weiße Nächte
Helsinki - Alands
45 - 48
Was willst Du denn dort?
Alands - Kvarken
49 - 56
Traumziel Lappland
Kvarken - Törehamn
57 - 66
Es geht wieder auf Südkurs
Törehamn - Höga Kusten
67 - 76
Auf nach Stockholm
Höga Kusten - Stockholm
77 - 86
Wieder südlich des 60. Breitengrades
Stockholm - Hanöbucht
87 - 98
Fast schon zu Hause
Hanöbucht - Dänische Südsee
99 - 102
Letzte Meilen auf der Ostsee
Dänische Südsee - Kiel
103 – 106
Nordsee, wir kommen
Kiel - Helgoland
107 – 109
Endspurt
Helgoland - Wilhelmshaven
10
Kein Problem....
Vorbereitungen zur Abfahrt.
.Rrrriiiing...rrrrrriiiiiing.....rrriiing....
Das Telefon gibt unmissverständlich zu verstehen, dass irgend Jemand uns etwas mitteilen möchte.
Ich erbarme mich und gehe an den Apparat.
Sauer...?
Am anderen Ende der Leitung, ist der Geschäftsführer der Marina in Wilhelmshaven, in der wir seit
rund zwölf Jahren unsere „Molly“ liegen haben.
Nach der freundlichen Begrüßung beiderseits, erfolgt die Mitteilung:
„Von den anderen Winterlagerliegern, wurden wir gebeten den Krantermin vom 05.April auf den
19. zu verschieben. Wegen des bisher so schlechten Wetters, befürchten Sie, nicht rechtzeitig mit
Ihren Wartungsarbeiten fertig zu werden, die noch zu erledigen sind.“
Ich muss erst einmal kräftig schlucken.
In jedem anderen Jahr, wäre mir das ziemlich Wurst gewesen, aber dieses ist eben kein Jahr wie
jedes andere.
Schließlich habe ich für dieses Jahr unsere große Ostseeumrundung geplant, für die auch ein
gewisser Zeitfahrplan vorgesehen ist.
Geplant ist, Anfang Mai in Polen zu sein, Anfang Juni in Litauen, Anfang Juli im Bereich der
Alandsee und spätestens Anfang August die Nordküste der Ostsee wieder in Richtung Süden zu
verlassen, um Anfang September irgendwo südlich von Stockholm zu stehen. Spätestens Anfang
Oktober möchte ich wieder zurück in der Nordsee und in Wilhelmshaven sein.
Durch diese Terminverschiebung, kämen wir ja frühestens Ende April von Wilhelmshaven weg.
Somit müssten wir gleich zum Anfang der Reise, unserem Zeitplan hinterherlaufen.
Ich hatte eigentlich vor, dass ich mir auf den ersten Etappen der Fahrt, wo wir uns noch in einem
Gebiet befinden, das auch in einem normal langen Urlaub bereist werden kann, einen kleinen
Zeitvorsprung erfahre, für spätere, ungeplante Aufenthalte.
Nun käme diese ganze Planung schon zu Beginn der Reise ordentlich durcheinander.
Mein Gesprächspartner am anderen Leitungsende, merkt, dass ich mit dieser Nachricht nicht
glücklich bin und versichert mir, wenn ich denn wollte ,könne man mein Boot ja separat am 04.
April einkranen.
Da „Molly“ zu den kleineren Booten in unserer Marina gehört, steht sie auf dem Lagerplatz
allerdings ganz hinten und ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll.
Sie ist zwar, wie gesagt, mit ihren acht Metern Länge nicht übermäßig groß, aber mit der Sackkarre
lässt sie sich halt doch nicht hervorholen.
Ich äußere meine Bedenken, bekomme aber nur zur Antwort:“ Das ist kein Problem.“
Da ich in den Jahren, die ich nun regelmäßig nach Norddeutschland komme, erfahren habe, dass die
Leute dort etwas ruhiger und gelassener sind und der Spruch „ Kein Problem“ auch schon mal
etwas leichtfertig über die Lippen geht, bitte ich um genaue Abklärung und die zu erwartenden
Mehrkosten.
Zwei Stunden später, erfolgt der Rückruf, mit der kurzen Bestätigung: „ Kein Problem.“
Auch die Mehrkosten halten sich im Rahmen und somit kann der Count Down normal weiterlaufen.
Am 01. April reise ich mit dem vollgepackten Kombi alleine nach Wilhelmshaven, um die letzten
Vorbereitungen zum Kranen und für die Reise zu treffen.
Nachdem „Molly“ von innen und außen gründlich gereinigt wurde, ich ihr auch am Rumpf etwas
Make-up, sprich Wachs aufgelegt habe, steht am 07.April dem Einkranen nichts mehr im Wege.
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Als erstes muss „Molly“ aber einmal von ihrem Standplatz zur nebenanliegenden Werft gebracht
werden, wo sich der Kran befindet.
Normalerweise kranen wir immer mit einem großen Autokran, der die Boote der Reihe nach
wegholt und direkt ins Wasser setzt.
Nun steht also zuerst mal eine kurze Landreise an.
Das ist allerdings schwieriger wie gedacht.
Als erstes stellt der Betriebsleiter der Werft, der diesen Transport selbst durchführen möchte fest,
dass „Molly“ zu tief aufgebockt ist und der Trailer so nicht untergeschoben werden kann.
„Kein Problem.... heben wir mit dem großen Stapler etwas an und pallen sie neu auf.“
Dumm ist nur, dass mit der nötigen Verlängerung der Staplergabel, beim Anheben, der Stapler
hinten in die Höhe geht, während „Molly“ ungerührt auf Ihren Holzböcken sitzen bleibt.
„Kein Problem... da können wir noch etwas Kontergewicht draufpacken.“
Das Problem wird also gelöst und irgendwann sitzt „Molly“ mehr schlecht als recht doch auf dem
Hubtrailer.
Nun beginnt eine Rangiererei, wie ich sie noch nie gesehen habe.
Mehrmals sage ich: „ Kommt, wir lassen es bleiben und ich krane halt doch mit den anderen
zusammen“.
„Kein Problem.... das schaffen wir.“
Tatsächlich, nach unendlichem Rangieren, dem Versetzen von Abstützungen an anderen Booten,
Kippen von „Molly“ auf dem Hubtrailer in Schräglagen wie bei 6 Beaufort, sind wir endlich am Tor
zur Straße. Es ging bei der Aktion nicht um die berühmte Handbreit, sondern im wahrsten Sinne des
Wortes um Haaresbreite.
Nun also die rund 300 Meter Fahrt zum Werftkran.
„Molly“ sitzt nur gerade so zur Hälfte auf dem Trailer, da er nicht weiter darunter zu kriegen war.
Beim Überqueren des Bordsteines vom Gehweg auf die Straße und zurück, wippt sie bedenklich
mit dem Hintern.
Ich sehe uns schon als Hauptdarsteller in den Verkehrsnachrichten:
„Zwei Kilometer Stau am Südstrand, wegen verlorener Ladung. Dort liegt ein Boot auf der Straße.
Autofahrer werden gebeten aufzupassen.“
Aber, auch das wird gemeistert.
Kein Problem.....
Zur Mittagszeit, bei strahlendem Sonnenschein aber nur 3° Lufttemperatur, ist „Molly“ wieder in
Ihrem Element.
Es erfolgt eine Probefahrt, die aber erwartungsgemäß zur Zufriedenheit ausgeht.
Zurück am Steg in unserer Marina, kann ich nun mit dem Einräumen der ganzen Dinge beginnen,
die im Winter von Bord genommen wurden und die zur Reise benötigt werden.
Auch einen großen Teil meiner Reisevorräte habe ich schon von zuhause mitgebracht. Dies soll nun
alles irgendwie auf „Molly“ verstaut werden.
Angesichts der Massen auf dem Steg, gerate ich in leichte Panik und glaube nie und nimmer das
alles an Bord unterbringen zu können.
Der Norddeutsche würde bestimmt sagen: „ Kein Problem...“
Tatsächlich verschwindet alles im Bauch von „Molly“ und es ist immer noch Platz da, für die
Dinge, die bei der zweiten Fuhre kommen sollen.
Am nächsten Tag fahre ich mit dem Auto wieder zurück nach Süddeutschland, um den Rest zu
holen. Als wichtigstes natürlich meinen Reisebegleiter „Skip“, der zuhause sicher schon auf heißen
Kohlen sitzt.
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Auf dieser Fahrt wird uns Christina ,meine Frau, begleiten, die dann das Auto wieder zurück nach
Hause mit nimmt.
Am 11. April gehen wir gemeinsam an Bord.
Bis auf die drei Scheibenwischer an den Steuerhausscheiben, die vom Marinamonteur erneuert
werden sollten ,sind alle Restarbeiten durch die Marina erledigt.
Die Scheibenwischer sind bestellt und bis ich weg will sicher montiert.
„Kein Problem....“
Na ja, dann erledigen wir mal noch die letzten Sachen.
Auf einer weiteren Probefahrt durch den Hafen, kompensiere ich den Fluxgate Kommpass nach der
langen Winterliegezeit neu.
Dann geht es daran, letzte Vorräte und vor allem auch Getränke für die Reise einzukaufen. Ich
möchte alles haltbare von hier mitnehmen, damit ich unterwegs nur Frischwaren nachkaufen muss.
Die auf dem Einkaufszettel noch recht überschaubare Menge, entpuppt sich als wahrer Monsterberg
auf dem Steg, der nun auch noch in „Molly“ verschwinden soll.
Das sind zum Beispiel:
60 Liter Cola, 27 Liter Orangensaft, 20 Liter Milch, 18 Liter Mineralwasser, 50 Kilo Hundefutter
und und und ....
Andere brauchen für eine solche Aufgabe einen extra Ladungsoffizier, wir bekommen aber auch das
noch in den unergründlichen Tiefen von „Molly“ verstaut.
Allerdings ist vom Wasserpass nicht mehr viel zu sehen. Ich befürchte schon, dass es gleich blubb ,
blubb macht und „Molly“ von der Wasseroberfläche verschwunden ist.
Schließlich ist sie ein Sportboot und kein Massengutfrachter.
Dank hervorragender Planung , wird sich der Tiefgang von nun an aber permanent verringern und
wenn wir in den Bereich der nördlichen Ostsee kommen, wo der Salzgehalt und somit die
Tragfähigkeit des Wassers abnimmt werden wir wohl wieder unsere normale Tauchtiefe haben.
Das Wetter ist im Moment alles andere als günstig. Der Wind bläst die ganze Zeit mit rund sechs
Beaufort. Für Mittwoch den 16. April stellen die Wetterfrösche ein kleines Wetterfenster in
Aussicht. Es soll zwar auch mit 5 bis 6 Beaufort wehen ,aber zum Abend hin abnehmen.
Laut Tidenkalender kann ich sowieso erst am Mittag von Wilhelmshaven weg, wenn ich die
ablaufende Tide auf der Jade und später die auflaufende Flut in der Elbmündung nutzen will.
Ich lege also den Abfahrtstermin auf Mittwoch den 16. April 2008, 12:00 Uhr fest.
Am Dienstag werden auch die noch fehlenden Scheibenwischer montiert und somit sind wir
startklar.
Christina verlässt uns am Mittwoch morgen, denn es ist ihr lieber so zu fahren, als uns mit dem
Boot verschwinden zu sehen.
In diesem Moment rieben sich sicher einige Bosse in den Telefongesellschaften die Hände, sollte ihr
Umsatz ab jetzt doch einen gewaltigen Sprung nach oben machen.
Soviel sei über die Reise schon verraten: Die Telefonkosten waren nach Diesel und Hafengeldern
der drittgrößte Ausgabeposten der Reise.
Ich bestellte bei der Seeschleuse auf 12:00 Uhr eine Ausschleusung, was auch problemlos klappte.
Viel zu früh, legte ich von unserem Liegeplatz ab und tuckerte langsam zur großen Seeschleuse.
Dort musste ich dann noch kurz warten, aber Punkt 12:00 Uhr öffnete die Schleuse und entließ
einige Marinefahrzeuge in den Hafen.
13
Die Reise beginnt.
Wilhelmshaven - Laboe
Um 12:00 Uhr waren wir durch die Seeschleuse in Wilhelmshaven durchgeschleust und befanden
uns auf der Jade. Mit dem ablaufenden Strom begann unsere Reise zügig.
In der Mittelrinne setzte leichter Regen ein und auch die See war mit einer Wellenhöhe bis zu zwei
Metern recht ruppig.
Vor dem Kreuzen der neuen Weser, nahm ich Funkkontakt mit „ Bremerhaven Weser – Traffic“ auf,
der mich sowieso schon auf seinem Radarbild entdeckt hatte.
Er gab mir eine Laufnummer, wodurch er nun mein Radarsignal eindeutig mir zuordnen konnte.
Dann wünschte er mir noch eine gute Reise und wandte sich neuen Aufgaben zu.
Schon hinter der alten Weser hörte der Regen wieder auf und die Sonne kam zum Vorschein.
Trotzdem blieb es recht kühl.
Mit Hilfe der langsam wieder auflaufenden Flut waren wir schon um 20:00 Uhr in Cuxhaven am
Steg des Seglervereines fest.
Kein einziges Boot im Hafen ,außer „Molly“, hatte seine Besatzung an Bord.
Leider war auch noch kein Strom auf den Stegen freigeschaltet.
Als erstes einen Rundgang mit Skip, der die Fahrt vorbildlich gemeistert hatte.
Zurück an Bord noch ein Pfeifchen geraucht und dann zu Bett.
Gegessen hatte ich schon während der Fahrt und zwar noch einen von Christina zubereiteten
Nudelsalat. Solch feine Hausmannskost werde ich in der nächsten Zeit wohl entbehren müssen.
Die Heizung lasse ich auf niederer Stufe laufen, da Temperaturen um den Gefrierpunkt gemeldet
sind.
Durch das frühe zu Bett gehen bin ich am nächsten Morgen schon um 07:00 Uhr fit und gehe gleich
mit Skip an Land um einen Spaziergang zu machen.
Danach wird gefrühstückt.
Später treffe ich auch den Hafenmeister, der sich freut, „Molly“, von der er ein Bild in seinem Büro
hat, wieder zu sehen.
Nachdem ich ihm gesagt habe wohin die Reise gehen soll, erlässt er mir das Liegegeld und wünscht
uns viel Glück.
Bei bewölktem Himmel verließ ich am Vormittag Cuxhaven, Richtung Brunsbüttel.
Unterwegs machte ich noch einen Radio Check mit Delta Papa 07, um meine Handfunke zu testen.
Alles OK.
Eine halbe Stunde vor Ankunft an der NOK- Schleuse rief ich diese über UKW Kanal 13 an und
hatte das Glück, dass sie mit der Schleusung auf mich warteten,
So konnte ich direkt in die offene Schleusenkammer fahren und war um 12:00 Uhr schon auf dem
Kanal.
In der Schleuse lag vor mir eine große Segelyacht aus Helsinki. Wenn das kein gutes Omen ist.
Auf dem Kanal herrschte sehr viel Verkehr und es fielen auch immer wieder Regenschauer aus dem
wolkenverhangenen Himmel.
Gegen Abend erreichte ich Rendsburg und fuhr in die Obereider.
Beim Klarlegen der Fender und Festmacher, rauschte ich beinahe in den Werftdalben.
Man sollte solche Arbeiten eben doch nur bei gestopptem Boot erledigen, wenn man alleine an
Bord ist.
Ich entschied mich für den Steg des „Büdelsdorfer Yachtklubs“, da ich keine Lust auf Anlegen
zwischen Pfählen hatte.
14
Dort bezahlte ich 9,00 Euro Liegegeld, inklusive Strom.
Nach einem Rundgang und dem Nachtessen ging ich schon bald in die Koje, wo ich noch ein wenig
las.
Der nächste Morgen empfing uns ,entgegen der Wettervoraussage, mit schönstem Sonnenschein.
Beim Landgang entdeckte ich, dass der Club Handkarren bereitstellt und dass in nur fünfhundert
Metern Entfernung eine Tankstelle ist.
Daraufhin füllte ich 60 Liter Diesel aus den Reservekanistern in den Haupttank und füllte diese an
der Tankstelle sofort wieder auf.
Leider war der Literpreis seit gestern Abend als ich dort vorbeiging, von 1.33,9 auf 1.36,9 Euro
gestiegen.
Inzwischen wurde das Wetter immer schöner und ich legte bei strahlendem Sonnenschein, aber
trotzdem nur 8° Lufttemperatur, kurz vor Mittag ab.
Um 14:00 Uhr erreichten wir die Schleuse Kiel- Holtenau und ich konnte zusammen mit dem
Kümo „Raba“ aus Stettin, sofort in die Schleuse einlaufen.
Dort bezahlte ich auch meine Passagegebühr, die Angesichts der geringen Größe von „Molly“ mit
12,00 Euro recht moderat ist.
Eine halbe Stunde später waren wir schon auf der Kieler Förde.
Bei Wind 4 bis 5, war es nur ein kurzer Sprung zur Baltic Bay Marina, wo wir dann festmachten.
Beim Hafenmeister gleich mal für zwei Tage bezahlt und schon konnte der obligatorische
Spaziergang mit Skip erfolgen.
Trotz des kühlen Wetters, ist schon ein ganz schöner Betrieb im Ort.
Später dann eine schöne, lange, heiße Dusche genossen, unter der man bei den zur Zeit
herrschenden Temperaturen gar nicht mehr hervorkommen will.
Abends gab es noch einen heißen Tee an Bord, der auch hervorragend in die Jahreszeit passte.
Der folgende Morgen zeigte sich zuerst leicht bewölkt, später entschied sich die Sonne aber doch
noch zu ihrem Erscheinen. Gegen den eisigen Ostwind, hatte sie aber keine Chance die Temperatur
auf mehr als 7° zu treiben.
Tagsüber Spaziergänge und Bordroutine. Auf der Förde ist ein Schiffsverkehr wie auf der Autobahn.
Am Abend läuft auch die neue „Aida Bella“ aus, die in Kiel zu Gast war.
Schon ein imposanter Anblick.
Vor dem Zubettgehen, traf ich noch einige Vorbereitungen für die morgige Fahrt nach Fehmarn.
Der Himmel empfing uns wolkenverhangen und der Wind wehte mit vier bis fünf Beaufort.
Nachdem die Schlüsselkarte beim Hafenmeister abgegeben war und die 10,00 Euro Pfand die
Geldbörse wieder etwas aufgefüllt hatten, ging es los.
15
Deutsche Ostseeküste im kalten Frühling
Laboe – Stettiner- Haff
Da am Wochenende kein Schiessbetrieb in der Hohwachter- Bucht war, konnte ich unseren Kurs,
direkt nach Fehmarn wählen. Anfangs war die See noch etwas kabbelig, aber je näher wir Fehmarn
kamen, desto besser wurde es. Allerdings war dort durch den Ostwind ziemlich Gegenstrom, so das
wir mit Marschdrehzahl kaum mehr als fünf Knoten schafften.
Ich glaube, ich muss meine Planung von sechs Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit und 0,5 Litern
Diesel pro zurückgelegter Meile, etwas korrigieren. Die Beladung von „Molly“ wirkt sich doch
negativer aus, als erwartet.
Am frühen Nachmittag passierten wir die Fehmarnsundbrücke. Vorher musste ich noch einen
Segler mit dem Signalhorn verscheuchen, der anscheinend glaubte ,dass auch Motorboote, die dem
betonnten Fahrwasser folgen, kreuzenden Seglern auszuweichen hätten.
Eigentlich hatte ich in den Hafen der Beelitz-Werft gewollt, da es aber gerade so schön lief,
entschied ich mich weiter zufahren , bis nach Kühlungsborn.
Bei Ost/Nordost Wind der Stärke fünf, hatte ich allerdings nicht mit solchem Seegang gerechnet.
Beim Queren der Mecklenburger Bucht, hatten wir die Wellen genau seitlich.
Gut einen bis eineinhalb Meter hoch waren die durchschnittlich ,mit ihren typischen Ausreißern
nach oben.
Auch mit den Scheibenwischern focht ich wieder meinen alten Kampf.
Jedes mal wenn ich sie abschaltete, weil schon länger kein Wasser mehr übergekommen war,
konnte ich sicher sein, dass sofort die nächste Dusche erfolgte.
Als Überraschungsgast tauchte an Steuerbord die „Aida Bella“ auf, die in Travemünde gewesen
war.
Wir konnten ohne weiteres noch vor ihr vorbeilaufen .
So klappte das auch mit den anderen drei Fähren, die unseren Kurs kreuzten. Nur mit einer Ro-Ro
Fähre der Finn-Lines wurde es etwas knapp.
Kurz bevor sich das letzte Tageslicht endgültig verabschiedete, liefen wir im Yachthafen
Kühlungsborn ein. Er war so gut wie leer, so dass wir uns einen der Fingerstege aussuchen konnten.
So lieb ich das.
Minuten später war der Motor abgestellt. Mit gut elf Stunden war es ein recht langer Tagestripp
geworden. Schön, angekommen zu sein.
Hier begann für uns das Neuland. Wir waren zwar schon weiter östlich gewesen, aber dann nur auf
der dänischen Seite. In Deutschland war bisher Fehmarn unser am weitesten östlich liegender
Hafen.
Ein kleiner Rundgang mit Skip und dann erst mal Abendbrot.
In der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit machen wir dann noch einmal einen ausgiebigen
Spaziergang um die Anspannungen der Fahrt abzustreifen.
Strahlendes Frühlingswetter weckt uns am folgenden Morgen. Es ist zwar saukalt, aber der Frühling
scheint nun doch auch an der Ostsee anzukommen.
Kühlungsborn verbreitet richtige Goldgräberstimmung.
Alles ist neu am Entstehen und wie es aussieht, nur vom Feinsten.
Es ist schon sehr viel Betrieb auf den Promenaden, allerding bewegt sich das Durchschnittsalter
jenseits der sechzig.
Der eisige Ostwind treibt uns zurück auf „Molly“, wo ich als Ersatz für den Landgang Hafenkino
vom Feinsten geboten bekomme.
16
Neben mir liegen drei Charteryachten, deren Besatzungen gestern Abend noch lange gefeiert haben.
Nun entschließen sie sich abzulegen. Bei den ersten zwei Booten klappt es, auf Grund vieler
helfender Hände, ganz gut. Als dann aber die letzte vier Mann Crew ablegen will, geht so ziemlich
alles schief.
Zum Auftakt brauchen sie gut fünfzehn Minuten um den Stecker des Landanschlusses aus dem
Bajonettanschluss zu lösen.
Die Achterleine ist durch einen Ring auf dem Steg geführt und als der Leinenmann sie loswirft,
versucht er das Ende mit dem Palstek durchzuziehen. Dafür ist der Durchmesser des Ringes aber zu
klein und schon gleitet ihm das Ende der Leine aus der Hand und liegt im Bach. Zum Glück steht
der Wind auf den Steg zu, so dass er schnell darauf springen kann, um die Leine zu bergen. Nun
gibt der Steuermann Fahrt voraus, aber auch der Vorschiffsmann stellt sich nicht viel geschickter an.
Auch diese Leine landet im Bach und nur mit viel Glück können sie verhindern ,dass sie in den
Propeller gerät.
Nun aber voll voraus und dabei erweist sich der auf den Steg stehende Wind als Nachteil.
Die Fender werden heraus gequetscht und als die „Bavaria 37“ endlich aus der Box ist, ziert ein
rund fünf Meter langer Kratzer die Backbord Bordwand.
Nach diesem Schauspiel ging ich daran meine nächste Etappe zu planen.
Dabei musste ich feststellen, dass die schon oft gehörte, aber nie so richtig zur Kenntnis
genommene Sperrung des Hafens Darßer Ort, nun auch für mich relevant wurde.
Selbst wenn ich einen Zwischenstopp im nahen Warnemünde einschieben würde, sind es von dort
noch gut fünfzig Seemeilen zum nächsten Hafen.
Eigentlich wollte ich es bei Tagesetappen von 30 bis 35 Meilen belassen.
Na ja, Plan und Realität.
Am Nachmittag wollte ich dann auch einmal die Infrastruktur des modernen Hafens nutzen, sprich
duschen.
Dazu musste man die erworbene Schlüsselkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz stecken, damit
auch ordentlich vom voreingezahlten Guthaben, abgebucht werden konnte.
Freundlicherweise wies ein Schild darauf hin, dass alleine das Abdrehen des Wassers nicht
ausreiche, um den Abbuchungsprozess zu unterbrechen. Dazu musste die Karte entnommen werden.
Allerdings war der Automat außerhalb der Duschkabine und so musste ich ständig rein und raus,
wenn ich kein Wasser benötigte.
Ich sah nämlich nicht ein, warum ich für die Zeit des Einseifens bezahlen sollte.
Was tut man nicht alles um 20 Cent zu sparen.
Abends hörte ich auf NDR 1 eine Sendung auf Plattdeutsch, von der ich fast nichts verstand.
Ich sah es aber als Training an, für die Zeit, wenn ich nur noch ausländische Sender bekomme.
Dienstag morgen blies es immer noch mit 5 bis 6 Beaufort aus Ost/Nordost und so tigerte ich zum
Hafenmeister und bezahlte für einen weiteren Tag.
Danach war der erste Waschtag an Bord.
Ich rede hier von der Wäsche, nicht allgemein.
Nachdem die Reling bunt mit der gewaschenen Wäsche verziert war, die in dem immer kräftiger
wehenden Wind versuchte ihre Freiheit zu erlangen, ging es wieder auf Landgang.
Mit einem kräftigen Pfiff, meldete sich unser fast Namensvetter „Molli“ ,die Bäderbahn und nebelte
uns erst mal kräftig ein.
Mit dem Geruch von Dampf, Rauch und Ruß kehrten Erinnerungen an meine Schulzeit zurück, als
ich oft auf der Bahnbrücke stand und den damals noch häufig von Dampfloks gezogenen Zügen
nachsah.
17
Zwischen den Bäumen am Strand tauchte auf einmal ein Relikt aus alten DDR Tagen auf.
Ein Wachturm.
Von ihm aus wurde der Ostseestrand vor Kühlungsborn überwacht und kontrolliert ob auch keiner
der freien Arbeiter und Bauern in den „goldenen Westen“ ausbüxen wollte.
Gerade hier an der Küste war ein beliebter Fluchtpunkt.
Die Internationale Schifffahrtsstraße führte nur sechs Kilometer vor dem Strand vorbei und auch bis
zum Bundesdeutschen Hoheitsgebiet, waren es nur 38 Kilometer.
Irgendwie waren die Vorstellungen, die sich beim Anblick des Turmes einstellten doch sehr
beklemmend und ich nahm mir vor ,zu Hause mal wieder das Buch „Flucht über die Ostsee“ zu
lesen.
Gegen Nachmittag legte der Wind noch mal zu und blies nun mit gut 6 in Böen 8 Beaufort.
Das sollte aber ein letztes Aufbäumen sein, denn als ich am nächsten Morgen aufstand, hatte er auf
rund 4 Windstärken abgenommen.
So ging es am Mittag weiter nach Warnemünde.
Nach zweieinhalb Stunden machen wir dort zum erstenmal zwischen Pfählen, mit dem Bug zum
Steg, fest.
Zweihundert Meter von uns entfernt liegt die „Aida Bella“ und wartet auf ihre abendliche Taufe
durch das Super Model Eva Padberg.
Da sind wir ja genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Auch ein paar Großsegler liegen in unmittelbarer Nähe zu uns, an der Mole zwischen neuem und
altem Strom.
Nach dem Landgang durch das hübsche Warnemünde, dass allerdings wegen der anstehenden Taufe
völlig überlaufen war, gingen wir auf unseren Logenplatz „Molly“ zurück und harrten der Dinge,
die da kommen sollten.
Um 21:30 Uhr begann die Lichtshow und die Taufe wurde vollzogen.
Den Abschluss bildete ein gewaltiges Feuerwerk, das die „Aida Bella“, wie sie nun auch offiziell
hieß, bei ihrem nächtlichen Auslaufen begleitete.
Auch die neue Marinekorvette „Brandenburg“ und ein polnischer Großsegler , liefen mit aus.
Skip konnte dem Feuerwerk weniger abgewinnen und war froh als wieder Ruhe einkehrte.
Schon um sieben Uhr wurden wir am darauffolgenden Morgen von der Sonne geweckt und ich
beschloss das schöne Wetter für den doch recht weiten Weg zum Strelasund zu nutzen.
Während des Ablegens, winkte an Land ein Mann heftig.
Es war der Hafenmeister den ich mehrmals vergeblich aufgesucht hatte , wobei ich immer vor
verschlossener Türe stand.
Nun wollte er doch noch Bares für die in Warnemünde verbrachte Nacht haben.
Soll er halt.
Kurz noch einmal an die Mole, 8,50 Euro wechseln den Besitzer und es kann losgehen.
Die Ostsee verwöhnt uns mit einer kaum bewegten Wasseroberfläche und bei dem schönen
Frühlingswetter muss ich nichts tun, außer die Fahrt zu genießen.
Nach gut vier Stunden liegt Darßer Ort querab und weitere drei Stunden später kommen wir in den
Gellen-Strom, der uns in den Strelasund führt.
Zwischen dem südlichen Ende von Hiddensee und der Insel Bock, wurde es auch innerhalb des
Tonnenstrichs sehr flach und das Echolot zeigte nur noch siebzig Zentimeter Wasser unter dem Kiel
an.
Nach wenigen hundert Metern wurde es aber wieder besser und zwei Stunden später machte ich in
der City Marina in Stralsund fest.
Vor uns lag die imposante Kulisse der Stadt.
Da der Hafenmeister schon Feierabend gemacht hatte , Strom aber nur über eine Schlüsselkarte mit
Guthaben zu beziehen war, freute ich mich über die Hilfe eines Berliner
18
Skippers, von dessen Karte ich gegen Bezahlung etwas Strom abbuchen konnte. Die sieben
Kilowatt, die ich für 3.50 Euro gebucht hatte, waren allerdings am nächsten Morgen schon
verbraucht. Der Heizlüfter, den ich zur Zeit nachts noch auf niederer Stufe betreibe, fordert eben
doch seinen Tribut.
Genau gegenüber von unserem Liegeplatz liegt übrigens eine alte Bekannte.
Nein, nicht die „Aida Bella“, sondern die alte „Gorch Fock“, die einige Jahre noch als „Tovaritsch“
in Wilhelmshaven lag.
Stralsund ist wirklich sehenswert, allerdings lassen sie sich hier auch alles gut bezahlen.
Nicht nur,dass für Strom, Trinkwasser und Dusche kräftig von der erworbenen Karte abgebucht
wird, selbst für das warme Wasser an den Handwaschbecken werden pro Minute 0,30 Euro
abgebucht. Das habe ich noch nirgends gesehen.
Der nächste Morgen empfängt uns mit Nebel und einer Sicht von maximal 250 Metern.
Mit Radarhilfe im Overlaymodus über das Plotterbild ging es trotzdem nach dem Frühstück los und
auch die Ziegelgrabenbrücke, vor der sich in der Hauptsaison unzählige Segler tummeln um auf die
Öffnungen zu warten, konnte uns nicht aufhalten.
Bei einer Durchfahrtshöhe von sechs Metern, war für „Molly“ ausreichend Platz um ohne eine
Öffnung der Brücke passieren zu können.
Als wir den Greifswalder Bodden erreichten, hatte sich der Nebel schon fast verzogen und bei der
Ansteuerung des Peene-Stroms hatten wir schon wieder schönsten Sonnenschein.
Im Mündungsgebiet der Peene sah ich auch zum ersten mal zwei Kraniche.
Angeln scheint in Vorpommern ein Massensport zu sein.
In jeder Bucht lagen unzählige Boote vor Anker, von denen aus fleißig auf Fischfang gegangen
wurde.
An der Schlossinsel in Wolgast machte ich am Steg der Werft Marina fest.
Das Schloss, nachdem die Insel benannt ist, existiert allerdings schon lange nicht mehr.
Aber auch so ist Wolgast ein sehenswertes Städtchen.
Auch die neue Peene Brücke ist ein beeindruckendes Bauwerk, dass ich von unserem Liegeplatz au
genau im Blickfeld hatte.
Mit unseren fünf Metern Masthöhe konnten wir am nächsten Morgen auch ohne weiteres darunter
durchfahren und mussten nicht auf die Öffnung warten.
Auch in Zecherin reichte die Durchfahrtshöhe unter der Brücke gerade so für uns aus und auch die
letzte Brücke auf dem Weg zum kleinen Haff, die zerstörte Eisenbahnbrücke von Karnin, bildete
kein Hindernis für uns. An der muss man nämlich sowieso seitlich vorbeifahren und darf nicht unter
dem noch stehenden Hubteil hindurch.
In den Nachrichten hörte ich noch, dass im Greifswalder-Bodden eine Suchaktion nach zwei
vermissten Anglern gestartet wurde, die sich im Nebel verirrt hatten.
Sie konnten glücklicherweise gerettet werden.
Unser Tagesziel sollte Kamminke sein, das direkt an der polnischen Grenze auf Usedom liegt.
Dort kommt man sich wirklich vor, wie am Ende der Welt. Eine Telefonzelle und ein Briefkasten
sind die Highlights der Infrastruktur. Asphaltierte Straßen sucht man dort ebenfalls vergebens. Alles
ist in grobem Natursteinpflaster verlegt, was aber gut zu den vielen, schönen Reetdachhäusern
passt.
Meine Idee, dort noch einmal die Vorräte zu ergänzen und eventuell Geld zu wechseln, war wohl
etwas zu optimistisch.
Wir sind das einzige Boot im Hafen und werden den morgen früh in Richtung Swinemünde
verlassen.
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Unbekanntes Polen
Stettiner- Haff - Danzig
Um 07:30 Uhr war es soweit.
An der Haff-Tonne überquerten wir die polnische Grenze.
Die Gastflagge hatte ich schon vor der Abfahrt gesetzt, da die See ziemlich ruppig war und ich
dabei nicht an Deck herumturnen wollte.
Die Abfahrt hatte früher als geplant stattgefunden, denn in der Nacht legte der Wind immer mehr
zu, so dass unser Liegeplatz zunehmend ungemütlicher wurde. Sobald es hell genug war, verließen
wir Kamminke. Gleichzeitig fiel der Entschluss, nicht nach Swinemünde zu fahren, sondern gleich
nach Dievenow.
Laut Revierführer sollte die Dzwina recht flach sein und auch zwei niedere Brücken mussten dort
passiert werden. Lassen wir uns überraschen.
Ab der Einmündung der Dzwina in das große Haff wurde es wirklich sehr flach und die
Echolotanzeige zeigte oft deutlich weniger als einen Meter Wasser unter dem Kiel an.
Auch die Betonnung änderte sich. Zum einen wurden die Tonnen immer kleiner, lagen spärlicher,
oder fehlten einfach obwohl sie laut Seekarte dort sein sollten.
Die Fahrrinne musste vorsichtig mit dem Echolot ertastet werden. Dafür entschädigte aber die
großartige Landschaft rechts und links der Dzwina. Die erste der beiden Brücken kam in Wolin. Mit
gelegtem Mast schlichen wir uns an sie heran und siehe da, die in der Seekarte angegebenen 3,20
Meter entsprachen der Wirklichkeit und mit fünf Zentimetern Platz über dem auf dem Steuerhaus
verzurrten Beiboot ging es darunter hindurch.
Kurz nach Mittag erreichen wir Dievenow und erfahren vom freundlichen Hafenkapitän, der sogar
recht gut deutsch spricht, dass die Brücke in knapp ein einhalb Stunden öffnet.
An einem bedenklich wackelnden Steg, der zu einem Ruderklub gehört, legen wir an und warten
auf die Öffnung, die auch pünktlich erfolgt.
Kurz hinter der Brücke ging es an Steuerbord in den Fischereihafen, wo wir an der leeren Nordmole
festmachten. Die anfangs etwas unfreundlich wirkenden Autoreifen an der Kaimauer, erwiesen sich
als ganz angenehm beim Anlegen.
Auch Strom erhielten wir durch ein langes Kabel, das der Hafenmeister persönlich über einen
abgedeckten Kanal, der die Straße querte, verlegte.
Über die metallene Kabelkanalabdeckung kündigte sich jedes Auto, das an uns vorbeifuhr, laut
klappernd an.
Wir sind natürlich wieder das einzige Sportboot im Hafen und erregen dadurch die Aufmerksamkeit
der Passanten. Mehrere nette Gespräche und auch Gesprächsversuche sind das Ergebnis.
Abends wollte ich mal wieder schön ausgiebig duschen, aber es bestand in dem relativ neuen
Sanitärgebäude nur die Auswahl zwischen kaltem und sehr kaltem Wasser.
Darum entschied ich mich doch zur Waschlappendusche an Bord.
Im Radio vernehme ich am nächsten Morgen, dass es in Deutschland fast überall regnet.
Soll es doch.
Hier ist T-Shirt Wetter und erst einmal ein Spaziergang am Strand angesagt, der nur zweihundert
Meter entfernt ist.
Danach geht es in den Ort, der doch noch einen sehr sozialistischen Eindruck macht.
Selbst in der örtlichen Bank spricht niemand deutsch oder englisch.
Also weiche ich auf den Geldautomaten aus, der freundlicherweise wahlweise deutsch anbietet. Nur
vom Wechselkurs habe ich keine Ahnung und weiß deshalb nicht so genau, wie viele Zloty ich
eintauschen soll. Nun das werde ich auch noch in Erfahrung bringen.
20
Ich habe mir angewöhnt früh aufzustehen, da ich seit ein paar Tagen ja auf den Wetterbericht der
Deutschen Welle angewiesen bin. Der wird schon um 06:40 Uhr gesendet und so geht es nach dem
Bezahlen des Hafengeldes und dem Abmelden beim Hafenkapitano zeitig los Richtung Kolobrzeg,
dem alten Kolberg.
Um 11:00 Uhr passieren wir mit 15°11`E den bisher östlichsten Punkt, den „Molly“ mit Christiansö
je erreicht hat in Richtung Ost. Zwei Stunden später nehme ich mit „ Kapitanat Portu Kolobrzeg“
Funkverbindung auf und erhalte die Erlaubnis, in das Hafengebiet einzulaufen.
Am rechten Ufer der Parseta befindet sich der Yachthafen und welche Überraschung, kein anderes
Sportboot.
Kolobrzeg ist eine typische, größere, sozialistische Stadt, in der hübsche Ecken neben Tristes pur
liegen. Ampeln scheint es nirgends zu geben und bei dem recht starken Autoverkehr, war ich immer
wieder froh, die andere Straßenseite unbeschadet erreicht zu haben. Die Polen pflegen, gelinde
gesagt, einen etwas zügigen Fahrstil, bei dem der stärkere auch automatisch derjenige ist , der mehr
Rechte hat. Auch ein mir bisher unbekanntes Verkehrsschild lernte ich kennen, das Fuhrwerken, die
noch ziemlich häufig dort zum Straßenbild gehören, die Einfahrt in bestimmte Straßen oder
Stadtteile verwehrte.
Ich hatte übrigens noch nicht richtig festgemacht, als ein Fahrzeug der „Border- Police“ bei uns
anhielt und einer der Beamten, der etwas deutsch sprach, sich darüber empörte, dass ich beim
Passieren des Grenzschutzgebäudes auf das Winken der Wachhabenden , nur mit freundlichem
Zurückwinken reagiert hätte, anstatt dort anzulegen.
Nach meinem Hinweis auf Europa und den Schengenvertrag, der seit Anfang diesen Jahres ja auch
von Polen ratifiziert war, sowie der Angabe, dass ich vom Hafenkapitanat die Einfahrtserlaubnis
hatte, wurde er deutlich freundlicher.
Es blieb bei einer Ausweiskontrolle und auf meine Frage, ob man sich denn trotz Schengen melden
müsse, wusste er auch keine Antwort.
Ich habe den Eindruck, dass für viele der Wandel hin zur Europäischen Union, doch etwas zu
schnell geht.
Zu den Arbeiten an Bord gehörte mal wieder der Waschtag und außerdem füllte ich aus den
Reservekanistern sechzig Liter Diesel in den Haupttank um.
Am Abend zuvor war ich mit einem deutschen Segler ins Gespräch gekommen, dessen Boot an
Land noch auf das Einkranen wartete. Es stellte sich heraus, dass mein Gesprächspartner Jörn
Heinrich war, der schon einige Revierführer über die Ostsee veröffentlicht hatte. Allerdings hatte
auch er keine Angaben zu den Gebieten nördlich der Alands. Dieses Revier sollte sein nächstes
Projekt werden.
Wie besprochen kam er mit seinem Auto vorbei und fuhr mich zu der nächsten Tankstelle, wo ich
meine Kanister gleich wieder füllen konnte. Ein klein wenig günstiger als die Spritpreise in
Deutschland war es dort auch.
Den Trinkwassertank achtern wollte ich auch auffüllen, da „Molly“ ein klein wenig kopflastig
wurde. Nachdem ich alles vorbereitet hatte, stellte ich fest, dass mir genau zwei Meter Schlauch
fehlten.
Was tun?
Verholen?
Nein! Der hinzukommende Hafenmeister sagte, dass ich von ihm selbstverständlich einen
Schlauchwagen haben könne, den er zur Sicherheit nur in seinem Büro aufbewahre.
Hätte ich mir das Kramen in der Achterpik nach meinem eigenen Schlauch auch ersparen können.
Na ja, Hauptsache die Tanks sind wieder voll.
21
Das Wetter konnte sich nicht so recht entscheiden zwischen bedecktem Himmel, Sonnenschein oder
doch mal wieder einem Regenschauer.
Eigentlich sollte heute am 1. Mai ja das wechselhafte Aprilwetter vorüber sein.
Die Polen nutzten das verlängerte Wochenende und waren in Scharen auf den Straßen.
Immer wieder musste „Molly“ als Fotohintergrund herhalten, obwohl doch ihr Erscheinen durch die
an der Reling flatternde Wäsche ,etwas verunziert war. Vielleicht machte sie das aber auch
besonders fotogen.
Als sich gegen Mittag die Sonne immer weiter durchsetzte, zog der Hafenmeister uns zu Ehren, die
Deutsche Flagge vor seinem Büro hoch.
Die Sonne wusste das aber nicht richtig zu schätzen und am Nachmittag setzten wieder kurze
Regenschauer ein.
Damit meine inzwischen fast trockene Wäsche nicht wieder nass wurde, spannte ich also im
Steuerhaus Leinen und verwandelte es in eine Trockenkammer.
22
Im frühen Sonnenlicht glitzert die Ostsee wie ein Meer aus Diamanten. Ich habe wirklich Glück mit
dem Wetter bis jetzt, denn seit dem Überqueren der zwei Weserarme, hat es nur gestern zwei bis
dreimal kurz getröpfelt. Regen konnte man das gar nicht nennen.
Auch jetzt ist das Wetter perfekt.
Der Wind hat auf West gedreht und endlich hilft uns die Ostströmung ein wenig auf unserer Fahrt.
Mit ihrer Unterstützung rollen wir unserem heutigen Ziel Darlowo, dem ehemaligen Rügenwalde
entgegen.
Wir halten einen Durchschnitt von 6 – 7 Knoten und Robert hat keine Probleme „Molly“ auf Kurs
zu halten.
Wir haben übrigens kein neues Mannschaftsmitglied aufgepickt, sondern Robert leitet sich von
„Robertson AP 11“ ab, unserem Autopiloten.
Ich habe inzwischen vielen Teilen Namen gegeben, um wenigstens sprachlich nicht alleine auf Tour
zu sein.
Karl ist zum Beispiel die kleine Plüschkrabbe, der die wichtige Aufgabe obliegt, im rollenden
Seegang das Klappern des Bootshakens zu verhindern.
Jan ist natürlich der zuverlässigen Yanmardiesel, der mit 1850 Upm vor sich hingrummelt und
ansonsten ein zurückgezogenes Leben im Schiffskeller führt.
Und bei Robert handelt es sich eben, wie gesagt um unseren Autopiloten.
Irgendwie beginnt die Reise mich zu verändern.
Ich denke immer öfter darüber nach diesen Reisebericht als Buch zu veröffentlichen und auch sonst
schweifen die Gedanken hier draußen in Richtungen, die sie sonst nicht einschlagen.
Alles verliert seine Wichtigkeit und man achtet nur noch auf das Verhalten des Bootes und auf die
Geräusche die mit der Fahrt verbunden sind. Zeit spielt fast keine Rolle mehr und auch andere
Dinge, die einem an Land höchst wichtig vorkommen, werden auf ihr richtiges Maß gestutzt.
Wir fahren relativ weit vor der Küste, damit Robert einen geraden Kurs anlegen kann.
Rundum ist nichts zu sehen und man könnte meinen, „Molly“ wäre das einzige Boot auf der See.
Da kann ich ja mal in Ruhe das Frühstück wieder in den großen Kreislauf der Natur zurückgeben.
Bei dieser Rollerei, ist es endlich mal von Vorteil, dass die Sanitärzelle recht eng ist. So kann man
wenigstens nicht von der Schüssel fallen. Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl und gehe vor
der vollständigen Herstellung der Kleiderordnung ins Steuerhaus um einen Blick voraus zu werfen.
Und was sehe ich?
Fünfzig Meter direkt vor dem Bug einen Fischstecken.
Robert hält genau darauf zu. Also den Autopilot kurz ausschalten und einen Haken schlagen,
danach ist wieder alles ok.
Wahrscheinlich würde durch den durchgehenden Kiel und die Ruderhacke zwar nichts passieren,
aber das muss ja nicht unbedingt getestet werden.
Wir hatten dort übrigens über 19 Meter Wassertiefe und soweit draußen hatte ich nicht mit
Fischgerät gerechnet. Es kamen aber noch eine ganze Menge davon bis wir in den Vorhafen von
Darlowo einliefen.
Ich hatte mich natürlich über Funk angemeldet, woraufhin die über den Hafenkanal führende
Rollbrücke sogar auf uns wartete, damit wir nicht bis zur nächsten Öffnung vor der Brücke
abwarten mussten.
An der Ostkai hatten wir an der vollkommen leeren Kaje freie Platzwahl und ich legte nahe des
Sanitärcontainers an. Der war echt topp und sogar eine Waschmaschine stand zur Verfügung.Wenn
allerdings in der Hochsaison mehr Andrang herrscht, sind die zwei Duschen bestimmt überfordert.
Die Promenade wurde mit EU-Geldern ganz neu gestaltet, allerdings ist der Liegeplatz starkem
Schwell ausgesetzt, der durch den engen Hafenkanal herein läuft
23
Zusätzlich fahren morgens jede Menge Fischerboote vorbei, die mit Anglern besetzt sind und gegen
Abend wieder zurückkommen. Das macht den Platz doch sehr unruhig.
Als ausländisches Boot fällt man hier doch noch sehr auf und ich komme mit mehreren Polen ins
Gespräch, wenn man das deutsch / englische Kauderwelsch so nennen kann. Sehr häufig werde ich
aber auch in überraschend gutem Deutsch angesprochen und schäme mich fast, dass ich nicht einen
Brocken der Landessprache beherrsche.
Alle sind sehr freundlich und aufgeschlossen. Unter anderem erfahre ich , dass morgen am 3. Mai,
der polnische Nationalfeiertag ist.
In der folgenden Nacht hätte ich allerdings wohl auch so bemerkt, dass irgend etwas besonderes
sein muss, denn der Strom der Flanierenden riss fast die ganze Nacht über nicht ab.
In Verbindung mit dem Geschaukel durch den Schwell, ergab das eine unruhige Nacht, die aber
durch einen strahlenden Sonnentag am nächsten Morgen abgelöst wurde.
Am späten Nachmittag zog aber Seenebel auf, der auch am darauffolgenden Morgen alles dicht
verhüllte.
Trotzdem liefen wir bei Zeiten aus, in der Hoffnung, dass die Sonne bald die Oberhand gewinnen
würde. Das schaffte sie allerdings nicht und der Nebel wurde im Laufe des Vormittages immer
dichter.
Andererseits war die See dafür, bis auf eine schwache Altdünung , vollkommen glatt.
Die immer wieder aus dem Dunst auftauchenden Fischstecken waren mit guten Radarreflektoren
bestückt und frühzeitig auf dem Plotterbildschirm zu erkennen. So war es eine ruhige Fahrt durch
diese in Watte verpackte Welt.
Ich hätte ewig so weiterfahren können, musste aber ja auch auf meinen Bordkameraden „Skip“
Rücksicht nehmen und entschloss mich deshalb Leba anzusteuern.
Das waren von Darlowo aus rund 50 Seemeilen und die Fahrt dorthin würde schon noch eine Weile
dauern.
Irgendwie hatte „Robert“ heute keine richtige Lust, den Kurs anständig zu halten.
Immer wieder musste ich korrigierend eingreifen.
Ein Blick in die Seekarte löste das Rätsel. Wir sind in der Nähe des Unterwasserkabels von Ustka
nach Bornholm und die Navigationsanweisungen für diese Gebiet empfehlen, alle elektronischen
Geräte auszuschalten, wegen auftretender Störungen.
Das möchte ich bei dieser Suppe nicht, aber etwas mehr Aufmerksamkeit ist schon gefordert.
Da die Sicht eh gleich Null ist, kann das bisschen Smoke aus meiner Pipe nicht stören und ich
stecke mir erst mal ein Pfeifchen an.
So lässt es sich aushalten.
Nach knapp acht Stunden Fahrt ist die Hafenansteuerung von Leba erreicht und nun wird es
doch noch etwas schwierig.
Die Hafeneinfahrt neigt zur Versandung und ist recht eng.
Der Nebel denkt nicht daran sich zu verflüchtigen.
So hilfreich das Radar auf freier See war, so wenig nützt es mir jetzt in der engen Zufahrt. Die
Auflösung des Bildes ist durch den Antennendurchmesser von nur 48 Zentimetern einfach zu
schlecht, als dass man damit navigieren könnte.
Es folgen einige stressige Minuten, bis ich mich dann doch zwischen den engen Molenköpfen
befinde und nicht irgendwo auf den Sänden daneben.
Erst als wir die 40 Meter breite Einfahrt hinter uns gelassen haben, kann ich richtig erkennen, ob
wir in oder neben der Hafeneinfahrt sind, da ich bei dem Nebel die rote und grüne
Molenmarkierung nicht unterscheiden konnte. Lichter waren keine gesetzt.
Da nach ungefähr 300 Metern an Steuerbord aber der Abzweig zum Yachthafen erschien, mussten
wir die Einfahrt wohl doch richtig getroffen haben.
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Der Hafenmeister weist mir einen Liegeplatz zu und setzt auch gleich die deutsche Flagge vor dem
Marinagebäude. Ironie des Wetters: Ich liege noch keine Stunde am Steg, als die Sonne den Nebel
endgültig vertreibt und ein herrlicher Spätnachmittag und Abend beginnt.
Ansonsten kann ich mich über das Wetter aber wirklich nicht beschweren.
In Leba sieht es genauso aus, wie ich mir die Häfen auf dieser Reise vorgestellt habe.
Der neue Yachthafen liegt idyllisch neben einem Dünenwald, nur 100 Meter vom Strand entfernt.
Er bietet volle Versorgung und Bewachung rund um die Uhr.
Zum Ort sind es nur 15 Minuten Fußmarsch.
Ich versinke..... Nein, nein, “Molly“ schwimmt immer noch auf dem Wasser.
Skip und ich sind aber auf einem ausgedehnten Spaziergang durch die herrlichen Dünenwälder
rings um den Hafen. Wie auf einem riesigen Schwamm läuft es sich auf den ausgedehnten
Moosflächen und bei jedem Schritt sinke ich tief ein, als wenn ich in einem Moorgebiet wäre.
Wunderbar ruhig ist es hier und bis auf das Vogelgezwitscher und dem leisen Rauschen der
Ostseebrandung, die ganz nahe hinter den Dünen gegen den Strand läuft, ist es vollkommen still.
Nur etwas stört ein wenig: Sobald man ein bisschen näher an die Touristenpfade herankommt, häuft
sich der Zivilisationsmüll, der links und rechts der Wege liegt.
Das Umweltbewusstsein der Polen ist noch verbesserungswürdig, was sich auch an dem stark
verschmutzten Wasser der Häfen dokumentiert.
Kleines Beispiel gefällig?
Heute Vormittag beobachtete ich ein Rundfahrtboot beim Diesel bunkern. Als eine nicht
unbeträchtliche Menge davon überlief und in das Hafenbecken gelangte, war die einzige Maßnahme
die ergriffen wurde die, dass man die Maschine startete, um mit dem Propeller die Sauerei zu
verquirlen und aus dem Hafen zu spülen.
Im Ort ist es sehr nett und alles ist auf Tourismus eingestellt.
Die in Polen verbreiteten Rundfahrtboote im Piratenlook sind natürlich auch im Angebot und vor
jedem Geschäft sitzen die Eigentümer auf Stühlen in der Sonne und warten auf Kundschaft.
Ich schaue nach Bernsteinschmuck, finde den angebotenen auch sehr schön, aber bei Preisen
zwischen 250,00 und 1.000,00 Euro auch recht teuer.
Während eines kleinen Imbisses in einem der Straßenbistros, treffe ich ein bayrisches Ehepaar, das
in dieser Gegend seine Kindheit verbracht hat und sich gut auskennt.
Die Frau empfiehlt mir, mit dem Kauf von Bernstein bis Litauen zu warten, da es dort günstiger sei.
Zurück im Hafen sehe ich mich einer kleinen Invasion gegenüber.
Drei deutsche und eine englische Segelyacht haben dort inzwischen festgemacht.
Ich komme mit allen kurz ins Gespräch, am besten mit Thomas und Rainer von der Segelyacht
„Harlekin“ aus Gelting.
Beide sind Jung-Rentner und auf dem Weg die kleine Ostsee Umrundung , über die Alands und
dann durch den Götakanal, zu machen.
Thomas muss allerdings bald aussteigen und danach wird Rainer mit seiner Frau weiterfahren, die
in Riga zusteigen will.
Die beiden fragen mich am Abend, ob ich noch auf ein Piwo mit in den Ort gehen möchte und ich
schließe mich ihnen an.
Im Ort finden wir allerdings nichts passendes und so endet der Abend an Bord der „Harlekin“.
Wir beschließen am nächsten Morgen Fahrräder zu mieten und in den 8 Kilometer entfernten
„Slowinski-Nationalpark“ zu radeln.
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Gesagt getan.
Als wir die 42 Meter hohe Lonzker_Düne erreichen, sind wir ganz alleine in der überwältigenden
Landschaft. Dieser Ausflug ist wirklich empfehlenswert.
Der Anblick, wie die Sandmassen den Wald verschlingen und unter sich begraben, zeigt einmal
mehr die Kraft der Natur.
Auf der Rückfahrt spüren unsere verweichlichten Skipperpopos aber jedes Schlagloch und wir sind
alle heilfroh , als wir wieder an den Booten zurück sind. Gut, dass wir unsere Rundreise mit dem
Boot machen und nicht mit dem Drahtesel.
Nachmittags wandere ich mit Skip nochmals am kilometerlangen, weißen Strand entlang.
Wunderschöne Steine kann man dort finden und es wäre kein Problem , die zulässige Zuladung von
„Molly“ zu überschreiten. Nur Bernstein sehe ich keinen, oder zumindest offenbart sich mir keiner
als solcher.
Nachdem am Abend Rainer, Thomas und ich uns an Bord die ein oder andere Wodka-Cola gegönnt
haben, bekommt „Molly“ am nächsten Tag vor der Abfahrt auch einen kräftigen Schluck aus der
Dieseltankstelle, im Hafen von Leba.
Danach geht es los.
Wladyslawowo heißt das 34 Meilen entfernte Tagesziel.
Wladyslawowo, hat dieser Name nicht den ganzen Klang östlicher Weite in sich?
Ich finde den Namen jedenfalls wunderbar.
Der Ort, der sich dahinter versteckt, das frühere Großendorf, hat allerdings wenig schönes zu bieten.
Das beste an ihm ist alleine der große Fischereihafen und das auch nur, weil man ihn im Gegensatz
zu den meisten anderen polnischen Häfen, bei jedem Wetter anlaufen kann.
Inzwischen gibt es dort auch vernünftige Stege um mit Sportbooten anzulegen, so dass man nicht
mitten unter den Fischerbooten liegen muss.
Ein Landgang steht natürlich trotzdem auf dem Programm.
Im Ort treffe ich auf Rainer und Thomas von der „Harlekin“, die kurz nach mir im Hafen
angekommen waren. Als ich sie mit ihrem Boot auf dem Wege nach Wladyslawowo überholte, legte
ich kurz mal den „Hebel on the Table“ um sie, wenn schon kein Segelwind da war, wenigstens mit
ein paar Wellen zu beglücken. Außerdem haben wir Motorbootfahrer auch einen Ruf zu verteidigen.
Sie nahmen es mir nicht krumm und wir beschlossen gemeinsam etwas zu essen.
Vor einem Grilllokal sahen und rochen wir die gebratenen Hähnchen, die zusammen mit einer
Portion Pommes Frites genau unseren Vorstellungen entsprachen.
Thomas übernahm die Bestellung, was hier, wo es so gut wie keinen Tourismus gibt, gewisse
Probleme bereitete. Irgendwie hat es dann aber scheinbar doch geklappt und drei halbe Gockel
wurden serviert. Die Pommes Frites waren bei der Bestellung anscheinend nicht angekommen. Die
Teile waren echt lecker , aber während wir beim gemütlichen Verzehr waren, brachte der Wirt
nochmals drei halbe Hähnchen. Wir legten seine Gesten und Worte so aus, dass es nur ganze
Hähnchen hier gäbe.
Na gut. Wir konnten ihm klarmachen, dass wir eine Tüte haben wollen und bekamen von ihm drei
schöne Isolierbeutel.
Damit war das nächste Essen an Bord auch schon gesichert. Für 17 Zloty, was ungefähr fünf Euro
entspricht, war es ja auch noch recht günstig.
Vollkommen überrascht waren wir allerdings , als zum Schluss auch noch drei Portionen Pommes
Frites an den Tisch gebracht wurden.
Wie sagt man so schön? „ Andere Länder, andere Sitten.“
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Kurz bevor wir aufbrechen wollten kam ein dem Aussehen nach , mindestens achtzigjähriger Mann
an unseren Tisch, der uns in recht gutem deutsch ansprach, ob wir nicht alte Danziger Briefmarken,
für wenig Geld, bei ihm kaufen wollten.
Es ist mir hier in Polen schon mehrmals passiert, dass gerade ältere Menschen um Dollar oder
Euros gefragt haben. Ich befinde mich dann immer in einer Zwickmühle, denn einerseits sieht man
ihnen an, dass sie es mit ihrer wohl mehr als bescheidenen Rente ,nicht leicht haben, andererseits
muss natürlich auch ich auf meine Reisekasse achten. Auch für mich sind zehn Euro nicht einfach
so zu verteilen.
Wir lehnen also ab und gehen.
Lange beschäftigt mich der alte Mann noch, der mich im Aussehen und mit seiner Sprache an
meinen verstorbenen Opa aus Ostpreußen erinnerte.
Am kommenden Morgen wurden wir durch heftiges Schaukeln geweckt. Die Fischer von
Wladyslawowo liefen um 06:00 Uhr aus und nahmen dabei wenig Rücksicht auf schlafende
Yachtbesatzungen. Es ist erstaunlich, wie viel Fischerei in Polen noch betrieben wird.
Die, die ihren Lebensunterhalt nicht als Fischer verdienen, haben zumindest eine Angel und setzen
die auch oft und gerne ein. Noch nirgends habe ich so viele Angler gesehen wie hier.
Durch das unsanfte Geschaukel geweckt, entschließe ich mich auch gleich aufzubrechen , nach
Gdansk.
Die See ist bleiern und fast kein Lüftchen bewegt sich. Das Hoch bleibt uns treu.
Die Einfahrt in die Danziger Bucht bietet ein unbeschreibliches Bild, wenn am Horizont die
Silhouetten von Gdingen und Danzig auftauchen. Auf Reede liegen mehrere Seeschiffe und
irgendwie erinnert mich das ganze an Bilder, die ich von Rio gesehen habe.
Kurz nach Mittag passieren wir die Westerplatte mit dem großen Denkmal, das an den hier
begonnenen zweiten Weltkrieg erinnert.
Ungefähr 4 Seemeilen geht es auf der „Toten Weichsel“ und weiter über die „Motlawa“, vorbei an
regem Werft- und Hafenbetrieb, bis in die Innenstadt von Danzig.
Nach einer letzten Flussbiegung taucht das Zentrum der Stadt mit dem Krantor vor uns auf.
Ein unbeschreiblich schöner Anblick.
Genau gegenüber des Krantores geht es in die City Marina, wo wir festmachen.
Der Liegeplatz erinnert mich ein wenig an den Christianshaven in Kopenhagen.
Nun hält uns nichts mehr an Bord und der erste Erkundungsgang durch Gdansk steht an.
Ich bin einfach nur begeistert.
Was die Restauratoren hier geleistet haben, kann ich kaum fassen.
Ein Gebäude schöner als das andere.
Ich könnte ohne Probleme die Speicherkarte meines Fotoapparates hier schon an ihre
Kapazitätsgrenze bringen.
Was mir auffällt, ist, dass sich der Unterricht der polnischen Schulklassen scheinbar überwiegend
vor Ort abspielt. Immer wieder treffe ich hier in Polen auf Schulklassen jeden Alters, die durch die
Lande ziehen. Das ganze mal mehr, mal weniger geordnet, was proportional zum Alter der Schüler
schwankt.
Abends führen wir uns noch einen Absacker an Bord der „Harlekin“ zu Gemüte.
Skip wird sich übrigens wundern, wenn wir wieder alleine unterwegs sind. Er wird zur Zeit mit
Streicheleinheiten verwöhnt.
Szenenwechsel: Ich bin in der Post am ehemaligen „Langen Markt“ und möchte ein paar
Briefmarken kaufen, um mich mal wieder auf nostalgische Art daheim zu melden.
Das ist aber schwieriger als gedacht.
Es gibt mindestens zehn verschiedene Schalter und über allen blinkt die Nummer die gerade bedient
werden soll.
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Soweit blicke ich es noch, dass ich mir an dem Automaten im Eingangsbereich eine Nummer
ziehen muss. Aber für welchen Schalter?
Zum Glück kann ich einer netten Dame mein Problem klarmachen und sie zieht mir die richtige
Nummer. Danach zeigt sie mir auch noch den Schalter an dem ich bedient werde.
Dort gibt es dann mit dem uniformierten eine kurze Meinungsverschiedenheit, als ich ihm zwei
Finger zeige. Er besteht auf zwei ein halb Zloty , die als Briefmarke auf die Ansichtskarte müssten.
Nach einer Weile kapiert er aber doch, dass ich zwei Marken haben möchte und nicht über die Höhe
des Portos feilsche.
Am darauffolgenden Morgen, natürlich wieder bei herrlichstem Wetter, muss Thomas von der
„Harlekin“ abreisen. Zwölf Stunden später wird er zu hause sein ,über einer Strecke, für die wir gut
drei Wochen gebraucht haben. Er wird dabei sogar noch einen Schlenker über München gemacht
haben, da es von Danzig aus keinen direkten Flug nach Bremen gibt.
Ich möchte allerdings nicht mit ihm tauschen.
Mit Rainer, der nun vorerst auch Solo unterwegs ist, bespreche ich die Strategie für die morgige
Überfahrt nach Klaipeda.
Da meine Marschgeschwindigkeit rund einen Knoten über der seinen liegt, soll er ca. zwei Stunden
vor mir aufbrechen.
Somit hätte ich ihn dann am Abend eingeholt und wir wären während der Dunkelheit am Nähesten
zusammen. Theoretisch wären wir nie mehr als zwei Stunden voneinander entfernt und hätten
immer die Möglichkeit einer UKW Verbindung.
Da ich ungefähr um 09:00 Uhr los will, er aber auch nicht viel früher aufbrechen möchte, beschließt
er, sofort nach Hel zu fahren, um morgen von dort aus die Überfahrt nach Klaipeda zu starten. Wir
könnten dann beide fast gleichzeitig losfahren, da er seinen Vorsprung ja schon erfahren hat.
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Nachdem er abgelegt hat, gehe ich ins Meeresmuseum, direkt neben dem Yachthafen.
Die junge Dame an der Kasse stuft mich als Senior ein und ich bekomme Rabatt auf den ohnehin
geringen Eintrittspreis. Wenn es Geld spart, lasse ich mich auch gerne ein paar Jahre älter schätzen.
Da ich bei der hübschen Deern wahrscheinlich eh keine Chancen mehr habe, spielt das keine Rolle.
Das Museum mit seiner Außenstelle, dem alten Frachter „Soldek“ ist sehenswert.
Heute ertappe ich mich zu ersten Mal auf dieser Reise bei dem Gedanken: „Och ein kurzer
Regenschauer wäre auch mal ganz angenehm!“
Ich verbanne den Gedanken aber gleich wieder ins hinterste Hirnstübchen und hoffe, dass der
Zuständige für die fast 30° an einem 10. März nicht hingehört hat.
Beim Wetter habe ich eine echte Glückssträhne.
Toi, toi, toi!
Die letzte Nacht in Danzig wurde nochmals ein wenig unruhig.
Zuerst strömten mit Ende der Vorstellung in der Philharmonie, die kurz hinter dem Hafen ist, ein
nicht enden wollender Strom an Autos und festlich gekleideten Fußgängern an „Molly“ vorüber,
was noch ganz interessant war. Danach ging ich zu Bett.
Gegen 23 Uhr knallte etwas Schweres an Deck, so dass das ganze Boot erzitterte. Ich sprang aus der
Koje, schnappte mir die griffbereit liegende Signalpistole und war an Deck. Ein Stückchen weiter
weg pöbelten drei Jugendliche irgendwas und ich schrie sie an, zurück zu kommen.
Natürlich reagierten sie nicht.
Gleichzeitig schoss ich eine Blitz – Knall – Patrone in den nächtlichen Himmel über der Stadt.
Beim Abschuss schauten sie erst noch erschrocken, als aber dann die Munition über ihnen in einem
gewaltigen Knall aufblitzte und detonierte, rannten sie, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her.
Durch die zwischen den Häusern extrem laute Detonation wurde an einem Geschäftshaus
gegenüber unseres Liegeplatzes auch noch die Alarmanlage ausgelöst, die nun jaulend in die Nacht
schrie.
Nun fragte ich mich doch, ob ich in meinem Schreck und der ersten Wut nicht überreagiert hatte
und was ich der eventuell kommenden Policia sagen würde.
Es kam aber niemand und auch Schäden konnte ich keine am Boot entdecken.
Also wieder in die Koje, in der Hoffnung, den Rest der Nacht mit mehr Ruhe zu verbringen.
Bei Tageslicht entdeckte ich dann, dass ich großes Glück gehabt hatte.
Knapp fünf Zentimeter unter der Backbord-Steuerhausscheibe hatte das Wurfgeschoss
eingeschlagen und einen Macken im Gelcoat hinterlassen. Hätte es die Scheibe zertrümmert, wäre
Ersatz sicher nicht so leicht zu beschaffen gewesen und mein Reise – Zeitplan wäre wohl recht
durcheinander geraten.
Wie sagt man so schön: „Glück im Unglück!“
Trotz dieser unschönen Einlage war Gdansk mit Sicherheit ein Höhepunkt dieser Reise.
Mit den Worten:“German Motorboat Molly want leaving the harbour, going to Klaipeda“ und der
Genehmigung des Kapitanats verließ ich die schöne Stadt am frühen Vormittag.
Polen liegt inzwischen weit achteraus im Fahrwasser und wir steuern unseren ersten Wegpunkt an
der russischen Zwölfmeilenzone an.
Wenn wir ihn nach ca. zehn Stunden Fahrt erreichen, liegt ungefähr die Hälfte der Etappe hinter
uns. Glücklicherweise bin ich kein Segler, denn soviel Hochprozentiges, wie ich Rasmus für das
gute Wetter spenden müsste, habe ich gar nicht an Bord.
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Der große Sprung ins Baltikum
Danzig – Rigaische Bucht
„Klaipedos Jachtklubas“ steht an dem Gebäude das sich Hotel nennt und vor dem „Molly“ im
starken Schwell der vorbeifahrenden Schiffe an ihren Festmachern zerrt. Seit heute morgen 05:00
Uhr liegen wir hier und der Wind hat in dieser Zeit auch auf die vorhergesagten 6 bis 7 Beaufort
zugenommen.
Gerade kommt auch ein kleiner Regenschauer herunter.
Soll er doch.
Wir liegen trotz des heftigen Schwells gut und sicher im Yachthafen vertäut.
Ich lasse die vergangenen 24 Stunden noch mal Revue passieren.
Nachdem ich gestern Gdansk verlassen hatte, probierte ich stündlich über UKW die „Harlekin“ mit
Rainer zu erreichen, der ja ungefähr um die gleiche Zeit in Hel auslaufen wollte. Ich hatte aber die
ganze Fahrt über keinen Erfolg.
Irgendetwas musste bei ihm dazwischen gekommen sein.
Um die Mittagszeit verschwand auf dem Betriebsstundenzähler von Jan die 13 und die 1.400
Betriebsstunde war erreicht.
Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber besser is das!
Überhaupt verrichten Jan, Robert und Karl ihre Arbeit perfekt. Karl hat heute, bei nur schwach
umlaufenden Winden allerdings frei und muss nicht den Bootshaken festhalten, mangels Welle. Nur
beim Verlassen der Danziger Bucht nahm der Wind zeitweilig auf Stärke 3 bis 4 zu, um meine
frisch geputzten Scheiben zu versauen.
Nachdem dieses erledigt war, schlief er wieder ein.
Auch die einhundertste Motorstunde dieser Reise und die sechshunderste Meile der Fahrt, kann ich
auf der Überfahrt nach Klaipeda notieren.
Bei der Fahrt durch das russische Territorium höre ich immer wieder , wie ein Fahrzeug gerufen
wird. Da aber die Positionsangabe nur auf russisch erfolgt, verstehe ich außer Nord und Ost nichts.
Ich lege meinen Kurs vorsichtshalber mal an den äußersten Rand der zwölf Meilen Zone ,um keinen
Ärger zu bekommen, da ich ja kein Visum für russisches Gebiet habe. Kurz vor Mitternacht wird
wieder nach einem Fahrzeug gerufen, dieses mal aber auf englisch. Ich deute die Position mal als
die meinige und melde mich.
„ Please Channel 67, six, seven.“
Nach abklären unserer Schiffsdaten, woher und wohin, sowie der Anzahl der sich an Bord
befindlichen Personen, wünscht mir der Officer eine gute Reise und das war es.
Eine Meile vor erreichen der Ansteuerung von Klaipeda, melde ich mich wie vorgeschrieben bei der
„Port-Control“ an. Auf meine Antwort über die geschätzte Ankunftszeit, meint der Wachhabende,
dass das nicht stimmen könne. So erfahre ich auch, dass wir hier die Uhr eine Stunde vorstellen
müssen, da wir die Zeitzone überschritten haben.
Im Hafen fahre ich zuerst in den „Old-Castle- Port“, in der Dangemündung, der laut
Hafenhandbuch sehr schön sein soll. Das ist er bestimmt auch, wenn er wieder eröffnet wird. Im
Moment wird er aber komplett saniert und ist gesperrt.
Also geht es auf die andere Seite des Seekanals in den „Klaipedos- Jachtklubas“.
Beim Festmachen offenbart sich mir im Morgentau der sich auf „Molly“ abgelagert hat, wie viel
Staub , Schmutz und Abgase, in der City Marina in Danzig, auf uns herabgefallen sind.
Den wasche ich als erstes mal herunter.
Dabei stelle ich am Handlauf des Vorschiffgeländers einen große Kerbe fest. Das Wurfgeschoss der
vorletzten Nacht ist scheinbar zuerst dort aufgeschlagen und dann erst auf Deck geprallt.
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An der Tiefe der Schramme im stabilen Edelstahlgeländer, kann man erkennen wie schwer der
geworfene Gegenstand gewesen sein muss und dass ich wirklich Glück hatte, dass kein größerer
Schaden entstanden ist.
Am Nachmittag steht auf einmal Rainer an der Pier. Er liegt mit seiner „Harlekin“ auf der anderen
Seite des Seekanals im Werfthafen und hat nach uns gesucht. Nun klärt sich auch, warum ich keine
Verbindung über UKW mit ihm bekommen konnte.
Er ist am Samstag, als er eigentlich nur von Danzig nach Hel wollte, gleich weitergesegelt.
Im Wetterbericht hatte er vernommen, dass sich eine Sturmfront unserem Gebiet nähere und er
befürchtete, dass die vielleicht doch früher als vorhergesagt hier wäre.
Da es bei ihm aber gerade so gut lief, fuhr er direkt weiter bis Klaipeda. So konnte er fast die
gesamte Strecke unter Segeln zurücklegen und schaffte die gut 120 Meilen in 25 Stunden.
Da er ja wusste wann ich ungefähr dort eintreffen wollte, hatte er nun die drei in Frage kommenden
Häfen abgeklappert und mich hier gefunden.
Das finde ich schon sehr nett von ihm, dass er sich nicht ohne ein weiteres Wort abgesetzt hat.
Im Moment nimmt der Wind auch schon kräftig zu und ich freue mich, dass wir hier trotz Schwell,
einen guten und sicheren Platz gefunden haben.
Die Stadtbesichtigung wird erst einmal verschoben und ich gehe mit Skip zuerst in den
umliegenden Wäldern spazieren.
Zwei Dinge fallen mir sofort auf.
Erstens mischen sich unter die bisher vorherrschenden Kiefern immer mehr Laubbäume, in erster
Linie Birken und zweitens sieht man fast keinen Müll in der Landschaft.
Überhaupt wirkt hier in Litauen alles aufgeräumter und gepflegter als in Polen.
Es ist unbeschreiblich schön hier im Wald.
In allen Schattierungen leuchtet das Grün. Vom zarten hellgrün der ersten Blätter, über das
kräftigere des Grases und Mooses, das zwischen den Bäumen wächst, bis hin zum dunklen Grün der
Kiefern. Dazwischen immer wieder gelbliche Akzente von ersten Blumen und Baumblüten. Skip
kriegt sich kaum ein vor Lebensfreude und rast kreuz und quer durch den Wald, auf der
Geruchsspur unsichtbarer Waldbewohner.
Auch ich genieße die absolute Stille und das Wandern über den weichen Sandboden, der dicht mit
Moos und Gras bewachsen ist.
Die Gedanken wandern zurück in die Zeit, als vor vier Jahren der berufliche Einschnitt erfolgte und
ich vor der Wahl stand, neu anzufangen oder zugunsten von mehr Lebensqualität, mit 52 Jahren,
auszusteigen und auf etwas Konsum zu verzichten.
Nun, ich entschied mich für das Zweite und besonders an Tagen wie heute, habe ich das auch noch
nie bereut. Wenn ich daran denke, dass ich zu den Zeiten, in denen ich jetzt am Strand entlang
spaziere, oder wie im Moment eben durch die Wälder der Kurischen Nehrung streife ,
in meinem Büro sitzen würde um berufliche Probleme zu lösen, kann ich mir zu meiner
Entscheidung nur gratulieren.
Am folgenden Vormittag geht es nach einem weiteren ausgiebigen Spaziergang mit Skip, dem
Waschen von Wäsche und deren Drapierung an der Reling ,zwecks Trocknung, mit der Fähre auf
die andere Seite des Seekanals, um die Stadt zu erkunden.
Ich glaube am Ende der Reise werde ich mit „Molly“ um die 3.000 Seemeilen zurückgelegt haben
und mindestens genauso viele Kilometer auf Schusters Rappen.
Ein normaler Liegetag läuft in des Wortes wahrster Bedeutung folgendermaßen ab:
Eine Stunde Spaziergang mit Skip. Dann ohne Skip ca. zwei bis drei Stunden Landerkundung.
Zurück an Bord, den einsam zurückgelassenen Hund trösten, füttern und anschließend zu einem
Verdauungsspaziergang ausführen. Danach wieder alleine Besorgungen und Einkäufe erledigen.
Spätestens nach dem Abendessen möchte Skip dann nochmals zu einem letzten Rundgang
ausgeführt werden, der ihm auch nie verwehrt wird.
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Genaugenommen hätte ich „Molly“ auch in Wilhelmshaven liegen lassen können, mir einen
Rucksack umschnallen und die Tour zu Fuß absolvieren.
Aber mit dem Boot macht es doch mehr Spaß.
Deshalb entscheide ich mich auch dafür, das Kurische Haff auf eigenem Kiel zu erkunden und nicht
mit dem Bus nach Nida / Nidden zu fahren.
Da meine Unterlagen über das Fahrwasser zu ungenau sind, besorge ich mir eine Seekarte des
Haffs.
Auch ein paar Lebensmittel müsste ich mal einkaufen. Leichter gesagt als getan. Ich finde alle
möglichen Geschäfte, werde zwischendurch noch von einem Missionar angesprochen, der mit mir
über Gott reden will, entdecke aber kein Lebensmittelgeschäft.
Da sehe ich einen unscheinbaren Durchgang, an dem „IKI 08:00 bis 22:00 Uhr“ steht. Dahinter
verbirgt sich tatsächlich ein Supermarkt.
Ich schwelge richtig im Warenangebot und muss mich immer wieder daran erinnern, dass auch alles
noch an Bord zu tragen ist.
In Klaipeda halten sich die Sehenswürdigkeiten in Grenzen.
Der Theaterplatz mit dem „Ännchen von Tharau“ Denkmal auf dem Simon Dach Brunnen, ein paar
vereinzelte schöne Häuser und das alte Segelschulschiff „Meridianas“ ,sind eigentlich schon alles
Sehenswerte dort. Auffällig sind die sehr breiten Straßen, die leicht das zehnfache des dort
vorhandenen Verkehrs aufnehmen könnten.
Eine nette Besonderheit sind auch noch die am Geländer der alten Dangebrücke festgeschlossenen
Vorhängeschlösser, die teilweise sehr schön graviert sind.
Wie es aussieht, ist es bei jungen Hochzeitspaaren der Brauch, ein Schloss dort anzubringen, um
ihre Verbundenheit zu manifestieren.
An dem Geländer hängen Hunderte von Schlössern. Da der Schlüssel ja in die Dange geworfen
wird, weiß ich nicht, ob alle diese Verbindungen auch den Alltag überstanden haben.
Zurück an Bord schreibe ich mal wieder eine Ansichtskarte nach Hause, von der mir ein netter
Segellehrer, mit dem ich ins Gespräch gekommen war, versichert, sie in den Postkasten zu werfen.
Es ergeben sich immer wieder interessante Gespräche mit vorbeikommenden Leuten.
Die werden teils auf deutsch und teils auf englisch geführt. Ein Weg zur Verständigung findet sich
immer.
Wir haben schließlich ein besonderes Boot, einen ausgesprochen schönen Hund und einen
Soloskipper. Da gibt es genug Ansprechpunkte.
Die Deutschlandflagge senkt sich langsam am Mast des „Klaipedos Jachtklubas“. Wir verlassen den
Hafen um wieder Richtung Süd zu steuern.
Nein, wir brechen die Reise nicht ab, sondern erweitern sie um eine Runde auf dem Kurischen Haff.
Es geht mit Südkurs zurück, bis fast an die russische Staatsgrenze, nach Nida. Vorher gab es noch
einen ausgedehnten Spaziergang durch den umliegenden Wald.
So früh am Morgen sehen wir mehrere Rehe und Skip ist kaum zu halten. In der Ferne höre ich das
Gejaule einer Sirene. Immer wenn ich „Molly“ alleine zurückgelassen habe und dann eine Sirene
höre, denke ich als erstes: „ Hoffentlich ist an Bord kein Feuer ausgebrochen und die Feuerwehr ist
auf dem Weg zu Molly“.
Ich verscheuche den beängstigenden Gedanken, um mich weiterhin an dem schönen Morgen zu
erfreuen.
Nach dem Ablegen geht es noch eine ganze Weile an den Kais von Klaipeda entlang, an denen reger
Betrieb herrscht. Hinter dem Anleger der großen Ostseefähren öffnet sich der Morskoy-Kanal, hin
zum Kurischen Haff.
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Schon kurz nach Verlassen des Kanals, befinden wir uns in Natur pur. Wälder, Schilf und hohe
Dünen bestimmen das Bild der Nehrung. Dazwischen in größeren Abständen eingestreute
Ortschaften.
Ich halte mich genau an die vorgeschriebene Fahrrinne, denn links und rechts davon sind unzählige
Fischernetze ausgelegt. Außer Fischerbooten begegnen wir keinem anderen Boot.
Am Beginn des Haffs, wo es noch relativ schmal ist, läuft uns ein recht kräftiger Strom entgegen.
Das ist die Quittung für den lange vorherrschenden Nordwind, der viel Wasser in das Haff gedrückt
hat, das nun wieder abläuft.
Im total eingeschlafenen Wind steht die Luft still und wir gleiten durch das Wasser , wie auf einem
verwunschenen See. Große Mückenschwärme stehen in der Luft und lassen sich massenhaft auf
„Molly“ nieder. Zum Glück haben wir vor allen Fenstern und Bullaugen Fliegengitter angebracht.
Zeitweise ist das Deck schwarz von Mücken. Sie sehen zwar aus wie etwas größere Stechmücken,
stechen glücklicherweise aber nicht. Trotzdem möchte ich sie möglichst aus dem Bootsinneren
fernhalten.
In Nida empfängt uns Rainer von der „Harlekin“ am Steg und nimmt unsere Leinen an. Er ist
gestern hier angekommen und kann schon ein gutes Lokal für das Nachtessen empfehlen. Auch eine
zweite deutsche Segelyacht, die „Ruby“ liegt am Steg. Zusammen mit Rainer und der Besatzung
der „Ruby“ geht es in den Ort zum Nachtessen und zur Einnahme einiger Schlummerdrinks.
Nida ist natürlich sehr vom Tourismus geprägt, da es wirklich ein sehr hübscher Ort ist.
Thomas Mann wusste schon, wo es sich gut leben lässt, als er sich hier sein Sommerhaus errichten
ließ. Ich staune immer wieder, wie aufgeräumt und gepflegt hier in Litauen alles ist.
Auch die Natur scheint noch recht intakt zu sein. Wie wenig das Verhältnis der Natur zum
Menschen hier gestört ist, zeigt ein kleines Bild: Auf der Hafenmole stehen einige Angler und
dazwischen stelzt ein Storch herum, der ständig in die Eimer der Angler späht, ob darin vielleicht
etwas für ihn zu holen ist.
Am nächsten Vormittag verlassen die „Harlekin“ und die „Ruby“ den Hafen und ich bin wieder das
einzige fremde Boot hier. Laut Hafenmeister war „Molly“ das vierte deutsche Boot in diesem Jahr
in Nida und das erste Motorboot seit gut zwei Jahren. Damals war eine deutlich größere Motoryacht
aus Rügen zu Besuch gewesen.
Motorbootfahrer scheinen allgemein etwas, nennen wir es einmal: „Heimatverbundener“ zu sein
und selten größere Reisen zu unternehmen.
Als ich bei strahlender Sonne um 06:30 Uhr Bordzeit aus der Koje krieche, sehe ich mich einer
Mückeninvasion gegenüber. „Molly“ und die anderen Boote ringsum sind von kleinen, schwarzen
Mücken übersät. Genauso wichtig wie zu Beginn der Reise der Heizlüfter war, sind jetzt die
Fliegengitter vor allen Öffnungen. Sie halten die zwar harmlosen , aber ekligen Viecher zum
größten Teil aus dem Bootsinneren fern.
Ich erwähne übrigens „Bordzeit“, weil ich beschlossen habe an Bord die Uhren nicht umzustellen,
da die genaue Zeit für mich im Moment eher unwichtig ist.
In der Hoffnung auf etwas stärkeren Wind während der Überfahrt, der die Plagegeister hoffentlich
verscheucht, schaue ich, dass ich so schnell wie möglich loskomme.
Es ist nur ein kurzer Törn von 11 Meilen, der für heute auf dem Programm steht. Minija / Minge
heißt das Ziel auf dem gegenüber liegenden Ostufer des Haffs.
Unser Kurs führt uns entlang der Grenze zur russischen Föderation des Gebietes Kaliningrad, dem
ehemaligen Königsberg.
Über UKW Kanal 69 spreche ich zum vorerst letzten mal mit Rainer von der „Harlekin“, der gerade
von Minija kommt ,mit Kurs nach Klaipeda. Auch die „Ruby“ ist mit ihm zusammen auf dem Weg.
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Eine gute Stunde später laufe ich in das Mündungsgebiet der Nemunas / Memel ein, der ich ein paar
Kilometer folge. Durch unberührte Landschaften geht es bis zu einem Abzweig, der uns nach
Minija / Minge bringt.
Dort legen wir am Steg des Segelklubs an.
Der Flecken besteht nur aus wenigen Häusern und sehr viel Natur. Bis vor noch gar nicht allzu
langer Zeit war er wie viele Orte hier im Nemudas Delta nur per Boot erreichbar.
Inzwischen gibt es einen holprigen Schotterweg, der das Dorf mit den Nachbargemeinden
verbindet. Man sieht die paar Fahrzeuge, die dort verkehren schon Kilometer weit vorher, durch die
Staubfahne die sie bei trockenem Wetter hinter sich aufwirbeln.
Ich liege noch keine Stunde, als zwei Ehepaare vor unserem Boot auftauchen und mich wegen
unserer deutschen Flagge ansprechen. Sie sind mit dem Flieger nach Vilnius gekommen und haben
nun im Mietwagen einen Besuch in dieser Gegend gemacht, auf den Spuren ihrer Verwandten.
Verwunderung auf beiden Seiten, in solch einem abgelegenen Ort Landsleute zu treffen. Aber es
kommt noch besser. Plötzlich fällt ihnen mein „Rüstringer Friese“ in der Wilhelmshavenflagge auf.
Es stellt sich heraus, dass sie in Wilhelmshaven wohnen.
Der Gipfel von allem: Die Frau stammt aus einem Ort bei Stuttgart, nicht weit von meinem
Heimatort. Der Spruch: „Die Welt ist klein“, hat also wieder einmal genau zugetroffen.
Einer der beiden Männer fuhr früher zur See und wir unterhalten uns über mein Boot und wohin die
Reise geht. Er ist ganz begeistert von meinem Vorhaben und sagt:“ Das ist wirklich mal eine
interessante Reise. Anders als die, die sich wochenlang auf dem Atlantik oder sonst einem Ocean
herumtreiben und letztendlich, eigentlich doch wenig erleben.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Später mache ich eine kleine Wanderung mit Skip.
Um uns herum Wiesen, Schilf, kleine Wälder und Wasserläufe. Das ganze eingebettet in absoluter
Stille, sieht man vom Froschgequake und Vogelgezwitscher einmal ab, das ja zur Stille irgendwie
dazugehört.
Am Wegesrand fällt mir ein fast umgefallenes, verwittertes Kreuz auf.
Ich schaue etwas genauer und finde hinter dichtem Gestrüpp einen verwilderten Friedhof, auf dem
verfallene Grabstätten die Zeiten überdauert haben.
Es ist ein alter deutscher Friedhof und ich lese auf den Grabsteinen Inschriften wie: „Hier ruht
unsere liebe Mutter....“
Die neueste Inschrift, die ich finden kann, stammt von 1956. Der Ort nimmt mich gefangen und ich
kann unmöglich meine Empfindungen beschreiben, während ich durch die teilweise überwucherten
Ruhestätten wandere.
Am Abend komme ich mit einem Segler aus Vilnius, dessen Boot hier in Minija seinen Liegeplatz
hat, ins Gespräch. Er bietet mir seinen Laptop zur Benutzung an, was ich gerne
annehme, um eine E-Mail nach Hause zu schreiben und mal wieder im Boote Forum, in dem ich
mich während der bootlosen Zeit im Winter oft herumtreibe, nach dem neuesten Klatsch zu
schauen. Ich gebe dort natürlich auch gleich mal eine Standortmeldung ab.
Gut, dass ich so ein Teil nicht an Bord habe, denn über dem Internet surfen wird es deutlich später
als sonst, bis ich den Weg in die Koje finde.
Dass idyllische Abgeschiedenheit und Nachtruhe nicht unbedingt das selbe sind, zeigt sich am
nächsten Morgen.
Ab dem ersten Morgengrauen beginnen die Frühaufsteher unter den Anglern damit, ihre Boote zu
rangieren und unter lauten Diskussionen ins Wasser zu lassen. Da mein Liegeplatz direkt neben der
kleinen Sliprampe liegt, die gestern noch so verlassen wirkte, ist an Schlaf nicht mehr zu denken.
Das sind die Nachteile von Wochenenden.
Ich schaue, dass ich dort wegkomme und habe eigentlich vor, noch einen Abstecher nach
Juodkrante zu machen.
34
Über die Deutsche Welle erfahre ich aber, kurz bevor wir dort anlegen wollen, dass ein Sturmtief
von Süd-Schweden her auf uns zuzieht und ich so mindestens nochmals zwei bis drei Tage in
Klaipeda fest hängen würde. Da ich dazu keine Lust habe, unterlasse ich den Besuch in Juodkrante
und fahre gleich weiter nach Klaipeda. Dort werde ich dann morgen früh, sobald es hell ist
aufbrechen , um das 50 Meilen entfernte Liepaja am frühen Nachmittag zu erreichen.
Die Fahrt über das Kurische Haff hat etwas von einem Suchspiel an sich, nach dem Motto: Wer
erkennt die Tonne? Der Grund dafür sind die vielen Angelboote, in denen die Angler in ihren
leuchtend roten Feststoffschwimmwesten sitzen und sich kaum von den roten Tonnen
unterscheiden, mit denen die Fahrrinne hier markiert ist. Dabei sollte man wegen der unzähligen
hier verlegten Netze diese unbedingt einhalten.
Auch alte Bekannte stellen sich wieder ein. Nein, wir begegnen weder der „Gorch Fock“ noch der
„Aida Bella“, sondern es sind die bedeutend unangenehmeren Mücken , die uns wieder besuchen.
Zum Glück scheinen sie die Großstadtluft von Klaipeda nicht zu mögen und verziehen sich wieder.
Manche geben auch gleich den Löffel ab und so gleicht „Molly“ bei ihrer Ankunft im Yachthafen
einem Massenfriedhof.
Obwohl ich dort erst vor vier Tagen weg bin, besteht der übereifrige Typ dort darauf, dass ich ihm
alle Angaben zur Crewliste neu gebe. Mein alter Zettel liegt noch auf seinem Schreibtisch und ich
versichere ihm, dass sich an den Angaben nichts geändert hätte. Er besteht aber auf einer neue
Prozedur. Also gehen wir nochmals alle Punkte durch:
Name des Schiffes, Name und Adresse des Eigners , Heimathafen, wie viele Personen sind an Bord
, letzter und nächster Hafen.
Nachdem ich auf die Frage nach dem nächsten Hafen gesagt habe, dass ich noch nicht ganz genau
wüsste wohin ich gehe, er das aber nicht verstand und immer wieder nachfragte, wurde es mir zu
blöde. Ich nahm seinen Stift und trug in die vorgesehene Spalte: Honolulu ein.
Damit war er zufrieden und bedankte sich noch, dass ich ihn bei dem schwierigen Wort unterstützt
hatte.
Ich habe keine Ahnung zu welchem Verein diese Typen gehören. Mit den Hafenmeistern haben sie
nichts zu tun, denn diese winken nur ab, wenn man nachfragt was das überhaupt soll. Auch zum
Grenzschutz scheinen sie nicht zu gehören. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es sich einfach
um Überbleibsel aus vergangenen kommunistischen Zeiten handelt, die niemand entlassen will und
die halt einfach so weitermachen ,als wenn die Zeit stehen geblieben wäre. So richtig ernst scheint
sie niemand zu nehmen.
Bei einem späteren Spaziergang zum Strand, durch den Wald der Nehrung, entdecke ich noch eine
Besonderheit, die ich so noch nirgends gesehen habe. Es gibt getrennte Strände für Männer, Paare
und Familien.
Gegen Abend fängt es etwas zu tröpfeln an, was aber am nächsten Morgen , als ich bei
Tagesanbruch den Hafen verlasse ,schon wieder aufgehört hat.
Nur merklich kühler ist es geworden.
Vor der Abfahrt spendiere ich Jan zum zweiten mal auf dieser Reise 0,25 Liter Öl.
Nach dem Passieren der Hafenmolen, empfängt uns ein Nord/West mit 4 bis 5 Windstärken genau
gegen an. Die ersten drei Stunden der Fahrt sind somit relativ feucht, da bei dem Gegen an
Gestampfe jede Menge Wasser überkommt. Erst als wir ab Palanga auf Nordkurs gehen, wird es
deutlich angenehmer mit der Fahrerei.
Wir sind wohl auch durch die letzten Etappen etwas verwöhnt worden.
Zwischendurch schalte ich sogar für eine Weile die Heizung ein, da es doch recht kühl geworden
ist.
Um 09:00 Uhr passieren wir zum drittenmal auf dieser Reise eine Landesgrenze, wenn man das
kurze Gastspiel in russischen Gewässern mal außer acht lässt.
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Trotz ziemlichem Gestampfe von „Molly“ in der bewegten See, hole ich die litauisch Flagge
herunter und setze die lettische Gastflagge. Natürlich bin ich dabei, wie meiner Frau versprochen,
angeleint und trage meine Schwimmweste. Kurz nach Mittag sehe ich als ersten Gruß von Liepaja,
dem ehemaligen Libau, einen hohen , rot-weiß geringelten Schornstein.
Beim Blick durch das Glas erkenne ich aber die goldenen Kuppeln eines wesentlich schöneren
Gebäudes. Es sind die Kuppeln der orthodoxen Kathedrale St.-Nikolai, die eines der prächtigsten
Sakralgebäude in Lettland ist. Eine Stunde später haben wir am Südufer des Tirdzniecibas-Kanals
festgemacht, praktisch im Mittelpunkt der Stadt.
Hinter mir liegen die „Harlekin“ und die “Ruby“, die gestern hier angekommen sind.
Durch deren Erfahrungsvorsprung erfahre ich auch gleich, wo man hier gut essen gehen kann.
Bei den Preisen muss man sich hier etwas umstellen, denn zum erstenmal ist das Verhältnis Euro –
Landeswährung umgekehrt. War es in Polen und Litauen noch so, dass man für einen Euro
3,45Zloty beziehungsweise Litt bekam, muss man hier für einen Lats, 1,43 Euro bezahlen.
Prompt verrechne ich mich, als ich an der Tankstelle Diesel in Kanistern holen will.
Das ist dort nur gegen Vorkasse am Automat möglich. Ohne genau zu rechnen, schiebe ich einen
zwanzig Latsschein in den Schlitz des Automaten und beginne den Kanister zu füllen.
Der ist aber schon bei 16,30 Lats voll. Einen zweiten Kanister habe ich nicht dabei und so muss ich
notgedrungen das restliche, einbezahlte Geld verfallen lassen, da eine Rückgabe nicht vorgesehen
ist.
Also doch kein Schnäppchen, bei dem an sich günstigen Preis.
Bei den nächsten vier Kanistern, die ich dort noch hole, rechne ich besser und so bin ich insgesamt
beim Dieselpreis doch noch etwas günstiger als in Deutschland oder Polen.
Trotz des Fehlers beim ersten Kanister bezahle ich per Liter durchschnittlich nur 1,20 Euro.
Ohne meine Dummheit wären es sogar nur 1,18 Euro gewesen.
Nachdem „Molly“ versorgt ist, steht eine Stadtbesichtigung, inklusive des etwas außerhalb
liegenden größten, ehemaligen, russischen Militärgeländes Karosta, an.
Dort steht die schon von weitem gesehene St.-Nikolai Kathedrale.
Hier zu leben wäre für mich unvorstellbar. Riesige, triste Plattenbauten, zum großen Teil
leerstehend und heruntergekommen, prägen das Bild des Stadtteiles.
Mitten in dieser Tristesse steht in einem Park die wunderschöne Kathedrale.
Allerdings ist auch sie renovierungsbedürftig.
Wie überall in den baltischen Staaten bisher, ist aber auch hier alles sauber und aufgeräumt und
nirgends findet man Müll oder Unrat.
Im Zentrum von Liepaja findet man viele schöne Gebäude, überwiegend im klassizistischen Stil,
aber auch viel Mangel. Viele alte Stadthäuser, die oberhalb des Sockels aus Holz gebaut sind,
prägen noch das Stadtbild. Irgendwie erinnert alles doch stark an eine russische Stadt, was durch
viele Kraftwagen, russischer Bauart, noch verstärkt wird.
Man spürt, dass dieses Gebiet bis vor ungefähr fünfzehn Jahren , doch sehr stark vom Rest der Welt
isoliert war. Das hing natürlich damit zusammen, dass hier einer der größten Stützpunkte des
russischen Militärs außerhalb des Mutterlandes war. Hier lagen auf Grund der ganzjährigen
Eisfreiheit des Hafens, unter anderem große Teile der sowjetischen U-Bootflotte.
Entsprechend abgeschirmt war die ganze Region.
Überall sieht man aber die Zeichen des Neuaufbruchs und rege Bautätigkeit.
Etwas ungewöhnlich sind auch die Duschen und WC`s im Hafengebäude, einem umgebauten
Lagerhaus. Es gibt drei separate Bäder mit modernen Duschen und Toiletten. Diese müssen sich
hinter keiner Hotelanlage verstecken. Alles ist sauber und modern.
Mit umgerechnet 15,50 Euro Liegegeld pro Nacht haben allerdings auch die Preise westliches
Niveau erreicht.
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Von Liepaja aus, geht es weiter nach Pavilosta, einem kleinen Fischerhafen an der Mündung des
Flusses Saka. Bei nordöstlichen Winden zeigt sich, dass auch Motorboote ihre Vorteile haben.
Während ich nach etwa fünf Stunden und 28 gefahrenen Meilen in Pavilosta ankomme, müssen die
„Ruby“ 37 und die „Harlekin“ sogar 44 Meilen zurücklegen.
Durch das Kreuzen gegen den Wind sind sie somit doch eine ganze Weile länger unterwegs.
Pavilosta ist ein beschauliches ,kleines Dorf, mit überwiegend nur geschotterten Straßen.
Schöne Wälder liegen rund um das Dorf. Der Hafenmeister, ein junger Mann der in Deutschland
studiert hat und noch viele Verbindungen dorthin besitzt, spricht perfekt deutsch.
Die Marina ist noch im Aufbau und im Hafenführer gar nicht verzeichnet.
Am nächsten Morgen stehe ich schon in aller Frühe auf und mache einen Waldspaziergang mit
Skip. Wir haben schönstes Wetter und sehen unter anderem einen großen Rehbock mit sehr langen
Gehörnstangen. Zurück an Bord entscheide ich mich dafür ,gleich weiter nach Ventspils zu fahren,
da außer der schönen Natur hier nichts weiter sehenswert ist.
Natur hoffe ich, noch genug zu sehen.
Auch „Ruby“ und die „Harlekin“ schließen sich mir an.
Wir können den Hafen gerade noch verlassen, bevor er wegen einer Öl-Bekämpfungsübung durch
eine Ölsperre geschlossen wird.
Auch die beiden Segler müssen motoren, da der Wind wieder aus Nordost kommt.
Wir sind bei Marschfahrt gut einen Knoten schneller als die beiden und verlieren sie bald aus den
Augen.
Kurz nach 10:00 Uhr überqueren wir mit 57°04`Nord auch den bisher nördlichsten Punkt den
„Molly“ bisher mit Alborg im Limfjord erreicht hat, Richtung Norden.
Zwei Stunden später kommt ein Boot der lettischen Border – Guard angeprescht und geht ein paar
Meter neben uns auf Parallelkurs. Ich spreche sie auf Kanal 16 an und sie bitten mich auf Kanal 11
zu gehen. Nach Angaben über woher und wohin, sowie über die Mannschaftsstärke, bedanken sie
sich und drehen wieder ab.
Die Letten scheinen einen ausgeprägten Hang zur Überwachung zu haben.
Auch nach der Ankunft in Ventspils, dem ehemaligen Windau, ist das erste was der Hafenmeister
haben will, eine Crewliste. Auf meinen Hinweis zu Europa und Schengen, reagiert er etwas
eingeschnappt. Ich sage ihm , dass ich keine Crewlisten an Bord habe und ihm auch keine schreiben
werde. Wenn er darauf trotz der Unterzeichnung seines Landes unter dem Schengenvertrag bestehe,
müsse er sie schon selbst schreiben. Die Angaben dazu würde ich ihm selbstverständlich geben. Er
mosert zwar ein wenig darüber, aber genauso machen wir es dann auch. Im Laufe der nächsten Tage
,die ich dort verbringe, stellt sich heraus, dass der Hafenmeister ein wirklich sehr freundlicher und
hilfsbereiter Mensch ist. Ich spreche ihn nochmals auf diese leidige Crewlistengeschichte an und
auch er kann mir nicht sagen wozu das ganze immer noch verlangt wird und was damit geschehe.
Er müsse sie eben einfordern und abgeben. Seiner Überzeugung nach wird das aber auch bald der
Vergangenheit angehören.
Rund zwei Stunden nach mir treffen die „Harlekin“ und wenig später auch die „Ruby“ in Ventspils
ein. Rainer will am nächsten Morgen gleich weiter Richtung Riga, um vor der angesagten
Wetterverschlechterung dort anzukommen und seinen Flieger nach Deutschland zu erreichen.
„Ruby“ und „Molly“ wollen hier den Durchzug der Front abwarten, bevor es durch die Irben-Straße
in die Rigaische Bucht weitergeht.
Ventspils entpuppt sich bei näherem Hinsehen doch als eine ganz nette Stadt, was man rund um den
Hafen gar nicht so vermutet hätte.
Zur Stadt sind es gut eine halbe Stunde Fußweg, aber wie gesagt, es ist recht schön dort.
37
Nur die Behörden gehen mir hier in Lettland etwas auf den Geist.
Nicht nur, dass ständige Gedränge nach der Crewliste, kaum dass die erste Leine an Land ist, auch
beim Spaziergang mit Skip werde ich von der Policia kontrolliert.
Zuerst wollen sie die Registriermarke von Skip sehen. Nachdem ich die ihnen gezeigt habe, fragen
sie nach einem Beutel zur Aufnahme eventueller Hinterlassenschaften.
Da Skip dies für heute schon erledigt hat, habe ich keinen Beutel mehr einstecken.
Deswegen wollen sie 15,00 Lats von mir. Ich weigere mich zu bezahlen und biete ihnen an, mich
auf dem Weg zum Hafen zu begleiten. Falls doch ein Malheur passieren sollte in Sachen
Straßenverunreinigung, würde ich dann auch bezahlen. Sie versuchen mir klarzumachen, dass in
Lettland die Pflicht besteht, immer einen Beutel mitzuführen.
Ich gebe allerdings nicht nach und lehne es ab, eine Strafe zu bezahlen.
Nun wollen sie meinen Ausweis sehen.
Nachdem ich ihnen klar gemacht habe, dass mein Wohnort nicht „Bürgermeisteramt“ ist und ich
auch nicht „Braun“ heiße, sondern das meine Augenfarbe ist, drehen sie den Ausweis noch ein paar
mal in ihren Händen und werden etwas umgänglicher.
Sie erklären mir, noch einmal großzügig über mein Vergehen hinwegzusehen, aber dass sie uns im
Auge behalten würden. Ich antworte, dass ich kaum glaube, dass wir uns nochmals wiedersehen
würden und wünsche ihnen eine gute Zeit.
Aber ich sollte mich getäuscht haben.
Auf dem nur ungefähr einen Kilometer langen Weg zum Hafen, fahren sie noch zweimal an mir
vorbei, um auch ganz sicher zu gehen, dass Skip keinen Anschlag auf die Sauberkeit ihrer Stadt
verübt.
Über diese Art bin ich schon etwas angefressen. Da ich ein großer Befürworter des europäischen
Gedankens bin, meine ich aber, man sollte, wenn man unbedingt Mitglied der europäischen
Gemeinschaft sein will, nicht nur die Subventionen von dort einstreichen, was an jeder größeren
Baustelle auf den Hinweisschildern zu lesen ist, sondern auch deren Reise- und Kontrollstatus
übernehmen.
Heute ist Sonntag und wir liegen mittlerweile schon den dritten Tag hier in Ventspils beim
„Jahtklubs“. Der Morgenspaziergang mit Skip führte uns an das Ende der Südmole, wo ich das
Hundebarometer befragte, ob ein Auslaufen sinnvoll sei.
Hundebarometer?
Kennen sie nicht?
Das funktioniert folgendermaßen: Man lässt den Hund genau in Windrichtung schauen. Bleiben die
Ohren stehen, kann man auslaufen. Werden sie angelegt, ist es besser noch einen Hafentag
einzulegen. Bei Hunden mit Hängeohren wird es leicht abgewandelt. Hängende Ohren bedeuten
akzeptable Windverhältnisse und sind die Ohren ausgeweht, sollte man besser liegen bleiben.
Bei ca. 5 Beaufort zeigen sich die Ohren von Skip unentschlossen. Die Sache ist grenzwertig und
ich beschließe liegen zu bleiben und dafür morgen ein größeres Stück zu fahren.
Gerade hier in Ventspils, das mit umgerechnet 17,00 Euro pro Nacht der bisher teuerste Hafen ist,
liegen wir jetzt doch länger als geplant fest.
Sei es drum.
Die Sonne scheint und auch sonst lassen wir es uns gut gehen. Mit der Besatzung der „Ruby“ geht
es am Abend noch einmal zum Essen in ein Restaurant, denn die Mahlzeiten hier sind gut und
günstig.
Die Erwartung endlich weiterzukommen, lässt mich am folgenden Morgen schon um 03:30 Uhr
Bordzeit aus der Koje kriechen und nach einem kurzen Rundgang mit Skip alles seefest machen
und aufbrechen. Es herrscht nur schwach umlaufender Wind, was ideale Motorbootbedingungen
verspricht.
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Die noch immer vorhandene Altdünung ist zwar kräftig, aber langgezogen und weich. So rollen wir
unserem nächsten Ziel, Roja entgegen. Das sind immerhin gut 65 Meilen und so ist es ganz gut ,
dass wir früh weggekommen sind.
Gleißend weiß steht die Sonne über dem Horizont und das Meer glänzt wie flüssiges Silber.
Kurz vor 07:00 Uhr passieren wir das Kap Ovishi und folgen danach der Irben-Straße in die
Rigaische Bucht. Gegen Mittag liegt auch Kap Kolka hinter uns.
Alles geheimnisvolle und nach Fernweh klingende Namen, die ich bislang nur aus Büchern und
vom Wetterbericht kannte. In Zukunft werde ich, wenn ich diese Namen höre, Erinnerungen damit
wach rufen können und so einen ganz anderen Bezug dazu haben.
Einem einzigen Segelboot begegne ich auf der elf Stunden langen Strecke, dessen Besatzung zwar
freundlich winkt, aber sich nicht über Funk meldet. Ich glaube, dass es sich um ein deutsches Boot
gehandelt hat, konnte aber mangels Wind die Flagge nicht genau erkennen.
Am Nachmittag kommen wir in Roja an.
Das ist ein kleines Städtchen mit einem Fischereihafen und einer Verladestelle für Holz.
Viel mehr gibt es über den Ort nicht zu sagen.
Man kann dort allerdings wunderbar in den umliegenden Wäldern spazieren gehen, wobei man
durch unendliche Flächen von Blaubeeren wandert. Leider sind die zur Zeit noch nicht reif, so dass
man sich die Fülle, die es dort in ein paar Wochen davon geben wird, nur vorstellen kann.
Die Ortsbeschreibung trifft auch auf unseren nächsten Hafen, Engure zu, den wir tags darauf nach
knapp fünf Stunden Rollerei in der seitlichen See, erreichen.
Engure ist ein kleiner Ort, der vor sich hin dämmert. Fischerei scheint es dort kaum noch zu geben
und außer einer kleinen Bootswerft ist im Hafen kein Betrieb festzustellen. Das zeigt sich auch am
Hafen selbst. Die äußeren Molen sind verfallen und nur an einem verlassenen,
heruntergekommenen Wohnschiff, besteht eine Anlegemöglichkeit.
Gegen Abend gibt „Riga Rescue Radio“ eine Sturmwarnung heraus und ich setze vorsichtshalber
noch zwei zusätzliche Leinen. Die Hafeneinfahrt ist immerhin fast zweihundert Meter breit und
man liegt relativ ungeschützt in dem offen Hafenbecken.
Der Wind soll allerdings später etwas auf West drehen und das wäre dann deutlich besser.
Lassen wir uns mal überraschen, wie die Nacht wird.
Später kommt noch der Eigner des Wohnschiffes vorbei, um mir klarzumachen, dass ich dort liegen
könne, er aber für den Stromanschluss gerne zwei Lats hätte.
Ich bedanke mich und gebe ihm, mangels Kleingeld, drei Euro, womit er sehr zufrieden ist.
Der Wind hat in der Nacht zwar nicht weiter zugenommen, aber auch die versprochene
Westdrehung ist ausgeblieben.
Sie wird jetzt auf den Mittag angekündigt.
Mal sehen in wie weit das jetzt stimmt.
Vor der Winddrehung möchte ich jedenfalls nicht wegfahren, da mir die See von ein bis zwei
Metern von der Seite zu unkomfortabel ist.
Somit ist zuerst einmal ein größerer Spaziergang und dann „rein Schiff“ angesagt.
Die Arbeiter, die auch heute wieder an dem Wohnschiff werkeln, um es in einen besseren Zustand
zu versetzen, scheinen nicht all zuviel Vertrauen in meine Navigationskünste zu haben. Als ich sie
gestern bei meiner Ankunft nach dem Hafenmeister fragen wollte, erklärten sie mir ständig, dass ich
hier in Engure sei. Wahrscheinlich dachten sie, ich frage, wo ich denn hier gelandet sei.
Dies war übrigens bisher der erste und einzige Hafen im Baltikum, wo es niemanden interessierte
von woher ich gekommen sei und wohin ich als nächstes wolle.
Gegen Mittag scheint festzustehen, dass aus der vorhergesagten Winddrehung auf West, vorerst
nichts wird.
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Ich lege im Vertrauen darauf, dass die Drehung doch noch bald kommt ab und fahre los.
Es wird bei seitlicher See von deutlich mehr als einem Meter Höhe, eine elendige Rollerei und so
bin ich heilfroh, als wir nach langen fünf Stunden endlich die Mündung der Daugave erreicht
haben. Damit kommen wir aber vorerst vom Regen in die Traufe., denn durch den starken ,
auflandigen Wind und die auslaufende Strömung der Daugave, sind die ersten paar hundert Meter
zwischen den langen Molen, ein wahrer Hexenkessel.
Weiter oberhalb beruhigt sich der Fluss und wir fahren rund 15 Kilometer Flussaufwärts, wo wir
mitten in Riga im Jachthafen „Andrejosta“, festmachen.
Auch „Ruby“ treffen wir dort wieder, die gestern von Roja aus in einem Rutsch hier her kam.
Ebenso liegt dort die Segeljacht „Tonji“ aus Neustrelitz, die wir schon kurz in Ventspils gesehen
haben.
Bei der abendlichen Dusche, muss ich aber feststellen, dass, obwohl der Hafen sehr schön ist und
vor allem stadtnah liegt, die sanitären Einrichtungen keineswegs dem erwarteten Hauptstadtniveau
entsprechen. Von zwei Duschen hat nur eine einen Schlauch mit Duschkopf, das Wasser fließt
schlecht ab und der Raum riecht stark nach den Pissoirs , was nicht verwunderlich ist, da diese nicht
an die Wasserspülung angeschlossen sind.
Der Hafen liegt neben dem Seebahnhof und nachdem ich am Morgen einer großen Fähre beim
Anlegen zugeschaut habe, geht es in die Stadt.
Was mir als erstes auffällt, ist der enorme Verkehr dort. Der beruhigt sich aber schlagartig, sobald
man in den Bereich der Altstadt kommt. Dort sind überall Kontrollstellen und es werden nur
Anwohner und Lieferanten durchgelassen.
Gerade habe ich angefangen meine Beweisfotos zu schießen, die belegen sollen, dass diese Reise
kein Traum ist sondern wirklich stattgefunden hat, als an meinem Fotoapparat die Anzeige: „Accu
aufladen“ zu blinken beginnt.
Also zurück an Bord, wo Skip sichtlich erfreut darüber ist, dass seine Einsamkeit so schnell beendet
wird.
Zwei Stunden später geht es erneut auf Landgang.
Riga ist eine fantastische Stadt, die Danzig, was die Bauwerke angeht, durchaus gleichwertig ist,
wenn sie es nicht sogar in den Schatten stellt.
Abgesehen von den üblichen Sehenswürdigkeiten wie den Dom, die St. Petri-Kirche, das
Schwarzhäupterhaus und vielem mehr, finde ich den Zentralmarkt, der in fünf ehemaligen
Zeppelinhallen stattfindet, am beeindruckendsten. Eine der Hallen ist nur für den Fischhandel
reserviert und vom Stör bis zu Fischköpfen findet sich dort alles was das Meer zu bieten hat.
Besonders auffallend sind die unzähligen Stände mit bunten Blumen und Pflanzen.
Da ich auf unserer Reise Nordostwärts praktisch dem Frühling hinterher fahre, habe ich seit
Anfang April Frühling.
Am Abend brennt mir der Skipper der „Tonji“ die ersten 350 Fotos aus meinem Kameraspeicher auf
eine CD, so dass diese schon einmal gesichert sind.
Zurück auf „Molly“ , helfe ich einem Letten mit seinem Powerboot beim Anlegen in der Box
nebenan. Das Boot mit ungefähr der gleichen Länge wie „Molly“, hat 1.500 PS und läuft 110
Knoten. Es muss ein irres Gefühl sein, mit fast 200Kilometern in der Stunde über das Wasser zu
rasen, aber mit meinem Verständnis vom Bootfahren hat es nicht mehr viel zu tun.
Außerdem ist bei einem Stundenverbrauch von über 200 Litern wohl auch die Reichweite eher
bescheiden.
Am nächsten Vormittag geht es wieder in die Stadt. Unzählige neue, schöne Ecken entdecke ich
dort, unter anderem auch, dass man mit einem Lift auf den Turm der St.-Petri-Kirche fahren kann.
Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen.
Der Panoramablick, der sich einem von dort oben bietet, ist unbeschreiblich.
Eine weitere Premiere für mich ist der Besuch eines Internetcafes.
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Dort gehe ich für 0,35 Lats ins Netz der Netze und tippe mal wieder eine Standortmeldung ins
„Boote-Forum“. Wie ich eine Mail nach Hause schicken kann, erschließt sich mir nicht so ganz. Da
muss ich heute Abend mal den Skipper der „Tonji“ fragen, der auf diesem Gebiet Spezialist ist.
Riga verschwindet langsam hinter dem Horizont und um uns herum ist nur die von drei
Windstärken leicht bewegte Rigaische Bucht. Nur an Steuerbord ist noch ein leichter Schatten der
Küste zu erahnen. Eigentlich hatte ich nur nach Skulte fahren wollen, aber da es so gut lief,
beschloss ich, schon kurz nachdem wir die Daugave verlassen hatten, bis nach Salacgriva
durchzufahren. Während der ganzen gut acht Stunden langen Überfahrt, begegnen wir nicht einem
einzigen Schiff oder Boot. Einziges Highlight der Strecke war, dass wir um 15:00 Uhr, nach genau
176 Stunden Reisedauer, die ein tausendste Meile dieses Törns hinter uns ließen.
Die Luftlinien Distanz nach Wilhelmshaven lag in 248°, bei genau 600 Seemeilen.
In Riga hatte ich vor dem Verlassen des Hafens noch einmal 165 Liter Diesel, zu einem Preis von
1,25 Euro per Liter, gebunkert und somit den Tank wieder voll gemacht.
Salacgriva ist ein kleiner, verschlafener Ort auf ungefähr halbem Wege zwischen Riga und der
Estnischen Grenze.
Am Steg sind wir das einzige Boot, das dort festgemacht hat und ich habe den Eindruck, dass der
Grenzbeamte, der die üblichen Daten abfragt, sich richtig freut, mal wieder ein Boot hier zu haben.
Zwei Stunden später stimmt meine Aussage von eben schon nicht mehr, da inzwischen „Ruby“ am
Steg festgemacht hat. Die war kurz vor mir in Riga aufgebrochen und sie hatten eigentlich auch nur
nach Skulte fahren wollen. Da der Wind unterwegs aber immer mehr auf West drehte und so
günstiger wurde, sind sie dann auch gleich bis hier durchgefahren.
Hier gibt es nun aber auch wirklich gar nichts, das einem länger hier halten könnte und so verlassen
wir Salacgriva am nächsten Morgen schon bei Zeiten.
Positiv bleibt in Erinnerung, dass der Stegplatz inklusive Strom, nichts kostete, oder zumindest
niemand kassiert hat.
Als ich später bei nur leichtem Seegang mein zweites Frühstück zu mir nehme, habe ich schon die
Gastflagge von Estland gesetzt.
Die Flagge mit den Streifen in blau für den Himmel über Estland, schwarz für die gute Erde des
Landes und weiß für den unberührten Schnee der dort fällt, ist nun schon die vierte, die auf dieser
Reise an der Steuerbord Sailing des Mastes flattert.
Kurz nach Mittag passieren wir die Insel Kihnu, die am Backbord Horizont auftaucht und unser
übernächstes Ziel sein soll.
Zuerst laufen wir aber in die Pärnu-Bucht ein, wo es in die lange Rinne, der über Richtlinien
bezeichneten Zufahrt, nach Pärnu geht.
Am Nachmittag mache ich längsseit am Steg des „Jahisadam“ von Pärnu fest. Eigentlich sind dort
Heckbojen zum Festmachen ausgelegt, aber da im Hafen noch jede Menge Platz ist, hat niemand
etwas dagegen, wenn ich längsseit an den Steg gehe. So ist das an und von Bord gehen für Skip
doch wesentlich einfacher.
Pärnu ist eine nette, alte Kurstadt, mit Kursaal, Therme, Strand und allem was so dazugehört.
Sie liegt am Ufer des Pärnu-Rivers, dem längsten Fluss von Estland.
Das Städtchen ist sehenswert und nennt sich die Sommerhauptstadt von Estland, was sich auch
jetzt, ganz am Anfang der Saison, schon erahnen lässt.
Da auch die Einrichtungen im Jahisadam, der von einem Hotel betrieben wird, sehr ordentlich sind,
kann man es dort schon ein paar Tage aushalten.
Beim Geldwechsel auf estnische „Krooni“, stelle ich fest, dass ich mich hier schon wieder ziemlich
umstellen muss.
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Bei einem Wechselkurs von 1Euro zu 15,6 estnische Krooni, kostet zum Beispiel das Hafengeld für
einen Tag 250 Krooni. Da schluckt man erst mal, bis man ausrechnet, dass es mit umgerechnet 16
Euro doch im normalen Bereich liegt. Allerdings werden hier keine Unterschiede bei der Größe des
Bootes gemacht, so dass die 20m Yacht genauso viel Liegegeld wie das 6m Boot bezahlen muss.
In der estnischen Sprache gibt es für uns einige lustige Ausdrücke. So heißt die Polizei hier
„Politsei“, Strom wird passend „Elektritööt“ genannt, die Bank ist die „Pank“ und Hafen heißt
„Sadam“. Beim ersten Hinweisschild, das zum Stadtteil am Hafen führte, musste ich doch
schmunzeln, als ich den Wegweiser nach „Sadam-City“ las. Für Amerikaner ist das sicher politisch
nicht ganz korrekt. Die trifft man hier allerdings eher selten.
Der zweite Liegetag, den ich unter anderem auch wegen des starken Windes in Pärnu verbrachte,
sah mal wieder Waschtag, Bootsreinigung und Pflegearbeiten vor. Den ganzen Tag über wehte es
mit gut 6Bft, war aber wie gewohnt sonnig .Am nächsten Morgen hatte es sich ausgeweht und wir
fuhren bei max. 3Windstärken nach Kihnu. Laut Hafenhandbuch sollen dort ein paar Liegeplätze an
einer verfallenen Pier sein .Das ist aber nicht mehr aktuell, denn seit Anfang des Jahres liegt dort
ein großer Schwimmsteg mit 22 Heckbojen. Da ich jedoch bei meiner Ankunft das einzige Boot
dort war, ging ich am Steg längsseit. Auch Strom gibt es am Steg. Mit den Preisen haben die Esten
aber noch gewisse Gestaltungsprobleme. Mit umgerechnet 20 Euro pro Nacht ist es der bisher mit
Abstand teuerste Liegeplatz auf der Reise. Als ich das der Hafenmeisterin sage, berechnet sie mir
für zwei Nächte nur einmal. Vielen Dank dafür!
Zwei Stunden später treffen „Tonji“ und noch eine halbe Stunde später auch „Ruby“ in Kihnu ein.
Ihnen erklärte die Hafenmeisterin allerdings, dass es sich um einen Irrtum handelt und sie den
vollen Preis pro Tag zahlen müssen.
Das hohe Preisniveau trifft allerdings nicht auf alles zu. So kann man im Ort beispielsweise für
umgerechnet vier Euro, hervorragend essen.
Die rund 600 Einwohner von Kihnu leben schon sehr abgeschieden und es haben sich einige
Besonderheiten heraus gebildet. Zum Beispiel fahren auf der Insel viele alte Autos ohne
Kennzeichen und Zulassung herum. Vor allem die sehr häufig anzutreffenden Motorräder,
russischer Bauart, die anstelle eines Beiwagens, eine Kiste haben, sind fast alle nicht zugelassen. In
der Kiste wird vom Fischgerät über Kanister bis zur Oma alles transportiert. Als „Busse“ sind
kleine LKW eingesetzt, auf deren Ladefläche sich bis zu 20 Leute drängeln. Wenn zwei- bis dreimal
im Monat die Polizei vom Festland auf die Insel kommt, ruft der Kapitän der Fähre in Kihnu an,
damit alles, was nicht ganz dem Soll entspricht, kurzfristig abgestellt wird.
Ansonsten bietet die Insel eine grandiose Natur und Ruhe pur. Mit der Ruhe war es allerdings am
Abend vorbei, als der Wind wieder auf 5 bis 6 Bft. aus N/O auffrischte.
Da Kihnu ja keinen richtigen Hafen hat, sondern nur eine lange Pier, die nach Norden und Osten
ungeschützt ist, wurde es sehr unruhig am Steg. Das war die Gelegenheit, meinen ÜberlebensArbeitsanzug einmal zu testen.
Also: In den Anzug geschlüpft, eine Leine genommen und zur Heckboje geschwommen. Nachdem
die Leine dort durchgeführt war, wieder an Bord, die Leine vorne und hinten belegt und dicht
geholt. Schon lag „Molly“ einen Meter vom Steg ab und konnte frei die Wellen abreiten, ohne
ständig am Steg zu scheuern. Da die Liegesituation so nun ganz komfortabel war, blieben wir,
genau wie „Ruby“ auch noch am folgenden Tag in Kihnu liegen und ergriffen nicht die Flucht vor
dem schaukeligen Liegeplatz wie die „ Tonji“.
Ich nutzte den nächsten Tag auch dazu, außer für ausgedehnte Spaziergänge mit Skip, das Beiboot
und den Außenborder mal wieder zu testen. Beides war OK und ich musste, außer einmal den
Vergasersumpf zu entleeren, nichts machen. Skip war natürlich wieder glücklich, mit seinem
geliebten Beiboot fahren zu dürfen. Nachmittags war auf „Ruby“ Grillfete angesagt.
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Wir nähern uns dem 60.Breitengrad
Rigaische-Bucht - Helsinki
Die Sonne weckte mich am nächsten Morgen kurz vor 5:00 Uhr Bordzeit und ich entschloss mich,
auf zu stehen, alles klar zu machen, einen Rundgang mit Skip zu absolvieren und ab zu legen. Gut
sechs Stunden später machte ich am Ausleger des Steges von Virtsu fest.
Nachdem ich „Molly“ so gut und kunstvoll wie möglich angeleint hatte, merkte ich, dass bei der
ungeschützten Lage des Anlegers nach Nordwesten, das eine sehr unruhige Liegerei werden würde.
Ich fragte den Hafenmeister ob ich längsseit an den Steg könnte und so mit dem Bug gegen den
Wind läge und nicht quer dazu. Angesichts dessen, dass ich sowieso das einzige Boot dort war,
hatte er natürlich nichts dagegen. Somit war das Liegeproblem schon mal gelöst. Zum lauschigen
Plätzchen wurde Virtsu dadurch allerdings nicht.
Nicht nur, dass die Fähren im 30 Minuten – Takt ungeheure Mengen an Autos und Personen auf die
Inseln Saaremaa und Muhu verfrachteten, zu allem Überfluss legte kurz nach mir noch ein Kümo
an, der über eine Rüttelanlage, Schotter, der mit Lkws angekarrt wurde, in seine Laderäume füllte.
Erst gegen 01:00Uhr war die Beladung abgeschlossen und es kehrte wieder Ruhe ein.“Molly“ war
bis dahin aber so eingestaubt, dass am Morgen vor der Abfahrt nach Haapsalu erst einmal Deck
waschen angesagt war. Auch der Landgang mit Skip war in Virtsu etwas schwieriger, da die Treppe,
die auf den Hauptsteg führte, solch ungewöhnliche Speichen-Trittstufen hatte, dass sie für Hunde
unpassierbar waren. Also war Tragen angesagt.
Als „Molly“ vom Staub befreit war, hielt uns also nicht mehr viel in Virtsu fest und es ging los. Der
Wind frischte immer mehr auf und als wir am Nachmittag in Haapsalu ankamen, hatte er gut 5 bis
6Bft. erreicht. Da er genau quer zum Anleger kam, war ich ganz froh darüber, dass am Steg schon
die „Tonji“ lag, deren Skipper mir beim Anlegen behilflich war. Die Marina, die im Hafenführer als
die teuerste beschrieben war, hielt eine Überraschung bereit. Es waren Schilder angebracht auf
denen stand: „Marina is closed by Authorities. In case of emergency please use Pier H only. For
free. No services available.”
Das hörte sich doch mal gut an. Selbst Strom war am Steg noch verfügbar.
Haapsalu hat außer seinem interessanten Namen auch noch andere Sehenswürdigkeiten zu bieten.
Neben der alten Bischofsburg mit der Domkirche ist auch der alte Bahnhof, an der auf Betreiben
von Zar Nikolai II 1905 gebauten Bahnstrecke von Tallin nach Haapsalu, zu besichtigen. Er hat den
längsten, überdachten Bahnsteig Europas (216m).
Heute ist der Bahnhof ein Bahnmuseum und auf den Gleisanlagen sind ein paar alte Loks zu
besichtigen. Dann wäre da noch das alte Kurhaus und unzählige, teils schön restaurierte Holzhäuser.
Vor mir haben sich schon viele Mitglieder des russischen Zarenhofes und der Komponist
Tschaikowski, Haapsalu angeschaut und es als ein schönes Städtchen empfunden.
Ganz besonders stolz sind sie hier auf ihren Heilschlamm aus der See und darauf, dass sie der
sonnenreichste Ort Estlands sind. Haapsalu diente übrigends Ilon Wikland, der Illustratorin von
Astrid Lindgrens weltberühmten Kinderbüchern als Inspiration. Auch Astrid Lindgren verbrachte
ihre Kindheit in Haapsalu. Bei so vielen berühmten Vorgängern machte es mir auch nichts aus, noch
ein paar Tage in Haapsalu fest zu hängen.
Von Norden her zog ein Sturmtief über uns hinweg. Innerhalb weniger Stunden fiel das Barometer
von 1021 auf 1006. Der Wind frischte dabei auf gut 7Bft. auf, in Böen sicher auch noch mehr. Das
störte uns aber nicht weiter, lagen wir doch gut und zudem noch umsonst am Steg.
Mit dem gesparten Liegegeld ging es abends in das wunderschöne „Kuurhaus“, wo zusammen mit
der Crew der „Ruby“, in gepflegtem Ambiente köstlich gespeist wurde. Für meinem überbackenen
Lachs mit Kartoffelpüree, grünem Spargel und Sauce Hollandaise, einem Capuccino und einem
Stück Schoko-Käsekuchen, sowie je ein Bitter-Lemon und ein Bier bezahlte ich gerade mal
umgerechnet 15,00 Euro. So beschloss ich, dem Tief nicht böse zu sein, zumal das Ganze bei
Sonnenschein ablief. Unter diesen Bedingungen kann man schon mal eingeweht bleiben.
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Am nächsten Tag wurde der Strom auf den Steganlagen abgeschaltet, weshalb ich zum ersten Mal
auf dieser Reise meinen 2KW-Honda-Generator klar machte. Morgens und abends je eine Stunde
Laufzeit reichten aus um immer volle Batterien und heißes Wasser im Boiler zu haben.
Der Wind blieb bei konstanten 6-7 Windstärken und so erkundigte ich weiter den Ort. In der
öffentlichen Bibliothek konnte ich kostenlos im Internet surfen und wieder mal eine
Standortmeldung im „Boote-Forum“ absetzen. Da mir die nette Dame der Aufsicht ihre MailAdresse zur Verfügung stellte, war auch eine Mail nach Hause drin.
Kurz bevor wir in Haapsalu eingebürgert wurden, verließen wir es am vierten Tag, in Richtung
Lohusalu. Auf der knapp achtstündigen Fahrt dorthin, musste ich wieder mal lernen, dass wenig
Wind allein noch keine Garantie für eine angenehmen Fahrt ist. Obwohl es nur mit 4-5-Bft. wehte,
war die See durch die vergangenen Tage mit Wind um 7-8Bft. noch sehr rau und vor allem auf den
Kursen, wo die See seitlich kam, musste ich kleine Kreuzschläge einlegen, da „Molly“ sonst zu
stark rollte und sich dabei aufschaukelte.
Dazu kam noch, dass ich nach Verlassen des Hafens in Haapsalu feststellte, dass mein
Fluxgatekompass, der den Autopilot steuert, reine Phantasiewerte anzeigte. Auch der zweimalige
Versuch ,ihn neu zu kalibrieren, brachte keine Besserung. Ich schob das auf den äußerst eirigen
Kreis, den wir in der rauen See nur zustande brachten und beschloss, eine genauere
Ursachenforschung erst im nächsten Hafen zu betreiben.
So hatte auf dieser Fahrt nicht nur Karl eine Menge zu tun um das Klappern des Bootshakens zu
verhindern, sondern auch der Skipper war zum Rudergänger abgestellt worden.
Als wir nach gefühlten 12, in Wirklichkeit aber nur knapp 8Stunden in Lohusalu ankamen, war ich
doch ziemlich froh. Eigentlich hatten wir, wie „Ruby“ nach Paldiski gewollt, aber gegen 14:00Uhr
sagte Ruth von der „Ruby“, die zwei Stunden früher gestartet waren, über Funk, dass der Hafen für
Yachten total ungeeignet sei. So wurde Lohusalu zum nächsten Ziel.
Dort war ich zunächst ziemlich verärgert über den Hafenmeister, der darauf bestand, dass ich an der
Heckboje festmache, obwohl noch jede Menge Platz war. Auch mein Hinweis, dass ich allein sei
und mit dem Hund an Land müsse, beeindruckte ihn nicht. Also ging ich eben mit dem Heck zum
Steg an die Boje.
Als ich danach nochmals fragte, warum es denn nicht möglich sei längsseits anzulegen, wie ich das
bisher immer in allen Häfen durfte, meinte er nur: Das sei hier nicht üblich und außerdem müsste
ich dann das Doppelte zahlen.. Auch der einfache Preis hatte es mit umgerechnet 22,50 Euro für die
Nacht schon in sich. Das einzig gute war, dass die Duschen und die Sauna wirklich gut waren. Für
diesen Preis machte ich gleich drei Saunagänge.
Von diesem Luxus konnte man im nächsten Hafen, der Tallinn – Pirita nur träumen: Duschen
kostete extra und Sauna war nur in dem am Hafen gelegenen Hotel ,gegen Bezahlung, möglich.
Dafür durfte ich längsseit anlegen.
Der Fehler an meinem Fluxgatekompass war in Lohusalu übrigens schnell gefunden.
Ursache war, dass ich beim Umstauen der Vorräte eine Dose neben das Gehäuse der Elektronik des
Kompasses gelegt hatte. Nachdem diese wieder auf ihrem ursprünglichen Platz war, versah auch
„Robert“ seinen Dienst wie gewohnt.
In Tallinn, dem früheren Reval, war die Stadt ca.5km vom Hafen entfernt, aber es fuhren
regelmäßig Busse, so dass das kein Problem war. Als wir in Tallinn ankamen war der Hafen noch
relativ leer, aber da es Freitag war, änderte sich das zum Abend hin, schnell.
Finnen, wohin das Auge blickt und alle damit beschäftigt, vorwiegend alkoholische Getränke und
Zigaretten stapelweise an Bord zu schaffen. Viele nutzten Tallinn nur als billigen Einkaufsplatz und
verschwanden am nächsten Vormittag wieder.
Damit taten sie der etwa 400 000 Einwohner zählenden Stadt, deren Altstadt zum UNESCOWeltkulturerbe zählt, schwer unrecht. Sie ist nämlich sehr schön und es gibt viel zu sehen dort.
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Alles aufzuzählen ist unmöglich, denn schon allein bei den Kirchen hat man von normalen Kirchen
über Kathedralen bis zu orthodoxen Kirchen und einer Synagoge viel Auswahl.
Auch das Rathaus und die Stadtmauer muss man gesehen haben. Am beeindruckensten ist aber der
Gesamteindruck und die Blicke von den verschiedenen Aussichtspunkten, die es auf dem kleinen
Berg, auf dem die Altstadt liegt, mehrfach gibt. Die Stadt quillt über vor Leben, wozu auch die
vielen Touristen beitragen, die zum großen Teil von den Kreuzfahrtschiffen stammen, die in
größerer Zahl im Hafen liegen. Auch unsere alte Bekannte, die „Aida-Bella“ lag dort am Pier.
Während unseres Stadtbummels erlebten wir auch seit langer Zeit wieder einmal ein besonderes
Naturphänomen. „Wasser kondensierte an kleinen Staubpartikeln zu Tropfen, die dann zu Boden
fielen. Ich glaube, man nennt das „Regen“ und wir haben , seit kurz nach Beginn unserer Fahrt, so
etwas nicht mehr erlebt. Da dieser den Nachteil hat, dass man davon etwas feucht wird, verzogen
wir uns wieder an Bord.
Der nächste Morgen empfing uns schon wieder mit strahlendem Sonnenschein, allerdings blies es
mit 7Bft. Das brachte für einige Finnen ein Problem, da die meisten ja am Montag wieder auf der
Arbeit sein mussten. Gegen Abend flaute der Wind etwas ab, was dann einen Massenaufbruch zur
Folge hatte. Nun ist es wieder ziemlich leer im ehemaligen Olympiahafen von Tallinn.
Ich hatte den Tag noch einmal für einen ausgiebigen Stadtbummel genutzt und dabei die gesamte
Altstadt umrundet, wobei ich der zu großen Teilen erhaltenen alten Stadtmauer mit ihren vielen
Türmen folgte. Auf manchen der alten Wehrtürme kann man auch aufsteigen, was ich natürlich
auch tat. Das Flair, das diese Stadt hat ist wirklich unbeschreiblich.
Nach Danzig, danach Riga, dachte ich, dass es nicht mehr schöner geht, aber Tallinn ist bis jetzt die
Krone. Mein Nebenlieger, natürlich ein Finne, der mir schon seinen Heimatliegeplatz empfohlen
hat, meint allerdings, dass Helsinki locker mit Tallinn mithalten kann.
Tags darauf wollte ich mich selbst davon überzeugen und legte um 7:00Uhr ab. Erst noch an die
Tankstelle von Tallinn – Hafen, wo ich 130 Liter blauen Diesel bunkerte. Der entspricht unserem
roten und ist steuerfrei. Somit kostete der Liter auch nur 1,04€. Wenn ich die Informationen, die ich
eingeholt habe, richtig interpretiere, ist es so, dass seit Anfang 2008 steuerfreier Diesel für Yachten
auch in Finnland verboten ist. Da viele aber noch Restbestände in den Tanks haben, wird erst ab
dem kommenden Jahr kontrolliert.
Die eingesparten 40 Euro kann ich in Finnland sicher gut anderweitig gebrauchen, da die Preise
dort ein insgesamt höheres Niveau haben.
Bei fast Windstille querten wir dann den finnischen Meerbusen und wäre da nicht die Altdünung,
die vielen Fähren und vier französische Korvetten, die irgendwie immer in meiner Nähe waren und
für reichlich Schwell sorgten, hätte es eine sehr ruhige Fahrt werden können.
So aber musste ich doch ziemlich aufpassen und auch Karl hatte zeitweise viel zu tun, wenn wir die
Wellen der Fähren, Korvetten und anderer Schiffe abrollten.
Gegen Mittag setzte ich die finnische Gastflagge und kurz danach überquerten wir den 60.°
Breitengrad in Richtung Nord. Jetzt waren wir auch offiziell im Bereich der weißen Nächte, obwohl
es schon seit Haapsalu nicht mehr richtig dunkel wurde.
Als ich mir verdeutlichte, dass es bis zu meinem geplanten Ziel, dem nördlichsten Punkt der Ostsee
jetzt noch einmal knapp sechs Breitengrade sind, also nochmals die gleiche Strecke nordwärts,
wurde mir die Dimension dieser Reise so richtig klar.
Sobald wir in den Bereich der Helsinki vorgelagerten Inseln und Schären kamen, zeigte sich der
Vorteil eines Plotters noch einmal so richtig. Ohne ihn wäre die Navigation doch bedeutend
schwieriger. So war es aber kein Problem, den ausgesuchten Hafen Pohjoisranta beim „HMVK“
Club zu finden.
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Weiße Nächte
Helsinki – Alands
Der ist zwar mit 20,00 € die Nacht auch nicht gerade billig, aber im gegenüberliegenden Hafen
verlangen sie bis 10m Bootslänge 35€ und darüber sogar 40€. Dafür ist aber dann die Sauna
inklusive, aber das ist mir dann doch zu happig. Am ersten Tag machte ich abends nur noch einen
kleinen Spaziergang mit Skip und verschob die Stadtbesichtigung auf den nächsten Morgen.
Trotzdem machten wir zwei interessante Entdeckungen.
Auf der, durch einen Damm mit dem Hafen verbundene Insel Tervasaari gibt es einen großen,
eingezäunten Bereich, extra für Hunde und sogar einen kleinen Hundestrand. Das fand ich ganz gut,
musste ich doch keine Angst haben, dass Skip auf Tour geht, wenn er unangeleint ist. Da kann ich
mir sonst , wenn er eine Spur aufgenommen hat, nämlich nicht so sicher sein. So wurde sein
Jagdtrieb aber durch den Zaun in Grenzen gehalten.
Auch eine zweite Besonderheit fiel mir auf. In Finnland ist es Familiensport Teppiche zu waschen.
Es gibt dort dafür extra einen Steg, eine Art große Mangel zum Auspressen und Gestelle, auf denen
die gewaschenen Teppiche dann trocknen können.
Der nächste Vormittag empfing uns mit Sonnenschein, aber ab dem Nachmittag war Regen
vorhergesagt. Also nichts wie los zum Sightseeing. Eigentlich geht es mit den Sehenswürdigkeiten
schon im Hafen los. Direkt uns gegenüber liegen nämlich sechs gewaltige Eisbrecher, die den
Fahrbetrieb für die Schifffahrt auch im Winterhalbjahr ermöglichen.
Die Stadt selbst unterscheidet sich schon stark von den bisher besuchten. Sehr alte Bauwerke sucht
man vergebens, da die Stadt noch relativ jung ist und zudem 1808 durch einen Brand zerstört
wurde. Erst um 1840 wurde damit begonnen, die Stadt nach Plänen der Architekten Johan Albrecht
Ehrenström und des deutsch stämmigen Carl-Ludwig Engel zur Hauptstadt auf zu bauen, obwohl
Zar Alexander I. Helsinki, das damals nur 3500 Einwohner zählte, schon 1812 zur finnischen
Hauptstadt ernannt hatte. Inzwischen sind es ein paar Einwohner mehr geworden, aber mit 559 000
Köpfen, ist die Stadt immer noch überschaubar. Besonders das neoklassizistische Zentrum mit dem
Senatsplatz, dem Regierungspalais und der Domkirche, sowie die Uspenski-Kathedrale,die größte
russisch-orthodoxe Kirche Nordeuropas, gehören zum Muss einer Besichtigungstour durch
Helsinki. Auch der Bahnhof und die Alexanderstraße (Aleksanterinkatu), die beliebte
Einkaufsstraße der Stadt, gehören zu einem Stadtrundgang .Mit der Orientierung sollte es keine
Schwierigkeiten geben, sind doch alle Schilder zweisprachig. Allerdings in schwedisch und
finnisch, was die Sache schon wieder etwas schwieriger gestaltet. Da aber alles recht nah zusammen
ist halten sich Orientierungsprobleme in Grenzen.
Apropo Sprache: Ich muss hier etwas aufpassen, denn in meinem Heimatrevier in Ostfriesland habe
ich mir als Begrüßung, das „Moin, Moin“ angewöhnt. Im finnischen heißt „Moi, Moi“ aber
„Tschüß“ und hört sich genauso an. Es stiftet schon etwas Verwunderung, wenn man die Leute mit
„Tschüß“ begrüßt. Dann doch besser das freundliche „Hei“ (Hallo).
Der angesagte Regen war nur von kurzer Dauer und so konnten die restlichen Touren bei
Sonnenschein absolviert werden. Neben dem wirklich interessanten Markt am Hafen ist ein kleines
Postamt, in dem ich mir fünf Briefmarken kaufte. Diese sind selbstklebend auf einer Art
Streifenkarte und zeigen ein Gesamtbild, von dem jeder Teil eine Briefmarke ist. Dachte ich
zumindest und löste das unterste Bildchen ab um es auf meine Ansichtskarte zu kleben. Zum Glück
gab ich die dann der freundlichen Dame am Schalter und warf sie nicht in den Briefkasten. So kam
ich zu der Information, dass ich im Prinzip schon recht hätte, aber der unterste Teil des Bildes nur
ein Sticker ist und kein Postwertzeichen. Der einzige Unterschied war, wie mir dann gezeigt wurde,
dass auf den Briefmarken in dem Bildteil jeweils der Postwert stand, was auf dem Sticker nicht der
Fall war.
Ich denke, wenn ich von jeder Karte, die von Touristen mit einem Sticker, statt einer Briefmarke
auf den Weg geschickt wurden, das Strafporto bekäme, meine Reise wäre finanziert.
Am dritten und letzten Tag in Helsinki stand noch ein Besuch der Felsenkirche an. Diese ganz in
einem Granitfelsen gebaute Kirche ist bekannt für ihre gute Akustik und wird viel für Konzerte
genutzt.
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Der
richtige Name lautet: Temppeliaukio – Kirche.
Sie ist eines der großen Touristenmagnete in Helsinki und ständig von Busladungen voller
Besuchern, aus aller Herren Ländern, um- und belagert. Dass es sich eigentlich um eine Kirche
handelt, gerät dabei vollkommen in Vergessenheit. Unangenehm berührt hat mich beispielsweise ein
Amerikaner, der in Shorts und mit Baseballmütze auf dem Kopf überall herum wieselte und
fotografierte. Ich zähle mich bestimmt nicht zu den erzkonservativen Menschen, aber diesen ganzen
Rummel, der dort abläuft, finde ich für eine Kirche etwas unpassend.
Am Abend hätte ich beinahe noch einen ganz berühmten Nebenlieger bekommen, aber für die
„Princess 72“ reichte der Platz am Steg nicht aus, so dass Kimi Raikonen sich auf die
gegenüberliegende Seite legen musste. Ich hatte das gar nicht mitgekriegt und erst der Hafenmeister
erzählte mir am nächsten Morgen davon. Zuerst blickte ich gar nicht durch, was er mir da von
einem Eismann mit seinem Boot erzählte, bis ich dann endlich kapierte, dass er den Spitznamen von
Kimi Raikonen gebrauchte, der „Iceman“ lautet. Da es somit auch keinen „Snak“ über die Formel I
gab, konnte ich auch weiterfahren.
Die erste Schärenfahrt stand auf dem Programm, denn es sollte in den kleinen Hafen von
Drakesviken auf Porkkala, gehen. Da es Freitag war und Mittsommer anstand, waren viele
einheimische Boote unterwegs. Vor allem die schnellen Motorboote rasten ziemlich rücksichtslos
durch die Gegend und wir wurden ganz schön durchgeschüttelt. Dass darüber die Segler nicht
besonders erbaut sind, kann ich gut verstehen.
In Drakesviken kam zum ersten Mal mein neuer Bojenhaken zum Einsatz, als ich mit dem Heck
zum Steg anlegte. Da auch gleich ein freundlicher Finne zu Hilfe kam, klappte es prima. Die
Begrüßung lautete: “Happy Midsummer“ Leider spielte das Wetter nicht so richtig mit und es fing
nachmittags an zu regnen.
Der ehemalige Kripobeamte Klaus mit seiner Frau Evi, die mit der Berliner SY „Alegria“
unterwegs sind, entschlossen sich spontan Ruth und Wilfried von der „Ruby“, sowie Eleonora und
Brian von der irischen SY „Cork“ und meine Wenigkeit zu einer privaten Mittsommernachtsfeier
einzuladen. Darüber wurde es sehr spät, bzw. sehr früh und wir sahen dabei, dass es wirklich nicht
mehr dunkel wird. Klaus unterhielt uns mit seinem Akkordeonspiel und Evi verteilte SeesackLiederbücher, so dass die Runde auch kräftig mitsingen konnte. Selbstverständlich stand auch
irische Musik auf dem Programm, wozu Eleonora eine kurze Einlage in irischen Volkstanz gab.
Auch die genaue Größe von Brian wurde vermessen, nachdem es bei den englischen Maßangaben
Unstimmigkeiten gab. Der ehemalige Rugbyspieler brachte es auf genau 1,98 m. Als die beiden Iren
wenige Stunden nach unserer Feier den Hafen verließen, spielte Klaus zum Abschied:“ Muss i denn
zum Städtele hinaus“. Mit viel Winken verschwand die „Cork“ hinter der nächste Schäre.
Es ist wirklich toll, welch nette Bekanntschaften man auf solch einer Reise machen kann.
Die restlichen Partyteilnehmer entschlossen sich einen faulen Tag in Drakesviken einzulegen.
Ich brachte von meinem Morgenspaziergang mit Skip noch einen Mittsommerzweig mit, den ich in
den Mast band um zu zeigen, dass ich die Bräuche der Ureinwohner gut finde.
Unser nächster Liegeplatz war in Barösund, genauer in Orslandet. Mit 10,80m Wasser unter dem
Kiel war das die bisher größte Tiefe, über der „Molly“ an einem Steg gelegen hatte.
In einem Buch über eine Ostseerundreise steht zwar, dass die Bucht dort sehr flach sei, aber
irgendwie scheint das nicht ganz zu stimmen.
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Als kurz nach uns die „Ruby“ und die „Alegria“ dort anlegen, erlaube ich Skip aus dem Cockpit auf
den Steg zu kommen, um seine Streicheleinheiten von deren Besatzungen abzuholen. Das freute ihn
natürlich sehr und er beschloss, die Freude noch zu vergrößern, indem er sich, ohne auf
irgendwelche Rufe zu hören, auf einen Landgang begab.
Die Leute auf den anderen Booten begleiteten seine Flucht mit jubelnden „I am free“ Rufen.
Ich fand es weniger lustig und startete eine Suche nach dem flüchtigen Besatzungsmitglied.
Überraschenderweise führte die schon nach wenigen hundert Metern zum Erfolg. Vor einem nahe
gelegenen Haus war ein Maschendrahtgehege für Kaninchen aufgebaut. Die hatten zum Glück zu
der Zeit aber keinen Freilauf, sondern saßen verängstigt in ihrem Käfig, den Skip zu entern
versuchte.
Ich über den Zaun, ihn am Schlafittchen gepackt und zurück an Bord. Dort war fürs erste Bordarrest
und im Cockpit Leinenzwang angesagt.
Die netten Nachbarn auf den anderen Booten bedauerten das arme Tier sogar noch, dass seine
Freiheit nur von so kurzer Dauer gewesen war.
Am Steg, an dem die Übernachtung übrigens kostenlos war, gab Klaus von der „ Alegria“ am
Abend noch ein kleines Akkordeonkonzert, zu dem einige Finnen auf dem Steg sogar tanzten.
Zwei kleine Mädchen von einer ebenfalls dort liegenden Motoryacht bedankten sich bei ihm mit
einem schönen, selbst gepflückten Blumenstrauß für die schöne Musik.
Er war richtig gerührt.
Ein Finne wollte sich nicht lumpen lassen und pünktlich um 21 Uhr spielte er auf seiner Trompete
ein Signal, dass es Zeit wäre, die Nationalflaggen einzuholen.
Sein Repertoire beschränkte sich allerdings auf dieses eine Stück.
Tags darauf war es recht windig und es regnete auch immer wieder.
So fuhren wir durch das Innenfahrwasser nach Tammisaari. Da es dort im Yachthafen sehr voll war
und man auch an Heckbojen oder Pfählen anlegen musste, ging ich an einen Steg etwas außerhalb
des Hafens, an dem ich längsseits festmachen konnte.
Am nächsten Tag legte der Wind immer mehr zu.
Als abzusehen war, dass es die nächsten zwei Tage mit um die sieben Beaufort wehen würde,
wodurch der Aufenthalt in Tammisaari zwangsweise etwas verlängert würde, entschloss ich mich,
doch in den Haupthafen zu verholen, da es an dem freiliegenden Steg zu schaukelig wurde.
Wilfried und Ruth, die gerade von einem Spaziergang vorbei schauten, wurden kurzerhand als
Deckscrew angeheuert und so konnte ich trotz des starken Windes in das hinterste, freie Eck der
Marina fahren. Dort legte ich rückwärts am Steg an.
Dieser Platz hatte den Vorteil, dass die Sauna, die von 9:00 Uhr bis 11:30 Uhr kostenlos benutzt
werden konnte, direkt gegenüber lag.
Das nutzte ich am nächsten Morgen natürlich aus und hatte beim Saunieren einen wunderbaren
Blick auf den Hafen und „Molly“.
Eingeweht zu sein in Tammisaari war nun wirklich kein Beinbruch.
Erstens war das Wetter, trotz des starken Windes, sonnig und schön und zweitens ist Tammisaari ein
wirklich netter Ort.
Die Kleinstadt, auch unter dem Namen „Ekenäs“ bekannt, hat knapp 15 000 Einwohner, wovon
etwa 82% schwedischsprachig sind.
Gamla Stan – die Altstadt bietet eine Geschichtsstunde in finnischer Architektur.
Hauptsächlich vom Ende des 18. und 19. Jahrhunderts sind sehr viele alte Holzhäuser zu sehen und
an der Art der Holzverklinkerung oder der Bauart der Fenster kann man deutlich die einzelnen
Stilrichtungen und Bauepochen erkennen.
Auch eine schöne Feldsteinkirche aus dem Jahre 1680 ist zu sehen, die allerdings 1821 bei einem
großen Stadtbrand schwer beschädígt wurde und erst 1841 wieder aufgebaut war.
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Im Tourist-Office, am Marktplatz, bekam man gegen eine Pfandgebühr den Schlüssel für den alten
Wasserturm, den man besteigen konnte. Für die Bewältigung der vielen Treppenstufen wird man
mit einem fantastischen Blick über die Stadt und ihre Umgebung belohnt.
Eine Besonderheit, die ich bisher nur hier gesehen habe, sind die kleinen Tierbilder, die immer
wieder an den Häusern angebracht sind. Da sich mir der Sinn dieser Bildchen nicht erschloss, fragte
ich den Briefträger, der gerade auf seinem Rundgang war, was es mit diesen Bildern für eine
Bewandnis habe. Er erklärte mir, dass es sich dabei um eine alte Form der Orientierung handle. Das
jeweilige Bild stelle den Namen für dieses Areal dar. Früher sagte man einfach: Ich wohne am
Fisch, Elch oder was es eben sonst noch gab. So wusste jeder Bescheid auch ohne Straßennamen
und Hausnummern.
Am Abend unseres zweiten Liegetages wurde im Fernsehen das Halbfinalspiel der Fußball
Europameisterschaft übertragen. Wilfried und Klaus von der „Ruby“ beziehungsweise der
„Alegria“,wollten auf jeden Fall sehen, wenn Deutschland gegen die Türkei spielt, oder wie die
Berliner sagten: Deutschland gegen Kreuzberg.
Zuerst dachten wir an das malerische Sommerrestaurant „Knipan“, direkt am Hafen. Nach einem
Blick auf die Speisekarte dort und dabei speziell auf die Preise, entschieden wir uns dann aber doch
für ein nettes Lokal im Ort.
Dort war das Essen gut, die Preise angemessen und als Deutschland mit einem 3 zu 2 Erfolg auch
noch in das Finale einziehen konnte, war es ein richtig gelungener Abend.
Der Rückweg an Bord, kurz vor Mitternacht, hatte einen eigenartigen Reiz im Licht der gerade so
hinter dem Horizont abgetauchten Sonne. Es war zwar nicht mehr richtig hell, aber man hätte ohne
Problem eine Zeitung lesen können. Eben: Weiße Nächte.
Da wir finnische Zeitungen aber auch bei genügend vorhandenem Licht nicht lesen können, gingen
wir dann doch lieber in die Koje.
Der Wind blies am nächsten Morgen immer noch mit rund sechs Windstärken, aber wir
entschlossen uns trotzdem weiter nach Hanko zu fahren, da eigentlich nur die letzten sechs Meilen
durch etwas ungeschütztes Wasser führten.
So war es dann auch und nach ca. vier Stunden Fahrt legten wir in Hanko mit dem Heck zum Steg
und dem Bug an einer Boje vertäut, an.
Hanko ist der größte Gasthafen Finnlands und wirbt mit dem Spruch: Der Süden im Norden, für
sich. Es ist eine nette Kleinstadt und der Hafen ist trotz seiner Größe sehr gemütlich und bietet bei
entsprechenden Preisen, alles was das Herz des Bootsfahrers begehrt.
Die Skipper der „Ruby“ und „Alegria“, waren am ersten Abend schon mit dem Großbildschirm im
Hafen-Pub, zufrieden, wo ich mit ihnen zusammen das zweite Halbfinalspiel der EM zwischen
Russland und Spanien ansah. Obwohl ich eigentlich kein Fußballfan bin, machte das in der dortigen
Atmosphäre, richtig Spaß.
Zwei Russen, die mit ihrem umgebauten ,alten Rettungsboot ebenfalls in Hanko waren,, saßen mit
an unserem Tisch und wir konnten uns ganz gut auf englisch unterhalten.
Nach dem 3-0 für Spanien war deren Stimmung allerdings etwas gedrückt und einer von ihnen
verließ die Runde vorzeitig.
Er erhängte sich aber nicht wie vermutet an der Sailing seines Bootes, sondern ließ seinem Frust nur
bei einem Spaziergang freien Lauf. Wir versicherten ihm unser echtes Bedauern über das
Ausscheiden seines Landes und nach und nach konnte er sich dann doch damit abfinden. Dass das
Ergebnis nicht den Verlauf des Spieles widerspiegelte, war für ihn sowieso klar.
Der folgende Tag war Fußball frei, so dass wir beschlossen mit einem Power-Rib Boot zum
Hauensuoli (Hechtdarm) ,einem schmalen Sund zwischen zwei Hanko vorgelagerten Inseln zu
fahren.
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Dieser wurde ab dem 15. Jahrhundert als Hafen genutzt. Dort warteten die Seeleute oft lange auf
bessere Wind- oder Eisbedingungen und ritzten während der Wartezeit ihre Namen, Wappen und
andere wichtige und unwichtige Nachrichten in den harten Granit der kargen Insel. Heute würde
man das Graffitis nennen und es würde wahrscheinlich eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Erschwerend käme noch dazu, dass diese Kritzeleien sich nicht so einfach mit dem
Hochdruckreiniger entfernen ließen.
Da sie inzwischen aber alt genug sind, werden sie nun als Touristenattraktion vorgeführt.
Man nennt die Schäre auch das Gästebuch der Seefahrt.
Als wir unsere Tickets für die Fahrt mit dem 450 PS starken und 50 Knoten schnellen RIB lösten,
erklärte ich der jungen Dame am Tresen, die bei mir etwas verwundert schaute, als ich nur ein
Ticket wollte,nachdem Wilfried und Klaus je zwei gelöst hatten: „I gamble with my wife and she
lost. Now she must stay at home and I make this trip alone.“
Ob das grammatisch so ganz richtig war, bezweifle ich zwar, aber sie verstand was ich meinte und
sagte, dass dann ja sie mitfahren könnte. Ob das Angebot ernst gemeint war, prüfte ich nicht weiter
nach, da ich ja mit meiner Angetrauten ganz zufrieden bin und ohne deren
Unterstützung diese Reise gar nicht hätte machen können.
Es war schon ein Erlebnis mit fast 50 Knoten über die See zu jagen. Trotzdem fand ich die Fahrt
mit „Molly“ am darauf folgenden Tag mit bescheidenen 6,3 Knoten entspannender.
Sie brachte uns nach Kasnäs, nachdem ich zuvor in Hanko wieder einmal den Dieseltank
nachgefüllt hatte. Es passten zwar nur 72 Liter seit Tallinn in den Tank, aber die Rechnung war fast
genauso hoch wie dort für 126 Liter. Das lag daran ,dass der Literpreis in Hanko stolze 1,54 Euro
betrug. Die Preise von Polen und den baltischen Staaten sind nun wohl endgültig vorbei und ich
vermute, dass sie auch dort bald auf EU Niveau angehoben werden.
Kasnäs Jachthafen ist eigentlich gar kein richtiger Ort, sondern eine Ferienhaussiedlung mit Hotel,
Kongressräumen, Schwimmbad und allem was sonst noch zur Erholung dazu gehört.
Da im Hafengeld von 18,00 Euro auch die schöne Sauna enthalten war, gab es über diese Ausgabe
nichts zu meckern. Allerdings sind die Liegeplätze starkem Schwell der vorbeifahrenden Boote
ausgesetzt. Je länger ich hier in den teilweise engen Fahrwassern der Schären herum fahre, umso
mehr ärgere ich mich über die oft recht rüpelhaften Motorbootfahrer, die mit ihren stark
motorisierten Halbgleitern die Segler und die seltenen Verdränger Motorboote, hemmungslos
durchschütteln. Na ja, an Land hat man ja Ruhe vor ihnen und so mache ich mit Skip lange
Wanderungen durch die Wälder und über die Uferklippen.
Vor einer kleinen Felsbarriere, über die ich gerade hinweg steigen will, verhält sich Skip plötzlich
sehr merkwürdig und will nicht mehr weiter gehen. Deshalb schaue ich zuerst vorsichtig hinter den
Stein, bevor ich darüber steige. Zum Glück. Dahinter liegt eine gut 1,20 Meter lange Schlange
zusammengerollt in der Sonne. Das schwarze Reptil richtet sich sofort auf und zuckt zischend in
meine Richtung. Erst nach dieser Drohgebärde windet sie sich schnell weg und verschwindet
zwischen den Steinen.
Hätte Skip mich nicht durch sein Verhalten gewarnt, wäre ich mit Sicherheit mitten in die sich
sonnende Schlange getreten. Ein Biss wäre sicher die unvermeidbare Folge gewesen.
Dafür bekam er an Bord natürlich ein extra Lekkerli, zumal er den Abend ja alleine verbringen
musste, da ich mit den Crews der „Ruby“ und „Alegria“ das Endspiel der Europameisterschaft
anschauen wollte. Spanien gegen Deutschland hieß es und leider wurde Deutschland nur der zweite
Sieger dabei. 1 zu 0 lautete der Endstand und so konnte die extra mitgebrachte Deutschlandflagge
nicht zum Einsatz kommen.
Der nächste Morgen stand im Zeichen des Abschiednehmens.
Da ich nicht weiter in die Turku- Schären wollte, sondern über Jurmo, an Utö vorbei nach
Mariehamn, trennten sich unsere Wege.
50
Seit Nida waren wir nun mit Ruth und Wilfried von der „Ruby“ ,mehr oder weniger zusammen
unterwegs.
„Alegria“ mit Evi und Klaus war seit Helsinki dabei.
Auch das gehört zu einer solchen Reise. Man lernt viele, nette Menschen kennen, muss aber auch
oft Abschied nehmen.
Die Adressen sind ausgetauscht und ich denke, dass wir im kommenden Winterhalbjahr zumindest
telefonisch wieder voneinander hören und uns unsere gegenseitigen Reiseerlebnisse erzählen
können.
Bei fünf Beaufort aus Südwest, war die Fahrt nach Jurmo, das zusammen mit Utö am äußeren
Schärenrand liegt, recht holprig. Dafür entschädigte aber das kleine Eiland mit einer schönen
Natur. Jurmo, das nur etwa zehn feste Einwohner hat, wurde erst 1996 an die öffentliche
Stromversorgung angeschlossen, wie mir eine Gedenktafel verriet.
Es liegt nur rund 20 Seemeilen vom Untergangsort der „Estonia“, die am 28. September 1994
in der aufgewühlten Ostsee sank, entfernt. Über die Gründe für den Untergang wird immer wieder
spekuliert, aber egal was die Ursache war, es starben ca. 850 Menschen in der kalten See. Ich muss
oft an jene Schicksalsnacht denken und danke Gott, dass unsere Reise bisher unter solch einem
guten Stern steht.
Mein Schutzengel wurde allerdings auch auf Jurmo nicht arbeitslos. Bei einem Spaziergang über
die recht karge Insel, wo es nur einen kleinen Wald gibt und der Rest von Heidekraut überwuchert
ist, stöberte Skip schon wieder zwei Schlangen auf. Eine kleine war wieder so eine schwarze wie
die auf Kasnäs und sie war auch , obwohl sie nur ungefähr 40 Zentimeter lang war, sehr aggressiv.
Die zweite hatte ein leuchtend gelbes Zackenband auf ihrer ansonsten dunklen Haut und verzog sich
gleich.
Im kleinen Naturkundemuseum am Hafen, in dem zufälligerweise gerade für zwei Tage eine
Praktikumsbiologin aus Turku war, fragte ich diese um was für Schlangen es sich handelt. Von den
beiden gesehenen schwarzen, hatte ich recht gute Fotoaufnahmen gemacht. Sie war ganz erstaunt
und sagte mir, dass es bekannt sei, dass diese zwei Schlangenarten dort leben.
Selbst habe sie aber noch nie eine zu Gesicht bekommen. Die schwarze sei eine Viper, die auch
ziemlich giftig sei und speziell für Skip eine Gefahr darstelle. Bei Menschen komme es auf die
Verfassung an und wie schnell ärztliche Hilfe geleistet werde.
Ich hatte zwar bei Finnland an urige Natur und wilde Tiere gedacht, aber eigentlich eher an Elche,
Bären und Wölfe.
Irgendwie kann ich jetzt gar nicht mehr so entspannt spazieren gehen und bei jeder Maus, nach der
Skip springt, befürchte ich, dass es sich um eine Viper handelt.
Trotz Schlangen hätte ich es schon noch eine Weile auf Jurmo ausgehalten, aber inzwischen
schreiben wir schon den ersten Juli und ich muss langsam ein paar Meilen machen, wenn ich die
komplette Runde um die Ostsee noch schaffen will. Also ging es am nächsten Tag weiter nach
Helsö, einem Hafen im Norden der Insel Kökar. Gegen 10:00 Uhr lief ich in die Gewässer der
autonomen Provinz Aland ein, die rund 27.000 Einwohner zählt. Von diesen leben ungefähr 11.000
in der einzigen Stadt Alands, Mariehamn. Der Rest verteilt sich auf die 65 bewohnten, der
insgesamt 6.500 Inseln, die zur Provinz gehören. Aland hat eine eigene Flagge, eigene Briefmarken
sowie auch ein eigenes Autokennzeichen.
Somit war meine erste Handlung beim Einlaufen in Aländische Gewässer, das Hissen der Aland
Gastflagge.
Über Helsö gibt es nicht viel zu sagen, außer, dass es eben ein idyllischer ,kleiner Fähranleger mit
ein paar Gastliegeplätzen, im Norden der Insel Kökar ist.
Darum plante ich auch sofort nach der Ankunft die Route für die Weiterfahrt nach Mariehamn am
nächsten Tag.
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Das erwies sich schwieriger als gedacht. Da ich als Papierkarten nur Übersegler in einem sehr
großen Maßstab habe, musste ich die Route durch den Irrgarten der Schären, auf dem Plotter
festlegen. Dies stellte sich als sehr zeitraubend und teilweise echt frustrierend heraus.
Im Übersichtsmodus waren die Fahrwasser und ganze Schären nicht dargestellt und wenn man in
einen kleineren Maßstab zoomte, verlor man sofort die Übersicht. So kam man immer wieder in
eine falsche Richtung oder landete in einer Sackgasse.
Zu allem Überfluss musste ich auch noch feststellen, dass größere Bereiche nur bis zu einer
Auflösung von 6 Meilen und teilweise sogar nur bis 12 Meilen vorhanden waren.
Bei dieser Darstellung waren dann weder Tonnen noch genaue Tiefenangaben zu sehen, so dass die
Planung etwas schwierig wurde.
Letztendlich hatte ich eine Strecke von gut acht Seemeilen, über die ich nur erkennen konnte, dass
die Wassertiefe dort in der Regel zwischen fünf und zehn Meter beträgt.
Das versprach ja eine spannende Fahrt zu werden, hatte ich doch inzwischen mehrfach mitten im
tiefen Fahrwasser Felsen gesehen,die gerade so bis an die Wasseroberfläche reichten und selbst bei
Vorwarnung durch den Plotter, erst sehr spät zu erkennen waren.
Am nächsten Morgen war es dann soweit. Bei zum Glück gutem Wetter legte ich ab und erreichte
sechs Meilen nach verlassen von Helsö, das Stück des Weges, für das ich keine genaueren Angaben
hatte. Nachdem ich ohne Probleme ungefähr die Hälfte des Weges in dem Gebiet zurückgelegt
hatte, kam ich in eine ca. 300 Meter breite Rinne, die in Richtung meines nächsten
Kartenabschnittes führte. Das Echolot zeigte in ihr durchgehend Wassertiefen von über 50 Metern
an und erleichtert darüber, dass ich es nun fast geschafft habe und wieder in besser kartografiertes
Gebiet komme, stopfte ich mir erst mal ein Pfeifchen. Als beim Anzünden selbiger mein Blick
wieder routinemäßig zum Echolot ging, stockte mir fast der Atem. Ich bin bestimmt kreidebleich
geworden.
Innerhalb der ein bis zwei Minuten, die ich nicht permanent auf die Echolotanzeige geschaut hatte,
hatte sich die Wassertiefe von 56 auf 3 Meter verringert. Ich riss den Fahrthebel auf Stopp, sah aber
dass die Tiefe schon wieder zunahm. 20 Meter weiter waren es schon wieder über 30 Meter Wasser
unter dem Kiel.
Wie knapp ich über den Unterwasserberg geschrammt bin, möchte ich gar nicht wissen.
Mir schlotterten richtig die Knie und bis ich in den Bereich der genaueren Kartenvermessung kam,
ließ ich die Anzeige des Echolots nicht mehr aus den Augen.
Für einen erhöhten Adrenalinspiegel sorgte dann aber in einem schmalen Sund bei Svartholm,
etwas das nicht unterhalb, sondern über dem Wasser war.
Eine Brücke überspannte den Sund und ich befürchtete schon den größten Teil des bisher
bewältigten Weges wieder zurück zu müssen, da sie aus der Entfernung ziemlich niedrig wirkte. Als
ich dann aber näher kam, sah ich, dass sie mit 5,30 Metern Durchfahrtshöhe für „Molly“ kein
Problem darstellte und ich sogar zum Passieren nicht einmal den Mast legen musste. Bis zu einer
Höhe von 3,20Metern wären wir auch noch mit dem auf dem Steuerhaus liegenden Beiboot
darunter hindurch gekommen und wenn alle Stricke reißen , reichen uns auch 2,80 Meter.
Je weiter wir uns Mariehamn näherten, umso mehr nahm der Schiffsverkehr um uns herum zu.
Immer wieder staunte ich ,in welch engen Durchfahrten uns die zum Teil riesigen Fähren
begegneten.
In Mariehamn angekommen entschied ich mich für den Osthafen, da ich ja von dort aus zurück zum
finnischen Festland und weiter nach Norden wollte.
Zwischen Pfählen machte ich dort am östlichen Hafenende, mit dem Heck zum Steg, fest. Das
bedeutete zwar einen etwas längeren Weg zu den Sanitärräumen, aber da ich die nur zum duschen
und saunieren nutzte, überwog der Vorteil der ruhigen Lage und der schöneren Aussicht auf die
Bucht.
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Auch der Abstand zur Hauptverkehrsstraße von Mariehamn war so groß, dass mich der
Verkehrslärm nicht erreichte. Nach einem guten Essen an Bord und einem ersten Saunagang,
machte ich mit Skip noch einen Spaziergang zum ca. 1 Kilometer entfernten Westhafen, um einen
ersten Eindruck vom Ort zu erhalten und einen Blick auf die Viermastbark „Pommern“ zu werfen,
die ich mir am kommenden Tag genauer anschauen wollte.
Zurück an Bord, sprach mich ein Ehepaar an, das die deutsche Flagge gesehen hatte. Sie kamen aus
Stuttgart, waren mit dem Flugzeug nach Helsinki geflogen und hatten dort Fahrräder gemietet, mit
denen sie unter Einbeziehung der vielen Fährverbindungen bis Mariehamn geradelt waren.
Übernachtet hatten sie auf Campingplätzen.
Von hier aus wollten sie mit der Fähre nach Stockholm und dann mit dem Flieger wieder zurück
nach Stuttgart, da ihr Urlaub zu Ende ging.
Das ist bestimmt auch eine interessante Art zu reisen, auf der man viel erlebt. Ich konnte allerdings
richtig spüren, wie sie mich um meine Reise beneideten, vor allem um die Zeit die mir zur
Verfügung stand. Mir kam wieder das von Wilfried, dem Skipper der „Ruby“, geprägte Wort vom
Zeitmillionär in den Sinn und ich muss zugeben, über Zeit zu verfügen ist wirklich ein Luxus.
Mit der mir zur Verfügung stehenden Zeit, besuchte ich am nächsten Tag die „Pommern“.
Diese 1903 in Glasgow für die Reederei Wenke & Schöne gebaute Lady, die schon bald danach an
die Reederei Laeisz weiter verkauft wurde, erhielt dort den Namen „Pommern“.
Damit reihte sie sich in die Phalanx der legendären „Flying P. Liners“, ein.
Sie ist der einzige Frachtsegler weltweit, der sich noch im ursprünglichem Zustand befindet.
Bis zum ersten Weltkrieg fuhr sie in der Salpeterfahrt nach Chile und wurde danach als
Kriegsentschädigung an Griechenland übergeben. Von dort wurde sie an den Aländischen Reeder
Gustav Erikson weiterverkauft. Dieser bereederte zu der Zeit, als weltweit immer mehr auf Dampf
und Motorkraft umgestellt wurde, eine der größten Frachtsegler Flotten der Welt. Er setzte die
Schiffe und somit auch die „Pommern“ in der Weizenfahrt nach Australien ein, wo es nicht auf
Termine und Geschwindigkeit ankam.
Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges fuhr die „Pommern“ so regelmäßig Weizen von
Australien nach England. Danach wurde sie aufgelegt und lag die meiste Zeit in Mariehamn. 1953
wurde sie als Geschenk der Stadt vermacht.
An Bord werden viele Bilder und auch ein kurzer Film über den Alltag der Seeleute in dieser Zeit
präsentiert.
Obwohl ich schon mehrere Großsegler besichtigt habe und auch einen 1.400 Meilen Törn als
Trainee auf dem ukrainischen drei Mast- Vollschiff „Khersones“ mitgesegelt bin, ist die „Pommern“
etwas einzigartiges, das ich so noch nie gesehen habe.
Die anderen Schiffe, bei denen ich an Bord war, waren entweder gleich als Segelschulschiff gebaut
worden oder eben entsprechend umgerüstet.
Solch einen Einblick in die große Zeit der Segel-Frachtschifffahrt habe ich noch nirgends erhalten.
Mein Respekt vor diesen Schiffen und den Männern, die auf ihnen fuhren, ist grenzenlos.
Die Besichtigung der „Pommern“ war mein persönliches Highlight in Mariehamn.
Ansonsten zeigt sich der Ort als liebenswürdige Kleinstadt mit guten Einkaufsmöglichkeiten und
verströmt eine Menge Urlaubsflair. Auffällig fand ich noch die sehr breiten Straßen, welche die
Farbe des für diese Gegend typischen roten Granits haben.
Es herrscht relativ wenig Autoverkehr und die Fahrer sind sehr zuvorkommend und entspannt.
Sobald man sich einem Fußgängerüberweg nur nähert, halten die Autos an und ermöglichen die
Überquerung.
Den letzten Tag in Mariehamn nutzte ich um mal wieder Wäsche zu waschen, einzukaufen und um
das Seefahrtsmuseum zu besuchen.
Dazwischen das übliche: Spaziergänge mit Skip, Saunagänge und Routenplanung.
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20:00 Uhr in Jurmo.
Ich lasse den Tag noch einmal Revue passieren.
Zuerst einmal: Nein, wir sind nicht auf dem Rückweg, sondern im aländischen Jurmo, das am
äußeren nördlichen Rand des Inselarchipels liegt.
Diesen Tag werde ich mit Sicherheit nicht vergessen. Es ging sofort nach der Abfahrt in Mariehamn
mit dem Stress los. Der Wind blies mit gut sechs Beaufort und die Sonne, die sonst ja ein gerne
gesehener Planet ist, stand um 06:00 Uhr morgens so ungünstig für meinen Ostkurs, dass ich so gut
wie nichts sehen konnte. Als nächstes hatte die Brücke in der schmalen Durchfahrt zum Lamparn
nicht, wie in der Karte angegeben 10,00 Meter Durchfahrtshöhe, sondern nur 3,30 Meter. Um diese
frühe Zeit öffnete die Brücke natürlich noch nicht, so dass ich den Mast legen musste. Der Wind
nahm unterdessen immer mehr zu und wehte schließlich mit gut sieben Windstärken aus Nord. Das
bedeutete für uns entweder genau gegen an oder fast quer zum Wind zu fahren. Der Schutz durch
Schären und Inseln war auf dieser Route gleich Null und so wurden die neun Stunden Fahrzeit eine
elendige Holperei,
bei der „Molly“ mehr unter als über Wasser war.
Auf den Kursen quer zur See kam außerdem immer wieder Wasser durch die seitliche Schiebetür im
Steuerhaus und obwohl alles seefest verstaut war, flog doch so einiges durch die Gegend.
Als wir endlich in Jurmo ankamen, waren alle Liegeplätze belegt, da bei dem Wind niemand
weggefahren war. Also legten wir zuerst einmal am Tanksteg an und ich ging mit Skip an Land.
Dort erfuhr ich, dass der Hafenmeister zur Zeit im Kaffee des Ortes anzutreffen wäre.
Also auf zum nahen Ort, Skip vor dem Cafe angebunden und den Hafenmeister ausfindig gemacht.
Er kommt gleich mit zum Hafen, um mir einen Platz zu zeigen, an dem ich festmachen kann.
Im Hafen angekommen erlaubt er mir, am Kopf des alten Fährsteigers fest zu machen, der
eigentlich der Badesteg des Ortes ist und auf dem der Sprungturm steht.
Als ich verholen will, vermisse ich die Begrüßung an Bord von Skip. Siedend heiß fällt mir ein,
dass der noch immer vor dem Cafe angebunden ist und dort auf mich wartet.
Mit dem Hafenmeister hatten wir einen Hinterausgang aus dem Cafe genommen und so hatte ich
Skip ganz vergessen, während wir uns unterhielten.
Schnell zurück in den Ort, wo Skip noch immer brav wartet.
War da nicht ein gewisser vorwurfsvoller Blick in seinen Augen?
Na ja, jetzt ist er ja wieder da wo er hingehört!
Jetzt aber zurück an Bord und an den Badesteg verholt.
Ich hoffe nur, dass keiner auf die Idee kommt einen Sprung ins kühle Nass zu wagen, denn nun
würde er auf dem Achterdeck von „Molly“ landen.
Heute stellte ich mir schon ein paar mal die Frage: „Warum mache ich das eigentlich?“
Das schwierige an solchen Tagen ist, dass man niemanden hat, mit dem man darüber reden kann.
Zwar klage ich dann hin und wieder Skip mein Leid, aber außer einem treuen Blick bekomme ich
halt keine Antwort.
Nach einem kräftigen Mittagessen und einem Spaziergang durch die schöne Landschaft auf Jurmo,
sah die Welt schon wieder freundlicher aus. Ich sah wieder das positive dieser Reise und wie gut es
mir doch eigentlich geht, dass ich eine solche Tour überhaupt machen kann.
Bei Jurmo ist man in der Versuchung die Ansammlung der paar Häuser um den Steg der Fähre, die
man nun wirklich nicht als Dorf bezeichnen kann, mit Bullerbü aus den Erzählungen von Astrid
Lindgreen zu vergleichen. Nur ist dieser Vergleich wohl schon etwas über strapaziert, denn für uns
Nichtskandinavier, sieht wahrscheinlich jedes Dorf dort so aus, wie der Leser von Astrid Lindgreens
schönen Geschichten, sich das ausmalt.
54
Was willst Du denn dort?
Alands - Kvarken
Bei nur noch fünf Windstärken ging es am nächsten Vormittag weiter nach Uusikaupunki. Da die
Fahrt dorthin durch deutlich besser geschütztes Revier ging, war sie auch bedeutend angenehmer als
der wilde Ritt am Vortag. Auch waren es diesmal nur ungefähr 25 Meilen, die zurückgelegt werden
mussten, so dass wir unser Ziel schon nach gut vier Stunden erreichten.
Der Gasthafen von Uusikaupunki liegt am Nordrand der Bucht Kaupunkinlahti. Er ist sehr zentral
gelegen und bietet alle Annehmlichkeiten zu einem Preis von 16,00 Euro. Darin sind Strom, Sauna
und auch sonst alles enthalten, einschließlich Internetzugang. Die Servicekräfte sind sehr freundlich
und helfen wo sie können. Da bleibt man gerne mal wieder einen Tag liegen, um sich auch den Rest
der netten Kleinstadt, die 1617 von König Gustav Adolf II. gegründet wurde,anzuschauen.
Heute hat Uusikaupunki ca. 16.000 Einwohner, was für diese Region schon sehr groß ist. Es gibt
dort eine alte und eine neue Kirche, die beide sehr schön sind. Die alte Kirche ist innen nach der
umgestülpten Form eines Schiffes gebaut.
Am interessantesten fand ich aber ein Bauwerk der Neuzeit. Der Vahterus-Ring ist eine künstliche
Langlaufloipe, die in einer großen Ringröhre angelegt ist und über einen Kilometer Länge aufweist.
So muss man auch im kurzen Sommer nicht auf das Langlaufvergnügen verzichten. Neben der
Röhre verläuft eine bei Läufern und Skatern sehr beliebte Asphaltbahn.
Neu war mir auch, dass in Uusikaupunki Porsche ein Produktionswerk betreibt. Früher wurden in
dem Werk die Modelle von Saab hergestellt.
Direkt am Hafen kann man in einem kleinen Museum ein 7,50 Meter langes Modell der Bark
„Warma“ bewundern, Das Original davon lief 1921 vom Stapel der Werft in Uusikaupunki.
Die Werft existiert heute allerdings nicht mehr.
Am Abend bekam ich sogar noch ein Konzert frei Boot geliefert. Auf dem Achterdeck des neben
uns liegenden Bootes „Hulda“ trafen sich ein Akkordeonspieler, ein Saxophonist und eine Geigerin,
um dort ein paar Stücke zu spielen. Die Akteure verstanden ihr Fach wirklich und wurden mit viel
Applaus der Cafegäste am Steg und von Seiten der Bootsbesatzungen, belohnt.
Unser nächstes Tagesziel hieß Laitakari, ein abgelegener Ort auf unserem Weg nach Norden.
Die Fahrt dort hin führte uns durch wunderschöne Schärenlandschaften, unter anderem auch durch
einen nur ungefähr 30 Meter langen und maximal 5 Meter breiten künstlichen Durchstich, der einen
weiten Umweg um die gesamte Insel ersparte. Auf der Karte hatte ich diese Abkürzung entdeckt,
aber als ich mich der Stelle näherte, war weit und breit kein Durchgang zu erkennen. Ich befürchtete
schon einer Fehlinformation aufgesessen zu sein, als plötzlich wenige Meter vor uns das dichte
Unterholz des Waldes sich lichtete und tatsächlich einen schmalen Kanal freigab. Dem Anschein
nach glaubte ich zuerst, dass dieser Graben nur für Kanuwanderer gedacht sei und stellte mich
schon mal darauf ein, doch den Umweg um die gesamte Insel zu fahren. Dann entdeckte ich aber
ein fast zugewachsenes Schild im Gestrüpp, das die Geschwindigkeit in dem „Kanal“ auf vier
Kilometer in der Stunde begrenzte. Da solch ein Hinweis ja nur bei größeren Booten einen Sinn
macht, tastete ich mich doch in die Rinne. Es stellte sich heraus, dass sie ,trotz ihrer geringen Breite
, gut zwei Meter tief war. Kurz danach befand ich mich auf der anderen Seite der Insel und hatte gut
15 Meilen Weg gespart.
In Laitakari legte ich zuerst einmal am Steg der Tankstelle an um zu tanken und um abzuklären wo
ich die Nacht liegen könnte. Der Anleger gehörte zu einem kleinen Hotel, das sowohl den Hafen als
auch die Tankstelle betrieb. An der Rezeption erhielt ich die freundliche Auskunft, dass ich mir
einfach einen Platz aussuchen könne und auch an der Tanke Selbstbedienung sei. Wenn ich alles
erledigt hätte, könne ich zum Bezahlen einfach vorbeikommen. Vor Zechprellern an der Zapfsäule
haben sie dort scheinbar keine Angst. Immerhin lag das Hotel mehrere hundert Meter vom Hafen
entfernt. Ich tankte also zuerst einmal 119 Liter Diesel zum ziemlich happigen Preis von 1,57 Euro
und machte dann längsseit an einem Steg fest.
Ich war gerade mit dem legen der Stromversorgung fertig, als ein junger Mann kam und mir
mitteilte ,dass dies hier ausgerechnet der einzige Platz sei, an dem ich nicht bleiben könne, da dort
das Taxiboot anlege. Also zum dritten mal verholt und dann endgültig festgemacht.
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Der folgende Morgen empfing uns diesig und grau, sowie mit leichtem Nieselregen. An solchen
Tagen freut man sich über ein Steuerhaus besonders. Vor dem Regen gut geschützt, ging es auf den
ca. 35 Meilen langen Törn nach Merikarvia. Die erste Teilstrecke führte noch durch das Inselgewirr
und war gut geschützt. Dann wurden die freien Wasserflächen größer.
Alles verschwimmt grau in grau und wir sind ganz alleine auf dem Wasser. Gegen Mittag lassen wir
die letzten Inseln hinter uns, um die Kaps in Höhe 61° 48`00 N, 021° 23,5`E zu umrunden. Was
dann geschah ist mir immer noch nicht ganz klar!
Obwohl nur Windstärke 5 herrschte wurde die See immer höher und kam größtenteils genau von
Backbord, da der Wind immer mehr auf West ging. Wir kamen in ein Gebiet von etwa 20 Metern
Wassertiefe, dazwischen aber mehrere Flachstellen mit nur 5 – 6 Metern Wassertiefe.
Es war eine echte Vorhölle und ich schickte in den ungefähr 1,5 Stunden, die das ganze dauerte,
mehrere Stoßgebete zum Himmel. Die See kochte in diesem Gebiet förmlich.
Ein wildes Gemisch aus Kreuz – und Grundseen warf „Molly“ von einer Seite auf die andere.
An einen direkten Kurs war nicht mehr zu denken und ich kreuzte mal vor und mal gegen die
Wellen. Das Ganze in einem Gebiet in dem rings um uns herum unzählige Felsen und Steine lagen,
an denen sich die See brach und Gischtfahnen zum grauen Himmel schickte wie ich meine Gebete.
Durch die beengten Verhältnisse dort, musste ich beim Kreuzen immer wieder eine Wende einleiten,
obwohl Wellenberg um Wellenberg heran kam. Ich hoffte nur, den Bug schnell genug in die neue
Richtung zu bekommen, bevor wir zu oft seitlich erwischt wurden.
Endlich kamen wir wieder in Landschutz und der Tanz war genauso plötzlich , wie er begonnen
hatte, vorbei.
Die letzten Meilen nach Merikarvia legten wir auf total ruhigem Wasser im Schutz der Schären
zurück, so dass das eben Erlebte fast wie ein böser Traum erschien.
Als kleine Entschädigung für den erlebten Höllenritt war das Liegen an der Pier in Merikarvia frei,
obwohl sogar Strom zur Verfügung stand.
Ich fülle zum dritten Mal auf dieser Reise 0,25 Liter Öl in den Motor nach, was in den bis jetzt 280
Motorstunden auf 1600 Meilen Strecke, die einzigen Wartungsarbeiten sind, die zu erledigen waren.
„Molly“ ist wirklich ein ungeheuer zuverlässiges Boot, mit dem eine solche Reise wirklich Spaß
macht.
Wenn ich immer wieder höre, was andere auf ähnlich langen Touren für technische Probleme haben,
bin ich richtig stolz auf mein Boot. Dazu kommt noch, dass ich die Wartungs - und Pflegearbeiten
während dieser Reise auf ein Minimum eingeschränkt habe.
Beispielsweise hatte ich auf dieser Reise vor, die Holztüren des Steuerhauses zu schmirgeln und zu
ölen, sowie auch andere kleine Pflegearbeiten zu erledigen. Es ergibt sich aber, dass für solche
Arbeiten die Zeit fehlt. Das hört sich jetzt vielleicht komisch an, wenn man fast ein halbes Jahr
unterwegs ist, lässt sich aber leicht erklären.
Da sind erst mal die Fahrtage, wo während der Fahrt, trotz Autopilot, der mich zeitweise entlastet
und der eine unerlässliche Hilfe darstellt, natürlich doch immer aufgepasst werden muss und keine
Zeit für andere Tätigkeiten bleibt.
Am Ziel angekommen, fordert Skip natürlich sein Recht auf Landgang, dann muss auch mal etwas
gegessen werden, das sich nicht von alleine zubereitet. So ist man froh, wenn die Zeit wenigstens
für die normalen Reinigungs - und Pflegemaßnahmen ausreicht.
Die Liegetage sind ausgefüllt mit dem Ergänzen der Vorräte, Besichtigungen, Routenplanung und
natürlich auch Spaziergängen mit dem Hund.
Solch eine Solotour ist ein echter Fulltimejob.
Ich möchte mich aber nicht beschweren, denn erstens beschert mir diese Reise auch viele
unvergessliche Eindrücke und Erlebnisse und zweitens mache ich das ja alles freiwillig.
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Eines dieser Erlebnisse war beispielsweise auf der Etappe von Merikarvia nach Kristiinankaupunki
ein großer Rehbock, der in einem recht breiten Sund, unseren Kurs schwimmend kreuzte und sich
wohl etwas verschätzt hatte. Ich musste jedenfalls stoppen und auf Rückwärts einkuppeln, um ihn
nicht zu überlaufen. Zwei Meter vor unserem Bug passierte er uns , um nach einigen Minuten
wohlbehalten das andere Ufer zu erreichen.
Wenig später legte ich mit dem Heck zum Steg an einer Boje in Kristiinankaupunki an.
Der Gästesteg wird von einem Hotel betrieben, das in seinen Räumen den Charme der sechziger
Jahre ausstrahlt. Das meine ich jetzt durchaus positiv , denn immer wenn ich in der Lounge war,
oder dort zur Sauna ging, fühlte ich mich wie in einen Film aus Amerika, der in einem Motel der
sechziger Jahre spielt, versetzt.
Zur Stadt musste ich nur über die 300 Meter lange Steindammbrücke gehen, die 1845 eingeweiht
wurde und die längste ihrer Art in den nordischen Ländern ist. Sie führt direkt auf den Marktplatz
zu, wo gerade der dreitägige Sommermarkt aufgebaut wurde. Der findet dort schon seit 1783
regelmäßig statt und stellt einen Anziehungspunkt für die Leute aus der ganzen Region dar. Bis zu
30.000 Gäste besuchen das Ereignis, weshalb ich mich spontan dazu entschloss, einen Liegetag in
Kristiinankaupunki einzuschieben ,um das Großereignis mitzuerleben.
Am folgenden Tag ging es also auf den großen Sommermarkt, der bei bedecktem Himmel und nur
16° allerdings eher herbstlich wirkte. Das tat aber seinem Reiz keinen Abbruch und beim Bummeln
zwischen den vielen Ständen gab es viel interessantes zu sehen.
Auch sonst ist die Stadt sehr schön und in der näheren Umgebung gibt es einiges zu entdecken. So
wurde zum Beispiel nur 15 Kilometer nordöstlich der Stadt am Wolfsberg, die Wolfshöhle
gefunden, in der120.000 Jahre alte Gegenstände der Neandertaler entdeckt wurden.
Das herbstliche Wetter schien sich weiter einnisten zu wollen, denn der nächste Morgen empfing
uns mit Nieselregen und Dunst, der die Sicht auf 50 bis 250 Meter einschränkte.
Trotzdem legten wir ab und es sollte sogar eine sehr lange Etappe werden.
Das Wetter besserte sich den ganzen Tag über nicht und so beschloss ich das schlechte Wetter für
einen großen Schlag zu nutzen. Ursprünglich hatte ich nur nach Storkorshamn gewollt, so aber
landeten wir schließlich nach fast zwölfstündiger Fahrt in Vaasa.
Durch die Wetterlage hatten wir zwar auf den offenen Wasserflächen kaum Seegang, sondern nur
eine leichte Altdünung, dafür war es aber auf den engen Passagen innerhalb der Schären ziemlich
stressig, wenn man die gesuchten Tonnen und Pricken erst im letzten Moment sah.
Auch buchstäblich im letzten Moment sah ich bei Stroemmingsbrotten ein mehrere hundert Meter
langes Treibnetz, das nur mit kleinen weißen Schwimmkörpern markiert war.
Mit voll zurück kam ich gerade fünf Meter davor zum Stillstand, um mich dann solange am Netz
entlang zu tasten, bis ich einen Ausgang fand und wieder freie Fahrt hatte.
Die wurde dann nur noch einmal kurz vor Vaasa von der Coast Guard unterbrochen.
Mit einer Stoppkelle wie auf der Straße ,winkten sie mir zu und forderten mich dann per Zuruf auf ,
längsseit zu kommen. Sie bedeuteten mir, dass sie einen Alkoholtest durchführen wollten. So blies
ich also zum erstenmal in meinem Leben in das berühmte Röhrchen.
Es war natürlich alles in Ordnung und so gingen sie zum eigentlichen Grund ihrer Kontrolle über.
Der war nämlich reine Neugierde, da ein Boot unter Deutscher Flagge und dann auch noch ein
Motorboot ,hier schon ein eher seltener Anblick ist. Viele Fragen über woher , wohin, das Boot und
das Soloreisen allgemein wurden gestellt und beantwortet.
Dann wünschten sie mir noch viel Glück , eine gute Weiterfahrt und ich war entlassen.
Etwas Glück hatte ich schon ein paar Minuten später, denn ich fand an der Stadtkaje einen schönen
Liegeplatz, der auch noch umsonst war.
Es gab dort zwar keinen Stromanschluss oder sonst einen Service, aber den benötigten wir auch
nicht.
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Nach der langen, anstrengenden Fahrt blieb es bei einem kurzen Spaziergang und die Besichtigung
von Vaasa wurde auf den nächsten Tag verschoben.
Der brach mit einer vorwitzig zwischen den Wolken hindurch scheinenden Sonne und mit einem
Barometer, das auch mal wieder den Aufwärtstrend entdeckte, an.
Da stand dem Stadtbummel ja nichts mehr im Wege.
Das heutige Vaasa, dass es seit 1862 gibt und das ca. sieben Kilometer vom alten Vaasa entfernt
liegt, entstand nachdem die alte Stadt 1852 fast vollständig niedergebrannt war.
Diese war bereits 1606 von Karl IX. gegründet worden und an einem der ältesten Handelsplätze
des Bottnischen Meerbusens entstanden.
Vaasa war sogar einmal für ganz kurze Zeit die Hauptstadt von Finnland und zwar vom 29. Januar
bis zum 03. Mai 1918.
Die heute knapp 60.000 Einwohner zählende Stadt, soll mit 1.900 Sonnenstunden im Jahr,
Finnlands sonnigste Stadt sein. Zumindest ab dem späten Vormittag erinnerte sich die Sonne daran
und scheint auch über Vaasa.
Dessen ungeachtet verlassen wir die durch ihre vielen Studenten, junge und dynamische Stadt, um
weiter zu der Vaasa vorgelagerten Insel Raippaluoto mit ihrem Gästhamn Replot zu fahren.
Auf der nur knapp zweistündigen Fahrt dorthin, passieren wir die große Hängebrücke, die
Raippaluoto mit dem Festland verbindet. Fast zeitgleich absolviert Jan die 1.600. Betriebsstunde
seines Lebens im Keller von „Molly“. Das bedeutet, dass wir nun schon 300 Motorstunden auf
dieser Reise hinter uns haben. Der zuverlässige Reisegefährte Jan hat dafür außer bis jetzt 910
Litern Diesel und 0,75 Liter Öl, keinerlei Zuwendung gefordert und immer zuverlässig seinen
Dienst verrichtet.
Danke!
In Replot, dem Hafen auf Raippaluoto, mache ich zum ersten mal an einer Boje mit dem Heck zum
Steg alleine fest, da wir das einzige bemannte Boot im Hafen sind.
Der Platz liegt traumhaft inmitten wunderschöner Natur.
Neben unserem Liegeplatz ragt ein kleiner Steg ins Wasser, in dem leere Fässer senkrecht stehend,
bis gut zur Hälfte eingebaut sind.
Während ich noch überlege, was das für eine Konstruktion ist, fährt eine junge Frau mit einem Pick
Up vor, wuchtet sich einen Teppich von der Ladefläche auf die Schulter, um anschließend in eines
der Fässer zu steigen. Von dort aus kann sie nun ohne sich ständig zu bücken, den Teppich auf dem
Steg ausbürsten und im klaren Seewasser abspülen.
Da muss man erst mal drauf kommen.
Obwohl an diesem Liegeplatz außer dieser Lehrstunde in finnischer Lebensart auch noch Strom zur
Verfügung steht, kostet der Platz kein Liegegeld.
Solche Plätze habe ich am liebsten.
58
Traumziel Lappland
Kvarken - Törrehamn
Nach einer wunderbar ,erholsamen Nacht, wenn man die leichte Dämmerung überhaupt so nennen
kann, brechen wir am folgenden Morgen beizeiten auf.
Die kleine Insel Tankar soll unser nächstes Ziel sein.
Das sind immerhin sechzig Meilen und wir werden voraussichtlich zehn Stunden Fahrzeit dorthin
benötigen.
Tankar unbedingt zu besuchen, erhielt ich als wahrhaft heißen Tipp, in der Sauna von
Kristiinankaupunki . Ein Finne aus Oulu sagte mir, dass ich diesen Platz auf keinen Fall auslassen
dürfe. Er gab mir sogar einen Prospekt über die Insel.
So sehr wie er mir die Insel ans Herz legte, konnte man fast glauben er sei am Hafengeld beteiligt.
Allerdings stellte sich später heraus, dass auf der schönen Insel gar kein Liegegeld erhoben wurde.
So war es also doch nur der Stolz auf diesen schönen Platz vor seiner Haustüre, der ihn zu der
Empfehlung veranlasste.
Überhaupt ist die Sauna in Finnland ein sehr kommunikativer Treffpunkt, in dem ich schon viele
nette Gespräche geführt habe. Unter anderem erfuhr ich dort, dass man an den zweisprachigen
Straßenschildern in Finnland sehen kann, ob die Mehrheit der dortigen Bevölkerung schwedischoder finnisch sprachig ist. Die Sprache, die von der überwiegenden Anzahl der Bewohner der
Gegend gesprochen wird, steht immer an der oberen Stelle.
Bis gegen Mittag ist es eine wunderschöne, gemütliche Fahrt bei strahlendem Sonnenschein. Dann
zieht plötzlich innerhalb weniger Minuten dichter Seenebel auf und es wird merklich kühler.
Gleichzeitig häufen sich die ausgelegten Treibnetze, so dass es nun wirklich auf zu passen gilt.
Zwei mal kann ich gerade noch rechtzeitig stoppen, um mich dann mehrere hundert Meter am Netz
entlang zu tasten, bis wir wieder freie Fahrt haben. Ungefähr eine Meile vor Tankar zeigt sich auf
meinem Radarschirm ein Echo, bei dem es sich um ein Fahrzeug handeln muss. Ich gehe auf
Schleichfahrt und gebe Schallsignale. Da taucht unvermutet in nur 30 Meter Entfernung ein
Fischerboot aus dem dichten Nebel auf. Es dümpelt gestoppt in der leichten Dünung. Auf dem
Vordeck steht ein Mann, der damit beschäftigt ist ,seine Netze einzuholen. Er winkt und zeigt mir
die Richtung in welcher ich um ihn herum fahren soll.
Während ich mich noch ein wenig ärgere, dass nun mein schöner Ansteuerungskurs auf den Hafen
unterbrochen ist und gleichzeitig hoffe, die Einfahrt in den kleinen Lotsenhafen doch zu finden,
lichtet sich der Nebel genauso plötzlich wie er gekommen war. Wie ein Vorhang der zur Seite
geschoben wird, gibt er die Sicht auf die Leuchtturminsel frei, die im strahlenden Sonnenschein
liegt. Nur über dem seewärts gelegenen Gebiet herrscht weiterhin dichter Nebel.
Solch ein Empfang stimmt natürlich optimistisch für den bevorstehenden Landgang. Ich bin das
einzige Boot im Hafen und gehe längsseit an die Rückseite von einem Steg, der für das
Ausflugsboot ,das zweimal am Tag hier anlegt, vorgesehen ist.
Kurz nachdem ich festgemacht habe, kommt es auch, um eine Ladung Passagiere für eine Stunde
auf die Insel los zu lassen. Nachdem diese sich über das nur wenige hundert Meter Durchmesser
große Eiland versträut haben, komme ich mit der Kapitänin des Bootes und einem älteren Mann,
der wie ein Fischer aus dem Bilderbuch aussieht, sich aber als der Houskeeper der Insel vorstellt
und wohl so etwas wie der Inselverwalter ist, ins Gespräch.
Sie bewundern mein Boot und die Reise die wir machen. Als die Kapitänin feststellt, dass ich sogar
eine Bugschraube habe, ist sie fassungslos. Laut klagt sie ihr Leid:“ Alle haben einen Bugpropeller ,
nur ich nicht“. Sie kann es kaum fassen.
Am Steg gibt es normalerweise keinen Strom für Gastboote, aber sie erlauben mir, das
Versorgungskabel des Ausflugbootes zu nehmen, wenn es in einer Stunde wieder zum Festland
zurück kehrt. Das Angebot nehme ich natürlich gerne an, zumal ich gesehen habe, dass der Accu
meines Fotoapparates wieder nach neuer Nahrung verlangt.
59
Die karge Felseninsel diente im 16. Jahrhundert Fischern und Robbenjägern als Stützpunkt und
erhielt schon sehr früh ein Seezeichen um den Seefahrern den Weg nach Kokkola zu weisen. Dies
war zuerst nur ein pyramidenförmiger Steinhaufen, der durch ein Fass an der Spitze einer langen
Stange, noch besser zu sehen war. Dadurch bekam die Insel ihren Namen: Tankokari.
Das bedeutet im finnischen nichts anderes als: Stangeninsel. Im Laufe der Zeit wurde daraus:
Tankar.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren auf der Insel die Lotsen stationiert, die die Schiffe sicher in
den Hafen von Kokkola geleiteten.
1889 wurde der noch heute in Betrieb befindliche Leuchtturm fertiggestellt.
Von der Bebauung hat sich seither praktisch nichts geändert, außer dass die Lotsen ein neues Haus
bekommen haben.
Seit 1754 gibt es sogar eine winzige Kapelle auf der Insel, in deren Gästebuch ich mich natürlich
auch eintrug.
Diese Insel zählt ohne Zweifel zu einem der bisher schönsten Plätze dieser Reise.
Besonders schön war es am Abend , als die gesamte Insel uns fast alleine gehörte. Nur im Wachhaus
der Lotsen auf dem Hügel neben dem Leuchtturm waren hin und wieder ein paar Bewegungen
hinter den Scheiben zu erkennen. Einmal in der Nacht fuhr auch das Lotsenversetzboot hinaus, um
den Lotsen an Bord eines einlaufenden Schiffes zu bringen.
Als wir am frühen Morgen die Insel verlassen wollten, kam der alte Inselverwalter extra noch
einmal herunter zum Steg, um uns zu verabschieden und nach zu fragen ob wir noch irgend etwas
bräuchten. Sogar das auf der Insel knappe Trinkwasser bot er uns an, um unseren Tank zu füllen.
Der urige Typ wird mir noch lange im Gedächtnis haften bleiben und ich höre im Geiste immer
wieder sein herzliches: „Jo ,jo, wenn er bei unseren Unterhaltungen verstanden hatte, worum es
geht. Das war manchmal gar nicht so einfach, denn ist mein Englisch schon nicht sehr gut, so
konnte man das seine nur als rudimentär vorhanden, bezeichnen.
Aus dem Hafen von Tankar heraus, setzte ich zum ersten mal seit längerer Zeit wieder einen
direkten Kurs zu unserem nächsten Ziel, der Insel Maakalla.
Wir konnten hier, im freien Gewässer ,die gesamten 30 Meilen von Hafen zu Hafen als geraden
Kurs unter Autopilot zurücklegen.
Auch mal wieder ganz schön, nicht ständig nach irgendwelchen Baken, Tonnen oder Richtlinien zu
suchen.
Auf der Insel Maakalla gibt es keinen Hafen, sondern nur einen Anlegesteg, der in die Bucht
hinausreicht und für das kleine Passagierschiff , das die Insel regelmäßig anläuft, gedacht ist.
Ich frage einen der wenigen Bewohner die dort zur Zeit sind, ob ich daran festmachen könne.
Sein Schwiegervater ist der Kapitän des kleinen Schiffes , was sich natürlich gut trifft. Er sagt, ich
solle nur so weit wie möglich nach vorne gehen, dann reiche der Platz für das Passagierschiff schon
aus. Außerdem lege das nur kurz dort an und ginge über Nacht wieder zurück zum Festland.
Das hört sich doch gut an. Strom gibt es auf der Insel allerdings nicht.
Ich erfahre, dass die ungefähr 30 Fischerhütten die dort stehen als Wochenend- und Ferienhäuser
genutzt werden und nur eine Fischerfamilie den ganzen Sommer über fest auf Maakalla wohnt.
Die kleinen Hütten sind auch nicht zu kaufen oder zu mieten, sondern ausnahmslos seit
Generationen in Familienbesitz. So schön wie es auf der Insel ist, würde ich meine Hütte dort auch
nicht verkaufen.
Zur Zeit befinden sich nur sieben Personen außer mir auf Maakalla.
Je weniger Menschen zusammen sind, umso leichter kommt man untereinander ins Gespräch und
umso freundlicher ist der Umgang miteinander.
Ich unterhalte mich längere Zeit mit dem Sohn des Fischers, der gerade mit einem Freund auf der
Insel bei seinen Eltern zu Besuch ist.
Am späten Abend kommt der Mann der Familie , die ich bei meiner Ankunft wegen des
Liegeplatzes angesprochen habe zum Boot und bietet mir die Benutzung ihrer Sauna an, die er jetzt
für die Familie anheize.
60
Ich nehme natürlich gerne an und kann es kaum erwarten bis gegen 22:00 Uhr der Mann
vorbeikommt und mir sagt, dass die Sauna nun zu meiner Verfügung stehe ,solange ich wolle.
Es ist einfach wunderbar. Die Holzhütte ist mindestens 100 Jahre alt und steht nur 20 Meter vom
Ufer der Bucht entfernt. Der Ofen glüht und es liegt noch genug Holz zum Nachlegen bereit.
Auch ein großer Bottich ist mit Wasser gefüllt um sich zu erfrischen oder um Aufgüsse zu machen.
Insgesamt drei Gänge absolviere ich, mit jeweils einem erfrischenden Bad in der Bottensee und
Erholungspausen auf der Bank vor der Hütte. Dabei genieße ich den herrlichen Ausblick auf die
Bucht und „Molly“, die am Steg liegt.
Ich fühle mich unbeschreiblich entspannt und bin dem Finnen für das Angebot sehr dankbar.
Die drei Büchsen Bier , die ich ihm gab, wollte er zuerst gar nicht annehmen, hat sich dann aber
doch sehr darüber gefreut. Erst kurz vor Mitternacht, im Lichte eines farbenprächtigen
Sonnenuntergangs, kehre ich zurück an Bord.
Ich setze noch eine Leine querab zu einem kleinen Badesteg, denn der Wind hat inzwischen auf gut
sechs Beaufort aufgefrischt und die offene Bucht, die auf Maakalla als Hafen dient, bietet nur
Schutz durch die Insel selbst, also eigentlich nur vor Westwind.
Da der Wind aus südwest kommt, liegen wir also immer noch einigermaßen geschützt.
Dementsprechend verbringen wir auch eine ruhige Nacht und ich werde erst durch den leichten
Regen, der auf das Deck trommelt, am Morgen geweckt.
Die Welt draußen ist grau und feucht und von See her wallen dichte Nebelschleier in die Bucht.
Für solche Wetterbedingungen habe ich ja mein Radargerät mit der Overlay Funktion.
Wir verlassen also den gastlichen Ort, auf dem es früher wesentlich rauer zuging.
Davon zeugen noch die zahlreichen Seehundflossen, die von den Robbenjägern an die Wände und
Türen der Hütten genagelt wurden.
Wieder kann ich einen Kurs von knapp 30 Meilen geradeaus fahren, Richtung Raahe, das unser
Tagesziel sein soll.
Im Nebel verschwimmt alles grau in grau. Es ist absolute Ruhe im Funk und weit und breit kein
Schiffsverkehr. Das Land ist zwar nur 40 Meter entfernt, aber in einer Richtung, in die ich tunlichst
nicht möchte, nämlich senkrecht nach unten. Nach Steuerbord sind es fast zehn Meilen bis zum
Festland und nach Backbord erstreckt sich die Bay of Botnia, bis hinüber nach Schweden.
Ich habe die Heizung angestellt, um ein beschlagen der Fensterscheiben in der hohen
Luftfeuchtigkeit zu verhindern, da die Sicht auch so schon schlecht genug ist.
Robert steuert und hält den Kurs in der ruhigen See. So habe ich die nächsten fünf Stunden nichts
weiter zu tun, als den Bildschirm des Plotters zu beobachten.
Skip schläft und aus den Zuckungen, die er ab und zu macht, schließe ich, dass er von einer Jagd
auf Kaninchen oder ähnlichem träumt.
Bei einem Pfeifchen wandern die Gedanken und mir fällt der Seemann ein, den wir in Minija ,im
Kurischen Haff, getroffen haben und der so begeistert von unserer Reise war.
Bei der jetzigen geruhsamen, aber auch etwas langweiligen Fahrt über die freie See, verstehe ich
besser wie er das gemeint hat, als er ein wenig geringschätzig von den Atlantik Überquerern sprach,
die immer nur geradeaus fahren und deren navigatorische Herausforderungen sich auf die Abfahrt
und die Ankunft beschränken. Ich möchte die Leistung dieser Leute auf keinen Fall schmälern, aber
irgendwie stimmt das schon.
Aber auch das hat seinen Reiz. Es ist einfach eine andere Art der Seefahrt und nicht miteinander zu
vergleichen.
Wir rollen in der leichten, achterlichen Dünung, die noch vom Wind der vergangenen Nacht übrig
geblieben ist und sie hilft mit, dass wir gut einen halben Knoten schneller als normal unserem Ziel
entgegenkommen.
Ich überlege krampfhaft , was für einen Tag wir heute haben, komme aber nicht darauf. Dabei fällt
mir eine kleine Begebenheit ein, die, soviel ich mich erinnere, sich in Tallinn zutrug.
61
Wir standen mit ein paar Leuten von verschiedenen Booten zusammen und einer fragte: „ Was
haben wir heute eigentlich für einen Tag?“ Als ich daraufhin antwortete: „Ich glaube Juni.“ , fiel
ihm die Kinnlade herunter und das Wort vom wahren Luxus, nämlich über Zeit zu verfügen, machte
die Runde.
Als ich im Logbuch blättere , fällt mir auf, dass wir heute seit genau drei Monaten unterwegs sind.
Am 16. April erfolgte der Start in Wilhelmshaven, also genau vor einem viertel Jahr.
Was haben wir auf den bisher zurückgelegten 1.800 Meilen schon alles erlebt?
Was werden wir auf dem Rest der Reise noch erleben?
Diese Zeit wird sicher einmalig in meinem Leben sein.
Manchmal denke ich, das Radargerät arbeitet nicht richtig, denn im Umkreis von sechs Meilen ist
kein einziges Echo auf dem Schirm zu erkennen. Nur an den hin und wieder aufblitzenden Punkten,
die von kleinen sich brechenden Wellen reflektiert werden, erkennt man, dass das Gerät zuverlässig
arbeitet.
Als der Nebel sich am Mittag langsam auflöst und einen grauen Himmel freigibt, entsteht daraus
ein eigenartiger Zustand. Die Grenze zwischen Meer und Himmel verschwimmt so, dass man sich
wie im Innern einer grauen Kugel fühlt. Es gibt kein oben und kein unten und in alle Richtungen
den gleichen Anblick.
Wie in einem eigenständigen Kosmos fühle ich mich.
Eine Stunde später bricht dann doch die Sonne durch den grauen Himmel und obwohl ich zuerst
etwas traurig darüber bin, dass die unwirkliche Stimmung nun verschwindet, trifft sich das doch
ganz gut. Inzwischen nähern wir uns nämlich dem Bereich der Ansteuerung von Raahe mit seinen
verschiedenen Schifffahrtswegen und da ist eine gute Sicht viel wert.
Durch das ziemlich verwinkelte und enge Fahrwasser taste ich mich bis zum Stadtanleger von
Raahe, wo ich kurz nach 14:00 Uhr festmache.
Die Sehenswürdigkeiten der 23.000 Einwohner zählenden Stadt sind überschaubar und außer einer
schönen Kirche und gut erhaltenen Holzhäusern, ist der größte Stolz der Stadt, der aus Kalbsfell
gefertigte Taucheranzug aus dem 18. Jahrhundert, der als der älteste der Welt gilt. Im Museum
neben dem Hafen ist er zu bestaunen.
Wenn wir gerade vom Staunen reden.
Ich bin nicht schlecht erstaunt, als plötzlich mehrere Personen am Boot auftauchen und mich einer
von ihnen anspricht: „Grüaß Gott, san sie mit deam Boat vo Deutschland her kumma?“
Es stellt sich heraus, dass der Herr aus Oberstdorf im Allgäu kommt und hier auf Verwandtenbesuch
ist, da seine Frau aus Raahe stammt.
Sie übersetzt dem Rest der Familie unser Gespräch. Ihr Bruder ist Segler und hat viele Fragen zu
unserer Reise. Wir unterhalten uns nett, dann trennen sich unsere Wege wieder und ich habe ein
Erlebnis mehr auf dieser Reise gehabt.
Am Abend muss ich die erste kleinere Reparatur auf diesem Törn erledigen.
Mir fällt auf, dass die Trinkwasser Druckpumpe immer mal wieder anspringt, obwohl ich gar kein
Wasser zapfe. Das deutet auf einen Druckverlust im Leitungssystem hin. Dieser ist auch schnell
lokalisiert. Am Zulauf zum Heißwasser- Boiler ist eine Schlauchverbindung an der Schlauchschelle
etwas am tropfen. Also her mit dem Schraubendreher und nachziehen. Dabei wird die Verbindung
aber nicht dicht, sondern der Schlauch rutscht völlig von dem Anschlussstück ab.
Da ich natürlich so schlau war und die Wasserpumpe vorher nicht abgestellt habe, werde ich erst
einmal kräftig geduscht. So etwas passiert eben, wenn man nicht vorher darüber nachdenkt, was
man tut.
Das trocken Wischen der bespritzten Schränke und Wände dauert hinterher deutlich länger als die
eigentliche Reparatur.
Trotzdem will ich nicht meckern, solange das die einzigen technischen Probleme bleiben.
Als ich Raahe am nächsten Morgen verlasse, habe ich allerdings ein echtes Problem, bei dem mir
fast das Herz stehen bleibt.
62
Zehn Minuten nach dem Ablegen, an einer verwinkelten und sehr engen Stelle des Fahrwassers,
gibt es plötzlich einen harten Schlag. Es rumpelt und „Molly“ hebt sich etwas aus dem Wasser. Wir
sind im Fahrwasser über einen Unterwasserfelsen geschrammt. Ich stoppe sofort und will nach
möglichen Schäden schauen, aber sobald ich Fahrt weggenommen habe, treibt „Molly“ auf den
Rand des nur ungefähr zehn Meter breiten Fahrwassers zu und somit in Richtung weiterer
Hindernisse. Der Wind und die Dünung, die zwischen die vorgelagerten Inseln drücken, ist einfach
zu stark. Mir bleibt nichts anderes übrig als weiter zu fahren. Umdrehen und zurück zum Liegeplatz
getraue ich mich in dem engen Fahrwasser nicht. Außerdem müsste ich dann nochmals über die
flache Stelle, die ich gestern bei der Einfahrt problemlos passiert hatte. Wahrscheinlich bin ich dabei
nur knapp an dem Hindernis vorbeigefahren. Auch hat der Wasserstand über Nacht um gut zwanzig
Zentimeter abgenommen, da der auflandige Wind nachgelassen hat. Ich versuche hektisch mir einen
Überblick zu verschaffen und öffne nach und nach alle Bodenbretter. Aber selbst in den paar
Sekunden die das in Anspruch nimmt, gerate ich immer wieder gefährlich nahe an die nächsten
Felsen. Das sind so die Situationen, wo man sich nichts sehnlicher wünscht, als eine zweite Person
an Bord, die zur Unterstützung beitragen könnte.
Es hilft aber alles nichts, ich muss am Ruder bleiben und kann erst, wenn wir das freie Wasser
erreicht haben, genauer kontrollieren ob und welche Schäden es gegeben hat.
Skip spürt, dass etwas ungewöhnliches vorgeht und bellt die ganze Zeit. Das beruhigt meine Nerven
auch nicht gerade.
Eine dreiviertel Stunde muss ich noch in der Ungewissheit verharren, bis wir endlich im freien
Wasser sind und ich alles sorgfältig kontrollieren kann. Es sind glücklicherweise keine Schäden
festzustellen. Weder dringt irgendwo Wasser ins Boot ein, noch ist an der Ruderanlage irgendetwas
zu sehen, oder eine Schwergängigkeit festzustellen. Auch sind über den gesamten Drehzahlbereich
keine ungewöhnlichen Vibrationen zu spüren. Langsam beruhige ich mich wieder. Zum Glück war
der achtere Wassertank fast leer und auch aus dem im Achterschiff eingebauten Dieseltank fehlte
schon einiges. Das machte bestimmt drei bis vier Zentimeter im Tiefgang aus, die darüber
entscheiden konnten, ob wir mit der Ruderhacke über das Hindernis hinwegrutschen , oder ob sie
abgerissen wird.
Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich nicht langsamer und vorsichtiger durch die Engstelle
gefahren bin. Da gestern beim Einlaufen aber nichts auf irgendein Hindernis dort hinwies, fuhr ich
heute eben ganz normal auf dieser Strecke.
Die weitere Fahrt nach Marjaniemi, auf Hailuoto, verläuft bis auf die ziemlich hohe Dünung, die
uns kräftig durchwalkt, ohne besondere Vorkommnisse.
Dass die Dünungswellen hier bei südwest Wind recht hoch auflaufen, ist in Anbetracht dessen, dass
die See sich auf 1.200 Kilometern Strecke aufbauen kann, normal.
In Marjaniemi gehe ich zuerst an den Tanksteiger, um den Dieseltank wieder zu füllen.
Ich möchte hier in dieser doch relativ dünn besiedelten Gegend möglichst immer mit ausreichend
Diesel unterwegs sein. An der Zapfsäule stelle ich fest, dass man nur mit Karte tanken kann. Meine
„Euro Card“ wird aber aus mir unbekannten Gründen nicht akzeptiert.
Ich spreche einen Mann in einer Werkstatt daneben an und mit Hilfe seiner Frau ,die englisch
spricht, lösen wir das Problem, indem ich mit seiner Karte tanke und ihm den Betrag dann bar
aushändige.
In den letzten fünf Häfen wurde keine Liegegebühr erhoben, aber hier in Marjaniemi bezahle ich
wieder brav die geforderten zehn Euro an der Rezeption des „Luotsihotelli“.
Marjaniemi ist ein einsamer Platz. Um den Hafen herum stehen ein paar Holzhütten, die als
Ferienhäuser genutzt werden und ungefähr einen Kilometer vom Hafen entfernt ist ein großer
Camping- und Caravanplatz. Ansonsten gibt es dort nur noch das Hotel, den Leuchtturm und die
Lotsenstation. Das alles ist eingebettet in eine urwüchsige Naturlandschaft, die man zum großen Teil
auf Plankenwegen, durchstreifen kann.
Auch der am nächsten Tag mit fünf bis sechs Beaufort blasende Südwind hält uns nun nicht mehr
auf, die letzte Etappe zu meinem persönlichen Traumziel: Kemi, anzugehen.
63
Das erste Stück aus dem Hafen heraus, das quer zum Seegang verläuft, bis wir dann im tiefen
Wasser auf Nordkurs gehen können, zeigt, dass doch ein ziemlicher Seegang herrscht.
Da der Wind aber fast genau von hinten kommt, macht die Fahrt richtig Spaß und „Molly“ kommt
immer wieder ins Surfen. Gut sieben Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit halten wir und
manchmal erreichen wir auch acht Knoten. Unangenehm wird es nur auf den vielen Flachs, die wir
auf dem Weg zur Nordküste überqueren. Vor und auf diesen baut sich der Seegang schon gewaltig
auf und ich muss aufpassen, dass „Molly“ nicht aus dem Ruder schießt. Ab und zu passiert es
natürlich trotzdem und dann legt sie sich schon bedenklich auf die Backe. Früher wäre ich bei
solchen Einlagen fast in Panik geraten, aber inzwischen klammere ich mich nur irgendwo fest und
denke: „Die kommt schon wieder hoch“.
Bis jetzt hat sie mich auch noch nie enttäuscht.
Als gegen 9Uhr die ersten Spitzen von Windrädern und die Rauchfahnen von zwei hohen
Schornsteinen am nördlichen Horizont auftauchen, die mir signalisieren, dass wir die Nordküste der
Ostsee bald erreicht haben, schäme ich mich nicht meiner Tränen.
Die Gefühle überwältigen mich einfach und immer wieder heule ich.
Gut drei Monate und über 1900 Meilen bin ich jetzt unterwegs und nun liegt das Ziel dieses
Traumes in greifbarer Nähe.
Irgendwie fühlt es sich an, als wenn die Reise nun zu Ende wäre.
Aber es liegt ja noch der gesamte Rückweg entlang der schwedischen Ostküste vor uns und auf
diesem bestimmt noch viele tolle Erlebnisse.
Allerdings ist auch der Hinweg noch nicht ganz geschafft.
Vor der Nordküste ist der Seegrund auf viele Meilen extrem zerklüftet und die Wassertiefen
schwanken rasend schnell zwischen dreißig und drei Metern. Entsprechend chaotisch verhält sich
auch der Seegang, der hier nach über 1000 Kilometern freier Bahn auf das Land trifft.
Die letzten ein, zwei Stunden , bis ich endlich am Seehafen von Kemi vorbei bin und in den Schutz
der vorgelagerten Insel gelange, werden noch einmal turbulent.
Am 18.07.08 um 12Uhr mache ich am Steg im Yachthafen Kemi fest.
Ein Traum wurde Wirklichkeit.
Kurz bevor ich den Yachthafen erreiche, passiere ich den Eisbrecher „Sampo“, den ich schon oft im
Fernsehen bewundert habe und auf dem ich gerne irgendwann einmal eine Winterreise mitmachen
möchte.
In Kemi selbst fallen mir als erstes die sehr breiten Straßen auf, die zudem meistens noch durch
einen breiten, mit Bäumen bewachsenen Mittelstreifen in zwei Fahrbahnen getrennt sind.
Angesichts des geringen Autoverkehrs wirkt das etwas kurios.
Seltsam, wenn auch gut verständlich, wirkt auf uns , die wir in gemäßigten Breiten wohnen, dass
auf jedem Parkplatz Säulen mit Stromanschluss stehen, die für die Motorheizungen im Winter
gedacht sind. Alle Autos haben vorne am Kühlergrill eine entsprechende Steckdose dazu.
Der Ort bietet ansonsten nichts besonderes und ist eigentlich mehr eine Winterreisestadt, wie er sich
selbst auch bezeichnet. Das sieht man auch daran, dass ich nirgends eine Ansichtskarte finde auf der
kein Schnee zu sehen ist.
Seit über zehn Jahren ist somit auch das jährlich neu errichtete Schneeschloss die Hauptattraktion
von Kemi.
Es wird übrigens direkt neben dem dann zugefrorenen Yachthafen erbaut.
Es gibt auch noch ein sehr interessantes Edelstein – und Geologiemuseum am Hafen.
Dort kann man unter anderem die Krone besichtigen, die für den Prinzen Friedrich Karl von Hessen
– Kassel bestimmt war, den das Parlament 1918 zum König von Finnland gewählt hat.
Nun, die Geschichte nahm einen anderen Verlauf und die Krone wurde nie benötigt.
64
Auch einen deutschen Hintergrund hat der Supermarkt, an dem ich unsere Vorräte in Kemi wieder
auffülle. Es ist nämlich ein „Lidl“ Markt, der im Bau und Sortiment praktisch jedem Markt in
Deutschland gleicht. Es ist schön, mal wieder auf den Verpackungen lesen zu können was drin ist
und sich nicht nur an den Bildern orientieren zu müssen. Mein zum Glück mitgenommenes
Einkaufswägelchen, ist jedenfalls randvoll, als es wieder zurück zum Hafen geht.
Anschließend möchte ich in der örtlichen Bibliothek noch ins Internet, um im „Boote-Forum“
mitzuteilen, dass ich mein Traumziel erreicht habe.
Seltsamerweise kann man dort am Wochenende aber nur Tageszeitungen lesen und nicht das
Internet nutzen. Ich werde freundlich an ein Hotel verwiesen und beim zweiten Versuch klappt es
auch und ich kann nach Herzenslust im Netz der Netze surfen.
Die Leute hier sind wirklich sehr freundlich.
Allerdings: Selbst wenn Kemi nur aus Hütten, einem Bretterzaun und einem Müllplatz mit
muffligen Bewohnern bestehen würde, sähe ich alles durch meine rosarote Brille, da ich mich so
freue hier angekommen zu sein.
Nach zwei echten Sommertagen, beschert uns Kemi zum Abschied dann aber Nieselregen, Dunst
und Windstärke fünf bis sechs. Die bläst aber glücklicherweise aus Nord , so dass wir die zwanzig
Meilen bis Haparandahamn, einigermaßen geschützt durch das Festland, zurücklegen können.
Dort angekommen, bin ich noch am festmachen der Leinen, als zwei Leute vor mir stehen und nach
frischem Fisch fragen. Auf mein: „No fisherman“, sind sie verdutzt. So ein Boot und bei dem
Wetter, das muss doch ein Fischer sein. Verdattert ziehen sie ab. Wahrscheinlich glauben sie
entweder dass ich ein schlechter Fischer sei, der nichts gefangen hat, oder dass ich die Beute für
mich alleine behalten wolle.
Im Klubhaus des Jachthafens, befindet sich die berühmte Wimpelwand, an der sich die meisten die
es bis hier geschafft haben, verewigen. Auch ich beschrifte einen Wimpel und hänge ihn dazu.
Natürlich trage ich mich auch im Gästebuch ein.
Das Klubhaus ist sehr gemütlich, mit Küche, Sauna, Duschen und einem gemütlichen
Aufenthaltsraum. Selbst eine gut bestückte Bibliothek ist vorhanden.
All das wird auf Treu und Glauben zur Verfügung gestellt, denn die Hafengebühren soll man in ein
Kästchen werfen, das an der Wand hängt.
Selbstverständlich tue ich das, denn die geforderten 100SKr sind wirklich nicht viel. Für Sauna und
Waschmaschinenbenutzung soll man geben was man für angemessen empfindet.
Ansonsten gibt es in Haparandahamn außer Natur nichts zu sehen, wenn man nicht die
Busverbindung zur etwa 18 Kilometer entfernten Stadt nutzt. Da ich dort nichts einkaufen muss,
weil ich meine Vorräte ja schon in Kemi ergänzt habe, belasse ich es bei ein paar Spaziergängen in
der Umgebung des Hafens.
45 Meilen stehen auf dem Programm für den nächsten Tag, der uns diesig und grau empfängt.
Froh über das Steuerhaus auf „Molly“, machen wir uns auf den Weg nach Törehamn, was der
nördlichste per Schiff erreichbare Hafen der Ostsee ist.
Die Fahrt dorthin ist ein Lehrstück in Sachen unterschiedlichster Wetterlagen.
Vom Starkregen, über Nebel, Sonnenschein, Gewitter mit starken Windböen, bis zur vollkommenen
Flaute, wird uns auf der knapp sieben Stunden dauernden Fahrt, zum Ende des Törefjordes, alles
geboten, was das Wetter so bereit hält.
Um 15:00 Uhr haben wir den zweiten Höhepunkt unserer Reise erreicht. Auf 65° 54,07`N
und 22° 39,00`E ist die gelbe Spitztonne mit dem Briefkasten verankert.
Da wir uns gerade in einer Wetterphase ohne Regen und viel Wind befinden, gehe ich mit „Molly“
an die Tonne und mache daran fest. Auf ein Blatt Papier schreibe ich die Bootsdaten und meine
Adresse. Anschließend werfe ich es dann in den Briefkasten auf der Tonne.
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Noch ein paar Fotos und ich löse den Festmacher. Da kommt gerade ein Einheimischer mit seinem
Angelboot vorbei. Ich winke ihn heran und frage ob er mich eine Runde um unser Boot fährt, damit
ich ein paar Bilder machen kann. Gerne erklärt er sich dazu bereit und so schieße ich noch schnell
ein paar Fotos von „Molly“ mit der Tonne im Hintergrund.
Danach setzt er mich wieder an Bord ab, wo Skip sich dann auch wieder beruhigt.
Er war ganz schön erstaunt, als sein Herrchen plötzlich auf ein anderes Boot überstieg und ihn ohne
Landverbindung auf „Molly“ zurück ließ.
Nun war der Skipper ja wieder an Bord und wir legten am Gaststeg in Törehamn an.
Besonders gastlich geht es dort allerdings nicht zu. Es gibt keinen Strom und zum duschen müsste
man auf den nahe gelegenen Campingplatz gehen. Zum Glück sind wir Selbstversorger und nicht
darauf angewiesen. Aber dass sogar die Müllbehälter verschlossen sind, finde ich schon etwas
befremdlich.
Kein einziges fremdes Boot ist im Hafen und mir begegnen in der ganzen Zeit, die ich dort
verbringe, nur zwei Menschen. Einer davon leert den Briefkasten auf der Tonne, in dem sich schon
über mehrere Wochen die Adressen der dort Gewesenen angesammelt haben.
Da habe ich ja einen guten Zeitpunkt für meine Abgabe erwischt.
Auf Nachfrage versichert mir der Mann, dass es nicht wichtig ist, das normale Formular auszufüllen
und auch eine ordentliche Adresse auf einem Schmierzettel ausreicht, um das begehrte Zertifikat zu
geschickt zu bekommen.
Er meint, dass es ungefähr ein bis zwei Monate dauern wird, bis es an die Heimatadresse gesandt
wird. Na da bin ich ja mal gespannt was da kommt.
Insgesamt wirkt der Hafen als wenn dort schon Ende Juli der Winterschlaf beginnt.
Mein Schlaf an Bord ist nicht ganz so ruhig, denn der Wind frischt in der Nacht auf fünf bis sechs
Windstärken auf. Hier am Ende des langen Törefjordes, bildet sich zwar kein Seegang, aber die
kleinen Plätscherwellen trommeln die ganze Nacht an die Bordwand.
Ich komme mir vor, als würde ich versuchen in einer Bongotrommel zu schlafen.
Als positiv fällt mir zum Hafen in Törehamn nur ein, dass dort keine Liegegebühr erhoben wird.
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Es geht wieder auf Südkurs
Törehamn - Höga Kusten
Um 08:00 Uhr am nächsten Morgen versuche ich wieder Stockholm Radio über Kanal 24 zu
empfangen. Es klappt einfach nicht. Ich probiere den um einiges weiter entfernt stehenden Sender
Lulea und siehe da, ich empfange ihn einwandfrei. Wahrscheinlich ist am Sender Kalix eine Störung
aufgetreten. So erfahre ich also doch noch etwas über die Wetterlage.
Es bläst zwar auch heute noch mit knapp sechs Windstärken, aber auf unserem Kurs Richtung Lulea
haben wir den Wind meistens günstig aus achterlichen Richtungen.
Also: Auf geht’s Richtung Süden.
Eine Stunde vor Ankunft in Lövskär, ein paar Meilen vor Lulea, lassen wir die zweitausendste
Seemeile auf dieser Reise im Kielwasser versprudeln. Nach genau 345 Reisestunden haben wir
diese Marke überschritten.
Lövskär ist ein Jacht- und Fischereihafen, der außer seiner geschützten Lage nicht viel zu bieten
hat. Die Einfahrt ist durch eine quer davor gesetzte Fels- und Steinschüttung vor herein laufendem
Schwell gut abgesperrt. Gleichzeitig ist sie durch diese Baumaßnahme aber so verwinkelt und eng,
dass es für Fremde schon Überwindung bedarf, im Abstand von maximal zwei Metern an den
Felsbrocken vorbei zu fahren und den Haken in den Hafen zu schlagen.
Abends kommt einer der Fischer, dem „Molly“ aufgefallen ist, zu uns ans Boot. Er fragt ob er es
sich mal genauer anschauen dürfe, was ich natürlich gerne erlaube.
Wenn einer der Chefs von „Nordic-Tug“ in Seattle mich manchmal so hören und sehen könnte,
hätte ich bestimmt schon ein Angebot als Verkäufer. Ich bin aber von den Qualitäten so überzeugt
und auch so stolz auf mein Boot, dass ich nur in den höchsten Tönen davon schwärme.
Auch am nächsten Tag, als es gut sechzig Meilen auf dem Außenfahrwasser nach Kage geht, lässt
„Molly“ uns nicht im Stich und bringt uns in zehn Stunden ans Ziel.
Da ich im Hafen des Motor-Batklubb von Kage keine ausgewiesenen Gästeplätze entdecken kann,
alles aber ziemlich belegt aussieht, frage ich einen Man auf einem der Boote, wo ich anlegen könne.
Er weiß es auch nicht so recht und empfiehlt mir, am Mastenkran festzumachen.
Das tue ich, fühle mich dort aber nicht sonderlich gut aufgehoben. Ich frage ein, zwei weitere Leute,
aber niemand weiß so recht Bescheid.
Auf Gäste ist man hier nicht eingerichtet und die freien Plätze gehören alle Leuten, die nur kurz
unterwegs sind und am Abend wiederkommen.
Endlich gibt mir einer die Auskunft, dass Gäste an der Außenseite des Steges festmachen können.
Ich solle mich nur nicht weiter als zehn Meter vom Steg entfernen, da dort Seegras sei und es auch
schnell flach werde.
Also verhole ich an die Außenseite der Anlegebrücke , wo ich auch ganz gut liege.
Da ich ganz nach hinten gehe, stört auch der Schwell der vielen ,kleinen Motorboote nicht, die
zwischen den Häusern auf den umliegenden Schären und dem Hafen einen regen Pendelverkehr
ausüben.
Viel mehr als den Supermarkt, der von diesen Pendlern in erster Linie aufgesucht wird, bietet der
knapp zwei Kilometer entfernte Ort auch nicht.
Trotzdem lege ich in Kage einen Liegetag ein, um ein paar Vorräte einzukaufen und mal wieder
Klamotten zu waschen. Das Wetter dazu ist ideal, denn das Barometer hat die 1025 Hektopascal
Marke mal wieder überschritten und es scheint die Sonne.
In den paar Tagen, die ich nun in Schweden bin, fällt mir auf, dass man hier deutlich öfters von
Leuten angesprochen wird und dabei zu netten Gesprächen findet, als das in Finnland der Fall war.
Es hat also durchaus seine Berechtigung, dass „Suomi“ ,wie sich das finnische Volk in seiner
eigenen Sprache nennt, übersetzt, das „schweigsame Volk“ heißt.
67
Bei einem dieser Gespräche erhalte ich den Tipp, unbedingt eine Nacht in Bjuröklubb zu
verbringen. Das sei ein alter Lotsenhafen und es wäre sehr schön dort.
Da er sowieso an meinem Weg liegt, plane ich die Übernachtung dort gleich mal mit ein.
Die See glitzert und funkelt wie mit Diamanten gesprenkelt. Am Horizont ist nur gleißende
Helligkeit zu sehen. Ohne Sonnenbrille ist es unmöglich irgendetwas zu erkennen.
Es gibt allerdings auch nicht viel zu sehen auf der etwas über vier Stunden langen Fahrt zum Kap
Bjuröklubb.
Sportbooten und Jachten begegnet man fast nur im Nahbereich um die Häfen. Sobald man etwas
von der Küste entfernt ist, gehört einem die See alleine. Einen Frachter sehe ich am Horizont, der
eine Zeit lang auf fast Paralellkurs mit läuft, bis auch er aus meinem Sichtfeld verschwindet.
Wenig später taucht auch schon das 47 Meter hohe Kap am Horizont auf und kurz nach Mittag
liegen wir in dem kleinen, ehemaligen Lotsenhafen sicher vertäut.
Der Tipp erweist sich als wahrer Glücksgriff. Ein wunderschöner, sicherer Hafen, mitten in
schönster Natur. Nur zwei, drei offene Sportboote sind außer uns da, die aber sicher gegen
Nachmittag den Hafen verlassen werden.
Bjuröklubb hat sich erst vor ungefähr 4.000 Jahren im Zuge der Landhebung an der Ostsee, die
durch das Abschmelzen des Eises aus der letzten Eiszeit und dem dadurch verringerten Druck auf
die Landmasse entsteht und immer noch anhält, aus dem Meer erhoben.
Im Mittelalter war es dann eine Insel, die als Station für Fischer und Robbenjäger diente.
Inzwischen ist es eine Halbinsel und auf der 47 Meter hohen Klippe steht seit 1859 ein Leuchtturm.
Die Lotsenstation gibt es nicht mehr, aber der Hafen wird von der Kommune Skelleftea weiter
erhalten und ist ein beliebter Platz für Sportboote.
Auch eine große Wetterstation ist neben dem Leuchtturm eingerichtet.
Entlang wunderschöner Pfade durch die urwüchsige Natur kann man viele Überreste von Lagern
und Häusern aus längst vergangenen Zeiten finden. Allerdings bedarf es schon der Hinweisschilder
und eines genaueren Hinsehens, um zwischen dem reichlich vorhandenen Geröll und
überwucherten Felsbrocken, die Spuren früherer Jäger und Fischer zu entdecken.
Die Landhebung in der Ostsee dauert übrigens unvermindert an und selbst in den Seekarten wird
darauf hingewiesen, dass sich die Tiefen alle zehn Jahre um ca. einen Dezimeter verringern.
Abends möchte ich ein Saunabad in der kleinen, direkt am Hafen stehenden Sauna nehmen, aber
aus unbekannten Gründen verweigert der Ofen seinen Dienst.
Schade, ich hatte mich schon so darauf gefreut.
Ich werde die Saunen in deutschen Häfen schmerzlich vermissen.
1028 Hektopaskal zeigt das Barometer am nächsten Morgen mit dem dazugehörenden blauen
Himmel und drei Windstärken ,die, wie gewünscht, aus Norden kommen.
Also gleich los und das Kap gerundet, wo bis auf wenige Meter unter Land, noch über 30 Meter
Wasser stehen. Das ist hier an der schwedischen Küste sowieso ganz anders als auf der finnischen
Seite. Hier kann man mehr oder weniger auf Sicht navigieren, da die Ufer überall steil abfallen und
nicht solch riesige Flachs, gespickt mit Felsen, wie auf der finnischen Seite vorgelagert sind.
Der zunehmende Nordwind schiebt gewaltig mit und es ist immer wieder faszinierend, wenn
„Molly“ plötzlich den Bug hebt, das Rauschen des Wassers lauter wird und man am Motorgeräusch
hört, dass durch den Wellenschub der Motor entlastet wird.
Deutlich über sieben Knoten erhöht sich unsere Geschwindigkeit, wenn wir so ins surfen kommen
und immer denke ich dabei: „Wieder ein paar Zehntel Liter Diesel gespart!“
Von den vierzig Meilen zwischen Bjuröklubb und Ratan, kann ich gut 30 Meilen geraden Kurs über
freies Wasser fahren.
Da wir weit ab vom Land sind, das nur als dunkler Streifen an Steuerbord zu sehen ist, kann ich
mich in meinen 1.500 Seiten Wälzer, „Die Festung“ von Lothar Günther Buchheim, vertiefen.
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Immer mal wieder ein prüfender Rundumblick reicht aus um dem Ziel sicher näher zu kommen.
Zwischendurch grüble ich wieder mal an einem Zeitproblem. Haben wir heute Samstag oder schon
Sonntag?
Oder keines von beiden?
Das spielt in so fern eine Rolle, dass ich an Wochenenden möglichst keine größeren Häfen anlaufe,
da mir dann der Trubel dort zu groß ist. In stark frequentierten Häfen, schaue ich ,dass ich
spätestens Freitags Nachmittag meinen Platz gefunden habe.
Zum Glück habe ich für solche Probleme meinen Tidenkalender, in dem ich nachschlagen kann,
dass wir tatsächlich schon Sonntag haben. Das ist gut, denn am Sonntag Mittag verlassen die
meisten Wochenendfahrer wieder die Liegeplätze ,um in ihre Heimathäfen zurück zu kehren.
Also dürfte es mit dem Platz in Ratan keine Probleme geben.
Als ich dort ankomme ist die Pier auch ,bis auf ein einziges Segelboot, vollkommen leer.
Das dürfte früher anders gewesen sein, war Ratan mit seinem geschützten Naturhafen doch schon
um 1600 ein wichtiger Handelshafen in Nordschweden, in dem später sogar Stapelpflicht herrschte
und ein Zolllagerhaus errichtet wurde. Heute ist darin ein Restaurant und im Obergeschoss ein
kleines Museum über die Geschichte von Ratan untergebracht.
In Ratan wird auch schon seit sehr langer Zeit die Landhebung gemessen. Die älteste
Wasserstandsmarkierung stammt aus dem Jahr 1749. Seit 1891 steht am Hafen ein kleines,
achteckiges Holzhäuschen, in dem der Mareograph untergebracht ist. Mit ihm wird die Landhebung
aufgezeichnet. Seit 1965 gibt es in der Nähe allerdings eine neue Station, die das Gerät in dem
historischen Holzgebäude ersetzt.
Man schätzt, dass die Landhebung, die im Bereich um Ratan zur Zeit jährlich bei neun Millimetern
liegt, noch weitere 5.000 Jahre anhalten wird. Wenn man sich das einmal vorstellt, dann wird von
der Ostsee nicht mehr viel übrig bleiben. Die Wasserflächen mit Tiefen über 50 Meter sind ja gar
nicht so umfangreich. Eine Ostseeumrundung ist dann sicherlich in der halben Zeit zu schaffen und
die Gegenden, die ich jetzt besucht habe, kann man sich dann für eine Bergwanderung vornehmen.
Noch ist allerdings Wasser zwischen Ratan und Umea, meinem für diesen Tag auserkorenes Ziel.
Die Fahrt geht zwischen der Insel Holmön und dem Festland hindurch zur Mündung des Umealven,
nach Holmsund, wo ich im Jachthafen anlege um unseren Dieselvorrat zu ergänzen.
Diesen extra Stopp lege ich deshalb ein, da in den letzten drei Häfen, in denen laut Hafenhandbuch
eine Tankmöglichkeit bestehen sollte, diese zwar vorhanden war, aber sich nicht in Betrieb befand.
Auch hier in Holmsund hätte ich beinahe Pech gehabt. Benzin gibt es zur Zeit nicht, aber da Jan ja
Diesel benötigt, kann ich gut 160 Liter in den Tank füllen. Der Preis ist mit 1,58 Euro allerdings
nicht von schlechten Eltern und der bisher höchste auf dieser Reise.
Außer, dass ich nun unseren Dieseltank wieder ganz aufgefüllt habe, bringt der kurze Tankstopp
noch einen weiteren Vorteil.
Ich erfahre, dass auf dem Weg von hier nach Umea , ungefähr 20 Kilometer flussaufwärts, eine
Brückenbaustelle eingerichtet wurde. An dieser Stelle ist das normale Fahrwasser gesperrt.
Das Behelfsfahrwasser führt auf der Rückseite, der dort im Strom liegenden Insel vorbei.
Meine Informationen sind schon über den normalen Fahrweg auf diesem stellenweise recht flachen
Fluss sehr dürftig und gerade die Passage dort, wo die Insel den Flusslauf einengt, war schon im
regulären Fahrwasser ein heikler Punkt. Ein durchkommen auf der noch flacheren Rückseite
erscheint mir fraglich. Auch über die Durchfahrtshöhe verschiedener Brücken habe ich keine
genaueren Angaben. Nun zeigt sich wieder einmal die Hilfsbereitschaft, der man auf einer solchen
Reise immer wieder begegnet und ohne die solch ein Unternehmen nicht durchführbar wäre.
Der Tankwart setzt alle Hebel in Bewegung, um mir die fehlenden Informationen zu beschaffen.
Er führt mehrere Telefonate mit Behörden und Revier kundigen Leuten .
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Der Eigner eines im Hafen liegenden Bootes bietet sich sogar an, uns durch die schwierige Passage
zu lotsen, indem er mit seinem Boot voraus fährt.
Nach einiger Zeit scheint allerdings festzustehen, dass die Rinne hinter der Insel auf 1,80 Meter
Tiefe ausgebaggert wurde und die Brückenhöhe nicht weniger als 3,50 Meter beträgt.
Damit sollte die Weiterfahrt problemlos möglich sein. Ich bedanke mich herzlich für die Hilfe und
lege ab.
An manchen Engstellen des Flusses kommt uns eine sehr starke Gegenströmung entgegen, so dass
ich sehr froh bin, dass Jan noch genügend Reserven hat. Teilweise muss ich die Drehzahl schon
ordentlich erhöhen, um gegen die Strömung anzukommen.
Die Fahrt den Fluss hinauf ist sehr interessant und als ich an die Brückenbaustelle komme, stellt
sich alles ganz einfach dar. Der Weg um die Rückseite der Insel ist vorbildlich ausgeprickt und auch
mit der Wassertiefe gibt es keine Probleme. Wenn ich allerdings nicht gewahrschaut worden wäre,
hätte ich den Abzweig vom normalen Fahrweg sicher übersehen und dann an der Baustelle nicht
schlecht gestaunt, dass es nicht mehr weitergeht. Eine knappe Stunde später sind wir auch schon an
der Brücke vor dem Anleger der Stadt Umea. Die Meßskala zeigt 5,10 Meter freie Durchfahrtshöhe
und „Molly“ benötigt um die 5,00 Meter, bei stehendem Mast. Ich riskiere es und fahre mit
langsamster Fahrt auf die Brücke zu, ohne den Mast zu legen. Zwei Minuten später sind wir unter
der Brücke durch, ohne irgendwelche Kratzspuren hinterlassen zu haben.
Voraus liegt der Anlegesteg von Umea. Es liegt zwar nur ein Boot am Steg, aber bei dem
strahlenden Sonnenschein hat sich scheinbar halb Umea auf dem Steg versammelt, sitzt und klönt
und hat die Füße im Wasser baumeln.
Ich muss erst kurz das Signalhorn betätigen, um einen freien Platz zum Anlegen zu schaffen. Die
Leute sind ganz aus dem Häuschen. Hier ein Boot und dann noch aus Deutschland, das ist schon
was ganz besonderes. Ich komme kaum zum Belegen der Festmacher, so werde ich mit Fragen
bestürmt. Auch Skip genießt die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Einer der Steggäste ist bei
„Swan“ beschäftigt, die in Pietasaari die gleichnamigen Segelyachten bauen. Er fragt mir regelrecht
Löcher in den Bauch, über meine „Nordic-Tug“.
Hinterher möchte er mich noch zum Essen einladen, ich lehne aber dankend ab , da ich erstmal
etwas Ruhe möchte. So schön die Fahrerei meistens ist, nach sieben bis acht Stunden spürt man
doch eine gewisse Anstrengung.
Auch hier fällt mir wieder auf, wie freundlich und gesprächsbereit die Schweden sind.
Am Abend kommt unter anderem ein Mann mittleren Alters ans Boot, mit einer Büchse Bier in der
Hand, dem man ansieht, dass das nicht seine erste heute ist. Er bewundert „Molly“ und erzählt, dass
er früher auch ein Boot besessen habe. Aber dann gab es Probleme mit der Familie, wie er sich
ausdrückte. Nun habe er eine neue Familie, aber die wolle auch kein Boot. Er dagegen hätte sehr
gerne wieder eines, aber eben diese Familienprobleme.
Im Stillen denke ich, wenn Du mehr bei Deiner Familie wärst, als mit der Bierdose in der Hand
spazieren zu gehen, gäbe es vielleicht keine Probleme. Man spürt, er möchte nur einmal über alles
reden. Da mir das Thema aber unangenehm ist, beende ich unter dem Vorwand müde zu sein, das
Gespräch.
Bis weit nach Mitternacht kommen immer neue Leute auf den Steg, der ein beliebter Platz in Umea
zu sein scheint. In der Mehrzahl handelt es sich um jüngere Leute, ständig mit dem unvermeidbaren
Handy zugange. Ihr Umweltbewusstsein ist erschreckend. Der Müll und die leeren Trinkbecher und
Flaschen werden einfach liegen gelassen, oder gleich in den Fluss geworfen.
Am nächsten Morgen sehe ich ganze Trupps von Gemeindearbeitern, die in den Parks und Anlagen
die Hinterlassenschaften der Nachtschwärmer wegräumen.
Ich gehe erst einmal in die Stadt, um ein wenig zu shoppen.
Bei meiner Einkaufstour hole ich mir auch zwei Päckchen Pfeifentabak, der rund das doppelte wie
in Deutschland kostet.
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Beim Bezahlen ein gelinder Schreck. Der Verkäufer macht mich darauf aufmerksam, dass an einem
Teil meiner 100 SEK Scheine, der Hologrammstreifen fehlt und er diese nicht annehme. Ich gehe
zur nächsten Bank, ziehe die unvermeidliche Wartenummer und erfahre, dass es sich um alte
Scheine handle. Sie werden von der Bank problemlos umgetauscht. Meine Befürchtung, dass es
sich um Falschgeld handelt, war also grundlos.
In einem Einkaufscenter brenne ich mit Hilfe des freundlichen Verkäufers 1079 Fotos auf drei
CD`s.
Nun habe ich auf meiner Speicherkarte wieder genügend Platz für neue Schnappschüsse.
Als ich um die Mittagszeit wieder zurück zum Boot komme, hat sich der Steg in eine Picknickmeile
verwandelt. Scheinbar alle Beschäftigten aus der näheren Umgebung verbringen dort ihre
Mittagspause und verzehren ihr Vesper auf dem Steg.
Umea ist mit rund 112.000 Einwohnern die größte Stadt der Provinz Norrland.
Sie wurde 1622 von Gustav II. Adolf gegründet. 1888 brannte fast die gesamte Stadt nieder. Danach
wurden zahllose Birken gepflanzt, weshalb Umea auch den Beinamen „Stadt der Birken“ trägt.
Auch auf dem Stadtwappen ist ein Birkenblatt zu sehen.
Umea ist auch eine der größten Universitätsstädte von ganz Schweden.
Das Leben in der Stadt pulsiert und es lässt sich dort gut aushalten.
Trotzdem hieß es am nächsten Morgen: „Leinen los“.
In etwas mehr als der halben Zeit, die wir für die Fahrt Flussaufwärts gebraucht hatten, erreichten
wir die Mündung des Umealven.
Dort geht es durch das vorgelagerte Schärengewirr, dann ein kurzer Schlag durch freies Wasser
Richtung West Südwest und kurz nach Mittag sind wir schon an unserem Tagesziel, Norrbyskär.
Diesen Platz zu besuchen, war mir von mehreren Leuten empfohlen worden und ich war gespannt,
was es dort zu sehen gibt.
Als erstes sah ich mal nichts!
In meinem Hafenführer ist die Schäre seltsamerweise nicht aufgeführt und in der Seekarte prangte
auf der Insel zwar das Yachthafensymbol, aber mitten auf der Insel. So war auf der Karte nicht zu
erkennen ,wo genau sich der Anleger befand.
An der Westseite der Insel sieht etwas aus wie ein Anleger. Der ist aber genau am Fahrwasser
eingezeichnet. Das scheint mir eher der Fähranleger oder der für die kleinen Passagierboote zu sein.
Na ja, im Notfall kann ich da ja hin, aber erstmal suche ich noch weiter.
Da öffnet sich eine kleine Bucht an der Nordseite der Insel, in der ich ganz hinten einen verfallenen
Holzanleger sehe.
Ich steuere darauf zu und der alte Anleger ist auf den zweiten Blick, gar nicht so schlecht.
Also langsam heran getastet, ab und zu mit dem Bootshaken die Tiefe an der Pier gemessen, wobei
ich feststelle, dass dort mehr als drei Meter Wassertiefe direkt am Pier sind.
Das ist ja ideal.
Wir machen längsseit fest und ich schaue mich erst mal um.
Rundum schönste Natur, gegenüber ein kleiner Anleger für Angelboote, sonst ist nichts zu sehen.
Der Boden rund um unsere Anlegestelle ist in weitem Rund dicht mit Sägemehl und kleinen
Holzabfällen bedeckt. Eine Hinweistafel in der Nähe des Anlegers gibt auch gleich die Erklärung
dafür.
Zu dem Pier, an dem wir festgemacht haben, führte früher eine Seilbahn, mit der das Sägemehl und
kleinere Holzabfälle zu den dort festgemachten Kähnen transportiert wurde. Mit diesen wurden die
Reste abtransportiert und einer weiteren Verwendung zugeführt. Das erklärt auch die Wassertiefe,
die vor der Pier anzutreffen ist.
Früher, das war vor der Jahrhundertwende, genauer gesagt in der Zeit von 1890 bis zur
Schließung1952, als auf Norrbyskär eine der zu dieser Zeit größten, Dampf getriebenen
Sägemühlen Europas in Betrieb war. Bis zu 1.400 Personen arbeiteten dort.
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Die Lage auf einer Insel wurde bewusst gewählt, um den Zugang zu Alkohol zu erschweren.
Das Sägewerk war eine kleine Welt für sich, mit Kirche ,Schule und Lebensmittelgeschäft, das von
den Arbeitern in eigener Verantwortung betrieben wurde. Auch die Stomversorgung lief über das
Sägewerk.
Kurz vor 22:00 Uhr flackerte das Licht zweimal, was anzeigte, dass in wenigen Minuten der Strom
abgestellt wurde. Die Leute sollten jetzt gefälligst schlafen gehen, damit sie am nächsten Morgen fit
für die Arbeit waren.
Auf der Insel hat sich praktisch seitdem nichts verändert und sie wurde vom schwedischen Staat als
Kulturdenkmal eingestuft und unter Denkmalschutz gestellt.
Sogar die alte Kegelbahn, die für die Arbeiter errichtet wurde, steht noch und man kann sie sogar
kostenlos bespielen.
Auf unserem Inselrundgang sehe ich auch, dass der vermeintliche Fähranleger doch für Sportboote
gedacht ist und auch schon ein paar Boote dort festgemacht haben.
Da der Fähranleger aber in unmittelbarer Nachbarschaft liegt, herrscht dort ein ständiges kommen
und gehen der vielen Tagesgäste, welche die Insel besuchen.
So bin ich doch froh darüber , meinen idyllischen Platz in der abgelegenen Bucht gefunden zu
haben. Die zehn Minuten Fußweg zum Inselzentrum nehme ich dafür gerne in Kauf.
In der ruhigen Bucht schlafe ich auch entsprechend gut und breche am folgenden Morgen beizeiten
auf.
Die von Stockholm Radio angekündigten vier bis fünf Windstärken erweisen sich als strammer
fünfer und zeitweise auch gut sechs.
Da das ganze fast genau von vorne kommt, wird die Fahrt entsprechend holprig und die
Scheibenwischer müssen fast genau so viele Betriebsstunden absolvieren, wie Jan im Schiffskeller.
Das ganze findet allerdings bei schönstem Sonnenschein und hervorragender Sicht statt.
Am Horizont erkennt man schon die blaugrauen Berge der „Höga Kusten“, die ungefähr auf Höhe
des 63. Breitengrades beginnt.
Wir wollen allerdings heute noch nicht ganz so weit fahren, sondern nur bis Husum.
Wie bitte?
Husum?
Ja ,Sie haben richtig gelesen. Es handelt sich aber nicht um „unser“ Husum in Nordfriesland,
sondern um Husum in Nordschweden, genauer gesagt auf 63° 19,8`N und 019° 08,04`E.
Dort angekommen, lege ich an der Außenseite des Steges an, die für Gäste vorgesehen ist. Als ich
aber bemerke wie unruhig „Molly“ da liegt, frage ich den Hafenmeister, ob ich auf die Innenseite
verholen kann. Er hat nichts dagegen und hilft mir in dem immer stärker werdenden Wind beim
Verlegen von „Molly“.
Inzwischen hat der Wind auf konstant über sechs Beaufort zugenommen.
Woher ich das so genau weiß?
Nun, erstens kann ich das ganz gut einschätzen und zweitens habe ich ein bordeigenes
Windwarngerät.
Sobald der Wind Stärke sechs erreicht, fangen die Befestigungsgurte meines Schlauchbootes zu
surren an. Dadurch, dass mein Beiboot auf dem Steuerhausdach verzurrt ist, überträgt sich dieses
Surren im ganzen Boot. So kann ich zuverlässig hören, wenn der Wind mit sechs oder mehr
Windstärken bläst. Das ganze funktioniert zuverlässiger als eine elektronische Anzeige.
Nach dem Verholen war allerdings der Wind meine geringste Sorge, zumal ich ja im sicheren Hafen
lag.
Was mir wirklich Sorgen bereitete, war, dass die Anzeige des Autopiloten permanent anzeigte „No
Data“.
Bis zum Hafen hatte er einwandfrei funktioniert und nun das.
Keine Kompassdaten, keine Ruderstandsanzeige, nichts.
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Das fehlt mir gerade noch. Was tun?
Den Service in Deutschland anrufen? Hier eine Servicestation suchen?
Ich rüttle an allen Kabeln, schaue ob ich eine Sicherung finde, schalte mehrfach ein und aus, alles
hilft nichts. In meiner Not schraube ich den Deckel der Black Box ab und wackle da drin mal
überall herum. Auch eine Sicherung finde ich drinnen, die aber in Ordnung ist. Mir kommt es aber
so vor, als wenn sie etwas locker gesessen hätte.
Also wieder alles zugeschraubt und nochmal ohne viel Hoffnung, eingeschaltet.
O- Wunder, das Teil funktioniert wieder.
Wenn man je einen Stein, der jemandem vom Herzen gefallen ist, plumpsen hörte, muss es der
meine gewesen sein.
Woran der Fehler wohl lag?
Keine Ahnung. Vielleicht war es wirklich so, dass die Sicherung sich etwas gelockert hatte, bei dem
Gestampfe auf der Fahrt hier her.
Jedenfalls hoffe ich, dass der Fehler nicht wieder auftritt.
Ohne Autopilot und der damit verbundenen Anzeige des Fluxgate Kompasses und der
Ruderstellung, wäre ich ganz schön aufgeschmissen.
Nun, hoffen wir mal dass sich das erledigt hat. Toi, toi, toi.
Husum in Nordfriesland ist eindeutig schöner als sein Namensvetter in Schweden.
Das besteht nämlich nur aus einer der größten Papierfabriken in Europa und den darum liegenden
Wohnhäusern und Versorgungsgeschäften für die dort Beschäftigten.
Eigentlich ist es nicht viel anders, als in dem früheren Sägewerk von Norrbyskär, nur etwas der
heutigen Zeit angepasst.
Im Gegensatz zum Ort, ist es um den Hafen herum richtig schön und idyllisch. Vom Strom über
Wasser und Dusche ist alles da und das ganze für umgerechnet 6,00 Euro, die man in einem
Briefkasten deponieren soll.
Da sind wir schon schlechter gelegen und mussten mehr dafür bezahlen.
Am späten Nachmittag lässt der Wind fast schlagartig nach und der Himmel verdunkelt sich.
In der Ferne grummelt es und erste Blitze zucken über den Himmel.
Nach einer Stunde scheint schon wieder die Sonne. Das Gewitter ist um uns herumgezogen und
auch mit etwas Regen, der den Salzbelag von „Molly“ gespült hätte, wurden wir nicht bedacht.
Der Salzgehalt der Ostsee ist hier zwar noch sehr gering, aber um die Fensterscheiben blind zu
machen, sobald die Sonne darauf scheint, reicht er allemal aus.
Da werde ich wohl doch den Wasserschlauch bemühen müssen.
Stockholm Radio gibt eine Starkwindwarnung für unser Gebiet heraus, mit Wind der Stärke sechs
bis sieben.
Trotzdem nehme ich die 31 Meilen bis Ulvön in Angriff, da wir nur ungefähr 12 Meilen davon im
ungeschützten Seeraum unterwegs sein werden.
Während des Auslaufens aus der Husum Bucht beobachte ich zum ersten mal in der Ostsee eine
Robbe, die uns eine Weile begleitet und ebenfalls genau beobachtet.
Ich grüble ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.
Je weiter wir ins freie Wasser kommen, umso höher werden die Wellenberge, die auf uns zu rollen.
Lange bevor ich die Warntonnen an den Untiefen und Felsen sehen kann, machen diese durch
schäumendes, weißes Wasser und hohe Gischtfontänen auf sich aufmerksam.
Ich denke, dass es wohl doch keine so gute Idee war, bei diesen Wetterbedingungen den geschützten
Hafen zu verlassen, aber für ein Umdrehen ist es jetzt zu spät.
Die See kommt quer zu unserer Fahrtrichtung und einen direkten Kurs zu halten ist nicht mehr
möglich.
Ich muss kreuzen.
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Zum Glück fallen die Felsen steil ins Wasser ab, so dass 30 bis 40 Meter vor den Hindernissen oft
noch 50 Meter Wassertiefe vorhanden sind.
Ich mache es so, dass ich bis zur fünfzehn Meter Tiefenlinie auf die Felsen zufahre und dann
schnell auf Gegenkurs gehe, bis ich wieder genug Raum habe. Da der Wind auflandig bläst, ist der
Kurs auf die Felsen zu vom Fahrverhalten des Bootes deutlich angenehmer, wie der gegen die
Wellenberge, die sich immer wieder brechen.
Allerdings gehört schon eine gewaltige Selbstüberwindung dazu, mit gut acht Knoten auf die
gischtumwölkten Felsen und Steilwände zu zusteuern und erst ungefähr zwanzig Meter vor dem
Zerschellen daran, auf Gegenkurs zu gehen.
Jedesmal bete ich im Stillen, dass die Wende klappt und keine Probleme am Motor oder der
Ruderanlage auftreten.
Endlich haben wir den vorgelagerten Schärengürtel durchquert und laufen mit nun fast achterlichem
Wind Richtung südwest.
Der Blick nach Osten verwirrt mich zunächst, da ich dort Schären sehe, wo keine sein dürften.
Erst langsam begreife ich, dass es sich bei den dunklen Konturen nicht um Schären handelt, sondern
um die von See heran rollenden Wellenberge.
Die See ist bestimmt gute drei Meter hoch und ich getraue mich gar nicht, den Blick nach achtern
zu wenden. Gleichzeitig ziehen die Wellenberge meinen Blick immer wieder magisch an.
Das müsste man im Bild festhalten. Daran ist natürlich nicht zu denken, denn ich kann keine
Sekunde vom Ruder weg.
Zeitweise rauschen wir mit fast zehn Knoten durch die aufgewühlte See.
Rauschen ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen.
Wenn „Molly“ von einer der Wellen angehoben wird und zu surfen beginnt, rauscht es nämlich
extrem laut. Ich bekomme dann einen Rundumblick, als wenn ich auf einem Hochsitz säße.
Die Motordrehzahl habe ich auf 1.950 erhöht, um auch dann noch zuverlässige Ruderwirkung zu
haben, wenn die Wellen uns anschieben.
Rund um Skagsudde erreichen die durchschnittlichen Wellen fast vier Meter Höhe.
In der Ferne, wo sich die nächsten Inseln und Schären befinden, hinter denen ich hoffe wieder in
ruhigeres Fahrwasser zu kommen, sehe ich immer wieder große ,helle Flecken am grauen Horizont
aufblinken. Zuerst glaube ich, dass es sich um Wolkenlücken handelt, in denen kurz die Sonne
aufblinkt, bis ich mit Grausen feststelle, dass es sich um hochaufspritzende Gischt der See handelt,
die sich dort am Eingang zum schützenden Schärengürtel, noch einmal richtig austobt.
Nach zwei Stunden Fahrt habe ich aber auch diese Passage hinter mir und wir befinden uns in
relativ ruhigem Wasser.
Nun erst kann ich das unbeschreiblich schöne Panorama der „Höga Kusten“ geniesen.
Obwohl der Himmel ziemlich bedeckt ist, sind die verschiedenen blau grau Töne der Bergzüge
wunderbar anzuschauen.
Parallel zu den ansteigenden Bergen an Land, nimmt auch die Wassertiefe immer mehr zu und
bewegt sich zwischen 50 und 140 Metern.
Inzwischen kommt auch immer öfters die Sonne kurz hinter den Wolken hervor und als wir nach
knapp fünf Stunden in Ulvöhamn anlegen, haben wir schon wieder fast sommerliches Wetter.
Auch der Wind hat zwischen den zwei Inseln, welche die Hafenbucht von Ulvön umschließen fast
ganz nachgelassen.
Am Steg nehmen mir die zwei Mann von der „Mellinda“, einer in Basel / Schweiz beheimateten
Segelyacht, die Leinen an. Ich habe die zwei schon in Kemi getroffen und dort von ihnen erfahren,
dass „Mellinda“ vor drei Jahren mit dem Trailer nach Pietasaari in Finnland gebracht wurde und
seitdem dort ihren Heimathafen hat.
Von dort aus unternehmen sie dann Reisen, vorwiegend in der Bottensee.
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Schon in Bjuröklubb und Ratan habe ich an ihren Einträgen in die dortigen Gästebücher gesehen,
dass sie immer so ein, zwei Tage vor uns waren. Jetzt habe ich sie eingeholt, da sie wegen des
starken Windes der vergangenen Tage hier fest saßen.
Es ist kurz nach 06:00 Uhr morgens und die ablegende Fähre hat mich geweckt. Ich liege auf dem
Rücken in meiner Koje und betrachte durch das Oberlicht und ein Bullauge einen kleinen
Himmelsausschnitt. Kleine Wölkchen ziehen vorbei, während die Sonne glitzernde Reflexe der
Wasseroberfläche auf die Wandverkleidung malt. Meine Gedanken schweifen mal hier , mal
dorthin. Eine Überlegung geht darum, was ich heute mache. Einerseits wäre es wunderbares Wetter
um weiter zu fahren, andererseits habe ich gestern nach dem wir hier angekommen waren zuerst
einmal etwas gegessen und bin dann mit Skip bei einem langen Spaziergang auf den Lotsenberg
gestiegen. Dadurch wollte ich dem Andrang der vielen Tagesgäste etwas aus dem Wege gehen.
Das hat auch geklappt, denn die wunderschöne Aussicht vom Lotsenberg konnten wir fast alleine
genießen. Als wir dann aber wieder zurück im Ort waren, hatte die alte Kapelle und das
Fischermuseum schon geschlossen. Auch die neue Kirche war schon versperrt.
Da ich ja nicht weiß ob und wann ich jemals wieder hier her komme, würde ich mir diese Dinge
aber doch ganz gerne anschauen.
Im Radio spielen sie gerade „Sailing“ von Rod Steward, was irgendwie gut passt. Unser Antrieb
kommt zwar aus dem Schiffskeller, wo er von Jan produziert wird, aber trotzdem trifft die
Stimmung des Songs genau auf uns zu. Ein kurzes Bellen reißt mich aus meinen Träumen. Skip
fordert seinen Morgenspaziergang. „Hast ja recht“, denke ich und stehe auf. Die Entscheidung ist
gefallen: Liegetag. Nach dem Frühstück machen wir eine gut zweistündige Wanderung zum
Westeingang des Sundes, der Ulvön in seinen Nord und Südteil trennt und durch den wir gestern
hereingekommen sind. Auf unserem Weg dorthin kommen wir an einem Baum vorbei, der
komplett, bis auf das Blattwerk, mit rotem Band umwickelt ist. Während ich noch überlege ob das
irgendeine Markierung ist, fällt mir ein Schild ins Auge auf dem steht, dass es sich um ein
Kunstwerk handelt. Ob es an meinem Alter liegt? Gestern schon sah ich im Wald ein Holzgerippe,
das ich zuerst für den Rohbau einer kleinen Hütte hielt, bis auch hier mich ein Schild darüber
aufklärte, dass ich ein Kunstwerk betrachtete. Mir erschließt sich die Kunst jedenfalls nicht so ganz,
beim Anblick der Objekte, obwohl ich anerkenne, dass viel Arbeit darin steckt und das bei ihrem
Aufstellungsort, an dem sicher keine Menschenmassen vorbeikommen , die das Werk würdigen.
Am Eingang des Sundes angekommen, habe ich einen wunderbaren Blick auf die Berge der „Höga
Kusten“ und die höchstens zwanzig Meter breite Sundeinfahrt. Ich mache ein paar Fotos, bin aber
vom Ergebnis enttäuscht. Die Bilder bringen einfach nicht das herüber, was das Auge sieht.
Glücklicherweise kann ich beim späteren anschauen der Fotos ja meine inneren Bilder abrufen und
so den Augenblick nach erleben. Die Felsen haben eine rötliche Farbe, wie auf den Alandinseln
und es ist einfach nur schön hier. Skip nimmt an einem Geröllstrand ein Morgenbad und als er sich
schüttelt, sprühen die Wassertropfen im Sonnenlicht von ihm ab, wie die Funken einer
Wunderkerze. Vollkommene Ruhe herrscht um uns herum. In den zwei Buchten, die wir auf
unserem Weg umrundet haben, liegen ein paar Boote vor Anker, aber auch auf denen zeigt sich
noch kein Lebenszeichen. Ich setze mich auf einen der roten Felsen, den die Sonne schon ziemlich
erwärmt hat und genieße den schönen Morgen. Am liebsten würde ich den ganzen Tag hier so
sitzen, aber nach einer Weile machen wir uns dann doch auf den Rückweg zu „Molly“.
Später besichtige ich die alte Kapelle von 1622 und auch die 1894 errichtete neue Kirche.
Ulvön ,das eine große Fischertradition hat, ist auch die Heimat des „Surströmming“, einer auf
besondere Art haltbar gemachten ,Heringsart. Sie zeichnet sich durch einen ziemlich strengen
Geruch aus. Für mich kaufe ich vorsichtshalber eine Dose, die zwar genauso aussieht wie die
Fischbehälter, aber süßes Konfekt enthält. Gegen 18:00 Uhr komme ich von einem größeren
Spaziergang mit Skip durch die umliegenden Wälder zurück. Der Schwede ,der vor uns liegt, trifft
Vorbereitungen zur Abfahrt. Er sagt mir, dass im Wetterbericht für morgen eine Sturmwarnung
gegeben wurde und er deshalb noch die paar Meilen zu seinem nächsten Ziel, hinter sich bringen
will.
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Ich habe zwar schon das Liegegeld für die Nacht in den Briefkasten geworfen, entschließe mich
aber auch ab zu legen um in Ulvöhamn nicht einzuwehen.
Fünfzehn Minuten später sind wir unterwegs.
Zumindest die rund fünfzehn Meilen freies Wasser will ich hinter mich bringen um dann irgendwo
zwischen den Schären zu bleiben.
Nach Härnösand, meinem nächsten geplanten Ziel, sind es gut dreißig Meilen, was bedeutet, dass
ich dort erst nach Mitternacht ankäme. Das hätte dann den Vorteil, dass ich die Nacht nicht doppelt
bezahlen muss, da ich sie ja zum größten Teil auf Fahrt verbringen würde.
Mal sehen, wie es läuft.
Zuerst passieren wir Mjaltön, die höchste Insel der Ostsee, die sich immerhin auf 235 Meter aus der
See erhebt und im Zuge der Landhebung immer noch wächst.
Kurz danach sehen wir das höchste Leuchtfeuer der Ostsee, das auf Högbonden installiert ist.
Die See ist ganz glatt und nur eine mäßige Dünung rollt „Molly“ etwas hin und her.
Nach rund zwei Stunden liegt die freie Strecke hinter uns und es geht hinter die vorgelagerten
Inseln. Von den möglichen Liegeplätzen gefällt mir keiner so richtig und ich werde nun doch bis
Härnösand durchfahren.
Ab 23 Uhr wird es allerdings richtig dunkel, was zum Teil an der dichten Wolkendecke liegt, zum
anderen aber auch an den links und rechts hoch aufragenden Berghängen.
Das Panorama ist einfach fantastisch, aber kurz vor Härnösand kommen zwei sehr enge
Durchstiche, wenn ich nicht einen Umweg fahren will und der Hauptroute folge.
Das Schwieríge dabei ist nicht das Fahrwasser in der engen Rinne zu finden, das ja fast bis zum
Ufer recht tief ist, sondern die kleinen, unbeleuchteten Spierentonnen, die dort ausgelegt sind, nicht
über den Haufen zu mangeln.
Über das Hauptfahrwasser spannt sich die 1997 eröffnete Höga –Kusten –Brücke, die 1800 Meter
lang ist und der Golden-Gate-Brücke von San Francisco ähnelt. Sie sieht in der nächtlichen
Beleuchtung wirklich toll aus, aber lange kann ich mich nicht an dem imposanten Anblick erfreuen,
denn die Fahrt in der Dunkelheit fordert volle Konzentration.
Ab und zu tauchen auch rote und grüne Lichter von Leuchttonnen auf je mehr ich mich Härnösand
nähere.
Die grüne Tonne dort vorne bewegt sich doch?
Was soll das denn?
Ich bin ratlos, bis sich das grüne Licht auf einmal in ein rotes verwandelt.
Da erkenne ich, dass es sich um eine Fähre handelt, die für die Hin – und Rückfahrt jeweils die
passenden Positionslichter einschaltet.
Während ich Härnösand näher komme, wird durch die Beleuchtung der Stadt die Sicht auf dem
Wasser immer besser.
Im Hafenbereich sind es dann so viele verschiedene Lichter, dass es schon wieder stört.
Als ich dann die Brücke sehen kann, durch die ich zu meinem Wunschhafen „Nattviken“ müsste,
wird es mir doch zu unsicher.
Ich kann einfach nicht erkennen, wie es hinter der schmalen Brückendurchfahrt weiter geht.
Auch die genaue Brückendurchfahrtshöhe kann ich nicht ausmachen.
Vor der Brücke ist noch ein Platz, längsseits der Pier im Yachthafen „Norra Sundet“ frei, an den ich
mich lege.
Genau um 0:15 Uhr habe ich fest.
Schon während des Festmachens weiß ich, dass ich hier nur bleibe, bis es hell wird.
Der Platz ist direkt an der Straße und ständig kommen jugendliche Nachtschwärmer, die in die
Büsche und Ecken urinieren.
Aber nun ist erst einmal Nachtruhe angesagt, wenn das in dem Umfeld möglich ist!
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Auf nach Stockholm
Höga Kusten - Stockholm
Es geht und ich wache erst kurz vor 08:00 Uhr , vom leichten Trommeln des einsetzenden Regens
an Deck, auf. Der hört allerdings gerade auf und so verhole ich schnell die 300 Meter nach
Nattviken.
Auf die Brückenöffnung, die erst zwischen 09:00 11:00 Uhr erfolgt ,muss ich nicht warten, da
„Molly“ die 3,80 Meter Durchfahrtshöhe, mit gelegtem Mast, genügen.
Durch die Brücke und hart Steuerbord, schon liegt die Marina Nattviken vor uns.
Ein Anlegemanöver an der Boje mit dem Heck zum Steg, das ich um diese frühe Zeit ohne Hilfe
erledigen muss und wir haben unser Ziel endgültig erreicht.
Der Platz ist ideal, denn im immer mehr zunehmenden Wind, wird es an der Stadtmole sehr
unruhig. Hier liegen wir dagegen wie in Abrahams Schoß.
200 Meter entfernt befindet sich ein Lidl Supermarkt, der sogar heute, am Sonntag geöffnet hat.
Da ich nur über die Straße und einen Parkplatz muss, kann ich hier bequem mal wieder ein paar
schwerere Sachen auf Vorrat einkaufen. Insbesondere Getränke und auch mal einen Sack
Hundefutter. Bis jetzt hat das aus Deutschland mitgebrachte Futter gereicht, aber langsam geht es
nun doch zur Neige. Scheinbar hat der Spruch „Seeluft macht hungrig“ auch bei Hunden seine
Berechtigung.
Nicht weit von unserem Liegeplatz ist ein MacDonalds, der einen eigenen Anlegesteg hat, so dass
man direkt mit dem Boot vorfahren kann, um sich mal so richtig kulinarisch verwöhnen zu lassen.
Auch zum Zentrum der Stadt sind es nur ein paar Minuten.
Ich bummle durch die auf einer Insel liegende Stadt, die erst 1585 nach viel Druck durch Johan III. ,
Gustav Vasas Sohn, angelegt wurde. Ab 1647 war Härnösand auch Bischofssitz und 1842 wurde die
alte Domkirche durch den noch heute zu sehenden Dom ersetzt.
Die Stadt ist sehenswert und ungeheuer Touristen freundlich.
Zum Beispiel erscheint am folgenden Morgen eine nette, junge Dame am Boot und überreicht mir
eine Tragetasche mit Informationsmaterial über die Stadt, zwei Zeitungen und zwei frischen
Brötchen.
Kosten?
Keine! Service!
Die Stadt wurde auch schon als freundlichster Ort Schwedens ausgezeichnet.
Wie ich meine, zu recht.
Da fällt es nicht schwer, noch einen Tag länger zu bleiben, denn im fast gesamten Ostseeraum bläst
der Wind mit 8 bis 9 Beaufort.
Ich bin wirklich froh, dass ich durch meine Nachtfahrt nun hier bin und nicht auf Ulvön eingeweht
wurde. Dort war es zwar auch sehr schön ,aber hier gibt es halt doch mehr Möglichkeiten, die Zeit
zu nutzen.
Unter anderem fülle ich 70 Liter Diesel aus den Kanistern in den Haupttank und ergänze diese
gleich wieder, indem ich an der nahen Tankstelle vier Kanister neu fülle. Der Preis dort ist um
einiges günstiger als bei meinem letzten Tankstopp in Holmsund.
Gerade habe ich wieder versucht auf Kurzwelle im Deutschlandfunk, Nachrichten zu empfangen.
Jedesmal ärgere ich mich dabei aufs neue.
Ich empfange Österreich, die Niederlande und auch die deutschsprachigen Sendungen von Radio
Peking und Radio Tschechoslowakei.
Nur die Deutschen haben scheinbar keinen vernünftigen Sender, der ordentlich zu empfangen ist.
Am Nachmittag ,als der Wind immer noch mit Sturmstärke bläst, die Wolken sich aber fast ganz
verzogen haben und der Sonne nun ihren Platz nicht mehr streitig machen, unterziehe ich Jan noch
einer gründlichen Sicht- und Fühlkontrolle.
Außer, dass ich den Keilriemen etwas nachspanne, ist aber alles wie erwartet, in Ordnung.
Den Abendspaziergang mit Skip mache ich heute mal längs der Kaje im Nordhafen.
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Wie es da inzwischen herein pfeift, ist wirklich sehenswert.
Wir haben nun volle Sturmstärke und die Boote ,die dort liegen, führen einen wahren Veitstanz auf.
Es handelt sich allerdings nur um Dauerlieger, bei denen niemand an Bord ist.
Wenn ich bedenke, dass ich zuerst mit dem Gedanken gespielt hatte dort liegen zu bleiben und
eigentlich nur wegen des nächtlichen Betriebes den Platz gewechselt habe, kann ich mir nur zu der
Entscheidung gratulieren.
Dort wäre es jetzt fast unmöglich, sich an Bord aufzuhalten.
Zu dem Tanz auf den Wellen kommt noch das Geheule des Sturms in den Riggs der umliegenden
Segelboote sowie das allgegenwärtige Leinengeklapper.
Zurück auf „Molly“ wundere ich mich wieder, was 300 Meter Ortsunterschied und etwas Schutz
durch die Bebauung, ausmachen.
Hier kriegen wir von dem Sturm fast nur mit, dass die Flaggen an den Masten der Marina steif
ausgeweht sind und der Springbrunnen in der Mitte der Bucht, fast waagrecht über die
Wasseroberfläche geweht wird.
Wenn ich mir vorstelle, dass so ein Sturm uns, sagen wir mal in Norrbyskär, oder irgendeinem
anderen , ungeschützten Platz überrascht hätte, wird mir schon etwas blümerant.
Ich empfange hier zwar zweimal am Tag den in englisch gesendeten Wetterbericht von Radio
Stockholm, aber die melden keinen Trend, sondern nur die Vorhersage für die nächsten 24 Stunden.
So kann man natürlich nicht voraus planen.
Der Brötchenservice funktioniert auch am nächsten Morgen.
Wieder werden Zeitung und Brötchen kostenlos an Bord geliefert, mit freundlichen Empfehlungen
des Tourist Offices. Da könnte man sich glatt daran gewöhnen.
Der Sturm dauert weiterhin an und erst für Morgen ist Besserung angesagt.
Na da bleiben wir doch einfach noch einen Tag im freundlichen Härnösand.
Bis auf den starken Wind haben wir herrlichstes Sommerwetter, weshalb ich erst mal wieder einen
Waschtag einlege. Nach knapp drei Stunden flattern an der Reling, kann ich schon wieder alles
einräumen. Bei der Sonne und gleichzeitig dem starken Wind, wären die zehn Kronor für den
Wäschetrockner, den die Marina bereit stellt, rausgeworfenes Geld.
Viel schneller wäre der Trockner auch nicht gewesen.
Auch kochen muss ich heute nicht.
Im Hamnkrogen, direkt am Boot, wird um die Mittagszeit ein Buffet aufgebaut, an dem man sich
für umgerechnet 8,00 Euro, hemmungslos bedienen kann.
Vom Steak ,über Fisch, Shrimps, Salaten und Bratkartoffeln, bis zu Hähnchen , Nudelsalat und
vielem mehr, ist alles vorhanden.
Am Nachmittag wird uns noch mal drastisch gezeigt, welche Nachteile die schönen Holzhäuser
haben. Nahe am Hafen fängt ein großes Gebäude aus Holz Feuer und die Feuerwehr kann, obwohl
sie sehr schnell vor Ort ist, nichts machen, außer von außen Wasser auf das Gebäude zu spritzen.
Den Brand von innen zu bekämpfen versuchen sie erst gar nicht. Zu groß ist die Gefahr, dass das
Gebäude über ihnen zusammen bricht.
So brennt das ganze Haus komplett nieder und alle sind froh, dass der Brand nicht auch noch auf
andere Gebäude übergegriffen hat.
Je ein grünes, ein rotes und ein purpurnes Bändchen an der Heckreling von „Molly“, zeigen an, dass
wir unser Liegegeld für die vergangenen drei Tage in Härnösand ordnungsgemäß bezahlt haben, als
wir um 09:15 Uhr unseren Liegeplatz verlassen.
Der nette Schwede neben uns, hat die
Brückenöffnung telefonisch bestellt, so dass der Weg weiter nach Süden, für uns frei ist.
Pünktlich kurz vor zehn Uhr ,öffnet die Brücke wie zugesagt und wir verlassen Härnösand.
Stockholm Radio sendet eine Menge Securite-Meldungen, als Folge des abgeflauten Sturmes.
Unter anderem wird eine treibende, aufgegebene Segelyacht in der Alandsee gemeldet.
Zwei Mitglieder der Besatzung konnten nur tot geborgen werden. Ob noch mehr Personen an Bord
waren, ist zur Zeit noch unklar.
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Auch nach einer vermissten Motoryacht vom Typ „Bayliner“ wird gesucht. Als letztes wird noch
vor einem treibenden Container gewarnt, der aber so weit südlich ist, dass er für uns keine Gefahr
darstellt.
Wir fahren eine Zeit lang recht nahe an der Küste entlang und ich bin immer wieder erstaunt, wie
tief das Wasser nur wenige Meter vom Land entfernt ist.
Kurz nach Mittag, wir sind gerade quer ab der Sundsvall-Bucht, verdüstert sich der Horizont vor
uns auf großer Breite.
Ein Gewitter zieht auf. Blitze zucken aus den dunklen Wolken und auch der Wind frischt schnell
auf.
Eine Stunde später ist alles vorbei und das Gewitter ist östlich an uns vorbei gezogen.
Als Folge davon bläst der Wind jetzt aber wieder mit fünf Beaufort und zwar leider aus Südost.
Vorher kam er aus Nordost , was natürlich, da leicht achterlich, deutlich besser für uns war.
Nicht nur, dass uns jetzt der schöne Schub durch den Wind fehlt, durch das gegenan Gestampfe,
kriegen wir auch jede Menge Wasser über.
Eigentlich hatte ich geplant nach Stocka zu fahren, aber dieser Hafen ist gegen Südost Winde
ziemlich ungeschützt.
Darum ändere ich meine Planung und wir laufen das vier Meilen davor liegende Mellanfjärden an,
das deutlich mehr Liegekomfort verspricht.
Über Mellanfjärden kann man beim besten Willen nicht mehr schreiben, als dass es ein hübscher
Fischerort mit einem Gastanleger ist.
Wir verbringen dort darum auch nur eine Nacht und fahren am nächsten Morgen zeitig weiter.
Unser nächstes Tagesziel ist Krakö. Das ist eine winzige Ansammlung von ein paar Häusern, auf
der gleichnamigen Insel.
Gegen diesen Ort war Mellanfjärden schon fast eine Metropole.
Der Platz ist unbeschreiblich schön und es wohnen nur ein paar Leute dort.
Im ausliegenden Gästebuch der vergangenen vier Jahre, finde ich nur einen deutschen Eintrag von
einer Segelyacht aus Kiel.
Das mag auch damit zusammen hängen, dass der verwunschene Platz schwer zu finden ist.
Dort, wo auf der Seekarte das Hafensymbol prangt, ist jedenfalls nur eine kleine Bucht.
Hinter den Klippen sehe ich aber ein paar Hausdächer und Fahnenmasten hervor lugen.
Das passt auch besser zum Hafenführer, der schreibt, dass der Liegeplatz bei Nordwest Wind
ungeschützt sei. Die Bucht auf der Seekarte ist aber nach Nordost offen.
Also auf die andere Seite der Insel und siehe da, auch dort ist eine kleine Bucht, an deren Ende ein
paar Häuser zu sehen sind.
Es gibt nur ein kleines Problem.
Mitten in der nur hundert Meter breiten Einfahrt der Bucht, blecken unzählige Felsen aus dem
Wasser. Rechts und links davon ist jeweils ein Streifen von vielleicht zwanzig Metern frei, was aber
nicht heißt, dass sich dort nicht auch Unterwasserfelsen verstecken.
Eine Betonnung oder Richtlinie gibt es nicht.
Auch in der Seekarte sind keine Details oder Tiefenangaben über die Bucht enthalten.
Ich schleiche ganz langsam nördlich zwischen den Felsen und dem Ufer vorbei und siehe da, es
scheint die richtige Seite zu sein. Schlagartig nimmt die Tiefe wieder zu und wir sind hinter der
Felsbarre innerhalb der geschützten Bucht.
Der Anleger ist leer und so haben wir ein paar Minuten später festgemacht.
Der Platz sieht aus, als wäre dort die Zeit stehen geblieben.
Zwischen den einzelnen Häusern sind ein paar ausgetretene Pfade.
Straßen oder Wege gibt es auf der Insel nicht.
Dafür umso mehr unberührte Natur.
Ich streife mit Skip durch den Urwald ähnlichen Wald , wir klettern in den Klippen am Ufer herum
und balancieren über ausgedehnte Klappersteinfelder.
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Zur Zeit scheint nur eine einzige Familie dort zu wohnen.
Trotzdem gibt es eine Bibliothek und eine Kunsthalle auf Krakö.
Beides sind Holzbuden mit ungefähr einem Quadratmeter Grundfläche, die man ohne die
Hinweisschilder durchaus für Klohäuschen halten könnte.
In der Kunsthalle hängen einige interessante schwarz weiß Fotos von den Inselbewohnern und
ihrem Alltag, sowie ein selbst gewebter Bettvorleger. Was es mit dem genau auf sich hatte, konnte
ich trotz der Hinweistafel nicht ganz genau verstehen. Auch der Sinn des alten Buches auf einem
klapprigen Nachtschränkchen, erschloss sich mir nicht ganz.
Die Bibliothek enthielt eine ansehnliche Zahl gebrauchter Bücher, sowie das Kaffeegeschirr für
Großveranstaltungen, die wohl ab und zu auf der Insel stattfinden.
Der Menge des vorhandenen Geschirrs nach, treffen sich dann mindestens zwanzig Leute auf dem
Dorfplatz. Da geht dann die Luzie aber richtig ab.
Auf jeden Fall ist das ganze eine liebenswerte Idee. Der Wille zählt.
Inzwischen wird die Dunkelheit mit jeder Meile die wir südwärts kommen intensiver und setzt auch
schon recht früh ein.
Ganz ungewohnt ist das nun nach den langen Wochen der Helligkeit. Zwischen Helsinki bis auf
Höhe von ungefähr Umea, immerhin fast ein einhalb Monate lang, konnte ich ohne Licht an Bord
auskommen und jederzeit genug sehen um beispielsweise lesen zu können.
Nun ist es um 22:00 Uhr schon stockdunkel.
Ich gehe also früh zu Bett und kurz danach höre ich wie rhythmisch, ungefähr alle zehn Sekunden,
ein Tropfen auf das Deck über meiner Koje fällt.
Es hat zu nieseln angefangen und die Feuchtigkeit auf meinem Schlauchboot, das auf dem
Steuerhausdach verzurrt ist, nimmt immer mehr zu, bis sie sich in einem Tropfen entlädt, der dann
herunterfällt.
Sonst ist es total still in der Bucht.
Nicht einmal Möwen oder Sturmseeschwalben stoßen ihre sonst allgegenwärtigen ,schrillen Schreie
aus. So ist der Tropfen das einzige Geräusch, das ich höre.
Hörbare Stille, fällt mir dazu ein.
Ich lausche dem gleichmäßigen Tropfen, der mal etwas häufiger, mal seltener fällt.
Dann werden die Abstände zwischen den „Plopps“ der Tropfen immer kürzer und unter das
Geräusch mischt sich das feine Knistern des stärker werdenden Regens, auf dem Deck.
Ich höre die tiefen Atemzüge von Skip, der nach Huskyart eingerollt vor meiner Koje liegt.
Wenn ich mir so überlege, dass zwischen uns und dem ungemütlichen Wetter da draußen, nur ein
bis zwei Zentimeter Kunststoff sind und wo die uns bis jetzt schon überall hingebracht haben, bin
ich unserem Boot richtig dankbar.
Auf gewisse Weise liebe ich „Molly“. Natürlich nicht so wie man einen Menschen liebt, aber mehr
wie eine Sache ist sie schon für mich.
Das Knistern an Deck hört auf und der Tropfen ist wieder das einzige Geräusch, das ich höre. Die
Abstände werden immer länger.....und länger.....und länger....
Ich bin eingeschlafen.
Als ich aufwache ist der Himmel trübe und grau. Auch der Wind bläst wieder ganz schön kräftig.
Er kommt aber aus Nordost und so beschließe ich, trotzdem aus zulaufen.
Mein ursprüngliches Ziel“Storjungfrun“ werde ich allerdings nicht anlaufen können, da der Wind
später auf Süd drehen soll und immer weiter zunimmt.
Bei diesen Wetterbedingungen ist der Liegeplatz dort zu ungeschützt.
Da ich mangels Trendvorhersage auch nicht weiß, wie sich das Wetter weiter entwickeln wird und
nur auf meinem Barometer sehe , dass dieses gewaltig am fallen ist, will ich kein Risiko eingehen.
An solch einem Platz ein zuwehen, ist bestimmt nicht das schönste.
Die See ist schon ganz schön aufgewühlt und „Molly“ schwankt zwischen erbärmlichem Rollen
und flotter Surffahrt.
Das Meer ist grau und auch an der Kimm verschwimmt die Grenze zwischen Himmel und Meer
fast vollständig.
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Nur an den häufig eingesprenkelten Schaumkronen auf den Wellen ist der Unterschied zwischen
Wasser und Luft zu erkennen.
Nach knapp vier Stunden teilweise heftiger Schaukelei, entscheide ich mich in die Flussmündung
nach Söderhamn einzulaufen. Dort mache ich kurz nach Mittag am Stadtkai fest.
Söderhamn ist ein kleines, nettes Städtchen mit ungefähr 10.500 Einwohnern, das 1620 gegründet
wurde. Es befinden sich einige hübsche Gebäude dort, wobei der Aussichtsturm auf dem östlichen
Hügel der Stadt, der 1895 eingeweiht wurde, wohl das bekannteste ist.
Der Turm ist mit 23 Metern zwar nicht sonderlich hoch, aber zusammen mit dem Hügel auf dem er
erbaut wurde, erhebt er sich doch gut 65 Meter über den Meeresspiegel und bietet eine tolle
Aussicht.
Nachmittags lässt sich immer öfters die Sonne blicken und auch das Barometer zeigt wieder einen
leichten Aufwärtstrend.
So sitze ich am Abend mit einem Pfeifchen im Steuerhaus und genieße die friedliche
Abendstimmung. Nur auf einem Segelboot ,das nicht weit von uns entfernt liegt, ist noch jemand an
Bord. Alle anderen Boote sind Dauerlieger, bei denen zur Zeit niemand an Bord ist.
Mein Blick fällt auf die Oscarsborg, den charakteristischen Aussichtsturm auf dem Hügel östlich
der Stadt. Unterhalb davon steht das schöne , alte Gebäude des Bahnhofs, wo allerdings schon lange
keine Züge mehr halten. Es liegt nur noch ein Gleis und das rostet vor sich hin.
Das Gebäude wird anderweitig genutzt. Streckenstilllegung gibt es also nicht nur bei der
Bundesbahn.
Auf meinem Stadtbummel habe ich nahe an unserem Liegeplatz eine Tankstelle gesehen, wo der
Diesel mit umgerechnet 1,31 Euro relativ günstig ist. Dort werde ich morgen mal wieder etwas
Nachschub für den Dieseltank besorgen.
Außerdem hängen in der ganzen Stadt Plakate, welche auf die am Wochenende stattfindende
„Cruising Night“ hinweisen. Dazu treffen sich die Fahrer von amerikanischen Oldtimern aus ganz
Skandinavien mit ihren Schätzchen in Söderhamn. Bei Live-Musik und allerlei
Rahmenveranstaltungen soll dann einiges los sein, in dem ansonsten beschaulichen Städtchen. Die
junge Hafenmeisterin sagt jedenfalls, dass man sich das nicht entgehen lassen dürfe.
Nun werde ich doch ein wenig neugierig und beschließe, mir das Spektakel an zu schauen.
Liegetag Nummer fünfzig steht also auf dem Programm.
Strahlender Sonnenschein empfängt uns am nächsten Morgen.
Als erstes fülle ich sechzig Liter Diesel aus den Reserve Kanistern in den Haupttank, die ich an der
nahen Tankstelle gleich wieder auffülle.
Danach wandere ich mit Skip zur Oscarsborg, um den schönen Ausblick auch mal mit eigenen
Augen zu sehen. Auf dem Turm treffe ich ein junges ,schwedisches Pärchen, die mit einem alten
Foto in der Hand einen bestimmten Blickwinkel suchen. Sie erzählen mir, dass auf dem Foto ihr
Großvater abgebildet sei, wie er im zweiten Weltkrieg seiner Tätigkeit als Luftbeobachter nachging.
Er war dazu an diesem Turm stationiert. Kürzlich sei er verstorben und sie hätten in seinem
Nachlass verschiedene Bilder aus dieser Zeit gefunden. Nun wollten sie ein wenig auf seinen
Spuren wandern, um das ,was er ihnen so erzählt hat, besser nachvollziehen zu können.
Sie bitten mich, von ihnen ein Bild zu machen, mit der gleichen Blickrichtung wie jenes, auf dem
ihr Großvater abgelichtet ist. Gerne erfülle ich ihren Wunsch.
An Bord zurück, führe ich noch ein paar nette Gespräche mit Passanten, die mich, ob meiner
Deutschlandflagge, oder wegen „Molly“ ansprechen.
Auch Skip, der sich auf dem Achterdeck sonnt, ist immer wieder der Auslösepunkt für längere
Unterhaltungen. So oft wie in Schweden wurde ich noch nie von Fremden angesprochen.
Die Palette der Leute ,mit denen ich ins Gespräch komme, geht quer durch alle Alters- und
Sozialschichten.
Ich nehme mir vor, wenn ich wieder in Deutschland bin und dort ausländische Bootstouristen treffe,
auch mehr auf diese zu zugehen, da ich hier am eigenen Leib erfahre, wie schön das ist, wenn man
weit weg von zu Hause angesprochen wird. Es gibt einem einfach das Gefühl, willkommen zu sein.
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Am Abend hört man in der ganzen Stadt das Wummern großvolumiger Motoren.
Die Schweden nehmen „Cruising-Night“ wörtlich und fahren Runde um Runde durch die Stadt.
Die Straßenränder sind mit Schaulustigen gesäumt und die Polizei drückt mehr als nur ein Auge zu,
denn manche Wagenbesatzungen haben dem Alkohol schon kräftig zugesprochen.
Leider bezieht sich der Himmel wieder und ein Schauer kommt herunter.
Zeit wieder an Bord zu gehen.
Ich verziehe mich beizeiten in die Koje, denn morgen soll es ein großes Stück weiter nach Süden
gehen. Immerhin gut 75 Meilen soll uns die nächste Etappe bis nach Öregrund führen.
Da kann etwas Schlaf im voraus nicht schaden.
Bei schönstem Wetter starten wir am frühen Morgen.
Die gut elf Stunden lange Fahrt wird bis auf das letzte Stück, bevor wir in die Bucht nach Öregrund
einlaufen, eine sehr gemütliche Reise. Die meiste Zeit lese ich und lasse nur hin und wieder meinen
Blick über den Horizont wandern.
Ein kleiner Tanker, der aus der Gävle-Bucht kommt, kreuzt unseren Kurs, sonst sind wir weit und
breit das einzige Fahrzeug auf der glatten See.
Das Land ist nur als feiner, dunkler Streifen an Steuerbord auszumachen und man könnte glauben,
alleine auf der Welt zu sein.
Einen Radiosender kann ich soweit draußen nicht mehr empfangen und so höre ich zum x-ten male
meine CD mit irischen Folk-Songs an. Wenn ich wieder einmal eine solche Reise unternehme, muss
ich unbedingt mehr CD`s mitnehmen. Gerade hier in Schweden finde ich, ist das Angebot an guten
Radiosendern sehr dürftig.
Wir haben mitlaufende See und so halten wir fast durchgehend unsere sieben Knoten
Reisegeschwindigkeit.
Nur die knapp zwei Stunden, bevor wir hinter der Ostecke der Örebucht sind, steht die See mit
kurzen Wellen gegenan und drückt uns unter sechs Knoten.
Kurz vor Öregrund amüsiere ich mich noch über zwei dicht nebeneinander liegende Ortschaften,
die Klockarboda und Klockarbodabaadan heißen.
Am frühen Abend mache ich am Gästesteg des Hafens in Öregrund fest.
Ein kleines Motorboot, das wir schon in Härnösand getroffen haben, liegt auch am Steg und das
schwedische Ehepaar an Bord begrüßt mich wie einen alten Bekannten.
Eine Stunde nach uns läuft auch noch eine schwedische Segelyacht ein, die ich schon in Härnösand
und Krakö getroffen hatte.
„It`s a small world“, kommentiert die Frau an Bord unser Wiedersehen.
Öregrund ist durchaus einen Liegetag wert und so bleiben wir den nächsten Tag dort und ich schaue
mir den Ort an.
Die kleine Gemeinde, die eigentlich nur rund 1.600 Einwohner zählt, ist ein sehr beliebter
Touristenort. Es gibt dort noch viele alte Holzhäuser und eine mittelalterliche Steinkirche.
Insgesamt gab es in dem Ort, der schon 1490 die Stadtrechte erhielt sieben Großbrände.
Trotzdem sind noch viele Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert erhalten.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist er Kurort.
Beim Planen der weiteren Reiseroute fallen mir zwei Dinge auf.
Erstens kann ich von hier bis Stockholm und sogar noch ein ganzes Stück darüber hinaus,
unabhängig vom Wind, immer in geschützten Gewässern fahren und zweitens muss ich ein neues
Modul in meinen Kartenplotter einlegen.
Mit den C-Map+, bin ich wirklich gut ausgerüstet und vermisse keine Papierkarten. Nur zur
Planung größerer Streckenabschnitte, greife ich auf die Papierkarten, großen Maßstabes, zurück.
Am späten Nachmittag läuft eine 48 Fuß Segelyacht aus Fehmarn in den Hafen von Öregrund ein.
Es ist die erste deutsche Yacht seit Mariehamn, also fast ein einhalb Monaten, die uns begegnet.
Dem Ehepaar an Bord des großen Seglers, das die schwedische Küste entlang nach Haparandahamn
getourt ist und sich nun ebenfalls auf der Rückfahrt befindet, geht es genauso.
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Es erweist sich als ebenso ungewohnt wie schön, mal wieder auf deutsch eine Unterhaltung zu
führen. Als die Dunkelheit hereinbricht, bedauern auch sie das Ende der langen Tage, die nun
rasend schnell kürzer werden. Mit jeder Meile die wir nach Süden kommen, werden die Tage kürzer
und man spürt den sich unaufhaltsam nähernden Herbst.
Der nächste Schlag führt uns nur knapp 18 Meilen weit nach Grisslehamn, wo wir schon um die
Mittagszeit festmachen. Von dort aus wollen wir am nächsten Tag weiter durch den Väddö-Kanal,
Richtung Stockholmer Schären fahren.
Laut Hafenführer soll in Grisslehamn das älteste Postamt Schwedens sein, das ich aber nirgends
finden kann.
Hauptattraktion des kleinen Ortes sind somit scheinbar die Spuren von Albert Engström, einem
Schriftsteller und Maler, von dem ich Kunstbanause allerdings noch nie gehört habe.
Nun, jetzt weiß ich zumindest, dass er in Grisslehamn sein Atelier hatte und dort wirkte.
Reisen bildet eben doch!
Im Laufe der Nacht regnet es mehrmals recht kräftig und der Morgen empfängt uns mit
ungemütlichem grau.
Nach dem Frühstück geht es weiter durch den schmalen Sund, Richtung Väddö.
Die Fahrt führt uns durch eine sagenhaft schöne Landschaft und selbst der graue Himmel kann die
Schönheit der Gegend nicht schmälern.
Im Gegenteil. Durch die Regenfälle der Nacht sind die Farben an Land besonders intensiv und das
Grün leuchtet in allen Schattierungen.
Im Laufe des Vormittags kommt die Sonne immer öfter zwischen den Wolken hindurch und es
scheint doch noch ein recht schöner Tag zu werden.
Kurz nach 10:00 Uhr passieren wir zum zweiten mal auf dieser Reise den 60. Breitengrad, diesmal
allerdings in Nord / Süd Richtung.
Wenig später erreichen wir Almsta, wo eine Klappbrücke den Kanal überquert.
Sie öffnet nur jede volle Stunde und da es erst halb elf ist legen wir am Wartesteiger an.
Für Skip kommt diese Unterbrechung gerade recht und wir nutzen sie für einen kurzen Landgang.
Pünktlich, zur vorgesehenen Zeit öffnet die Brücke und wir können sie passieren.
Eine halbe Stunde später liegt auch die zweite Brücke auf der Kanalstrecke hinter uns, die sich in
Bagghus befindet. Der eigentliche Väddö-Kanal ist nur rund dreieinhalb Meilen lang und teilweise
sehr schmal. Die Durchfahrt empfinde ich als sehr schön. Er erinnert mich ein wenig an den EmsJade Kanal in meinem Heimatrevier.
Der Kanal endet am nördlichen Rand des Stockholmer Schärengartens.
Hier trifft man dann auch auf das Hauptfahrwasser der Finnland- und Aland-Fähren, von und nach
Stockholm.
In diesem Revier empfiehlt es sich immer gut auf zupassen, wenn diese gewaltigen Schiffe
unheimlich schnell von achtern auflaufen, oder einem im teilweise schmalen Fahrwasser begegnen.
Die Leistung ,die von den Schiffsführungen dieser Schiffe dort erbracht wird, ist schon respektabel.
Am frühen Nachmittag liegen die 35 Meilen von Grisslehamn nach Furusund hinter uns und ich
mache dort am Steg fest.
Beim Bezahlen des Hafengeldes eine Überraschung.
Schon im Hafenführer war die Marina mit 20,00 Euro angegeben und somit eine der teuersten auf
unserer Reise. Nun verlangen sie dort sogar 26,00 Euro pro Nacht, da das andere der Preis vom
letzten Jahr war. Damit haben sie bis jetzt unangefochten den Spitzenpreis an Hafengeld auf unserer
Reise erreicht.
Furusund ist hübsch, hat aber nichts besonderes zu bieten.
Einzig erwähnenswert sind eine kleine Windmühle neben dem Hafen, die aus dem Jahre 1772
stammt und die älteste Kompassdarstellung in Skandinavien aus dem Jahre 1463, die in einen
Felsen neben der Straße eingeritzt ist.
Wenn ich nach der allerdings nicht gezielt gesucht hätte, da sie im Hafenführer erwähnt war, wäre
sie mir bestimmt verborgen geblieben.
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Einen Hinweis oder irgendeine Erwähnung über die Darstellung fand ich jedenfalls nirgends. Nur
wenn man den Platz, etwas abseits der Straße, schon gefunden hatte, sah man das kleine
Hinweisschild, das näheres über die Darstellung verriet.
Ansonsten gibt es noch einen alten optischen Telegraphen aus dem Jahre 1863. Mit ihm konnten
wichtige Nachrichten innerhalb einer halben Stunde bis nach Stockholm übermittelt werden.
Das lief natürlich über weitere Stationen, die in Abständen vorhanden waren.
Erwähnenswert ist noch, dass Astrid Lindgreen dort ein Haus besaß, in dem sie ihre Sommer
verbrachte.
Mir gefiel am besten der Ausblick vom Hafen auf den Sund, speziell zwischen den Saunagängen,
die ich am Abend absolvierte. Die Sauna war im Liegegeld eingeschlossen und die schöne Bank
davor lud mit ihrem herrlichen Blick auf den Sund und die vorbeiziehenden Schiffe, zum Verweilen
ein.
Lange saß ich an dem lauen Abend auf dieser Bank und betrachtete die in geringem Abstand
vorbeifahrenden Fähren, auf ihrem Weg zu den Alands oder nach Tallin.
Immer wieder kam mir dabei die „Estonia“ in den Sinn. Wie oft mag sie hier majestätisch vorbei
gezogen sein, von den Yachties bewundert und in ihrer Größe und Schönheit fast für unverletzlich
gehalten.
Und doch liegt sie jetzt auf dem Grunde der Ostsee.
Ich muss gerade auf dieser Reise oft an das Schiff und sein Schicksal denken.
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Der Wind legt immer mehr zu und Stockholm- Radio gibt für die gesamte Ostsee inklusive
Bottensee Sturmwarnungen heraus.
Auch von Schweden-Rescue ist wieder eine Suchmeldung dabei.
Ein neun Meter Trimaran unter britischer Flagge ist seit zehn Tagen überfällig.
Er wollte von Klaipeda nach Bornholm und wird seitdem vermisst.
Das sieht nicht gut aus.
Trotz fast acht Beaufort, gehe ich die letzten 35 Meilen nach Stockholm an.
Die gesamte Fahrt verläuft durch geschütztes Gewässer, wo sich keine See aufbauen kann.
Die Wellen sind kaum höher als 0,5 Meter, kommen allerdings fast genau von vorne, was unsere
Geschwindigkeit unter sechs Knoten drückt und wieder Vollbeschäftigung für die Scheibenwischer
bedeutet.
Die Sonne scheint trotz des Sturmes und die Fahrt macht richtig Spaß. Weiße Schaumstreifen liegen
auf dem Wasser und die Gischt wird vom Wind weit verweht.
Je näher wir Stockholm kommen desto dichter wird der Verkehr der großen und kleinen Fähren,
sowie der vielen Rundfahrt – und Taxiboote.
Im Schärengewirr um Stockholm ist es gar nicht so einfach den Wasahafen, in den ich gerne
möchte, zu finden. Mit Plotterhilfe sind wir aber am frühen Nachmittag am Ziel und auch das
Anlegen klappt, trotz des starken Windes so gut, dass ich drei Stunden später nochmals ablege.
Wegen des starken Schwells der vielen vorbeifahrenden Fähr – und Taxiboote verhole ich weiter ins
Innere des Hafens, wo ich mir mehr Ruhe verspreche.
In Stockholm bezahle ich mit 24,00 Euro inklusive Strom sogar 2,00 Euro weniger als in Furusund.
Manchmal ist die Preisgestaltung der Marinas schwer zu verstehen.
Von den vielen Sehenswürdigkeiten, die Stockholm zu bieten hat, steht als erstes das Wasamuseum
auf meinem Programm. Es liegt nur wenige Schritte neben dem Wasahafen und zeigt die Geschichte
der „Wasa“, die am 10.August 1628 bei ihrer Jungfernfahrt nach wenigen hundert Metern kenterte
und versank. 50 Mann der Besatzung verloren dabei ihr Leben.
Im Laufe der Zeit wurde der genaue Untergangsort vergessen und erst in den fünfziger Jahren des
zwanzigsten Jahrhunderts durch den Wrackforscher Andreas Frenzen wieder entdeckt.
Sein Suchgerät war ein Handlot mit einem Locheisen an der Spitze, das er immer wieder auf den
Grund des Hafens herab ließ. Ganz in der Nähe des heutigen Museums fanden sich Eichenholzreste
in der Aussparung des Eisens. Tauchgänge ergaben dann die Gewissheit, dass die „Wasa“, über
dreihundert Jahre nach ihrem Untergang, wieder entdeckt war.
Das Königshaus von Schweden förderte die anschließende Bergung und so kam das Schiff am
24.April1961 wieder ans Tageslicht.
Eine aufwändige Restaurierung und der Bau des Museums folgten.
Im Juni 1990 war alles fertig und das Museum eröffnete. Seit dem zählt die „Wasa“ zu den größten
Touristenattraktionen der Welt.
Zu Recht!
Das Schiff und seine Geschíchte ist wirklich beeindruckend. Es besteht übrigens zu 95% aus
Originalteilen, da im geringen Salzgehalt der nördlichen Ostsee die Holzbohrmuschel nicht
vorkommt und somit das Holz erhalten blieb.
Neben der Halle in der die „Wasa“ ihren letzten Liegeplatz gefunden hat, liegt auch der
ausgemusterte Dampf – Eisbrecher „Sankt Erik“.
Auch dieses Schiff ist sehr interessant und zeigt in den Details seiner Ausstattung, dass früher nicht
nur pragmatisch gebaut wurde, sondern auch Schönheit und Stil Beachtung fanden.
Für die Besichtigung der Stadt kaufte ich mir ein „Hop on – Hop off –Ticket“, das einem erlaubt 24
Stunden mit den Doppeldeckerbussen durch die Stadt zu fahren.
So werden die Beine doch ein wenig entlastet.
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Man kann beliebig oft ein und aussteigen und spart sich so die Wege zwischen den einzelnen
Lokalitäten. Trotzdem kommen noch einige Kilometer Fußmarsch zusammen.
Die Wachablösung vor dem Schloss, der Gedenkplatz für die Opfer des „Estonia“ Katastrophe, das
Aquarium und ein Nachtbummel durch die Altstadt und den Citykern, sind nur ein paar der vielen
Unternehmungen, die ich absolviere.
Auf einem Spatziergang mit Skip komme ich eher zufällig an zwei alten Trockendocks vorbei, die
komplett aus dem Granit der Insel Bleckholmen gesprengt wurden.
Riesig sind die Docks und im kleineren der beiden verlieren sich drei Ausflugsboote, die dort
eingedockt sind und an denen der Unterwasseranstrich erneuert wird.
Die Kräne des Docks sind wie riesige Giraffen bemalt und mir schon beim einlaufen aufgefallen.
Die Docks habe ich vom Wasser aus gar nicht erkennen können.
Der Yachthafen ist ,wie an Wochenenden üblich, gut gefüllt.
Kurz nach Mitternacht verlässt ein Powerboot seine Box, dessen Besatzung den neben dem Hafen
liegenden „Gröna-Lund“ Vergnügungspark besucht hat.
Obwohl der Skipper wirklich sehr vorsichtig mit dem Gashebel umgeht, ist durch die offene
Auspuffanlage, der Lärm infernalisch. Fast alle Bootsbesatzungen im Hafen werden aufgeweckt
und dem Boot hallen nicht nur gute Wünsche, für die Fahrt, hinterher.
Um das zu erkennen ,reichten sogar meine im Prinzip nicht vorhandenen Schwedisch Kentnisse.
Ich verstehe nicht, warum diese Anlagen nicht generell umschaltbar konstruiert werden.
Allerdings stören nicht nur Motorbootfahrer die Nachtruhe.
Zwei Boxen neben uns liegt eine große, schwedische Segelyacht, in deren Cockpit sich ca. zehn
Personen bis zum frühen Morgen, lautstark amüsieren.
Rücksichtnahme auf andere hängt also nicht vom bevorzugten Bootstyp ab.
Ein anderes Segelboot das neben uns festgemacht hat, ist die „Mädchen“.
Ich unterhalte mich nett mit der Eignerin, da mir ein Schriftzug auf ihrem Segelkleid mit
dem
Namen „Stuttgart“ aufgefallen ist. Dadurch wurde ich natürlich neugierig darauf, was sich dahinter
verbarg. Schließlich liegt Stuttgart ja gar nicht weit von meiner Heimat. Das ich als Badener ja für
die Völkerverständigung eintrete und nichts gegen Schwaben habe, sieht man ja schon daran, dass
ich eine Schwäbin zur Frau habe.
Sie hat mit ihrem 9,35 Meter langen Boot schon die Welt umsegelt und darüber das Buch: „Ein
Traum wird wahr“ geschrieben.
Auch mit der Besatzung eines Motorkatamarans aus Neuseeland spreche ich, da Motorboote aus
fernen Häfen selten sind. Die zwei, John aus Neuseeland und Robert aus Australien, laden mich
spontan an Bord ein und zeigen mir sichtlich stolz, ihr Schiff.
Sie haben es mit einem Frachter über See nach Europa transportieren lassen und sind nun seit fünf
Jahren vorwiegend auf Flüssen und Kanälen hier unterwegs.
Paris, Berlin, Basel und London sind nur ein paar ihrer Stationen, die sie inzwischen schon besucht
haben.
Wie im Flug vergeht die Zeit im Gespräch und als ich wieder auf „Molly“ bin, ist es schon spät
nach Mitternacht.
Ich beschließe noch einen weiteren Tag in Stockholm zu bleiben.
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Wieder südlich des 60. Breitengrades
Stockholm - Hanöbucht
Der Himmel ist grau und Stockholm vergießt die ein- oder andere Träne, als wir es Tags darauf
verlassen. Vielleicht ist es aber auch nur ganz normaler Regen, der aus dem grauen Himmel fällt.
Kurz nach unserem Ablegen, setzt der Himmel aber schon wieder ein freundlicheres Gesicht auf
und ich genieße die Fahrt durch das Stadtgebiet von Stockholm, Richtung Mälaren. Die Schleuse
die uns noch innerhalb Stockholms auf das rund einen halben Meter höhere Niveau des Mälaren
hebt, öffnet auf Anruf und wir werden ohne Wartezeit durchgeschleust.
Mit uns zusammen schleust das kleine Passagierschiff „Juno“, das Kreuzfahrten durch den GötaKanal unternimmt und das ich schon in vielen Filmberichten gesehen habe.
Nun also in Live. Die Passagiere winken fröhlich und ich denke der ein oder andere beneidet uns
sicher um unsere Unabhängigkeit.
Die Fahrt durch Stockholm, ein Stück über den Mälaren und durch den Södertälje-Kanal, die
eigentlich nur als Zeitersparniss und wegen des starken Windes stattfindet, entpuppt sich als
wunderschön und ich freue mich riesig, diesen Weg gewählt zu haben.
In Södertälje müssen wir knapp eine Stunde auf die Abschleusung warten, da ein großer Kümo
Vorrang bei der Schleusung hat.
Ich nutze die Zeit für einen kleinen Imbiss und einen Spaziergang mit Skip.
Hinter der Schleuse befindet sich eine Engstelle im Kanal und die Lichtzeichenanlage zeigt zwei
blinkende Rotlichter.
Das bedeutet „Stopp“ für alle Fahrzeuge. Also warten wir erst mal ab, was der Grund der Sperrung
ist.
Nach ein paar Minuten schiebt sich der rote Bug eines Tankers um die Ecke, der überhaupt nicht
mehr aufhören will. Einhundertzwanzig Meter misst der für diesen Kanal gewaltige Pott und dem
hätte ich nun wirklich nicht in der Engstelle begegnen wollen.
Sein Brückenhaus hat rechts und links zwischen der geöffneten Eisenbahnbrücke höchstens drei bis
vier Meter Platz und ich verneige mich ehrfürchtig vor dem Steuermann, der den Riesen durch das
Nadelöhr fädelt.
Nach neun Stunden Fahrt treffen wir in Trosa ein. Das ist ein kleines Städtchen am Ufer des
Flüsschens Trosaan, das sich vom Fischerort in einen beliebten Ferienort verwandelt hat.
In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts war der Ort bei mehreren Schriftstellern, darunter
Artur Lundkvist, Albert Engström und Gunnar Ekelöf, sehr beliebt und sie waren treue Stammgäste
in dem hübschen Städtchen.
Der Hafen erinnert mich an Holland und ich mache an der Flussseite der Pier längsseit fest.
Schwell muss man nicht befürchten, da das Flüsschen nur ein paar Meter breit ist und die
Geschwindigkeit auf drei Knoten begrenzt wurde.
Der Ort ist mir von Anfang an sympatisch. Je mehr ich von ihm sehe, umso besser gefällt es mir
hier. Alles wirkt auf mich, als wenn man eine schwedische Holzhausbebauung an das Ufer einer
holländischen Gracht gesetzt hätte.
Gegen die Stadt verblasst jedes Freilichtmuseum.
In Anbetracht des guten Hafenservices inclusive Sauna direkt am Wasser, den freundlichen Leuten
und des zumindest im Moment wieder zurückgekehrten Sommers, beschließe ich einen Tag zu
bleiben.
Ich verbringe den mit bummeln durch den Ort, einkaufen und faulenzen.
Nach einem letzten Saunagang am Abend, lege ich morgens kurz vor acht Uhr ab und verhole an
den Steiger der Tankstelle.
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Dort fülle ich 130 Liter Diesel in den Tank von „Molly“. Da sich hier jetzt so langsam das
Saisonende nähert und ich nicht weiß, wann die nächste ,offene Tankstelle kommt, möchte ich
lieber auf Nummer sicher gehen und nicht zu knapp kalkulieren.
Lieber ein paar zusätzliche Kilos mit schleppen, als vor einer geschlossenen Tanke zu stehen und
nichts mehr in Reserve zu haben.
Theoretisch müssten meine knapp 500 Liter Diesel, die ich nun an Bord habe, bis zum Ende der
Reise ausreichen. Da ich aber auf Helgoland den Tank für die Winterpause füllen möchte, führt das
vorletzte Teilstück der Reise über eine Strecke, auf der man doch mit einigem Seegang rechnen
muss. Darum möchte ich dort den Tank zu mindestens einem Drittel gefüllt haben. Darum werde
ich noch einen Tankstopp auf der restlichen Strecke einlegen.
Nun haben wir aber erst einmal alles gefüllt und es kann weitergehen.
Durch das Innenfahrwasser, also innerhalb des vorgelagerten Schärengürtels, geht es Richtung
Oxelösund, das unser heutiges Ziel sein soll.
Um die Mittagszeit passieren wir die Insel Broken. Ein wunderschöner Naturhafen präsentiert sich
dort in einer Bucht der kleinen ,bewaldeten Schäre. Der rundum gut geschützte Platz sieht äußerst
einladend aus und nur zwei andere Boote liegen am großen Steg.
Darauf habe ich jetzt mehr Lust , als auf eine Stadtmarina. Spontan ändere ich meine Planung und
steuere die Bucht an.
Die nur knapp 15 Meter breite Einfahrt zwischen Broken und einer vorgelagerten Schäre, ist laut
Seekarte von Felsen und Steinen umsäumt und es ist ratsam sich genau an die Rinne zu halten, die
in die Bucht führt.
Ungefähr zehn Meter neben der nördlich gelegenen Schäre liegt eine grüne Tonne. Zum Ufer der
anderen Seite sind es gut 30 Meter.
Die ganze Zeit bin ich gegen die Betonnungsrichtung gefahren. Das heißt: Ich ließ die grünen
Tonnen an Backbord.
Das da vorne ist aber keine offizielle Tonne, sondern nur eine Boje die von einem Yachtklub
ausgelegt wurde, um den revieransässigen Mitgliedern, die Navigation zu erleichtern.
Wie ist sie zu verstehen?
In Betonnungsrichtung des bisherigen Fahrwassers?
Also Backbord liegen lassen und den breiteren Teil der Einfahrt benutzen?
Andersherum haben Molenbezeichnungen und Hafenbetonnungen nichts mit dem Fahrwasser zu
tun und sind grundsätzlich von See kommend, grün Steuerbord und rot Backbord zu passieren.
Zum Glück löst sich beim näher kommen das Rätsel von alleine.
Weiter um die Huk liegt auch eine rote Boje und nun sieht man ganz deutlich, dass die Betonnung
grün Steuerbord und rot Backbord, passiert werden muss.
Wir schleichen uns also in fünf Metern Abstand am Felsufer vorbei und sind in der Bucht.
Einfach traumhaft ist dieser schöne Platz. Das Wasser ist glasklar und man kann die
Unterwasserflora und Fauna wie in einem Aquarium beobachten. Kurze Zeit später haben wir am
Steg festgemacht.
Am Abend gehe ich auf verschlungenen, kaum sichtbaren Pfaden quer über das kleine Eiland,
um die dort liegende Sauna zu besuchen. Kurz zuvor kam ein heftiger Gewitterschauer herunter und
die moosigen Felsen sind teilweise recht rutschig.
Also gut aufpassen!
Wir wollen hier schließlich etwas für die Gesundheit tun und uns nicht die Haxen brechen.
Der zehnminütige Anmarsch wird durch die traumhafte Lage der Sauna, direkt an der See belohnt.
Vor der Hütte führt ein Badesteg mit Leiter zum kühlen Nass der Ostsee, die hier am Felsufer sofort
in große Tiefe abfällt.
Es wird ein herrliches Saunabad , immer wieder unterbrochen von kurzen Schwimmrunden in der
See, die gar nicht so kalt ist, wie ursprünglich vermutet
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Das Gefühl, nach einem Saunagang in der Ostsee zu schwimmen und anschließend auf der Bank in
der Abendsonne zu trocknen, kann man nicht in Worte fassen. Man muss es erleben.
Nach drei Saunagängen habe ich die nötige Bettschwere und mache mich auf den Rückweg.
Inzwischen ist es schon ziemlich dunkel geworden und der schmale Pfad ist kaum zu erkennen.
Mehr taste ich mich, als dass ich wirklich was sehen würde, zurück zum Boot.
Ohne die Lampe die am Anfang des Steges aufgestellt ist und deren Schein mir die grobe Richtung
weist, hätte ich wohl noch eine ganze Weile gesucht, bis ich den Weg zurück gefunden hätte.
Auf der Insel gibt es außer dem Klubheim des Bootsklubs, dem der Steg gehört, keine weitere
Bebauung und das Klubheim scheint nur an den Wochenenden genutzt zu werden.
Entsprechend dunkel ist es auf dem Eiland.
Gerade diese Abgeschiedenheit macht aber den Reiz des Ortes aus.
Auf den anderen zwei Booten die noch am Steg liegen brennt noch Licht, aber von den
Besatzungen sehe ich die ganze Zeit über niemanden.
Zurück an Bord, gehe ich auch gleich in die Koje und schlafe fantastisch.
Heute ist der 21.August. Kurz nach sieben Uhr klingelt mein Handy und beendet die angenehme
Nachtruhe.
Meine Frau Christina ruft an, da sie die erste sein will, die mir zu meinem 56. Geburtstag
gratuliert.Sie ist es auch und ich freue mich natürlich sehr über die nette Morgenbegrüßung.
Ich überlege ob ich mir einen faulen Liegetag auf Broken schenken soll, entscheide mich dann aber
trotz Starkwindwarnung zur Weiterfahrt.
Wenn man in solch gut geschützten Buchten liegt, ist es teilweise sehr schwer zu beurteilen, wie die
Windverhältnisse außerhalb des Landschutzes sind.
Vor allem beim überqueren der breiten Norrköping-Bucht sind wir doch ziemlich heftigem Seegang
der Ostsee ausgesetzt.
Die Wellen haben weiße Schaumkronen und lange Schaumstreifen liegen über dem Wasser.
Der Wind kommt uns die meiste Zeit entgegen und es zeigt sich wieder einmal, dass die Mischung
aus Felsen, Schärenfahrt und Seegang für viel Adrenalin sorgen kann.
Dagegen ist grober Seegang in freiem Seeraum schon fast erholsam.
Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich den Griff an der Steuerhaustüre, an dem ich mich fest
klammere um nicht ständig durch das Boot geschleudert zu werden, tätschle und murmle: „Du
machst das prima „Molly“.
Seltsamerweise komme ich mir dabei gar nicht blöde vor, denn „Molly“ ist einfach mehr als ein
Boot für mich.
Sie ist ein Reisegefährte ,auf den ich mich bis jetzt unter allen Umständen verlassen konnte.
Auch heute bringt sie uns sicher an unser Tagesziel: Fyrudden.
Das ist ein gut geschützter Hafen mit umfangreichen Versorgungsmöglichkeiten, direkt am
Hauptfahrwasser durch die Schären.
Prompt entdecke ich dort, dass der Diesel hier pro Liter 13 Cent günstiger ist, als in Trosa, wo ich
meinen Tank nochmal gefüllt hatte.
Hätte ich es nicht getan und auf einen billigeren Platz spekuliert, wäre es bestimmt umgekehrt
gewesen.
Na ja, gibt es heute eben keine Wurst aufs Brot. Irgendwie muss ich das ja wieder hereinholen.
Man könnte glauben wir befänden uns im April. Das Wetter wechselt ständig zwischen Sonne,
Regen, mal mehr und mal weniger Wind.
Dazwischen immer mal wieder ein kurzes Gewitter.
Der grandiosen Schären Landschaft, durch die wir südwärts fahren, tut das keinen Abbruch.
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Im Gegenteil. Manchmal wirkt es wie von einem genialen Regisseur inszeniert.
Nach den kurzen Schauern glänzen die kahlen Felsschären in der Sonne wie
Gletscher bedeckte Gebirgshänge.
Alle paar Minuten ändert sich das Bild. Was eben noch wie eine größere Insel aussah, entpuppt sich
als mehrere kleine, die gestaffelt voreinander liegen.
Ich fahre zwischendurch immer mal wieder eine unmarkierte Abkürzung, im Vertrauen auf die
Genauigkeit der Seekartenvermessung und deren Darstellung auf dem Plotter.
Mitten im Felsengewirr, als der Abstand zu den Riffen immer näher rückt, schimpfe ich mit mir
selbst, warum ich bloß nicht im Fahrwasser geblieben bin.
Wenn ich dann aber wieder im freien Wasser bin, freue ich mich diebisch über die gelungene
Abkürzung.
Beim nächsten Durchschlupf durch die Felsen, geht alles wieder von vorne los.
Ich mache das natürlich nur an Stellen, wo absolut ruhiges Wasser ist, gute Sichtverhältnisse
vorhanden sind und auch dann nur mit reduzierter Geschwindigkeit.
Teilweise trete ich auch den Rückzug an, wenn mir die Umstände zu kriminell erscheinen.
Oberste Regel bleibt Sicherheit vor Schnelligkeit. Wir haben schließlich Zeit und wollen uns auch
auf der weiteren Reise nirgends unter Zeitdruck setzen lassen.
Noch sind wir, wie fast auf unserer gesamten Tour, gut eine Woche unserem Zeitplan voraus. Das
möchte ich auch ungefähr beibehalten. Wenn es zu knapp wird, lassen wir eben ein paar mögliche
Stationen aus und legen bei passenden Wetterverhältnissen auch mal wieder ein größeres Wegstück
zurück. Ich möchte mir diesen Zeitpuffer unbedingt erhalten, für die Zeit in der Südlichen und
Westlichen Ostsee, sowie für die Rückfahrt über die Nordsee.
Es sind fast keine anderen Boote unterwegs und auch in den Häfen überwiegen die Dauerlieger bei
weitem. Deutlich spürbar rückt die Saison hier dem Ende entgegen.
Während wir uns Västervik nähern, sehe ich schon lange von See aus, einen der höchsten
Funksendetürme für UKW Radio und Fernsehprogramme. Es handelt sich um den 335 Meter hohen
Farhultsmasten, eines der höchsten Bauwerke Schwedens.
In Västervik , unserem Etappenziel angekommen, lege ich an einem der wenigen freien Plätze an.
Nirgendwo sind Leute an Bord oder auf den Stegen zu sehen.
Auch hier nur einheimische Dauerlieger.
Beim Bezahlen des Hafengeldes gebe ich mich erstaunt darüber, dass im Hafenführer 140 Kronor
Gebühren stehen, man nun aber 200 von mir haben will.
Ohne lange zu überlegen, ist der Angestellte der Bootshandels Firma, die den Hafen betreiben, auch
mit 140 Kronor zufrieden.
Das nenne ich doch mal kundenfreundlich.
Nachdem ich am Steg das Schild mit den Gebührensätzen gesehen hatte, nahm ich vorsorglich den
Hafenführer mit in das Hafenbüro, um auf die Diskrepanz aufmerksam zu machen. Dass ich
dadurch einen Preisnachlass erhalte ,war nicht geplant, aber auch nicht unangenehm.
Die Marina hat allerdings nach Drucklegung des Hafenführers von der Kommune in Private Hände
gewechselt.
Västervik, die ungefähr 40.000 Einwohner zählende Stadt am Skeppsbrofjärden ist ein echtes
Wassersport Zentrum. Über 800 Bootsliegeplätze bietet die Stadt und auch der Ort selbst hat einiges
zu bieten. Unter anderem sind die Kirche St.-Petri und die St.-Gertrud-Kirche sehenswert. Dann
gibt es noch die Ruine von Schloss Stegholm, das 1360 erbaut wurde.
Im Laufe der Geschichte wurde es wiederholt zerstört und wieder aufgebaut.
Inzwischen finden innerhalb der teilweise restaurierten Ruine, in die eine Freilichtbühne integriert
wurde, regelmäßig Festivals statt. Ansonsten ist es einfach ein netter Ort mit vielen alten
Holzhäusern und anderen sehenswerten Gebäuden.
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Er beherbergt gute Einkaufsmöglichkeiten innerhalb seiner belebten Straßen und so lege ich auch
hier einen Ruhetag ein.
Die ganze Zeit über bin ich am überlegen, ob ich von hier aus zum nur 65 Meilen entfernten Visby
auf Gotland übersetzen soll.
Leider spielt die Wetterlage einfach nicht richtig mit.
Es bläst mit sechs Beaufort und die nächsten Tiefs sind schon im Anmarsch.
Da wir bei den zur Zeit vorherrschenden Südwinden den Seegang genau seitlich hätten, besteht das
Risiko, dass ich dann auf Gotland zu lange fest hänge.
Da ich mir aber auch auf Öland und in Südschweden etwas Zeit lassen möchte, käme ich dann doch
unter Zeitdruck, zumal das Wetter jetzt im sich ankündigenden Herbst von Tag zu Tag launischer
wird.
Dass die Bootssaison sich hier unaufhaltsam dem Ende nähert, sehe ich auch daran, dass hier schon
einige Skipper die Masten am legen sind und ihre Boote winterfest verpacken.
Mir erscheint das zwar noch etwas früh, aber hier in Schweden hört die Saison eben mit dem Ende
der Ferien, Mitte August, auf.
Auch bei vielen Marinas und Bootstankstellen steht im Hafenführer der Vermerk, dass sie Ende
August schließen, oder ab dann nur noch einen eingeschränkten Service bieten.
Was ich zuerst als Vorteil ansah, da dann ja weniger Betrieb in den Marinas und Häfen ist, erweist
sich oft als unerwarteter Nachteil. Die Liegeplätze sind rappelvoll mit Dauerliegern, die alle schon
in ihre Heimathäfen zurückgekehrt sind und nun an den Stegen nur noch auf das Auswintern an
Land warten. So findet man nur noch an den oft recht spärlich vorhandenen Gästeplätzen einen
Liegeplatz.
Nun, ein freier Platz reicht uns ja. Außerdem wird es somit auch wieder zum Vorteil, dass „Molly“
nur acht Meter lang ist und damit eigentlich immer ein Eckchen zu finden ist, in das sie noch
hineinpasst.
Bei Windstärke fünf, ausnahmsweise aus Nord , verlassen wir Västervik und fahren knapp zwei
Stunden durch eine ziemlich chaotische See, bis wir die letzten Riffe und Felsschären hinter uns
gelassen haben.
Dann kann ich einen geraden Kurs nach Byxelkrok, auf der Nordwest Spitze Ölands anlegen.
Gotland lasse ich schweren Herzens sprichwörtlich und auch real, links liegen.
Trotz des recht ruppigen Seegangs ist es auch mal wieder schön, das Rudergehen dem Autopiloten
zu überlassen. Da die See schräg von achtern aufläuft, wird es auch eine sehr zügige Überfahrt.
Schon nach rund viereinhalb Stunden sind die 32 Meilen abgehakt und wir machen an der Pier in
Byxelkrok fest.
Die letzten zwei Stunden der Fahrt sehe ich erst voraus und später leicht Steuerbord die Bla
Jungfrun, eine sagenumwobene Felsinsel mitten im Nordausgang des Kalmarsundes, die sich 86
Meter über dem Meer erhebt.
Die Insel die heute Nationalpark ist, hatte schon immer etwas mystisches an sich.
Schon aus der Bronzezeit, ca. 1.500-500 vor Christus, findet sich dort ein Steinlabyrinth, das
wahrscheinlich kultischen Zwecken diente.
Im Mittelalter lebten dort angebliche Hexen und Zauberer in Höhlen.
Im Hafen von Byxelkrok liegen nur Fischerboote und drei einheimische Yachten. Ich habe also freie
Auswahl, was den Liegeplatz betrifft.
Kurze Zeit später habe ich an der Westmole, in der Nähe einer kleinen Helling ,festgemacht.
Beim Bezahlen des Hafengeldes eine angenehme Überraschung. Für die erste Nacht bezahle ich
noch 16,00 Euro, für die zweite sind dann aber nur noch 11,00 Euro fällig.
Ab dem 25.08. gilt der Nachsaison- Tarif.
Es ist schon sehr ruhig im Ort, der im Sommer immer gut besucht ist und wo es dann oft schwierig
ist noch einen Liegeplatz zu ergattern.
Dieses Problem haben wir in Moment definitiv nicht.
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Öland gilt als die sonnenreichste Region Schwedens und scheint das am nächsten Tag auch
beweisen zu wollen. Wir haben schönstes Spätsommerwetter.
Ich miete mir ein Fahrrad und unternehme eine mehrstündige Rundfahrt über den Nordteil der Insel.
Es gibt dort mehrere Naturreservate und auch viele Spuren aus vorgeschichtlicher Zeit. So findet
man auf Öland einige der am besten erhaltenen Hausgrundmauern aus der Eisenzeit. Auch Reste
von Dörfern aus der Steinzeit, kann man vorfinden.
Im Naturreservat „Neptuni akrar“, liegt ein großes Gräberfeld aus der Wikingerzeit. Darum herum
erstreckt sich ein langes Geröllfeld, durchzogen von uralten Strandwällen und übersät mit
blauviolettem Natternkopf.
An der Nordspitze von Öland besuche ich den „Lange Erik“, das 32 Meter hohe und 1845 errichtete
Leuchtfeuer von Norra Udde. Fast kein Mensch begegnet mir auf meiner gut vierstündigen Radtour
durch die einzigartige Wald- und Kulturlandschaft.
Zum wiederholten male sage ich mir: Das machst du jetzt aber wirklich mal öfters, dass du solche
Touren in die Umgebung unternimmst. Meistens beschränke ich mich eben auf den Radius, der zu
Fuß erreichbar ist. Aber schon mit dem Fahrrad eröffnen sich ganz andere Perspektiven. Man kann
einfach Ziele in viel größeren Entfernungen erreichen und Spaß macht es außerdem.
Zurück an Bord, schreibe ich eine Postkarte nach Hause, in der ich von der schönen Radtour
schwärme. Als ich die Karte in den Postkasten am Hafen werfen will, prangt auf diesem ein
Hinweisschild : „Geschlossen, da Saisonende. Wiedereröffnung in der nächsten Saison.“
Deutlicher kann einem nicht vor Augen geführt werden, dass es Zeit wird sich Richtung Heimat auf
den Weg zu machen.
Zuerst mache ich mich aber mal auf den Weg zum Kaufmann im Ortszentrum. Dort befindet sich
ein weiterer Briefkasten, der meine Karte auch annimmt und von wo sie auch hoffentlich
weitergeleitet wird.
Wieder zurück im Hafen, sehe ich, dass inzwischen eine große Segelyacht unter deutscher Flagge
hinter „Molly“ festgemacht hat. Unter der Sailing führt sie neben der schwedischen Gastflagge auch
noch die Flaggen von Polen, Litauen und Lettland. Ich vermute, dass da noch jemand auf großer
Tour ist und spreche die Crew an. Es stellt sich aber heraus, dass es sich um ein Charterboot
handelt, das unter mehreren verschiedenen Crews diese Reise absolviert. Keine davon ist länger als
14 Tage an Bord. Die jetzige, acht Personen Crew, ist in Ventspils an Bord gegangen und von dort
aus über Gotland hierher gekommen. Morgen wollen sie weiter nach Kalmar, wo ihr Törn dann zu
Ende ist. Sie fliegen von dort nach Hause und das Boot wird von einer neuen Crew übernommen.
Wieder auf „Molly“ krame ich ebenfalls schon mal die sechs Gastflaggen der bis jetzt besuchten
Länder hervor und binde sie untereinander. Trotz des kurzen Abstandes zwischen den einzelnen
Flaggen, ist die Reihe aber länger als der Mast von „Molly“ hoch ist.
Also spanne ich die Kette von der Mastspitze nach achtern ab.
Wenn später noch die zwei restlichen Flaggen von Schweden und Dänemark dazu kommen, werde
ich je eine Leine an der Steuerbord und der Backbord Rah befestigen.
Sieht richtig toll aus, wie die Flaggen Finnlands, der Alandinseln, Estlands, Litauens und von Polen
im Wind flattern. Ich lasse sie gleich gesetzt, da ruhig jeder sehen kann, wo die kleine „Molly“
schon überall auf dieser Reise war.
Nach einem kleinen Frühstück geht es am folgenden Morgen weiter nach Borgholm.
Raus aus dem Hafen, erstmal Abstand zur Küste gewinnen und dann einen geraden Kurs auf die
Ansteuerung von Borgholm. Im Vergleich zur Schären Navigation ist das schon eine gemütliche
Angelegenheit. Wenn man erst einmal 20 Meter oder mehr Wasser unter dem Kiel hat, lebt es sich
doch entspannter. Zwar hat man innerhalb der Schären auch oft diese Tiefe, aber sie kann auch
schnell wieder gegen Null tendieren. Da verläuft die Tiefenlinie hier doch etwas gleichmäßiger und
vorhersehbarer.
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Es hat sich etwas bewölkt und alles erscheint einheitlich grau und in verschiedenen Blautönen. Die
Bla Jungfru bleibt langsam achteraus und „Molly“ arbeitet mäßig im leichten Seegang. So wie es
im Moment läuft, kann ich mir schon den Reiz einer Überquerung des großen Teichs vorstellen.
Skip liegt auf seinem Stammplatz unter dem Steuerrad vor meinen Füßen und döst. Wenn ich mich
bewege oder irgendetwas mache, blinzelt er mich mit halb geschlossenen Augen an, als wolle er
sagen: „Nun entspann doch mal und zapple nicht ständig hier herum.“
Im Radio ist wieder mal kein vernünftiger Sender zu empfangen und so lege ich eine meiner CDs
ein. Inzwischen kenne ich die fünf, die ich auf diese Reise mitgenommen habe ,fast auswendig.
Die Gedanken schwirren durch den Raum. Ich freue mich schon auf zu Hause, aber gleichzeitig
plane ich auch schon, was für eine Reise als nächstes machbar wäre.
Rund Großbritanien wäre sicher auch toll und der Gedanke setzt sich immer mehr in meinem Kopf
fest. Aber noch genießen wir diese Reise ausgiebig bis zur letzten Meile, zu der es ja schon noch ein
Stück hin ist.
Die See hebt und senkt sich gleichmäßig, wie der Brustkorb eines gewaltigen Riesen, der entspannt
auf dem Rücken liegt. Wir gleiten durch eine unstrukturierte Landschaft. Wegen der hier ab und zu
aufgestellten Fischernetze, fahre ich recht weit vor der Küstenlinie. Andere Boote sind nirgends zu
sehen. Dass wir uns nicht in einem zeit- und raumlosen Vakuum befinden, merkt man nur beim
Blick auf den Plotter.
Nur an den wechselnden Kartenausschnitten und der sich verringernden Entfernung zum Ziel
erkennt man, dass wir uns vorwärts bewegen. Der Blick aus den Fenstern suggeriert im Gegensatz
dazu, einen Stillstand.
Erst als wir wieder näher unter Land fahren, löst sich der eigenartige Reiz auf und das vor sich hin
träumen weicht wieder der Navigation.
Am frühen Nachmittag laufen wir in Borgholm ein.
Welche Überraschung. Borgholm, das im Hafenführer als wichtigstes Zentrum des Wassersports auf
Öland beschrieben ist und wo angeblich der Bär tobt, liegt wie ausgestorben da. Der Hafen macht
einen richtig verlassenen Eindruck und die wenigen einheimischen Boote verlieren sich in der
Weitläufigkeit der Hafenanlagen. An den Ständen und Kiosken rund um den Hafen, sind die
Rolläden geschlossen und auch am Büro des Hafenmeisters hängt ein Schild, dass es nicht mehr
besetzt ist. Gäste sollen sich an der Rezeption des Hotels am Hafen melden.
Mir geht zwanghaft eine Vorstellung durch den Kopf: Irgendwann lassen sie auch noch das Wasser
aus dem Hafenbecken ab und stellen ein Schild auf: Wird wieder aufgefüllt in der kommenden
Saison.
Die Leere wirkt schon befremdlich, zumal am Nachmittag die Sonne wieder hinter den Wolken
hervor kommt und an sich ideales Bootswetter ist.
Wenn allerdings keine Kundschaft, sprich Boote da sind, macht es natürlich auch keinen Sinn alles
in Betrieb zu halten.
Ich mache mit Skip zuerst einmal einen Stadtbummel um zu schauen, ob dort auch schon alle
Bürgersteige hochgeklappt sind. Zum Glück ist das aber nicht der Fall und es herrscht noch reges
Leben in dem Städtchen.
Beruhigt wandern wir weiter zur alten Schlossruine von Borgholm.
Die hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert als Burg und
Festung oft umkämpft, wurde sie auf Wunsch von König Johan III. zwischen 1572 und 1592 in ein
prachtvolles Renaissance-Schloss umgebaut. Jedoch schon im Kalmarer Krieg von 1611 bis 1613
wurde es stark zerstört und danach nur teilweise wieder aufgebaut.
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Von 1803 bis 1806 war im Nordflügel eine Tuchfabrik und Färberei untergebracht, bis im Oktober
1806 ein Großbrand ausbrach und das gesamte Schloss in eine Ruine verwandelte.
Heute ist diese im Besitz des Staates und eines der beliebtesten Besucherziele der Region.
Das ganze Jahr über werden dort Musik- und Theatervorstellungen aufgeführt sowie viele andere
Events veranstaltet.
Obwohl rund um den Hafen alles in tiefer Ruhe versunken ist, kassiert der Hafenmeister am
nächsten Morgen, kurz bevor wir auslaufen, noch 14,00 Euro. Für das Gebotene hätte ein
Nachsaisonpreis auch gereicht.
Drei Stunden später haben wir den Kalmarsund überquert und fahren unter der sechs Kilometer
langen Ölandbrücke , die das Festland mit der Insel verbindet, hindurch. Die Brücke wurde im
September 1972 eröffnet und ist die längste Brücke Schwedens. Die Öresundbrücke, die Schweden
mit Dänemark verbindet ist zwar länger, nicht aber der Schwedische Teil.
Im Hafen von Kalmar, dessen Einfahrt sich etwas südlich der Brücke befindet, steuere ich zuerst
die Tankstelle an, um ein letztes mal vor Helgoland den Dieseltank zu füllen.
Danach verlege ich nach ganz hinten in den Gästehafen. Beim Anlegen passiert mir ein dummes
Missgeschick. An der Kaimauer ist an der Oberkante ein Prallholz angebracht, das etwa zwanzig
Zentimeter hervorsteht.
Meine Fender hängen etwas zu tief, so dass sie darunter rutschen. Bevor sie nun an der
zurückgesetzten Betonwand ankommen ,um den Anstoß abzufedern, stößt „Molly“ mit der oberen
Scheuerleiste gegen das Prallholz. Obwohl der Anprall nur leicht ist, brechen ca. vier bis fünf
Zentimeter aus der Leiste heraus.
Der Schaden ist zum Glück nur wenige Zentimeter hinter einer Stoßfuge, so dass man maximal
dreißig Zentimeter der Scheuerleiste erneuern müsste, um das Malheur zu beheben.
Dessen ungeachtet, ärgere ich mich schon sehr über das Missgeschick, besonders weil ich dann
später doch noch auf die andere Hafenseite verlege, um näher am Servicegebäude zu liegen. An
unserem neuen Liegeplatz ist unter dem oberen Prallholz noch ein tiefer liegendes angebracht, so
dass dort die Fender und nicht die Scheuerleiste zuerst Landkontakt gehabt hätten.
Wieder einmal der Beweis, dass mit dem Landfall die größten Risiken verbunden sind und es auf
See am sichersten ist.
Außer dass ich am neuen Platz näher am Sanitärgebäude bin, entdecke ich auch schräg über der
Straße ein Geschäft mit Bootszubehör. Dort kaufe ich mir eine Tube schwarzes Sikaflex und
schmiere damit die Schadensstelle zu. Das ganze wird mit in Spülmittel getauchten Fingern noch
schön modelliert. Wenn man nun nicht, so wie ich das tue, ganz genau hinschaut, ist von meinem
Havarieschaden nichts mehr zu erkennen.
Ich bin richtig stolz auf meine Arbeit und finde sie so gut gelungen, dass ich das Stück Leiste gar
nicht austauschen werde.
Das Wetter bleibt wechselhaft und stürmisch, aber nachmittags zeigen sich doch noch ein paar
sonnige Abschnitte. Die nutze ich und bummle mit Skip durch das Schloss und den darum
herumliegenden Park.
Schloss Kalmar ist der am besten erhaltene Renaissance- Palast in Nordeuropa und spielte durch
seine Lage an der früheren Grenze zu Dänemark eine wichtige Rolle in der schwedischen
Geschichte. Das Schloss entstand aus einem alten Wehrturm, der schon 1180 zum Schutz gegen
Piraten und andere Feinde, die von See her kamen, errichtet wurde.
Ende des 13. Jahrhunderts wurde dieser dann zur Befestigungsanlage und zum Schloss umgebaut.
Im Laufe der Zeit erfolgten viele Umbauten und die Einrichtung wurde immer luxuriöser. Die
Festung wurde 22 Mal belagert, aber nie eingenommen.
Zum Ende des 17. Jahrhunderts begann dann der Abstieg des Schlosses.
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Es diente als Getreidespeicher, Schnapsbrennerei und Gefängnis. Irgendwann sollte es sogar
abgerissen werden. Zum Glück besann man sich anders und seit 1850 wird das Schloss nun
renoviert und erhalten.
Auch eine erste Tour durch die Stadt absolvieren wir noch, bevor es wieder an Bord geht.
Eine gründlichere Besichtigung verschiebe ich auf den kommenden Tag, den ich auch noch in
Kalmar verbringen will.
Dieser empfängt uns mit sonnigem Wetter und so steht diesem Vorhaben nichts mehr im Weg.
Kalmar ist eine der ältesten Städte Schwedens. Durch seine Lage an der ehemaligen Grenze zu
Dänemark, war es sehr oft Schauplatz blutiger Schlachten. Die heute rund 36.000 Einwohner
zählende Stadt war in der Mitte des 13. Jahrhunderts ein wichtiger Handelsplatz und sehr mit den
Städten der Hanse verbunden.
Es gibt eine sehenswerte Altstadt und im Zentrum der Stadt einen Dom, der von 1602 bis 1915
Bischofssitz war.
Erwähnenswert wären noch drei schöne, alte Holzhäuser innerhalb der Altstadt, die wegen ihrer
ansteigenden Größe im Volksmund Tripp, Trapp und Trull, genannt werden.
Mit einem Bummel durch die Fußgängerzone, im neuen Zentrum der Stadt, beende ich meine
Exkursion. Vorher hatte ich noch das kleine Seefahrtsmuseum am Hafen besucht.
Wieder an Bord sage ich zu mir selbst: „Genug Stadt gesehen, morgen geht es weiter nach
Kristianopel.“
Ein richtig schöner Spätsommertag empfängt uns am folgenden Morgen und bei Wind vier bis fünf
aus Nordwest sind wir nach gut vier Stunden schon am Ziel, dem kleinen Hafen von Kristianopel.
Die Fahrt dorthin verläuft genauso, wie man sich eine perfekte Fahrt vorstellt. Sonne, achterlichen
Wind, kein Verkehr, einfach: Perfekt.
Kristianopel wurde von den Dänen gegründet, als um 1600 große Teile Südschwedens noch zu
Dänemark gehörten. Als Schweden das Gebiet 1677 eroberte, ließ Karl XI. die Stadt schleifen und
nur die Wehrmauern und die Kirche wurden verschont. Erst im 18. Jahrhundert wurde der Ort
wieder neu besiedelt. Heute bietet der kleine Ort mit seinen alten, malerischen Holzhäusern und den
Resten der Befestigungsmauern, die teilweise restauriert wurden, einen hübschen Anblick. Am
kleinen Hafen stehen drei mächtige Kanonen auf ihren Lafetten, die Rohrmündungen nach See
gerichtet.
Wahrscheinlich schießen sie damit säumigen Liegegeldbezahlern hinterher.
Vorsichtshalber habe ich meine 180 Kronor mal brav bezahlt.
Auch sehenswert fand ich ein Telefonkabel, das einige Meter parallel zu einer Brücke über ein
kleines Flüsschen führte, welches dort in die Ostsee mündet. Über die ganze Breite der Brücke
hingen unzählige Schwimmer und Angelschnüre mit Gewichten und Haken, um das Kabel
verzwirbelt. Das ganze sah aus, wie in einem Ausstellungsraum für Angelzubehör, nur dass es etwas
hoch hing.
Da haben sich die Herren Angler wohl des öfteren etwas verschätzt, beim Auswerfen ihrer
Gerätschaft.
Der Tag verabschiedet sich mit einem grandiosen Schauspiel am Himmel.
Über dem westlichen Horizont erglüht alles in leuchtendem Rot.
Eigentlich soll das ja nichts gutes verheißen. Das Sprichwort lautet jedenfalls:
„Abendrot, schlecht Wetter droht.“
Oder war es umgekehrt? Lassen wir uns mal überraschen, ob die Bauernregel stimmt.
Mitten in der Nacht drängt es den Kaffee, den ich am Abend noch getrunken habe, wieder nach
draußen. Dabei erfreue ich mich an einem wunderschönen Sternenhimmel.
Die Luft ist vollkommen klar und man sieht die schönsten Sternbilder, wie zum Greifen nahe.
Leider kenne ich mich darin nicht so aus, aber ein toller Anblick ist es allemal.
Am Morgen ist das Barometer um zehn Hektopaskal gestiegen und wir haben herrlichsten
Sonnenschein, bei leichtem Nordwest Wind.
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So ganz kann man der Bauernregel scheinbar doch nicht trauen.
Ich bin deswegen aber nicht traurig.
Schnell noch beim kleinen Kaufmann im Ort ein paar Sachen eingekauft, denn auf unserer nächsten
Station, der winzigen Felsinsel Utklippan, gibt es keine Versorgungsmöglichkeit.
Danach legen wir bei vollkommen wolkenlosem Himmel ab und machen uns auf den Weg.
Richtung Osten ist die See nur eine gleißende und flimmernde Fläche, die spiegelglatt da liegt.Die
Dimensionen verschwimmen ineinander und man kann in einiger Entfernung nicht erkennen, ob es
sich bei dem schwarzen, senkrechten Objekt voraus, um eine Bake oder um einen 200 Meter hohen
Funkmast handelt. Alles nur eine Frage der Entfernung, die sich bei diesen Sichtverhältnissen aber
nicht abschätzen lässt.
Mir fallen unheimlich viele Quallen auf, die schwerelos im Wasser treiben. Ob die jetzt erst
auftreten, oder ich sie bei rauherer See nur nicht bemerkt habe, weiß ich nicht. Zeitweise gleiten wir
jedenfalls durch solch dichte Pulks davon, dass man befürchten könnte, stecken zu bleiben. Ich
hoffe nur, dass sich keine davon in die Ansaugöffnung der Motorkühlwasserpumpe verirrt.
Weit drüben an Backbord, erkennt man den „Lange Jan“, der die Südspitze Ölands markiert und das
Gegenstück zum „Lange Erik“ ist, den ich auf meiner Radtour in Byxelkrok besucht habe. Wenig
später gerät eine Windpark Offshore – Anlage an Steuerbord in mein Blickfeld. Heute macht sich
die Investition nicht bezahlt. Alle Rotoren stehen still, bis auf einen, der sich im Zeitlupentempo
dreht. Wahrscheinlich der bei den anderen unbeliebte Klassenstreber.
Mit erreichen der Hanöbucht, wird die See doch deutlich krusseliger und ich muss immer mal
wieder die Scheibenwischer einschalten, um die Scheiben von überkommender Gischt zu befreien.
Querab von Utlaengan treiben uns große Felder von Seegras entgegen, durch die wir mitten
hindurch müssen. Ich beobachte genau die Temperaturanzeige von Jan, um sofort zu merken, wenn
sich etwas davon vor die Kühlwasser Ansaugöffnung setzen sollte.
Wir durchqueren das Feld aber ohne Probleme.
Wenig später laufen wir auch schon durch die Osteinfahrt in den kleinen Fischer- und Nothafen, der
Leuchtturminsel Utklippan.
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Fast schon zu Hause
Hanöbucht - Dänische Südsee
Wir haben Samstag Nachmittag und es liegen schon einige Boote im geräumigen Hafenbecken.
Trotzdem ist noch genug Platz an der Pier für „Molly“.
Utklippan war eines der Ziele, das ich schon seit langer Zeit einmal besuchen wollte. Genauer
gesagt, seit ich vor Jahren in dem unterhaltsamen Buch: „Oft spuckt mir Neptun Gischt aufs Deck“,
zum ersten mal von der Insel erfuhr. Bisher hat das noch nicht geklappt, aber jetzt bin ich ja da.
Es ist der südöstlichste Platz von Schweden. Als südlichster Punkt muss sich Utklippan von
Smygehamn auf dem Festland geschlagen geben, das noch 37 Breiten Minuten südlicher liegt.
Der schwedische „Kreuzerclub“ trifft sich hier zum letzten Saisonwochenende und somit wird es
gegen Abend noch richtig voll auf der kleinen Insel.
Da als Anlegeplätze ja keine Stege vorhanden sind, sondern nur die Hafenmauern zur Verfügung
stehen, ist Päckchenliegen angesagt. Fast schon Helgoländer Verhältnisse an dem sonst recht
einsamen Ort. Überall liegen zweier und dreier Päckchen. Besonders eng wird es aber an Land.
Wie in Skandinavien allgemein üblich, wollen alle Bootsbesatzungen grillen. Keiner möchte aber
weiter als unbedingt nötig von seinem Boot entfernt sein. Somit sieht es rund um das Hafenbecken
aus, wie auf einem Straßenfest. Die Stimmung ist hervorragend und viele nette Plaudereien ergeben
sich. Auch das ein oder andere Versucherle fällt an. Nur beim abendlichen Spaziergang mit Skip,
kann ich dessen Leine gar nicht kurz genug halten, bis wir den Grill-Gürtel passiert haben.
Ständig ist er in Versuchung sich einen der Leckerbissen zu schnappen.
Trotz der vielen Leute wird es eine ruhige und angenehme Nacht. Am Vormittag des folgenden
Sonntages sind bis zum Vormittag schon fast alle Boote wieder verschwunden und befinden sich auf
dem Heimweg. Gegen Mittag sind nur noch drei Boote übrig geblieben.
So habe ich mir das schon eher vorgestellt.
Die Sonne scheint und ich benutze das kleine Ruderboot, das an der alten Slipstelle liegt, um auf
den südlichen Teil von Utklippan zu gelangen.
Auch ein kleines Teilstückchen der Insel dazwischen besuche ich und dort kann Skip endlich mal
wieder nach Herzenslust herumtollen. Hier kann er nämlich ohne größere Schwimmeinlage nicht
stiften gehen. Aber danach steht ihm scheinbar gar nicht der Sinn. Sobald ich nur in Richtung auf
das vertäute Ruderboot zugehe, rast er schon los und sitzt als erster im Boot. Ich vermute noch mehr
als das herum rennen, würde ihm gefallen, wenn ich ihn herum rudere.
Na gut. Mir macht das ja auch Spaß und so machen wir eben eine Inselbesichtigung vom Ruderboot
aus. Wir besuchen den Teil der Insel, auf dem der Leuchtturm steht und die paar Häuser in denen
die früheren Leuchtturmwärter gewohnt haben. Zur Zeit leben nur zwei Personen auf der Insel.
Jetzt, praktisch menschenleer, entwickelt die Insel ihren ganz eigentümlichen Reiz.
Als am Vormittag auf der anderen Hafenseite die Pier frei wurde, habe ich „Molly“ dorthin zur
einzigen Steckdose der Insel verholt, die dort an einer alten Holzhütte installiert ist.
So könnte ich jetzt tagelang hier liegen. Ich hätte natürlich auch meinen kleinen Generator benutzen
können, aber so ist es schon praktischer.
Hier würde ich gerne einmal liegen, wenn ein richtiger Sturm tobt. Es gibt zwar keinen richtigen
Sturm, aber auf gut sechs Beaufort legt der Wind im Laufe der Nacht doch zu. Es ist übrigens mal
wieder so eine richtige Nacht, wie man sie nur noch an wenigen Orten erleben kann. Auf Utklippan
gibt es noch keine Lichtverschmutzung und das Leuchtfeuer ist seit Tagen ausgefallen, wie es von
Stockholm Radio auch regelmäßig in den Seewarnnachrichten gemeldet wird. Absolute Dunkelheit
herrscht auf der Insel und man kann buchstäblich nicht die Hand vor den Augen sehen. Eigentlich
liebe ich das beruhigende Kreisen von Leuchtfeuern, aber auch diese absolute Dunkelheit hat ihren
Reiz. Am darauf folgenden Vormittag verlasse ich Utklippan. Ich wäre gerne noch geblieben,
zumal wir inzwischen das einzige Boot im Hafen sind. Das Wetter soll sich aber noch weiter
verschlechtern und so ist es wohl besser, sich auf den Weiterweg zu machen. Schlecht kann man das
Wetter im Moment allerdings wirklich nicht nennen. Es bläst zwar mit 12 bis 15 Meter in der
Sekunde aus Südost, aber dabei haben wir strahlenden Sonnenschein.
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Jetzt kommt der Vorteil der zwei gegenüberliegenden Zufahrten zum Schutzhafen
Utklippan, der übrigens zwischen 1937 und 1941 gebaut wurde, so richtig zur Geltung.
Während auf der Ostseite der Insel eine verdammt starke Brandung steht, ist es an der Westausfahrt
vollkommen ruhig.
Nun geht es also wieder zurück ans Festland, genauer gesagt nach Karlskrona, welches nur einen
Katzensprung von ca. 15 Meilen entfernt ist.
Kaum aus dem Windschatten von Utklippan heraus, baut sich auch schon recht hoher Seegang auf.
Bei einem Kurs von 320° kommt die See allerdings genau von achtern.
Nachdem „Molly voll im Seegang eingebunden ist und auf den Wellenkämmen nordwestlich reitet,
bekomme ich kurzzeitig einen ganz schönen Schreck.
Jan, im Schiffskeller, fängt gewaltig zu sägen an. Damit meine ich eine relativ starke
Drehzahlschwankung, mit entsprechendem Variieren des Öldruckes.
Zuerst befürchte ich, dass irgend etwas mit der Brennstoffzufuhr nicht in Ordnung ist, oder die
Filter verstopft sind.
Sollten die bis jetzt knapp 500 Betriebsstunden der Reise doch zu lang für den Dieselfilter sein?
Aber 500 Stunden sind doch gar nichts, zumal ich den Vorfilter und Wasserabscheider regelmäßig
kontrolliere. Da hat sich doch nichts angekündigt!
Erst langsam merke ich, dass ich mir unnötig den Kopf zerbreche.
Das Sägen liegt einzig und alleine an der achterlichen See, die den Motor mal mehr, mal weniger
entlastet. Bei dem starken Seegang geht das einfach so unvermittelt, dass der Regler es nicht schnell
genug ausgleichen kann.
Es ist faszinierend „Molly“ auf diesem Ritt zu begleiten.
Der Bug erhebt sich steil in die Höhe und einen Moment lang fühlt man sich schwerelos.
Alles scheint still zu stehen.
Vor dem Bug tut sich ein gut drei Meter tiefes Loch auf und während man noch denkt, da krachen
wir gleich rein, geht ein Ruck durchs Boot, eine Beschleunigung setzt ein und schon hat uns der
Wellenkamm, auf dem wir reiten, über den Abgrund hinweg getragen.
Das Log springt zwischen 6 und 8,5 Knoten hin und her.
Der Autopilot muss zwar stark Ruder geben, aber die See läuft so günstig, dass „Molly“ fast nie
ausbricht.
Vollkommen trocken läuft die Fahrt ab, da ich die Drehzahl so gewählt habe, dass wir genau mit
den Wellenkämmen mitlaufen.
Nach etwas mehr als einer Stunde sind wir schon an der Ansteuerung von Karlskrona und eine
weitere Stunde später liegen wir am Steg im Innenhafen.
Karlskrona ist eine ungewöhnlich gut erhaltene Flottenstadt aus dem 17. und 18. Jahrhundert,
als die Flottengröße entscheidend in der europäischen Politik war.
Damals war die Werft vor Ort Zentrum der Militärindustrie im Ostseeraum.
Seit ihrer Gründung ist die Stadt ununterbrochen Werft – und Flottenstandort.
Weil sie die am besten und vollständigsten erhaltene Flottenstadt der Welt ist, wurde sie in das
Weltkulturerbe aufgenommen.
Die gesamte Geschichte und die Sehenswürdigkeiten hängen mit der Marine zusammen.
So gesehen hat sie einige Gemeinsamkeiten mit Wilhelmshaven, dem Heimathafen von „Molly“.
Natürlich gibt es in Karlskrona, wie in Wilhelmshaven auch, ein interessantes Marinemuseum, das
ich am nächsten Tag besuchte.
Außer historischen Objekten wird dort auch viel Raum dem Zwischenfall von 1981 gewidmet ,
als das russische U-Boot 137, unweit vom Marinestützpunkt Karlskrona auf Grund lief.
Innerhalb der Ausstellung sah man Filmberichte, Nachrichtenbeiträge und ähnliches über den
damaligen Vorfall, der in Schweden und der gesamten Welt viel Aufsehen erregte.
Leider war dies alles nur auf schwedisch dokumentiert, so dass ich nicht alles verstehen konnte.
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Soviel ich mich erinnern kann, mussten damals einige ranghohe Militärs von ihren Posten
zurücktreten, da das U-Boot unbemerkt bis vor die Haustüre der schwedischen Marine gelangen
konnte. Die Russen stellten das ganze als Navigationsfehler dar.
Leider sind im Museum nur wenige Erklärungen auf deutsch oder englisch, aber sehenswert ist es
allemal.
Am Nachmittag vervollständige ich nochmals meine Lebensmittelvorräte, im nahe gelegenen Lidl
Markt. Dabei komme ich mit der netten Kassiererin ins Gespräch, die Deutsche ist und erst seit
zwei Tagen hier arbeitet. Die Liebe hat sie hierher geführt. Sie ist mit einem Schweden verheiratet
und wohnt erst seit kurzer Zeit hier in Kalmar.
Ich wünsche ihr für die weitere Zeit viel Glück und dass sie sich schnell und gut einlebt.
Mit guten Wünschen ihrerseits für unsere weitere Reise,verabschieden wir uns voneinander.
Ich begebe mich auf den Rückweg an Bord. Wieder einmal ist mein kleiner Einkaufsbuggy
unbezahlbar. Cola war im Sonderangebot, aber nur wenn man mindestens zehn zwei Liter Flaschen
nahm. Auch O-Saft und Milch haben ihr Gewicht und mit tragen wäre das unmöglich zu schaffen.
So sind wir aber trotz einiger Sperenzchen die Skip veranstaltet, da er immer wieder wilde
Kaninchen entdeckt, schon nach wenigen Minuten wieder an Bord, wo alles verstaut wird.
Stockholm Radio und die Deutsche Welle melden übereinstimmend, ein auf das andere folgende
Tief. Für die nächsten drei Tage soll es hier mit sechs bis acht Beaufort aus Südwest wehen. Das ist
natürlich für die in der Hanöbucht anzusteuernden Häfen eindeutig zu viel, da bei auflandigem
Wind sich dort vor der Küste starke Grundseen aufbauen.
Da müssen wir wohl etwas abwarten, ob die Bedingungen nicht besser werden.
Nachdem ich aber Karlskrona ausgiebig durchlatscht habe und dort trotz 14,00 Euro Hafengeld die
Dusche extra kostet, beschließe ich nach Tromtö Napp zu verlegen.
Es bläst zwar ordentlich, aber die Stunde Fahrt dorthin findet innerhalb des gut geschützten
Schärengürtels statt.
Schon beim Einlaufen in die geschützte Bucht der Halbinsel Tromtö, an deren Ende ein kleiner
Steg verankert ist, beglückwünsche ich mich zur getroffenen Entscheidung.
Wunderschön liegt der Steg in der kleinen Bucht, umgeben von einem Naturschutzgebiet mit einem
herrlichen Buchen- und Eichenwald.
Kein einziges Boot ist weit und breit zu sehen und um uns herum herrscht, außer dem Rauschen des
Windes in den Baumkronen, vollkommene Stille. Unglaublich, wie sich die kleine Ortsveränderung
auswirkt. Gegenüber der weiten Bucht sehe ich die Silhouette der quirligen Stadt Karlskrona und
hier, knapp fünf Meilen entfernt, Natur und Stille.
Das Wasser hier in der kleinen Ausbuchtung, wo die Steganlage verankert liegt, ist absolut ruhig, so
dass man kaum glauben kann, dass der Wind mit sieben Beaufort weht.
Ich mache mit Skip eine gut zweieinhalbstündige Wanderung durch das Naturschutzgebiet. Kleine
Pfade führen immer in der Nähe der Küstenlinie durch den dichten Wald. Der Boden ist übersät mit
Felsbrocken von Faustgröße bis hin zu den Ausmaßen eines Omnibusses.
Zum größten Teil sind die Felsen dicht mit saftig, grünem Moos bewachsen. Auch Pilze finden sich
in unglaublichen Mengen. Wo der Boden etwas feuchter ist, wachsen dichte Teppiche aus Farn.
Der Rückweg führt uns quer über die Halbinsel, durch lichten Eichenwald und eingestreute
Viehweiden. Auf einem sonnen beschienenen Stück des Weges, entdecke ich wieder einmal eine
etwa 70 Zentimeter lange, schwarze Schlange, von der Sorte, die nicht gleich das Weite sucht,
sondern sich ziemlich aggressiv gebärdet.
Menschen begegnen uns auf unserer Wanderung keine.
Nach einer erholsamen Nacht in der idyllischen Bucht machen Skip und ich noch einen schönen
Morgenspaziergang, bevor wir nach Hanö aufbrechen.
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Wir wären gerne noch ein, zwei Tage an diesem schönen Platz geblieben, aber zur Zeit kommt ein
Tief nach dem anderen in unser Fahrtgebiet gezogen.
Auch heute soll es mit fünf bis sechs Bft aus Südwest wehen, aber morgen soll es sogar noch mehr
werden.
Auf unserem Morgenspaziergang durch den herrlichen Wald und über verträumt daliegende Wiesen,
begegnen wir vier älteren Damen. Die könnten ohne weiteres einem alten „Miss Marple“ Film
entstammen. Alle vier sind in Kostümen gewandet, tragen Hut und sind mit Schmetterlingsnetzen
bewaffnet.
Zu weit dürfen wir heute unsere Runde aber nicht ausdehnen, denn wir wollen ja noch weiterfahren.
Kurz vor unserem Liegeplatz kommen wir an einer sehr langen, alten Mauer aus Feldsteinen vorbei.
Was muss das für eine Arbeit gewesen sein, die vielen, zum Teil großen und schweren Steine und
Felsbrocken, hierher zu transportieren und zu dieser Mauer aufzuschichten.
Nun soll es aber losgehen.
Kaum aus dem Schutz des kleinen Naturhafens heraus, spürt man auch schon, dass es doch ganz
schön kräftig am wehen ist.
An der Brücke nach Hassloe turne ich auf das Dach und lege den Mast um. Die Brücken
Durchfahrtshöhe beträgt nur vier Meter und ich möchte keine unnötige Brückenöffnung anfordern.
Kaum zurück im Steuerhaus, sehe ich, dass die Schranken an der Straße herunter gelassen werden.
Kurz danach öffnet die fern bediente Brücke. Wahrscheinlich haben sie mich auf ihrem
Überwachungsmonitor gesehen und darauf nicht erkannt, dass mein Mast leicht zu legen ist. Da
hätte ich mir die Rumturnerei in dem Kabbelwasser vor der Brücke ersparen können. Also nochmal
hoch und den Mast wieder gestellt. Für die erwartete raue See da draußen, muss er fest stehen und
verspannt sein. Da kann er unmöglich gelegt bleiben. Außerdem hätte ich dann ja auch keine
einsatzbereite Radarantenne.
Danach durch die offene Brücke und so schnell wie möglich versuchen, freien Seeraum zu
gewinnen. Zwischen den Außenschären und den vielen Flachs ist die See bei dem auflandigen Wind
äußerst chaotisch. Weiter draußen haben wir dann zwar eine einheitliche Wellenrichtung, die aber
fast genau von vorne kommt und uns ganz schön ausbremst.
Immer höher laufen die Seen auf und Stockholm Radio gibt entgegen der Vorhersage am Morgen,
nun doch eine Starkwindwarnung heraus.
Der Wind nimmt immer mehr zu und bläst nun mit konstant sieben Bft.. Die Fahrt wird mehr als
unkomfortabel. In einiger Entfernung sehe ich ein seltsames Fahrzeug. Es könnte sich um den Turm
eines U-Bootes handeln. In dem groben Seegang ist es aber nicht möglich, mit dem Glas genauer
zu schauen. Zum einen brauche ich meine Hände um mich festzuhalten und zum anderen kommt
ständig Gischt über, die alles im Blickfeld verschwimmen lässt.
Ich denke aber nicht, dass es sich um ein russisches U-Boot handelt, die ja bekanntermaßen, ab und
zu Schweden besuchen. Am Horizont kann ich schon die Insel Hanö ausmachen, aber sie kommt
und kommt nicht näher.
Als ich mal kurz im Salon nach dem Rechten schaue, gibt es völlig überraschend einen gewaltigen
Schlag und ich gehe erstmal zu Boden. Man hat den Eindruck, „Molly“sei mit voller Fahrt gegen
eine Wand geprallt. Ich rapple mich wieder auf und hangle mich, so schnell wie möglich, ins
Steuerhaus. Dort herrscht sekundenlang ein eigenartiges Licht.
Alles liegt in einem grünlichen Dämmerschein. Die Front einer großen Welle ist über dem Vorschiff
gebrochen und kurzfristig sind wir mehr unter als über dem Wasser.
Das war ein echter Kaventsmann.
Langsam schüttelt „Molly“ die Wassermassen wieder ab und außer einer großen, herum
schwappenden Wasserlache im Steuerhaus, die durch die Türabdichtungen und das leicht geöffnete
Bullauge hereingeströmt sind, ist von dem Brecher nichts mehr zu merken.
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Weiter geht der Ritt.
Die Zeit dehnt sich ins Unendliche und Hanö kommt einfach nicht näher. Das liegt zum einen
daran, dass die gegenläufige See uns ziemlich abbremst, zum anderen, dass bei diesen Verhältnissen
die Zeit einem viel länger vorkommt. Zeit ist eben relativ.
Nachdem wir dann doch näher an die Insel kommen, wo ich eigentlich mit ruhigeren Seeverhältnissen gerechnet hatte, wird die See wieder chaotisch.
Durch die rechts und links an der Insel vorbeilaufenden Wellen entstehen hinter der Insel
gefährliche Kreuzseen. Dadurch werden wir immer wieder unvermutet seitlich von den Wellen
erfasst und teilweise kräftig auf die Seite geworfen.
Nach fünf Stunden sind wir dann aber doch kurz vor dem schützenden Hafen von Hanö.
Ich laufe so nahe wie möglich unter Land auf die Hafeneinfahrt zu. Die letzten paar Meter muss ich
dann aber doch einen Kurs quer zur anlaufenden See nehmen. Wenige Meter vor der Hafenmole
lege ich das Ruder hart Backbord und gebe volle Kraft voraus. „Molly“ schießt auf die enge
Einfahrt zu und sobald wir die äußere Mole passiert haben, reiße ich den Fahrthebel zurück und
gebe Gegenruder. Wir sind im Hafen. Schlagartig befinden wir uns in stillem Wasser und auch vor
dem Wind sind wir durch die hohen Molen mit den Mauern obenauf geschützt. Die Spannung fällt
von mir ab und ich kann in Ruhe an der Innenmole festmachen. Das Gefühl, wenn diese
Anspannung und auch Angst, die man stundenlang verspürte, dem Wissen weicht, dass man es
wieder mal geschafft hat und der Ritt hinter einem liegt, ist nicht mit Worten zu beschreiben. Es ist
eine Mischung aus Dankbarkeit und Stolz, die Herausforderung gemeistert zu haben.
Ich klare erstmal alles an Bord auf. Leider kann ich meine feuchten Sachen nicht an Deck
trocknen,obwohl die Sonne scheint. Grund dafür ist die laufend über die Molen wehende Gischt, die
alles in einen feinen Sprühnebel hüllt.
Noch vor dem Frühstück wandere ich am nächsten Tag mit Skip über die Insel. Wieder lacht die
Sonne vom Himmel und auch der Wind hat deutlich nachgelassen.
Unser Weg führt uns zum 16 Meter hohen Leuchtturm von Hanö, der weiß gekalkt auf der Spitze
des 60 Meter hohen Inselberges thront. Er ist das Leuchtfeuer mit der größten Reichweite im
gesamten Ostseeraum. 23,5 Seemeilen, was immerhin über 43 Kilometern entspricht, trägt sein
Licht über die See. Zwischen 1904 und 1906 wurde er errichtet.
Weiter führt unser Weg zu einem alten englischen Friedhof, aus der Zeit der napoleonischen Kriege,
als Hanö ein englischer Flottenstüzpunkt war. Beim Besuch einer englischen Fregatte im Jahre
1973, wurde von deren Besatzung dort ein Holzkreuz errichtet, an dem bei den regelmäßigen
Besuchen von Marineabordnungen immer mal wieder ein Gottesdienst abgehalten wird. Auf dem
Rückweg bummeln wir noch ein wenig durch den kleinen Ort und genießen die Auto freie
Hauptstraße. Sie ist gleichzeitig die einzige Straße im Ort.
Die Insel, die sich auch heute noch in Privatbesitz befindet, ist wirklich sehr für einen Besuch zu
empfehlen.
Dann geht es wieder zurück an Bord und ich frühstücke erst einmal ausgiebig.
Inzwischen haben wir schon fast Mittag.
Der Wind hat auf fünf bis sechs Windstärken abgenommen, aber die Vorhersage meldet schon
wieder die nächste Zunahme für den kommenden Tag.
Darum legen wir wenig später ab, um nicht auf Hanö einzuwehen.
Im weiten Abstand zur Festland -Küste fahren wir südwärts, zum etwa 30 Meilen entfernten
Simrishamn. Vor der Küste liegen zwei Schießgebiete, in denen zur Zeit Manöver abgehalten
werden. Da wollen wir uns weit genug entfernt halten. Ich weiß schließlich nicht, wie gut die
Schweden zielen können.
Die See ist noch immer ziemlich aufgewühlt und kommt genau von vorne.
Es wird also wieder eine holprige und nasse Fahrt, trotz des Sonnenscheins.
101
Durch die Sonne ist die Wasserfläche in ein Glitzern getaucht, das die Augen trotz Sonnenbrille
tränen lässt.
Immer wieder narrt mich die See, indem ich denke, Boote zu sehen, die sich dann aber doch jedes
Mal als die Schaumkämme sich brechender Wellen erweisen. Erst kurz vor Simrishamn tauchen
dann wirklich einige Angelboote auf, die bei dem ständig überkommenden Wasser und der
Blendung durch die Sonne, oft nur schwer auszumachen sind.
Im Hafen von Simrishamn legen wir uns längsseit an den Steg, der eigentlich den größeren Booten
vorbehalten ist. Die für Boote unserer Ausmaße eigentlich vorgesehenen Boxen haben als Ausleger
nur Stangen, auf denen Skip nicht an Land gelänge. Über den Bug ist mir die Sache aber zu
umständlich und zum rückwärts anlegen fehlt mir auch die Lust, nachdem hier am Steg alles frei ist.
Der Hafenmeister hat auch nichts dagegen und ich muss angesichts der weit fortgeschrittenen
Saison, sogar nur den Winterpreis von 10,00 Euro als Liegegeld bezahlen.
Simrishamn erinnert durch die niedrigen, bunten Häuser schon stark an Dänemark.
Das ist natürlich auch nicht weiter verwunderlich, gehörte die Stadt doch bis zum Frieden von
Roskilde, der im Februar 1658 besiegelt wurde, zu Dänemark. Erst durch diesen Frieden, der den
dänischen Krieg beendete, kam sie, zusammen mit ganz Schonen und anderen Gebieten zu
Schweden. Auch Bornholm fiel damals übrigens an Schweden. Erst mit dem Frieden von
Kopenhagen kam Bornholm zwei Jahre später wieder zu Dänemark.
Lyngby Radio kann ich hier schon regelmäßig empfangen. Unsere Reise nähert sich unaufhaltsam
dem Ende. Für die nächste Etappe schiebe ich schon das letzte Kartenmodul: „North Germany and
Western Danmark“ in den Plotter.
Am Abend höre ich bei ganz weg gedrehter Rauschsperre zum ersten mal seit fast fünf Monaten,
den Wetterbericht von „Delta Papa 07“.
Wir bleiben einen Tag in Simrishamn um uns die nette Stadt noch etwas genauer anzusehen.
Bis zum Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts beherbergte sie die größte
Fischereiflotte Schwedens. Durch den Rückgang der Fischbestände in der Ostsee, ist diese
inzwischen allerdings stark geschrumpft.
Als erstes besuche ich das „Gösta-Werner-Museum“, das nahe am Hafen eingerichtet ist.
Es zeigt ausdrucksvolle Bilder aus der Dampf- und Segelfahrzeit von Gösta Werner. Es ist beim
Betrachten der Bilder zu spüren, dass sie von jemandem geschaffen wurden, der in dem Metier
drinsteckte. Man fühlt sich förmlich in die Situation auf den Bildern hinein katapultiert. Ich bin an
sich kein Kunst begeisterter Mensch, aber diese Bilder nahmen mich schon gefangen.
Leider ist der Künstler 1998 verstorben.
In der St.Nicolai-Kirche bewundere ich wieder mal die schönen Votivschiffe, die auch dieser Kirche
von dankbaren Seeleuten gestiftet wurden. Sie wollten damit ihren Dank für Errettung aus Seenot
und Gefahr, sowie für glückliche Reise und Heimkehr, zum Ausdruck bringen.
So gesehen müsste ich auch ein Modell von „Molly“ unserer heimischen Kirche stiften.
Ich glaube allerdings nicht, dass dies in meiner nordbadischen Heimat in der Kirche aufgehängt
würde.
Alles ist grau und diesig am nächsten Morgen und es nieselt unangenehm aus einem Wolken
verhangenem Himmel.
Wir verlassen Simrishamn und gleiten über eine glatte See, die nur durch eine mäßige Altdünung
bewegt wird unserem nächsten Hafen entgegen. Wir wollen in das nur zwanzig Meilen entfernte
Kaseberga. Ab Sandhammaren zieht sich ein Höhenzug längs der Küste, der zum Ufer hin relativ
steil aus rund vierzig Metern Höhe abfällt.
Kaseberga liegt eben östlich der Huk Kasehuvud und von See aus ist nur der kleine Fischerhafen zu
erkennen.
102
Als wir einlaufen, fällt mir sofort auf, dass die Molen neu mit Holz verkleidet sind und die
Molenspitze saniert wurde. Im Hafenführer steht noch, dass die Liegeplätze für Sportboote
unzureichend sind. Das trifft nun definitiv nicht mehr zu. Erst vor kurzem war die Einweihung des
neu sanierten Hafens.
Ich mache „Molly“ an der Südmole fest.
Außer Fischerbooten sind wir das einzige Fahrzeug im Hafen. Nur direkt vor uns liegt ein altes
Seenotrettungsboot, das zu dem kleinen Museum der Seenot-Rettungsgesellschaft gehört, welches
in einem Schuppen am Hafen eingerichtet ist.
An Land sieht die Sache schon anders aus. Bei den Buden und der Fischräucherei drängeln sich die
Touristen. Das liegt zum einen an dem sonnigen Wetter, das wir haben, zum größeren Teil aber
daran, dass nur wenige hundert Meter vom Hafen entfernt, Schwedens größte Steinsetzung „Ales
Stenar“ zu finden ist. Dabei handelt es sich um eine 67 Meter lange Setzung aus 59 großen
Findlingen, in der Form eines Schiffes. Untersuchungen datieren die Stelle auf ungefähr 600 nach
Christus. Sie ist nach astronomischen Gesichtspunkten errichtet und diente wahrscheinlich als
Begräbnisstätte für einen bedeutenden Menschen, obwohl ein Grab nicht gefunden wurde.
Am Abend, als sich alle Touristen wieder verzogen haben, gehe ich nochmals zu dem Monument.
Jetzt, im Licht des Sonnenunterganges, ohne die vielen Menschen, kommt das Mystische und
Gewaltige der Anlage erst so richtig zur Geltung.
Was mag die Menschen damals bewogen haben, die unvorstellbare Arbeit auf sich zu nehmen und
dieses Bauwerk zu errichten?
Nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, begebe ich mich wieder zurück an
Bord.
Es ist ein richtig schöner Spätsommer Abend und ich sitze noch lange im Steuerhaus um ihn
entspannt zu genießen.
Außer dem Rauschen des Meeres auf der Außenseite der Molen ist es vollkommen still im Hafen.
Hinter uns dümpelt das alte Seenot Rettungsboot von Kaseberga an seinem Liegeplatz und außer
ein paar Katzen, die über die Molen streifen, bewegt sich sonst nichts im Hafen.
Das rote Gleichtaktfeuer auf der nördlichen Spitze der Hafeneinfahrt sendet sein Licht auf See.
Ich sitze nur da und träume, während mir verschiedene Ereignisse dieser Reise durch den Kopf
gehen. Auf dem kleinen Bildschirm meines Fotoapparates schaue ich mir die Bilder, die ich im
Laufe der vergangenen Monate aufgenommen habe, an.
Auswahl habe ich genug. Die ersten 150 Bilder habe ich zwar schon löschen müssen, da die
Speicherkapazität erreicht war, aber gut 1.400 Bilder stehen immer noch zur Verfügung. Die
meisten habe ich inzwischen ja schon zusätzlich auf CDs gesichert.
Irgendwann gehe ich dann doch in die Koje und werde am Morgen von strahlendem Sonnenschein
geweckt.
Alles an Deck ist klitschnass vom Morgentau, denn die Nächte werden inzwischen doch schon recht
kühl. Darum kommt seit einigen Tagen auch mein Heizlüfter wieder zum Einsatz, damit es am
Morgen nicht gar so klamm im Boot ist.
Ein letzter Spaziergang über den Hügel und durch den schönen Ort, dann verlassen wir Kaseberga.
Es geht nur die ungefähr zehn Meilen über die Bucht westlich von Kasehuvud, nach Ystad. Robert
steuert wieder zuverlässig das Boot, nachdem er auf dem Weg von Simrishamn nach Kaseberga,
ständig Probleme hatte und immer wieder vom Kurs abkam. Das lag wohl an den in diesem
Seegebiet verbreiteten magnetischen Störungen und an den zahlreichen Unterwasser Kabeln, die
dort verlegt sind.
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Ich habe auch bemerkt, dass bei unruhiger See und Overlaybetrieb mit dem Radarbild die
Rechenleistung des Autopiloten scheinbar an ihre Grenzen stößt. Der etwas ungenaue Fluxgate
Kompass erschwert natürlich das Kurs halten. Ein kleiner Kreiselkompass wäre da sicher besser.
Wenn diese Teile nur nicht so teuer wären.
In der Regel funktioniert aber alles doch recht zuverlässig.
Auf der kurzen Überfahrt erreicht Jan auch die 1800. Betriebsstunde, was gleichzeitig bedeutet,
dass wir nun schon 500 Motorstunden auf unserer Rundreise absolviert haben.
Bisher und hoffentlich auch weiterhin ohne irgendwelche größere Probleme, seitens der Technik.
In Ystad angekommen, melde ich mich beim Hafenmeister um meinen Obulus zu entrichten. Mit
19,00 Euro pro Nacht gehört es zu einem der teuersten Häfen auf unserer Reise.
Dafür verspricht mir der Hafenmeister aber, am Abend die Sauna an zu heizen, die inklusive ist.
Vom Städtchen Ystad bin ich angenehm überrascht. So schön hatte ich mir den Ort nicht vorgestellt.
Alles strahlt ein mittelalterliches Flair aus und auch die neu errichteten Gebäude wurden sorgsam
dem alten Stadtbild angepasst.
Die ältesten Bauwerke der Stadt sind die aus dem 13. Jahrhundert stammende Kirche St.-Maria und
das kurz danach erbaute Grabrödra-Kloster. Von dem stehen allerdings nicht mehr alle Gebäude.
Grabrödra bedeutet: Graubrüder, nach der Kleidung der Franziskaner, die das Kloster errichteten.
Während der Reformation um 1530 wurden die Mönche vertrieben und der nördliche sowie der
westliche Flügel des Klosters abgerissen.
Bis 1777 wurden die restlichen Gebäude als Hospital genutzt. Danach war eine Brennerei, ein
Getreidespeicher und letztendlich sogar eine Müllkippe darin untergebracht.
Nur knapp entging das Gebäude um 1901 dem Abriss, weil einige Bürger dagegen protestierten. Ab
1967 wurde das Kloster restauriert und zählt heute zu den großen Touristenattraktionen in
Schweden. Die ganze Stadt beherbergt rund 300 alte Fachwerkhäuser und bietet einfach ein
stimmiges Gesamtbild.
Vom Turm der St.-Maria-Kirche erschallt immer noch, ganz jährig zwischen 21:15 Uhr und 01:00
Uhr, das Horn des Nachtwächters, das anzeigt, dass in der Stadt alles in Ordnung ist.
Zurück im Hafen, fällt mir schon von weitem ein heller Streifen an der Scheuerleiste von „Molly“
auf. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwo entlang geschrammt zu sein. Außerdem hätte der mir
doch schon vorher auffallen müssen. Vor uns hat inzwischen eine deutsche Segelyacht festgemacht,
welche noch nicht da lag, als ich von Bord ging.
Sollte die beim Einparken Probleme gehabt haben?
Auf der mir zugewandten Bordwandseite des Seglers zieren jedenfalls schon mehrere
verschiedenfarbige Streifen das Weiß des Gelcoats. Das deutet schon auf gewisse Schwierigkeiten
beim Beherrschen des Bootes hin.
Ich gehe bei „Molly“ an Bord und schaue genauer nach. Eindeutig!! An der hinteren Backbord Ecke
ist ein weißes Boot kräftig vorbei geschrammt. Auch im Mittschiffsbereich finde ich weiße
Lackspuren an der schwarzen Scheuerleiste.
Im Cockpit des vor uns liegenden Seglers halten sich ein Mann und eine Frau auf, die immer wieder
verstohlen zu mir herüber blicken, aber meinem fragenden Blick ausweichen.
Die Frau geht schnell in die Kajüte, während der Mann mich demonstrativ ignoriert.
Mit Spiritus versuche ich, die weißen Lackspuren zu entfernen, was nach einigem Polieren auch
gelingt. Obwohl damit nichts mehr zu sehen ist bin ich doch ein wenig sauer auf die Verursacher.
Demonstrativ gehe ich an deren Bordwand entlang und finde auch prompt eine frische, tiefe
Schramme, die in Art und Höhe genau zu den Spuren an „Molly“ passt.
Den Höhenvergleich mache ich so provozierend, dass es unmöglich zu übersehen ist, was ich von
der Sache halte. Ein Nachbarlieger grinst mich wissend an und zuckt nur mit den Schultern.
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Der, für den ich dieses Schauspiel veranstalte, schaut ungerührt in eine andere Richtung und geht
dann auch ins Bootsinnere.
Ich belasse es bei einem vielsagenden Blick zu dem anderen Segler, der sich die Sache anschaut und
wohl genau versteht, worum es geht. Allerdings möchte er sich wohl da heraus halten. Ich gehe
zurück an Bord von „Molly“ und bin nur froh, dass kein größerer Schaden entstanden ist. Mit
Sicherheit wäre der Verursacher auch dafür nicht eingestanden.
Am meisten ärgere ich mich darüber, dass er ja gesehen hat, dass ich die Spuren bei mir ohne
bleibenden Schaden entfernen konnte. Zumindest dann hätte er doch sagen können: „Uns ist da ein
kleines Malheur beim Anlegen passiert“ und sich dafür entschuldigen . Es war doch ersichtlich,
dass ich keinen Schadenersatz fordern würde.
So finde ich das Verhalten einfach unverschämt und traurig.
Man kann nur hoffen, dass das nicht die Regel unter Bootsfahrern ist und der größte Teil auch zu
dem steht, was immer mal passieren kann.
Als ich am nächsten Tag mit Skip meinen Morgenspaziergang mache, spricht mich ein junger Mann
auf englisch an, ob ich wüsste, wie viele Einwohner die Stadt hat. Da ich meinen Stadtprospekt gut
studiert habe, kann ich ihm die Auskunft geben, dass es so um die 16.000 Einwohner sind, die hier
leben. Wir unterhalten uns ein paar Minuten und erst nach meiner Antwort auf die Frage woher ich
komme, stellt sich heraus, dass wir beide Deutsche sind.
Daraufhin gestaltete sich die Unterhaltung natürlich bedeutend einfacher.
Er ist von einem der großen Charter- Segelboote, die gestern Abend noch in Ystad einliefen und auf
dem Weg in den Ort um Brötchen für das gemeinsame Frühstück mit der Crew zu besorgen.
Dabei will er eine kleine Runde durch die Stadt unternehmen, da sie anschließend sofort wieder
ablegen um nach Bornholm zu segeln. Von dort aus geht es dann wieder zurück nach Stralsund, wo
sie vor zwei Tagen losgefahren sind.
Eine Woche haben sie für die Runde Stralsund, Südschweden, Bornholm und zurück nach
Stralsund.
Da kann man hinterher eigentlich nicht davon reden, die besuchten Häfen auch gesehen zu haben.
Nachdem ich mir Ystadt zumindest ein wenig ausführlicher ansehen konnte, geht es am folgenden
Tag ins 31 Meilen entfernte Skare. Die Fahrt dorthin verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Der
Hafen dort macht einen etwas heruntergekommenen Eindruck, was vielleicht auch an dem trüben
Wetter liegt, das uns schon während der ganzen Überfahrt begleitet hat. Bei Sonnenschein wirkt der
kleine Fischerort sicher gleich viel freundlicher.
Er wird mir aber, obwohl die Sonne auch am Nachmittag nicht zum Vorschein kommt, trotzdem in
guter Erinnerung bleiben. Das liegt daran, dass kurz nach uns Jürgen und Marja mit ihrem
Segelkutter “Thor“ dort ankamen und nur wenig später die 44 Fuß Segelyacht „Manana“ mit Erika
und Heinz.
Beide Boote hatte ich schon in Ystad gesehen und nachdem ich ihnen beim Anlegen geholfen hatte,
kamen wir schnell ins Gespräch. Das ist übrigens typisch. Man sieht sich irgendwo, grüßt sich und
gut ist es. Trifft man sich dann aber in einem anderen Hafen wieder, ist es so, als wenn man auf alte
Bekannte trifft. Spätestens dann kommt es immer wieder zu netten Unterhaltungen.
So auch jetzt. Ich erfahre, dass „Thor“ ein ehemaliges Minensprengboot ist, welches1942 gebaut
wurde. Es war nur ein außerordentlich stabiler Rumpf in dem eine Spule eingebaut war, die ein
Magnetfeld erzeugte. Dieser wurde geschleppt und löste die Sprengungen der Minen aus. Vor ein
paar Jahren erwarb Jürgen den alten Kasko und baute ihn liebevoll in das jetzige Schmuckstück um.
Von einem gerade in den Hafen eingelaufenen Kutter hatten die zwei einen fast 80 Zentimeter
langen Lachs gekauft.
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Nur fünf Euro hatte der Fischer für das Prachtexemplar verlangt.
Im Laden wäre solch ein Fisch mit Sicherheit nicht unter 45,00 Euro über die Theke gewandert.
Da er für die beiden sowieso viel zu groß war, wurde beschlossen, den Leckerbissen am Abend
zusammen zu verzehren. Dafür bot sich der geräumige und gemütliche Salon der „Manana“
geradezu an.
Auch Skip ging nicht leer aus. Von den rund fünf Kilos, die der Lachs auf die Waage brachte, war
immerhin fast die Hälfte Kopf und andere Reste, da wir nur die feinen Filets für uns beanspruchten.
Diese Reste schlang er, gierig wie immer in kürzester Zeit herunter, womit wir eigentlich, als wir
ihm diese auf der Kaimauer präsentierten, gar nicht gerechnet hatten.
Er schnupperte zwar am Anfang eine Weile daran herum, aber nachdem er sich zum Fressen
entschlossen hatte, verputzte er alles mit Haut und Haaren. In diesem Fall besser gesagt, mit Kopf
und Schuppen.
Das sollte allerdings nicht ohne Folgen bleiben, wie sich bald herausstellte.
Am Abend saßen wir dann alle im schönen Salon der „Manana“ und verspeisten den Rest des
Fisches, der für uns vorgesehen war. Dazu wurden Kartoffeln und junge Bohnen gereicht.
Es schmeckte einfach köstlich.
Aus dem umfangreichen Getränkelager von Heinz und Erika gab es diverse Liköre, die von den
beiden selbst hergestellt waren. Spezialität war ein Hagebuttenlikör, mit gut 17% Alkohol, auf den
die beiden mit Recht besonders stolz waren. Die Früchte hatten sie auf Harriersand gesammelt.
Es wurde ein langer und sehr lustiger Abend, der sich bis weit nach Mitternacht ausdehnte.
Zurück auf „Molly“ wollte ich die restliche Nacht noch schön knacken, da ja die recht lange
Überfahrt nach Kalvehave, auf Seeland in Dänemark,bevorstand.
Um 02:30 Uhr meldete sich Skip zum erstenmal, da der Lachs in seinem Bauch wieder ans
Tageslicht wollte. Also raus und im Schlafanzug eine nächtliche Runde gedreht. Das gleiche
wiederholte sich um 06:00 Uhr nochmals.
Somit war es also nichts mit schön durch schlafen.
Ihm machte das ganze scheinbar noch ordentlich Spaß, denn sofort, nachdem er sich des Druckes in
seinem Inneren entledigt hatte, begann er, nach neuen Leckerbissen zu schnüffeln.
Die nächtlichen Kurzausflüge schienen ihm bestens zu gefallen.
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Da ab dem Nachmittag der sowieso schon kräftige Wind weiter auf sechs bis sieben Beaufort
zulegen sollte, verließ ich um 09:00 Uhr Skare, mit Kurs auf die Fakse - Bucht in Dänemark.
Mit See von achtern war die Überfahrt zwar mit viel Rollerei verbunden, sonst aber problemlos,
trotz starken Schiffsverkehrs aus und in den Sund.
Nach Passieren des Verkehrstrennungsgebietes kam vor der Fakse-Bucht von Steuerbord ein Kümo.
Da ich schon leicht westlich der Huk von Möns – Klint war, dachte ich, dass er weiter Kurs Ost
geht um diese zu runden und ich vorne vorbei könnte. Er hielt sich aber schön an die Regeln der
internationalen Kollisionsverhütung und drehte nach Steuerbord. Somit war ich gezwungen,
ebenfalls nach Steuerbord auszuweichen und passierte ihn in ca. 100 Metern Abstand achterlich, um
dann wieder Kurs auf die Ansteuerung zum Boegestroem zu nehmen.
Die paar Minuten quer zur zunehmenden See waren recht schaukelig.
Über Kanal 16 rief er mich dann auch noch an und bat darum, beim nächsten Mal mit dem
Ausweichmanöver nicht bis zum letzten Moment zu warten. Er war aber sehr freundlich, nannte
mich „Sir“ und wünschte weiterhin gute Reise.
Ich wünschte ihm ebenfalls eine gute Wache und er verschwand langsam aus meinem Blickfeld.
In der Fakse-Bucht, wo ich mit nachlassendem Seegang gerechnet hatte, wurde es allerdings noch
deutlich unangenehmer. Durch den ansteigenden Seegrund wurden die Wellen kürzer und brachen
sich teilweise.
In der schmalen Zufahrtsrinne, die uns ins Innere der Bucht und zum Boegestroem führte, war eine
wilde Kurbelei am Steuerrad nötig um „Molly“ in dem engen Fahrwasser auf Kurs zu halten.
Erschwerend kam dazu, dass unser Kurs auch immer wieder quer zum Wind verlief und die
inzwischen wieder scheinende Sonne keine Farbunterscheidung zwischen den einzelnen Tonnen
zuließ. Nur mit dem Glas konnte ich anhand der Topzeichen eine Unterscheidung vornehmen und
das in einem Gebiet, in dem rechts und links des schmalen Fahrwassers tückische Sände und Steine
auf den kleinsten Fehler warteten.
Man munkelt, dass dieses Fahrwasser den Fischern der Gegend schon manche schlechte Saison
gerettet hat, indem sie ihr Einkommen mit dem Freischleppen aufgelaufener Yachten verbessert
hätten.
Nun, an uns haben dieses Mal nichts verdient.
Zu allem Überfluss meldete sich auch der Lachs im Magen von Skip wieder und der lässt seinem
Dünnpfiff auf dem Achterdeck freien Lauf.
Natürlich auch über die dort aufgeschossenen Festmacher.
Ich bin nur noch am Fluchen.
Während Skip sich schuldbewusst in eine Ecke verkriecht, renne ich zwischen Steuer und
Achterdeck hin und her um die Sauerei noch vor dem Hafen aufzuklaren.
Da das Deck ja durch die Gischt eh schon nass war, geht alles leicht abzuschwenken.
Die Leine will ich aufgeschossen über Bord halten um sie im Wasser aus zu waschen.
Das geht auch ganz gut bis „Molly“ plötzlich weit überholt und eine Welle über den Süllrand
schwappt. Nun bin ich auch noch halbseitig gebadet.
Ich schimpfe wie ein Rohrspatz.
Um 16:00 Uhr können wir endlich in Kalvehave anlegen.
Mangels anderer Plätze muss ich rückwärts in eine Box mit Pfählen, die nur 2,90 Meter auseinander
stehen. „Molly“ ist aber drei Meter breit.
Das erweist sich aber bei dem starken Wind als Vorteil, denn ich kann mich schön zwischen den
Pfählen fest klemmen und die Leinen daran belegen.
Dann mit Kraft durch, hinten fest und wir liegen.
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Eineinhalb Stunden nach uns kommt die „Thor“ an, bei der in der Hafeneinfahrt der Motor zu
kochen beginnt. Sie können gerade noch bei einem großen Boot längsseit gehen und den Motor
abstellen. Es stellt sich heraus, dass der Halter der Lichtmaschine gebrochen ist und deshalb der
Keilriemen kaputt gegangen ist.
Zum Glück ist ihnen das nicht im verwinkelten Fahrwasser der Zufahrt passiert.
Auch ich kontrolliere an Jan alles und hole vorsichtshalber auch den Seewasserfilter heraus, obwohl
durch das Schauglas keine Verschmutzung zu erkennen ist. Wir haben aber einige Felder mit
Seegras durchfahren und ich will sichergehen. Der Filter ist aber vollkommen sauber. Seit der
letzten Reinigung, nach einer Kanalfahrt, sind jetzt bestimmt schon 1.000 Betriebsstunden
vergangen.
Zum vierten mal auf dieser Reise fülle ich 0,25 Liter Öl nach und auch bei dieser Kontrolle ist sonst
nichts ungewöhnliches am Motor festzustellen.
Auf der Fahrt von Skare nach Kalvehave bewältigten wir auch die 3000. Seemeile dieses Törns.
Der Sturm, der mit sieben bis acht Beaufort in den Riggs und Aufbauten der umliegenden Boote
heult, weckt mich am nächsten Morgen. Die Wettervorhersage meldet für die nächsten Tage
durchgehend Wind um die Stärke acht.
Wir liegen hier gut geschützt und machen erstmal einen Rundgang durch den wenig attraktiven Ort.
Eine nette Besonderheit entdecke ich aber doch. An einem Kreisverkehr sind Kardinaltonnen
aufgestellt, die anzeigen, an welcher Seite man vorbeifahren muss.
Das ist doch mal eine innovative Idee. So muss man sich nicht immer wieder umstellen zwischen
Straßen- und Seeverkehr.
Auf „Thor“ stellt Jürgen fest, dass es mit der Reparatur der Lichtmaschinenhalterung nicht erledigt
ist. Durch die Überhitzung ist ein Metallteil vom Ventildeckel zwischen die Stösselstangenführung
geraten. Er muss den Motor zerlegen.
Als er am Abend wieder alles zusammen hat, wird der Motor immer noch zu heiß und baut keinen
Öldruck auf.
Die beiden tun mir echt leid !
Bei dem Sturm wollen wir auch nicht versuchen ihr Boot mit „Molly“ an einen besseren Platz zu
verlegen, da „Thor“ mit 16 Tonnen ja immerhin das dreifache Gewicht von „Molly“ hat.
Ich kann ihnen leider nicht helfen.
Jürgen sieht das ganze aber relativ gelassen. Nun, wenn einer es wieder in Ordnung bringen kann,
dann er, der ja jede Schraube an seinem Boot kennt.
Der Sturm geht unvermindert weiter und ich sitze im Steuerhaus, von wo aus ich das Ballett der
Masten verfolge. Bei jeder Bö legen sie sich schön gleichmäßig zur Seite. Hin und wieder tanzt
einer aus der Reihe, aber das soll bei Balletttänzern schon mal vorkommen.
Das Wasser im Hafen ist inzwischen um fast 40 Zentimeter gestiegen, da der Ostwind große
Mengen davon in die Bucht und somit auch in den Hafen hinein drückt.
Morgen werde ich auf jeden Fall Kalvehave verlassen und weiterfahren.
Erstens gibt es hier nämlich absolut nichts zu sehen und zudem ist der Hafen mit umgerechnet
17,00 Euro auch noch unverschämt teuer. Duschen kostet sogar noch fünf Kroner extra und das
finde ich für das Gebotene eindeutig überzogen.
Als ich eine Tüte Milch öffne, wird mir nochmals deutlich vor Augen geführt, wie sehr wir auf der
Überfahrt von Südschweden nach Dänemark durchgeschüttelt wurden.
Die Milch ist fein säuberlich getrennt in Molke und Quark.
Noch etwas länger unterwegs und es wäre Butter geworden.
108
Letzte Meilen auf der Ostsee
Dänische Südsee - Kiel
Bei immer noch gut sieben Bft. lege ich am Samstag Vormittag ab, um durch den Ulvsund nach
Vordingborg zu fahren.
Das sind nur ca. 12 Meilen durch gut geschütztes Revier und somit auch bei diesem starken Wind
kein Problem. Nur das Ab- und Anlegen ist etwas schwieriger als sonst und erfordert etwas mehr
Konzentration. Da Vordingborg aber nun schon unser Hafen Nummer 88 auf dieser Reise ist, habe
ich inzwischen genug Routine, um auch diese Manöver zu bewältigen.
Schon kurz nach Mittag liegen wir längsseit der Pier am Kopfende des Hafens.
Ich will gerade die Türe verschließen, um mit Skip einen ersten Rundgang durch die Stadt zu
machen, als ein Segelboot mit ziemlichem Speed, kopfvor auf uns zukommt.
An Bord ein älteres Ehepaar, das mir winkend und schreiend klar macht, dass ihr Motor ausgefallen
ist. Auch ihr Großsegel ist immer noch oben. Ich vermute, sie wollten elegant unter Segel in den
Hafen einlaufen und nur das Anlegemanöver mit Maschine fahren. Die springt jetzt aber nicht an.
Der zweite Fehler, der ihnen unterläuft, ist die Entscheidung auf die Pier hinter mir zu zusteuern.
Durch den Wind, der sie nun fast seitlich erfasst und weg drückt, halten sie nun genau auf „Molly“
zu. Hätten sie von vorne herein auf den Platz vor unserem Bug zugehalten, hätten sie deutlich mehr
Spielraum für Manöver gehabt. Mit Ruder hart Backbord wäre es sicher möglich gewesen längsseit
zur Pier, diese im flachen Winkel anzusteuern.
Hätte und wäre hilft nun aber nichts mehr. Sie versuchen hinter „Molly“ vorbeizukommen, aber ein
knapper Meter fehlt noch. Da alles so schnell geht, kann ich auch nur den Bugkorb des Seglers
packen und versuchen ihn mit aller Kraft weg zu drücken. Es gelingt mir zumindest so gut, dass er
nicht mit dem Bug in unsere seitliche Bordwand knallt, sondern mit seiner Seite an unserem Heck
entlang rutscht. Irgendwie schaffe ich es sogar noch, während ich die Bugspitze umzulenken
versuche, einen Fender über Bord zu schmeißen. Da meine Fender immer an der Achterreling
angebunden sind, wenn sie nicht benötigt werden, passt das zumindest so gut, dass er ein klein
wenig dämpfend wirkt. Zudem habe ich quer über das Heck eine stabile Scheuerleiste, so dass nur
diese von der Bordwand des Segler touchiert wird. Inzwischen hat das Segelboot auch soviel an
Fahrt verloren, dass der Aufprall mit seinem Bug gegen die glücklicherweise mit einem Prallholz
geschützte Pier, einigermaßen glimpflich verläuft. Das Holz splittert ein wenig und hinterlässt eine
deutliche Macke im Boot, aber es bleibt bei einem Schönheitsschaden. Wäre das Boot nicht durch
den ungewollten Kontakt mit „Molly“ so stark abgebremst worden, der Schaden wäre mit
Sicherheit größer gewesen. Nach dem Aufprall auf die Pier drückt der Wind das Segelboot mit dem
Heck weiter herum gegen „Molly“. Nun reicht mir die Zeit aber, ausreichend Fender auszubringen.
Wenig später liegt der Segler längsseit von uns, als wenn alles so geplant gewesen wäre.
Mit Leinen verholen wir ihn an den freien Platz vor uns.
Überschwänglich bedanken sich die beiden für meine Hilfe. Man merkt ihnen an, dass sie
richtiggehend geschockt sind.
Nun, zum Glück ging das ganze ja noch relativ harmlos aus.
Auch ich bin ganz schön erleichtert. Wäre ich nur fünf Minuten früher weggegangen, hätte sich der
Bug des Segelbootes in „Molly`s“ Backbord Seite gebohrt. Ich will mir das gar nicht vorstellen.
Sollte da doch was dran sein an der 13?
Wir haben heute Samstag den 13. September. So gesehen ist es dann ja aber eher eine Glückszahl,
denn das hätte ja auch schlimmer ausgehen können.
Nach diesem Schreck folgt dann aber doch noch der geplante Landgang.
Vordingborg ist ein schönes, kleines Städtchen, dessen bekanntestes Wahrzeichen der Gänseturm
ist, der nicht weit vom Hafen, mitten in den Überresten des alten Schlosses steht. Er ist einer der am
besten erhaltenen mittelalterlichen Türme Skandinaviens.
109
Auf seiner Turmspitze sieht man die Kopie der goldenen Gans, die dort 1871 angebracht wurde,
nachdem Erik von Pommern bei seiner Emigration nach Gotland, das echt goldene Original
mitgenommen hatte.
Auf dem Gelände des ehemaligen Schlosses befindet sich auch ein sehr schöner, historischer,
botanischer Garten, der 1921 angelegt wurde und ca. 400 Pflanzen zeigt, die früher als Heil- und
Gewürzpflanzen verwendet wurden.
Auch die Kirche aus dem 14. Jahrhundert mit ihrem im 15. Jahrhundert dazu gebauten Turm ist
sehenswert.
Nach einem Liegetag geht es weiter nach Dybvig, auf der Insel Fejö. Sie ist die größte der Inseln im
Smalandfahrwasser. Als erstes passieren wir die eindrucksvolle Storströmmen-Brücke, die Seeland
mit Falster verbindet und Teil der Vogelfluglinie ist. Danach geht es in das Smalandfahrwasser. Die
Fahrt verläuft trotz des immer noch starken Windes , der mit knapp sechs Beaufort bläst
unproblematisch. Da er aus achterlichen Richtungen kommt, hilft er sogar noch mit, dass es eine
ziemlich flotte Fahrt wird. Im geschützten Smalandfahrwasser baut sich bei Winden aus östlicher
Richtung auch keine unangenehme See auf.
Das hatten wir auch schon anders. Bei unserem letzten Törn in dieser Gegend, als es von der Fakse
Bucht nach Femö ging, hatten wir eher etwas weniger Wind, aber aus West. Das gegenan
Gestampfe war mehr als ungemütlich.
Heute dagegen verläuft die Fahrt sehr entspannt, sieht man vom gelegentlichen Erschrecken einmal
ab, welches sich auf den ausgedehnten Flachs immer mal wieder einstellt. Das liegt daran, dass in
dem klaren Wasser und bei dem strahlenden Sonnenschein den wir haben, zeitweise der Grund so
deutlich zu sehen ist, dass es einer gewissen Überwindung bedarf einfach weiter zu fahren.
Das zeugt aber nur von der guten Wasserqualität in diesem Seegebiet. Wir fahren zwar einen Kurs,
der uns mit so wenigen Umwegen als möglich zu unserem Ziel bringt, trotzdem haben wir auch an
den flachsten Stellen immer noch gut einen Meter Wasser unter dem Kiel.
Schon kurz nach Mittag liegen die 22 Meilen von Vordingborg nach Dybvig hinter uns und wir
machen in dem kleinen Hafen der Insel fest. Ich habe bewusst den Hafen von Dybvig ausgewählt.
Er liegt in der Nähe des Ortes Osterby und ist wesentlich gemütlicher wie der Haupt- und Fährhafen
der Insel, Vesterby.
Im Hafen das inzwischen vertraute Bild. „Molly“ ist das einzige fremde Boot. Die wenigen anderen
Boote sind unbemannte Dauerlieger.
Bis auf einen Kiosk haben alle Läden rund um den Hafen schon geschlossen und alles wirkt ein
wenig verloren. Gerade das macht aber auch den eigenartigen Reiz des kleinen Hafens aus, wie er
so verlassen daliegt und auf die kommende Saison wartet, wenn sich hier dann wieder die
Gastboote drängeln.
Allerdings klagt mir die Hafenmeisterin am Abend, als sie für eine Stunde das Hafenbüro öffnet,
dass es seit dem Zusammenbruch der ehemaligen DDR, deutlich weniger deutsche Gäste gäbe und
die jetzt alle erstmal die neuen Bundesländer besuchen. Die Öffnung dieser Reviere sei hier an
einem starken Besucher Rückgang zu spüren. Sie hoffe sehr, dass, wenn die erste Neugierde einmal
befriedigt sei, auch die Boots-Touristen wieder zurückkommen.
Mir gefällt es so alleine im Hafen!
Mit Skip mache ich einen Spaziergang, der uns querfeldein immer in Nähe der Strandlinie bis zur
alten Kirche von Fejö führt. Die Kirche ist leider verschlossen und so gehen wir weiter Richtung
Vesterby und anschließend durch Osterby zurück zum Hafen.
Unser Weg führt uns über abgeerntete Getreidefelder und an vielen Obstplantagen vorbei. Auch
viele Rapsfelder, die trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit noch in kräftig gelber Farbe leuchten,
liegen an unserem Weg. Die Bäume hängen übervoll mit Äpfeln und Birnen, die sehr schmackhaft
sind. Ich hoffe dass mir niemand die Geschmacksprobe verübelt, schließlich werbe ich hier ja auch
für das schöne Eiland. Skip stöbert auf unserer Runde unzählige Hasen und Fasanen auf, die aber
alle entkommen können, da seiner Reichweite durch die Laufleine Grenzen gesetzt sind.
110
Zurück an Bord gibt es noch einen heißen Tee und anschließend sitze ich mit einem Pfeifchen noch
lange im Steuerhaus und erfreue mich an der friedlichen Abendstimmung.
Den folgenden Tag verbringen wir noch bis zum Mittag in Dybvig, dann entscheide ich mich doch
noch dafür nach Spodsbjerg auf Langeland zu wechseln.
Ich möchte noch vor dem Wochenende über die Kieler Bucht, da in der Trend Vorhersage des
deutschen Wetterdienstes schon die nächsten, von Westen heranziehenden Tiefs gemeldet werden,
die ordentlich Wind bringen sollen.
Bis zum großen Belt wird es eine sehr zügige Fahrt mit ständig zwischen sieben und acht Knoten.
Im Belt läuft uns die Strömung dann aber voll entgegen und unsere Geschwindigkeit sinkt unter 4,5
Knoten. Auch als ich den Belt quere und weiter unter Land in flacheres Wasser gehe, wird es kaum
besser. Nach knapp viereinhalb Stunden Fahrt, liegen wir dann aber doch im Hafen von Spodsbjerg.
Vom Ort bin ich ein wenig enttäuscht. Irgendwie hatte ich mir da mehr versprochen.
Es ist ein reiner Fähranleger Ort in dem ein Campingplatz ist und das Hauptgeschäft scheinbar im
Angebot von Angeltouren und der Vermietung des dazu gehörenden Equipments besteht.
Gut ein Drittel der Liegeplätze im Hafen ist mit kleinen Booten belegt, die an Angler ausgeliehen
werden. Es ist teilweise hochinteressant diesen bei ihren An- und Ablege Manövern zu zuschauen.
Mehr als die Information wie man den Motor startet, scheint ihnen vom Vermieter nicht mit auf den
Weg gegeben zu werden.
Am Abend sitze ich noch lange im Steuerhaus und beobachte mein Umfeld. Da wir ganz vorne am
Steg festgemacht haben, habe ich freie Sicht auf den Großen Belt und diese Aussicht versöhnt mich
etwas mit dem unattraktiven Ort. Ich schaue den Fähren bei ihren An- und Ablegemanövern zu,
beobachte das Lotsenversetzboot und sehe sehnsüchtig den großen Schiffen nach, die durch den
Belt zu irgendwelchen fernen Zielen unterwegs sind.
Zum ersten mal seit gut fünf Monaten empfange ich auf UKW einen deutschen Radiosender in
einwandfreier Qualität. Es ist Radio „Delta“, das ein Rock-Spezial über „Metallica“ bringt.
Bis spät in die Nacht sitze ich noch so da, schaue und träume vor mich hin, während am Himmel
ein grandioser Vollmond leuchtet.
Der Morgen empfängt uns, wie in der Vorhersage versprochen, mit Sonnenschein und Wind drei bis
vier aus Nordost.
Also nichts wie los.
Auf dem Langeland- Belt das gehabte Bild. Strom gegen an mit gut zwei Knoten. Da der Wind aus
nördlicher Richtung kommt, steht er genau gegen den Strom und die See ist entsprechend kabbelig.
Mit teilweise nur 4,5 Knoten kämpfen wir uns südwärts.
Piep.....Piep....Piep....Unvermittelt ertönt der Alarm des Autopiloten.
Was ist jetzt los?
Obwohl auf dem Display alle Daten vorhanden sind, entfernt sich „Molly“ immer weiter von ihrem
Soll-Kurs. Was ich auch probiere, immer wieder erscheint nach kurzer Zeit auf dem Display die
Meldung „Actuator“ und der Alarm beginnt aufs neue.
Das sind so die Momente, in denen man eine helfende Hand schmerzhaft vermisst.
In der hackigen See kann ich „Molly“ immer nur für wenige Sekunden aus den Augen lassen. Ich
habe zwar gestoppt und der Seegang ist eigentlich auch nicht sehr stark, aber sowohl von vorne als
auch von achtern laufen große Schiffe auf, beziehungsweise kommen uns entgegen. Wir sind zwar
gut außerhalb der Hauptfahrrinne, aber ich möchte die Situation doch im Auge behalten.
Es beginnen ein paar hektische Minuten. Anhand des Bedienungsmanuals kann ich den Fehler
schnell auf die Ruder Antriebseinheit eingrenzen. Da sich „Molly“ von Hand steuern lässt, kann es
eigentlich nur an der Hydraulikpumpe oder deren Antrieb liegen.
Beides befindet sich in der Achterpiek. Also pendle ich nun zwischen Steuerhaus und Achterdeck.
Zum Glück habe ich darauf geachtet, diese wichtigen Aggregate freizuhalten und nicht zu zustauen.
So liegen sie zumindest einmal gut zugänglich vor mir. Auf den ersten Blick ist nichts zu erkennen.
Weder sieht man irgendwo ausgetretenes Hydrauliköl, noch sind lose oder beschädigte Kabel zu
entdecken.
111
Um weitere Kontrollen durchzuführen, bräuchte ich jemanden, der manuell vom Steuerhaus aus
Ruderbefehle an die Antriebseinheit schickt. Eine andere Möglichkeit wäre es, an der Bedieneinheit
den Taster zu überbrücken. Nur so kann ich hier hinten feststellen, ob überhaupt ein Steuersignal
ankommt. Ich finde mich schon damit ab, denn Rest dieser Etappe auf Robert zu verzichten, da
schießt mir noch ein kurzer Geistesblitz durch den Kopf. Ich überprüfe die beiden Kohlen auf dem
Kollektor und siehe da, beide Einschraubhülsen haben sich gelockert. Schnell fest gedreht und alles
funktioniert wieder. Typischer Fall von: Kleine Ursache, große Wirkung.
Dreieinhalb Stunden später mache ich in Bagenkop auf der Südwestspitze Langelands fest. Vor uns
liegt eine Segelyacht aus Fehmarn. Diese hat im Mast unter der dänischen Gastflagge auch die
Flagge Litauens gesetzt. Ich frage, ob sie in diesem Jahr auch dort waren und lerne etwas neues
dazu. Die Flagge, die genauso wie die von Litauen aussieht, also mit gelbem, grünen und rotem
Längsstreifen, ist die Flagge der dänischen Insel Aerö. Das war mir neu.
Bagenkop ist nett, aber jetzt am Ende der Saison ist doch schon alles sehr ruhig.
Da sieht es im Sommer hier doch etwas anders aus. Vor allem für viele Charterer aus Fehmarn oder
Heiligenhafen ist Bagenkop oft das erste Anlaufziel für ihren Dänemark Törn. Entsprechend
turbulent geht es dann dort zu.
Ich bleibe nur eine Nacht und nutze dann das ruhige Spätsommer Wetter um die Kieler Bucht zu
queren. Die See ist vollkommen glatt und nur eine ganz leichte Dünung hebt und senkt die
Wasseroberfläche. Es sieht aus, als wenn sich die Ostsee nach den heftigen Winden der letzten Tage
ausruht und erschöpft eine Pause einlegt. Die nächsten Tiefs sind ja schon im Anmarsch.
Vor der Südspitze Langelands beobachte ich auf der Position 54°43,73`N und 010°37,50È, drei
Schweinswale, die Richtung Osten ziehen. Der Bestand dieser kleinsten Walart, die zu den
Zahnwalen gehört und zwischen eineinhalb und maximal knapp zwei Metern lang werden, ist in
der Ostsee leider rückläufig. Allgemein macht man dafür die Verschmutzung der Meere
verantwortlich.
Viele verenden auch in Fischernetzen, wo sie elendig ertrinken. Hoffen wir, dass diesen hier das
Schicksal erspart bleibt.
Ich entscheide mich, Kiel mal wieder einen Besuch abzustatten.
Um 13:30 Uhr kreuzen wir vor der Schleuse Kiel-Holtenau unseren Auslaufkurs.
Vor genau fünf Monaten, am 18. April, liefen wir hier in die Ostsee ein und begannen unsere große
Ostseerundrunde.
3.140 Meilen haben wir seitdem zurückgelegt.
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Nordsee, wir kommen
Kiel - Helgoland
Wir gehen in den Sportboothafen Düsternbrook und als ich zum Hafenmeister gehe um unser
Liegegeld zu entrichten, empfängt der mich mit der Bemerkung: „Aha, eine Nordic-Tug 26:“
Ich bin erstaunt, dass jemand meinen Bootstyp so genau kennt. Er winkt mich hinter seinen Tresen
und zeigt auf seinen Computer-Bildschirm. Dort hat er die Seite der Nordic-Tug-Werft aufgerufen
und so erfahre ich, dass nach zwölf Jahren, in denen das 26er Modell nicht mehr gebaut wurde,
wieder an eine Neuauflage des Typs gedacht wird.
Wir unterhalten uns noch längere Zeit, in erster Linie natürlich über Nordic-Tugs und deren
Eigenschaften.
Das Liegegeld ist mit 8,00 Euro pro Tag recht günstig, allerdings muss man für Strom und für die
Benutzung der Duschen Wertmünzen erwerben. Beim Strom stelle ich aber später fest, dass ich mit
meinem Verlängerungskabel bis an eine Steckdose auf dem Nachbarsteg komme, wo der Strom frei
ist. Ich wechsle also die Steckdose, wobei es mir nicht in erster Linie um die Kosten von zwei bis
drei Euro geht. Vielmehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Stromkontingent immer mitten
in der Nacht verbraucht ist und dann der Kühlschrank, den ich am Steg auch mit 220 Volt betreibe,
ausfällt. Darum ist mir eine Endabrechnung über den Verbrauch deutlich willkommener als
vorausbezahlte Kontingente. Am schönsten ist es natürlich wenn alles im Liegegeld mit enthalten
ist.
Den nächsten Tag verbringe ich in Kiel und mache einen Stadtbummel.
Immer wieder fällt mir auf, dass ich mich jetzt doch ziemlich lange im Ausland aufgehalten habe.
Ich höre ein Martinshorn und als erstes denke ich: „Oh, die haben das gleiche Horn wie es in
Deutschland verwendet wird.“ Erst danach gelange ich schmunzelnd zu der Erkenntnis, dass das
damit zusammenhängen könnte, dass ich wieder in Deutschland zurück bin.
Auch als Gruß rutscht mir immer noch fortwährend das skandinavische „Hey“ über die Lippen.
Als beim Brötchen Einkauf die Verkäuferin nicht gleich versteht, welche und wie viele ich möchte,
verfalle ich, anstatt meinen Wunsch einfach nur zu wiederholen, ins englische.
Ich schlendere durch die Holstenstraße, die schon 1953 für den Individualverkehr gesperrt wurde
und somit die älteste Fußgängerzone in Deutschland ist.
Auch der gotischen Nikolaikirche, die aus dem 13. Jahrhundert stammt und das älteste Gebäude
Kiels ist, statte ich einen Besuch ab.
In einer Gaststätte mit angeschlossener Brauerei nehme ich ein herzhaftes Mittagessen zu mir und
gehe dann wieder an Bord.
Direkt gegenüber des Düsternbrooker Hafens ist ein großer Park mit einem schönen Stadtwald. Dort
mache ich mit Skip später auch noch einen ausgedehnten Rundgang. Wenn irgend möglich,
versuche ich, mit ihm Spaziergänge in solchen Natur nahen Gebieten zu unternehmen und lasse ihn
bei Stadtbesichtigungen an Bord. Das ist auch überhaupt kein Problem für ihn, da er „Molly“ als
sein zu Hause betrachtet.
Am Samstag Vormittag, nachdem ich dem Hafenmeister auf seine wiederholte Frage, ob ich mein
Boot nicht verkaufen wolle, nochmals eine Absage erteilt habe, verlasse ich Kiel.
Die Schleuse Holtenau steht noch offen und wartet auf mich. Gut, dass ich mein Kommen
rechtzeitig über UKW angekündigt habe. Die Kammer ist rappelvoll mit Sportbooten und wir
ergattern so ziemlich den allerletzten freien Platz.
Nachdem ich „Molly“ sicher angebunden habe, gehe ich zum Schleusenwärter, um die Passage
durch den NOK zu bezahlen. Ich frage ihn, ob es hier heute etwas umsonst gäbe, oder warum
dieser, für die Jahreszeit ungewöhnliche Betrieb herrsche. So erfahre ich, dass dieses für heute die
erste Schleusung mit Sportbooten ist, da bis vor kurzem über dem Kanal noch dichter Nebel hing.
Bei solchen Sichtverhältnissen werden keine Sportboote geschleust.
Entsprechend groß war der Rückstau.
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Na da war es ja genau richtig, dass ich heute lieber etwas länger in der Koje blieb, als beizeiten los
zu fahren um dann vor der Schleuse warten zu müssen.
Da unser heutiges Ziel nur die Rader-Insel ist, kommt es nicht darauf an, ob wir eine Stunde früher
oder später dort eintreffen.
Ganz bewusst habe ich jetzt zum Ende der Reise kürzere Etappen eingeplant und lasse es recht
gemütlich angehen. Mit Christina habe ich mal das kommende Wochenende für unser Eintreffen in
Wilhelmshaven geplant. Das ist allerdings auch nur eine grobe Richtlinie. Sollte das Wetter nicht so
ganz mitspielen, wird es halt etwas später. Ich will auf jeden Fall noch einen Abstecher nach
Helgoland machen. Um diese Jahreszeit muss man dafür auch schon mal ein , zwei Tage mehr
einplanen.
Um 11:00 Uhr schließt sich das Schleusentor hinter uns und wir verlassen die Ostsee. In den
vergangenen fünf Monaten haben wir sie recht gut kennen gelernt und sie zeigte sich uns in all
ihren Facetten. Von total stiller See, über das vom Sturm aufgewühlte Wasser und vom
Sonnenschein bis zum dichten Nebel.
Wenn wieder mal jemand, der die Ostsee mit der erweiterten Kieler Bucht gleichsetzt, abfällig vom
Ententeich redet, weiß ich es auf jeden Fall besser.
Die Ostsee ist ein wunderschönes Revier, aber eben auch eines, das man nicht unterschätzen sollte.
Nun liegt sie also hinter uns und es geht auf dem Nord-Ostsee-Kanal Richtung Westen.
Nach drei Stunden biegen wir am Kanalkilometer 67,5 nach Steuerbord ab, hinter die Rader-Insel.
Bisher waren wir dort noch nicht gewesen, sondern fuhren entweder vorbei, blieben in Rendsburg
oder lagen im Borgstedter See vor Anker.
Ich stelle fest, dass die Marina dort ein durchaus schöner Platz zum Übernachten ist.
Es gibt alle Versorgungsmöglichkeiten und auch genug schöne Gegend für ausgedehnte
Spaziergänge.
Am nächsten Morgen liegen schon um 08:00 Uhr die beim Hafenmeister bestellten Brötchen bereit
und so steht einem guten Frühstück nichts im Wege.
Danach verlassen wir die Rader-Insel und fahren auf dem Kanal weiter westwärts.
Sportboote sind heute kaum noch anzutreffen, aber der Berufsschiffsverkehr ist, wie gewohnt, sehr
stark. Je weiter der Vormittag voran schreitet, umso öfter lässt sich die Sonne zwischen den Wolken
blicken und so wird es eine schöne, ruhige Fahrt.
Auf den Uferwegen sind Wanderer und Radfahrer unterwegs, die immer wieder freundlich winken.
Meistens gilt dies wohl Skip, der auf dem Achterdeck ist und alles an Land aufmerksam verfolgt.
Nach gut fünf Stunden Fahrt erreichen wir Brunsbüttel.
Der kleine Hafen direkt neben der Schleuse ist fast leer.
Im Sommer sieht das hier anders aus. Dann drängen sich die Boote im Hafen, dass kaum ein
Durchkommen möglich ist.
Aber Morgen haben wir ja immerhin schon Herbstanfang und da sind eben nicht mehr so viele
Boote unterwegs.
Beim Rundgang durch den Ort fällt mir noch ein Unterschied zu den in den vergangenen Monaten
besuchten Orten auf. Alle Geschäfte sind heute am Sonntag geschlossen.
Zumindest bis zum Nachmittag konnte man in den Ländern die wir besuchten, auch am Sonntag
einkaufen.
Hier muss ich den Einkauf meiner paar Dinge, die ich für die restlichen Tage noch brauche, auf
Morgen, vor die Weiterfahrt, verschieben.
Durch das schöne Wetter ist sehr viel Betrieb rund um die Schleuse. Schaulustige wohin man blickt.
Gegen Abend wird es ruhiger, was allerdings nicht für den Schleusenbetrieb gilt. Der geht
unvermindert die ganze Nacht über weiter.
Wenn man aber müde genug ist, stört das Wummern der Schiffsdiesel nicht weiter.
Nach dem Aufstehen, frühstücken und einkaufen, ziehe ich meinen Tidenkalender zu Rate, der ab
jetzt wieder zu einer der wichtigsten ,nautischen Unterlagen wird.
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Niedrigwasser in Cuxhaven ist um 13:03 Uhr. Da brechen wir am besten gleich auf.
Über UKW Kanal 13, spreche ich mit der Schleuse und erfahre, dass ich in den nächsten Minuten
mit in die Kammer könne.
Also sofort abgelegt und rein in die gute Stube.
Kurz vor 09:30 Uhr öffnen sich die Schleusentore zur Elbe hin und die Nordsee hat uns wieder.
Die Unterelbe empfängt uns zuerst recht freundlich.
Die Tide ist voll am Ablaufen und schiebt kräftig mit. Mit zehn Knoten laufen wir auf Cuxhaven zu.
Das letzte Stück vor dem Hafen wird dann doch noch etwas holpriger. Obwohl wir nur vier bis fünf
Windstärken haben, ist dies bei der Konstellation Wind gegen Strom doch genug, um für eine
ordentliche Kabbelsee zu sorgen. Bei diesen Verhältnissen heißt es bei der Einfahrt in den
Yachthafen von Cuxhaven, gut aufzupassen. Verschätzt man sich, landet man schneller als man
denkt auf einem der Molenköpfe.
Wir passieren die Hafeneinfahrt aber unbeschadet und machen gegen Mittag am hintersten Steg
fest. Seit ich einmal unbedacht gleich in die erste freie Box in Cuxhaven gegangen bin, die am
Anfang des Steges lag, suche ich mir dort immer einen Platz im hinteren Hafenteil.
Damals war nämlich an einen ruhigen Schlaf nicht zu denken. Der Schwell der vorbeifahrenden
Großschifffahrt sorgte dafür, dass wir auch regelmäßig gut durchgeschüttelt wurden.
Darum gilt seitdem für Cuxhaven: Je weiter hinten, desto ruhiger die Nacht.
Cuxhaven ist, sieht man einmal von Klaipeda ab, das wir bei der Rückkehr aus dem Kurischen Haff
auch noch einmal für eine Nacht anliefen, der 95. Hafen dieser Reise und der erste, den wir zum
zweiten Mal anlaufen.
Seit unserem letzten Besuch im April gibt es auch eine Neuerung. Der Strom wird jetzt aus
Automaten bezogen, die mit einer „Tally-Card“ gespeist sein wollen.
Ob das eine gute Neuerung ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Mir sind Häfen am liebsten,
in denen alles im Liegegeld enthalten ist und nicht noch alles zusätzlich berechnet wird.
Auch Kurtaxe ist wieder fällig, wobei es keine Rolle spielt, ob zehn oder nur eine Person an Bord
ist. Ein Pauschalbetrag wird für die ersten zwei Tage fällig.
Ein System, das ich ebenfalls nicht als besonders gerecht empfinde.
Wir legen einen Liegetag ein und ich besuche zum ersten Mal die Innenstadt von Cuxhaven.
Bisher war der Hafen für uns immer nur eine Durchgangsstation auf dem Weg von und zur Ostsee
und wir haben die Stadt nie genauer angeschaut. Es stellt sich nun aber heraus, das die 52.000
Einwohner zählende Stadt, die seit 1964 ein staatlich anerkanntes Seeheilbad ist, einiges zu bieten
hat. Mit jährlich über drei Millionen Übernachtungen liegt es an der Spitze aller deutschen Kurorte.
Als heimliches Wahrzeichen der Stadt, neben der offiziellen Kugelbake, die seit 1913 das
Stadtwappen ziert, gilt der 1897 erbaute Wasserturm. Seit 2004 ist er allerdings nicht mehr mit
seiner ursprünglichen Aufgabe , der Wasserversorgung der Stadt, betraut, sondern beherbergt nun
unter anderem das Büro der Cuxhavener Verbraucherzentrale.
Man könnte noch eine ganze Weile mit dem Aufzählen der Sehenswürdigkeiten der Stadt fortfahren.
Mit am bekanntesten dürfte die „Alte Liebe“ sein, der ehemalige Anlegesteiger für die
Seebäderschiffe. Inzwischen dient er nur noch als Aussichtsplattform für Touristen, die von dort aus
die Elbe beobachten können. Der Name „Alte Liebe“ ist übrigens leicht zu erklären. Als die Anlage
gebaut wurde, nahm man drei alte Schiffe, belud sie mit Steinen und versenkte sie als Fundament
für den weiteren Aufbau. Das größte dieser Schiffe hieß. „Olivia“. Auf Plattdeutsch :“Oliv“.
Daraus wurde dann „Alte Liebe“.
Ein weiteres sehr bekanntes Bauwerk ist der Wind Semaphor, der 1884 erbaut wurde. Er zeigte den
auslaufenden Schiffen die Windstärke und Richtung bei den Inseln Helgoland und Borkum. Er
wird, als technisches Denkmal, auch heute noch nach den aktuellen Wettermeldungen eingestellt.
Der Hamburger Leuchtturm und die Hapag-Hallen sind weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Alles schaue ich mir nicht an, denn der Stalldrang wird immer stärker.
Darum lege ich am nächsten Morgen, bei gut fünf Windstärken ab, Kurs Helgoland.
115
Dort möchte ich meinen Tank noch einmal mit steuerbegünstigtem Diesel füllen, bevor „Molly“ ins
bald anstehende Winterlager geht.
Ich entscheide mich für die Route durch das Luechterloch und die Norderelbe, wo die Fahrt mit
dem ablaufenden Strom auch zügig und relativ ruhig verläuft.
Zwischen der Ansteuerungstonne zur Norderelbe und Helgoland steht allerdings doch noch
ordentlich Welle, so dass „Molly“ und wir, ganz schön durch geschaukelt werden.
Damit war auf dieser Etappe aber zu rechnen, weswegen ich auch immer darauf achte, dass für
diese Strecke der Dieseltank mindestens noch zu einem Drittel gefüllt ist, damit die
Brennstoffpumpe keine Luft ansaugen kann. Insgesamt wird es aber doch eine recht entspannte
Fahrt und nach nur fünf Stunden liegen die 37 Meilen zwischen Cuxhaven und Helgoland hinter
uns.
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Endspurt
Helgoland - Wilhelmshaven
In Helgoland angekommen, fallen mir zwei Dinge auf. Erstens kann man an der restaurierten
Ostmole wieder anlegen und zweitens sind überall auf der Insel Plakate aufgehängt, die auf das seit
drei Tagen laufende Oktoberfest hinweisen.
Kein Scherz!
Seit dem Wochenende heißt es auch auf Helgoland: „Oazapft is!“
Die Besuchermassen stehen allerdings gegenüber dem Münchner Original noch etwas im Minus.
Besonders originell finde ich die Idee auch nicht gerade. Zum Feiern hätte man bestimmt auch
einen zu dem Revier passenderen Grund finden können.
Im Hafen ist es recht leer. Nur etwa zehn Boote verlieren sich an den Stegen.
Gegen Abend kommt noch ein kleines Segelboot herein, das bei uns längsseit kommt.
An Bord auch ein Solosegler, der ebenfalls heute von Cuxhaven kommt.
Er hat dort vom Hafenmeister über unsere große Reise gehört und so wird noch lange an Deck
geklönt. Auch er hat eine große Tour hinter sich. Bis nach Oslo ist er mit seinem nur 6,50 Meter
messenden Boot gekommen und ist nun auch schon vier Wochen unterwegs. Gegenüber dem
spartanischen Leben, das er in dieser Zeit auf seinem winzigen Boot führen musste, haben wir es
auf „Molly“ geradezu luxuriös.
Die Nacht wird recht unruhig, denn der Ostwind lässt nicht nach und somit ist es am Steg recht
schaukelig. Die Fender quietschen, der Steg knarrt und auch im ein oder anderen Rigg findet der
Wind etwas, mit dem er musizieren kann.
Irgend wann schlafe ich dann aber doch ein, werde aber um halb drei durch eine einlaufende, große
Motoryacht wieder geweckt.
Aus einem Grund, den wohl nur der Skipper selbst versteht, lässt er das Boot von der Hafeneinfahrt
bis ganz an das Ende des Hafens, vom Wind treiben und korrigiert dabei ständig mit dem
Bugpropeller die Richtung. Dass er damit den ganzen Hafen aufweckt, scheint ihn nicht weiter zu
stören. Vielleicht will er auch nur, dass alle sein schönes, 55 Fuß Spielzeug sehen.
Schließlich hat er seinen Dampfer aber doch angebunden und es kehrt wieder Ruhe im Hafen ein.
Während meines Frühstücks lausche ich in Gedanken versunken einem schönen Musiktitel im
Radio, bis ich auf einmal registriere, dass die Trinkwasserpumpe andauernd läuft, obwohl nirgends
Wasser entnommen wird.
Mit einer unguten Vorahnung stelle ich die Pumpe ab und schaue in den Motorraum.
Wie befürchtet, steht dort das Wasser gut fünfzehn Zentimeter hoch.
Der Schlauch am Boiler hat sich wieder gelöst und die Überschwemmung verursacht.
Das ist die Strafe dafür, dass ich schon seit der ersten Reparatur vor ein paar Wochen den Plan, eine
zweite Schelle auf den Anschluss zu setzen, immer wieder verschoben habe.
Es war ja dicht.
Nun eben ein bisschen mehr Arbeit.
Nachdem wieder alles aufgeklart und der Anschlussschlauch nun auch ordentlich mit zwei Schellen
befestigt ist, möchte ich zum Schiffsausrüster gehen, um meine Tabakvorräte für das anstehende
Winterhalbjahr zu ergänzen. Da ich kein starker Raucher bin, habe ich eigentlich noch nie mehr als
erlaubt an Tabakwaren eingekauft. Um über den Winter zu kommen, müsste ich dieses mal aber
schon etwas mehr als die erlaubte Menge kaufen.
Während ich noch überlege, sehe ich zwei grün gewandete Herren auf dem Steg um die Boote
schleichen, die sich Notizen machen. Groß steht „Zoll“ auf den Rückenteilen ihrer Jacken.
Sollte das ein dezenter Hinweis von höherer Stelle sein, nicht gegen die Zollbestimmungen zu
verstoßen? Ich treffe bezüglich meines Tabakeinkaufs natürlich die richtige Entscheidung, als ich
wenig später vor dem umfangreichen Sortiment des Schiffsausrüsters stehe.
117
Als am Nachmittag die Eintagsfliegen die Insel wieder verlassen haben, mache ich mit Skip noch
einen schönen Spaziergang über das Oberland und schaue mir anschließend die Baumaßnahmen,
die im Rahmen des Küstenschutzes auf Helgoland durchgeführt werden, an. Es ist schon
beeindruckend, was da alles so gemacht wird.
Für die Fahrt am kommenden Tag zur Jade steht wieder das typische Nordsee Fahrer Problem an.
Es passt einfach nicht mit der Tide.
Da ich ja noch den Tank von „Molly“ mit steuerbegünstigtem Diesel füllen möchte, die Tankstelle
aber erst um 09:00 Uhr öffnet,werde ich es nicht schaffen, mit dem auflaufenden Strom nach
Horumersiel zu kommen.
In der Hoffnung auf einen Frühaufsteher an der Tanke, liege ich um 08:30 Uhr schon mal am Steg
und wirklich, kurz danach wird die Zapfsäule freigeschaltet.
250 Liter zeigt das Zählwerk an der Tanksäule, als der Tank von „Molly“ wieder aufgefüllt ist.
Das ist der Verbrauch seit unserem letzten Tankstopp in Kalmar. Dazwischen liegen immerhin 456
Seemeilen mit häufigem Gegenstrom und auch viel Wind. So gesehen liegt der Verbrauch zwar
knapp über unserem Gesamtdurchschnitt, aber damit bin ich doch noch ziemlich zufrieden.
Der Preis liegt mit 1,13 Euro pro Liter leider deutlich über dem von unserem letztjährigen Besuch
hier, aber ist natürlich immer noch günstiger als der Durchschnittspreis auf der gesamten Reise.
Der belief sich auf 1,33 Euro pro Liter.
Um 09:00 Uhr löse ich die Festmacher und es geht über eine spiegelglatte See, Richtung Jade.
Die fast Windstille muss ich allerdings mit starkem Dunst bezahlen, der die Sicht oft unter eine
halbe Meile drückt. Das ist in dem verkehrsreichen Gebiet zwischen Helgoland und der Jade immer
etwas unangenehm. Zum Glück sind wir mit Radar und Plotter gut ausgerüstet, aber eine gute Sicht
wird dadurch natürlich nicht ersetzt.
Zweimal sehe ich während der Überfahrt jeweils zwei Schweinswale , die uns ein Stück begleiten.
Ab der Mittelrinne macht sich dann das ablaufende Wasser immer mehr bemerkbar.
Auf dem letzten Stück vor dem Prickenweg nach Horumersiel sinkt unsere Geschwindigkeit, trotz
erhöhter Drehzahl, nahe an vier Knoten.
Mir läuft die Zeit davon!
Inzwischen ist die halbe Tide schon überschritten und es ist immer noch eine halbe Meile bis zur
Einfahrt in den Prickenweg. Mit jeder Minute wird der Wasserstand niedriger.
Über UKW Kanal 16 versuche ich ein Sportboot aus Horumersiel zu erreichen, um zu fragen, ob
eine Passage der Rinne so spät mit 1,05 Meter Tiefgang noch möglich ist.
Ich erhalte aber keine Antwort, nur „Bremen Rescue“ fragt nach, ob ich Hilfe benötige.
Gutes Zeichen, die Jungs und Mädels dort passen auf, was im Revier geschieht.
Da ich noch nicht festsitze und das auch möglichst vermeiden will, verneine ich.
Als nächstes frage ich bei „Jade Traffic“ nach, ob sie mir genaueres über den Wasserstand in der
Zufahrtsrinne sagen könnten. Die sind zwar auch sehr hilfsbereit, haben aber auch keine genaueren
Angaben zur Situation vor Ort.
Ich riskiere es.
Langsam laufe ich in den Prickenweg ein. Schon nach den ersten Pricken glaube ich, dass dies die
falsche Entscheidung war. Das Echolot piept ständig und zeigt nur noch 30 Zentimeter Wassertiefe
unter dem Kiel an. Da in dem weichen Modder die Messung nie so genau ist, wird es eher noch
weniger sein. Rein gefühlsmäßig rutschen wir auch schon leicht über den Schlick.
Nun bleibt nichts anderes übrig als vorwärts. Jede Kursänderung oder gar der Versuch um zu
drehen, würde unweigerlich dazu führen, dass wir fest hängen. Tragisch wäre das bei dem schönen
Wetter nicht, aber so kurz vor dem Heimathafen würde mich ein solches Missgeschick schon
ärgern.
Also Drehzahl erhöht und durch.
Zum Glück wird es nach wenigen Metern wieder deutlich besser und so liegen wir kurz darauf doch
sicher am Steg in Horumersiel. Vom Hafenmeister erfahre ich, dass das Stück kurz hinter dem
Beginn des Prickenweges wirklich die Schlüsselstelle ist. Hat man die erst mal geschafft, ist genug
Wasser bis ins Hafenbecken vorhanden.
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Es war aber wirklich auf dem berühmten „letzten Drücker“. Zehn Minuten später hätte es nicht
mehr gereicht. Gut, dass die Tankstelle auf Helgoland etwas früher geöffnet hat. Ohne diese halbe
Stunde Zeitgewinn, hätten wir uns wohl noch bis Hooksiel gegen den starken Ebbstrom durch
kämpfen müssen, oder eben vor Anker auf steigendes Wasser warten müssen.
Nun liegen wir aber sicher im Hafen und ich halte mein verdientes Mittagsschläfchen.
Dabei höre ich lange nicht mehr vernommene Geräusche.
Schmatzend und gluckernd drückt „Molly“ sich ihr Ruhebett in den weichen Schlick, in dem sie bis
zur wiederkehrenden Flut ausharren wird.
Nach meinem Schönheitsschlaf gehen wir erstmal in den, wie immer, betriebsamen Ort.
Wir haben inzwischen herrlichstes Spätsommerwetter und die letzten Dunstschwaden haben sich
vollkommen aufgelöst. Überrascht registriere ich die große Betriebsamkeit auf den Straßen und
Plätzen. Die steht dem Betrieb im Sommer um nichts nach.
Beim Bäcker erfahre ich, dass in Nordrhein/Westfalen die Herbstferien begonnen haben.
Das ist für die Orte hier an der Küste immer wie eine zweite Hauptsaison.
Man sieht: Beim Bäcker kann man nicht nur erfahren in welchem Hafen man hier gelandet ist (die
berüchtigte Bäckernavigation) , sondern auch noch andere hilfreiche Informationen erhalten.
Ganz ungewohnt dieser Betrieb, nach den fast ausgestorbenen Häfen, die wir seit Mitte August in
Schweden vorgefunden hatten.
Auch am nächsten Tag schafft es die Sonne erst gegen Mittag den dichten Nebel aufzulösen.
Als dann am Nachmittag aber auch die letzten Schwaden verschwunden sind, wird es wieder ein
Tag wie aus dem Bilderbuch.
Wir verbringen ihn mit Spaziergängen, lesen, faulenzen und dem Schwelgen in Reiseerinnerungen.
Sonntagmorgen. Es hat sich deutlich abgekühlt und die Sicht schwankt zwischen 100 und 200
Metern.
Gegen 09:30 Uhr beginnt es aus dem grauen Himmel auch noch zu nieseln.
Da die Tide inzwischen bis gut zur Hälfte aufgelaufen ist, hält uns nichts mehr in Horumersiel und
wir legen ab, zu unserer letzten Etappe.
Mit Hilfe des Radars im Overlay-Betrieb, führt uns der Weg an den umfangreichen Aktivitäten der
Baustelle des neuen Jade-Weser-Ports vorbei, Richtung Wilhelmshaven.
Kurz vor dem Vorhafen rufe ich über UKW Kanal 13 die Schleuse und erfahre, dass ich sofort
einschleusen kann. Na das ist doch Prima.
Also rein in die offen stehende Schleuse und zwanzig Minuten später sind wir wieder in unserem
Ausgangshafen.
Während wir uns mit langsamer Fahrt unserem Liegeplatz in der Marina Cramer nähern, ertönen
plötzlich mehrere Signalhörner. Fast alle vom Steg haben sich dort versammelt, um uns in Empfang
zu nehmen. Nachdem alle Leinen belegt sind, gibt es erst einmal eine große Begrüßung.
Es war eigentlich reiner Zufall, dass sie alle gerade hier waren, denn wann ich hier eintreffe, war ja
niemandem bekannt.
Kurz danach trifft auch meine Frau Christina ein, der ich einen etwas späteren Ankunftstermin
genannt hatte. Die übliche Einschleusung hätte nämlich erst um 15:00 Uhr stattgefunden.
Der Nachmittag vergeht wie im Fluge mit Erzählungen meinerseits und dem Überbringen des
neuesten Küstenklatsches, von Seiten der Steganlieger.
Mir dreht sich alles im Kopf!
Erst am Abend, bei einem Tässchen Tee mit meiner Frau zusammen, registriere ich so richtig:
Wir sind angekommen!
Meine bisher größte, längste und wahrscheinlich auch einmaligste Reise ist zu Ende!
119
Rückblick
Inzwischen sitze ich zu Hause in Süddeutschland am Computer und tippe meine ganzen
Aufzeichnungen ab.
Dabei erlebe ich die gesamte Reise noch einmal. Vieles ist nicht mehr sofort präsent und erst wenn
man in den Reiseaufzeichnungen oder im Logbuch blättert, kommt der „ach ja“ Effekt und man
erinnert sich wieder.
Die Fülle der Eindrücke in den letzten sechs Monaten war einfach überwältigend.
Erst nach und nach setzt sich das Erlebte.
Nach unserer Ankunft in Wilhelmshaven blieben wir nur noch zwei Tage an Bord. In dieser Zeit
räumten wir alles, was speziell für diese Reise an Bord genommen war wieder aus und im
Gegenzug manche Dinge, die wir vorher abgeräumt hatten, da ich sie auf einem Solotörn nicht
benötige, wieder an Bord.
Irgendwie fühlte ich mich die ganze Zeit wie in Trance. Das Gefühl jetzt hier zu sein, nicht mehr für
die nächste Etappe planen zu müssen, keine Weiterfahrt vorbereiten zu müssen, erzeugt eine
gewisse Leere.
Zu lange war der Alltag von der Reise bestimmt, als dass ich jetzt so ohne weiteres auf die normale
Routine umschalten könnte.
Nachdem das Boot soweit aufgeklart war, fuhren wir nach Hause.
In der ersten Zeit kam ich immer wieder durcheinander, indem ich Gegenstände an Orten suchte, an
denen sie auf dem Boot aufbewahrt wurden.
Bevor ich Wasser zapfte, dachte ich daran, erst die Wasserpumpe auf Stand by zu schalten, oder mir
schoss vor dem zu Bett gehen durch den Kopf, dass ich noch den Batterielader über Nacht
abschalten müsse.
Vollkommen ungewohnt war auch die Ruhe in der Nacht.
Auf dem Boot waren immer irgendwelche Geräusche zu hören. Vom Plätschern der Wellen an der
Bordwand, dem Schaben der Fender und Festmacher oder auch nur dem leisen Summen, wenn der
Kompressor des Kühlschranks anlief.
Am meisten vermisste ich die Geräusche des Windes und der See.
Nach einer guten Woche saß ich schon wieder im Auto und fuhr die 600 Kilometer zurück nach
Wilhelmshaven. In drei Tagen sollte „Molly“ zusammen mit vielen anderen Booten ausgekrant
werden, um den Winter auf ihrem Stellplatz an Land zu verbringen.
Skip blieb zu Hause bei Christina, während ich das Boot soweit wie nötig ausräumte, dem Motor
einen Ölwechsel gönnte und die Geräte, die ich nicht der Feuchtigkeit des Winterlagers aussetzen
wollte, abbaute.
Am 18. Oktober schwebte „Molly“ dann, am Haken eines großen Autokrans, auf ihre Lagerböcke
an Land. Wie erwartet war das Unterwasserschiff und der Propeller vollkommen sauber und Pocken
frei. Was mich aber viel mehr interessierte, war, ob von meiner Grundberührung vor Rahe, im
Norden Finnlands, irgendwelche Schäden zurückgeblieben waren.
Es folgte also eine penible Kontrolle des Unterwasserschiffes.
Am Kiel und Rumpf war absolut nichts zu erkennen. Nur an der Ruderhacke aus Edelstahl fanden
sich an der Unterseite ein paar tiefe Riefen. Das waren aber auch die einzigen Blessuren, die
„Molly“ von der Begegnung mit dem Unterwasserfelsen und der langen Reise zurück behalten
hatte.
Zwei Tage später, nachdem alles Winterfest gemacht war, fuhr ich wieder zurück nach
Süddeutschland.
Da meine ganzen Reiseaufzeichnungen an Bord nur handschriftlich erfolgt waren, hatte ich, bevor
ich zum Auskranen fuhr, ein paar Seiten abgetippt und sie an einen Verlag geschickt, mit der
Anfrage ob Interesse an einer Veröffentlichung bestehen würde.
Noch war keine Rückantwort eingetroffen und so begann ich eben auf gut Glück damit, alles sauber
abzuschreiben und zu korrigieren.Parallel dazu forste ich die insgesamt knapp 1.700 Bilder durch,
die ich während der Reise aufgenommen habe.
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Um sie zu präsentieren, möchte ich die Bildermenge auf maximal 200 der besten reduzieren.
Das fällt gar nicht so leicht, denn auch die objektiv weniger guten, rufen Erinnerungen wach.
Nun ich will sie ja nicht ganz vernichten, sondern nur eine Zusammenstellung der besten davon
erstellen.
Während ich so die Reise nochmals nach erlebe, werden mir zwei Dinge bewusst:
Zum einen war es wohl die größte Herausforderung die Reise alleine, beziehungsweise nur mit Skip
als Begleiter zu bewältigen und die andere Besonderheit bestand darin, es mit einem Motorboot zu
tun.
Obwohl ich zeitweise schon eine helfende Hand oder auch nur einen Gesprächspartner vermisst
habe, glaube ich, dass die Reise nur auf diese Art zu dem werden konnte, was sie für mich war.
Mit Begleitern, sei es an Bord oder auch auf einem anderen Boot, wäre vieles anders gelaufen.
Ziemlich sicher wären wir dann bei bestimmten Wetterverhältnissen nicht ausgelaufen, die so aber
ganz neue Erfahrungen brachten.
Auch dass die Fahrt mit einem Motorboot absolviert wurde, brachte mir die Erkenntnis, dass dies
zwar ohne weiteres möglich ist, aber mit einem Segelboot doch Stress freier vonstatten geht.
Ich sage das jetzt natürlich aus der Sicht eines Motorboot Fahrers.
Die größten Ängste drehten sich bei widrigen Wetterverhältnissen aber immer um die Technik des
Motors und die Steuerfähigkeit des Bootes.
Ein Segelboot hat durch die Segel halt immer noch eine Möglichkeit zu manövrieren.
Auch das Seeverhalten von Segelbooten ist eindeutig komfortabler, da sie durch ihren Kiel und die
Segelfläche stabilisiert werden und nicht so erbärmlich rollen, wie dies ein kleines Motorboot tut.
Trotzdem werde ich jetzt nicht nach einem anderen Boot Ausschau halten, denn gleichzeitig bietet
das Motorboot natürlich auch Vorteile.
Zum einen das leichtere Handling und auch die niedrigere Durchfahrtshöhe beschert manchen Plus
Punkt.
Mein Zertifikat, über das Erreichen des nördlichsten Hafens der Ostsee, ist bis jetzt übrigens noch
nicht hier eingetroffen. Sei es drum!
Ich habe Erinnerungen und Bilder, die mir jederzeit bestätigen, dass ich es geschafft habe.
Auf meinem Computer-Bildschirm habe ich mir als Anzeige die Wetterdaten von Kemi im Norden
Finnlands fest installiert. Auch einen Link zur Webcam am dortigen Yachthafen habe ich nun und
kann mich so mit meinem Traumziel, das ich nun auch in der Realität besucht habe, verbunden
fühlen.
Immer öfter denke ich über eine Reise zu den Orkneys nach und so langsam setzt sich das immer
fester in meinen Kopf.
Das ist aber eine neue Geschichte!
121
Reiseverlauf
Angelaufene Häfen
16. 04.Cuxhaven
17. 04. Rendsburg
18. 04. Laboe
20. 04. Kühlungsborn
23. 04. Warnemünde
24. 04. Stralsund
26. 04 Wolgast
27. 04. Kamminke
28. 04. Dievenow
30. 04. kolobrzeg
02. 05. Darlowo
04. 05. Leba
07. 05. Wladyslawowo
08. 05. Gdansk
12. 05. Klaipeda
14. 05. Nida
16. 05. Minija
17. 05. Klaipeda
18. 05. Liepaja
20. 05. Pavilosta
21. 05. Ventspils
26. 05. Roja
27. 05. Engure
28. 05. Riga
31. 05. Salacgriva
01. 06. Pärnu
04. 06. Kihnu
06. 06. Virtsu
07. 06. Haapsalu
12. 06. Lohusalu
13. 06. Tallinn
16. 06. Helsinki
20. 06. Porkola
22. 06. Barösund
23. 06. Tammisaari
26. 06. Hanko
28. 06. Kasnäs
30. 06. Jurmo
01. 07. Helsö
02. 07. Mariehamn
05. 07. Jurmo
06. 07. Uusikaupunki
08. 07. Laitakari
09. 07. Merikarvia
10. 07. Kristiinakaupunki
12. 07. Vaasa
Distanzen in Seemeilen
52
46
20
60
12
55
32
29
35
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33
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19
21
20
21
26
25
36
52
25
45
34
31
73
13. 07. Raippaluoto
14. 07. Tankar
Angelaufene Häfen
15.07. Maakkala
16. 07. Raahe
17. 07. Marjaniemi
18. 07. Kemi
21. 07. Haparandahamn
22. 07. Törehamn
23. 07. Lövskär
24. 07. Kage
26. 07. Bjuröklubb
27. 07. Ratan
28. 07. Umea
30. 07. Norrbyskaer
31. 07. Husum
01. 08. Ulvöhamn
03. 08. Härnösand
6. 08. Mellanfjärden
07. 08. Krakö
08. 08. Söderhamn
10. 08. Öregrund
12. 08. Grisslehamn
13. 08. Furusund
14. 08. Stockholm
18. 08. Trosa
20. 08. Broken
21. 08. Fyrudden
22. 08. Västervik
24. 08. Byxelkrok
26. 08. Borgholm
27. 08. Kalmar
29. 08. Kristianopel
30. 08. Utklippan
01. 09. Karlskrona
03. 09. Tromtö
04. 09. Hanö
05. 09. Simrishamn
07.09. Kaseberga
08. 09. Ystad
10. 09. Skare
11. 09. Kalvehave
13. 09. Vordingborg
15. 09. Dybvig/Fejö
16. 09. Spodsbjerg
17. 09. Bagenkop
18. 09. Kiel
20. 09. Rader-Insel
21. 09. Brunsbüttel
22. 09.Cuxhaven
24. 09. Helgoland
13
60
Distanz in Seemeilen
31
33
26
46
21
44
31
64
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40
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24
30
31
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33
18
35
18
37
26. 09. Horumersiel
28. 09. Wilhelmshaven
32
14
Die Reise in Zahlen
Reisedauer:
Besuchte Länder
Gesamt Distanz
Dieselverbrauch
Motoröl Verbrauch
Angelaufene Häfen
Liegetage
170 Tage
8
3.296 Seemeilen
1.710 Liter
1 Liter
98
70
Kosten in Euro
Diesel
2.267,00
Hafengeld
1.760,00
Sonstiges
1.600,00
Kartenmaterial , inkl.
1.800,00
Handbüchern
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