Badische Zeitung Montag den 26. Oktober2009 Georg Rudiger Akkordeon wird Zauberharfe Feinsinniges Musiktheater um einen biblischen Helden Es ist der größte anzunehmende Unfall im Theaterbetrieb. Vier Wochen vor der Uraufführung einer Oper erteilt die Literaturagentur ein Aufführungsverbot – ohne Begründung. Anfang des Jahres hatten sich die Schriftstellerin Doris Reckewell, der Dirigent Hans Michael Beuerle und der Komponist Uro Rojko darauf geeinigt, eine auch für Kinder geeignete Kammeroper auf der Grundlage von Italo Calvinos Roman "Der Ritter, den es nicht gab" zu erarbeiten. Der für Calvino zuständige Hanser-Verlag, der dem Projekt zugestimmt hatte, musste allerdings seine Rechte an die Agentur Wylie in London zurückgeben. Nach zahlreichen Mails und Telefonaten dann der Paukenschlag: Die fertige und bereits schon einstudierte Oper darf nicht gespielt werden. Was tun? Der vom Theater im Marienbad um Hilfe gerufene Regisseur Marc Günther kam, nachdem er die Musik gehört hatte, auf die Idee, aus der biblischen Geschichte des König David ein Libretto zu destillieren. Silbe für Silbe ging Günther zusammen mit Rojko die gesungenen Passagen durch und schrieb einen neuen Text, den der slowenische Komponist wiederum musikalisch anpasste: "Ein kreativer Parforceritt, zu zweit auf einem Pferd!", wie Hans Michael Beuerle im Programmheft schreibt. Aus dem Ritter, den es wirklich nie gab, wurde "König David. Zither und Schwert". Ein roter Punkt auf Goliaths Stirn Nie hatte man nun bei der umjubelten, im Rahmen von "MehrKlang Freiburg" stattfindenden Premiere im ausverkauften Theater im Marienbad das Gefühl, eine Notlösung zu hören. Von Beginn an zieht dieser feinsinnige Musiktheaterabend in Bann. Die Instrumentalbesetzung des Ensemble Aventure ist mit Klarinette (Walter Ifrim), Posaune (Thomas Wagner), Akkordeon, Kontrabass und Schlagzeug begrenzt. Aber welche Räume öffnet Rojko damit! Wenn Johannes Nied dem Kontrabass ungeahnte Obertöne entlockt oder das Akkordeon unter den Fingern von Luka Juhart zu einer Zauberharfe wird, erhält die Musik eine Offenheit, die staunen macht. Marc Günther hat seine David-Erzählung auf die biographischen Wegmarken des biblischen Helden beschränkt. Auf die Salbung des Hirtenjungen folgt der Kampf gegen Goliath. Kriegerische Auseinandersetzungen und lyrische Intermezzi mit seinen Frauen Michal (fokussiert: Cristiane Schmeling) und Bathseba wechseln sich ab: Zither und Schwert prägen dieses Leben. Badische Zeitung Montag den 26. Oktober2009 Georg Rudiger Mit Christoph Müller nimmt ein präsenter Erzähler die Zuhörer bei der Hand. Er hält die Szenen zusammen und greift auch mal in die Handlung ein . Insgesamt liegt ein leichter, humorvoller Ton über dem Abend. Wie die skizzenhaften, liebevollen Aquarelle Margrit Schneiders (Ausstattung), die, in einen goldenen Bilderrahmen projiziert, die Handlung illustrieren, deutet die subtile Regie von Marc Günther vieles nur an. Bei Goliaths Tod muss kein Theaterblut fließen. Es reicht ein roter Punkt, den David (mit lyrischem, fein geführtem Tenor: Moritz Kallenberg) seinem Kontrahenten auf die Stirn malt. Der Humor zeigt sich auch immer wieder musikalisch. Wenn sich der lange Schlaks Jens Eggert als furchterregender Kämpfer Goliath vorstellt, lässt der Komponist den Sänger auf dem "o" noch ein paar zarte Melismen drehen; wenn er sich heldenhaft auf seine schmale Brust schlägt, klopft Schlagzeuger Johannes Knopp gleichzeitig auf einen Metallstab. Diese enge Kommunikation zwischen dem Instrumentalen und dem Vokalen setzt sich durch die ganze Oper fort. Immer wieder übernehmen die hervorragenden Solisten Impulse aus dem Orchester, immer wieder lassen die Instrumente die emotionale Spannung der Bühne nachklingen. Rojkos atmosphärisch dichte Musik schafft gerade in ihrer leisen Farbvielfalt berührende Stimmungen wie zu Beginn des zweiten Bildes. Hans Michael Beuerle leitet souverän und unaufgeregt den Abend. Die Solisten seines AntonWebern-Chores, die bis auf Moritz Kallenberg alle mehrere Rollen übernehmen, zeigen neben hoher musikalischer Qualität auch enorme darstellerische Fähigkeiten. Lotte Kortenhaus (Sopran) ist ein großartiger, widerspenstiger Sohn Abschalom, die eingesprungene Sonja Bühler (Sopran) eine verführerische Bathseba, Till Schumann (Altus) ein aufdringlicher Dämon. Die substanzreichen Bässe Richard Leisegang und Martin Beilicke komplettieren das hervorragende Ensemble. Das Ende von König Davids Geschichte gehört der Zither. "Nichts als ein Windhauch" singt der Chor, zarte Paukenglissandi lassen an ein letztes Ausatmen denken.