Dr. Martins Eröffnungsrede und beteiligte Künstler

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Eröffnung der Gemeinschafts-Ausstellung des Kunstvereins
Eisenturm in der MVB-Galerie
>>Metamorphosen<<
Die ausstellenden Künstler:
1
Brigitte
Borkott-Gerlach
Wackernheim
2
Rike
Brunk-Spieß
Mainz
3
Christine
Daschmann
Mainz
4
Dagmar
Dietz
Mainz
5
Hanne
Hackenberg
Mainz
6
Karin
Huth
Mainz
7
Karin
Klemm
Mainz
8
Helga
Krause
Mainz
9
Guido
Ludes
Mainz
10
Winfried
Lüdtke
Mainz
11
Renate
Ott
Mainz
12
Sven
Schalenberg
Mainz
13
Petra
Schattenberg
Mainz
14
Kurt Bernhard
Schmaltz
Mainz
15
Christel
Schnitzler-Steinbach
Bodenheim
16
Gabriele
Sinsel
Mainz
17
Heidi
Wendling
Mainz
18
Jutta
Werth
Mainz
19
Michael
Wüstenhagen
Mainz
20
Elly
Zindler
Mainz
Winternerg-Voborsky
Essenheim
Als Gast
21
Henrik
Es ist eine Gemeinschafts-Ausstellung – wie im Untertitel vermerkt - von künstlerisch
aktiven Mitgliedern des Kunstvereins Eisenturm, eine Gemeinschafts-Ausstellung, die von
einer Jury letztlich zusammengestellt worden ist.
1
Der Jury gehörten an: Frau Beate Hötzl (MVB-Marketing)/Prof. Dr. Hans-Jürgen
Imiela (Vorstand des Kunstvereins/Kunsthistoriker Universität Mainz) /Herr Bernd
Funke Allgemeine Zeitung Mainz/Mitglied des künstlerischen Beirates im Kunstverein
Eisenturm) und der Vorsitzende des Kunstvereins.
Es muss dabei klar betont werden – und es sollte auch Maxime unserer Ausstellungspolitik
bleiben -, dass sich Präsentationen des Kunstvereins wie diese hier in der MVB-Galerie
einem Gremium stellen müssen, das über eine gewisse Seherfahrung verfügt und sich
bemüht, eine Ausstellung so zu bestücken, dass sie sich in der Öffentlichkeit zu behaupten
weiß – und dies ist in einer Stadt wie Mainz mit so hoher kultureller Aktivität / speziell
Ausstellungsaktivität nicht einfach...
Ich bitte um Verständnis gerade auch bei denjenigen Mitgliedern, die in diesem Jahr in dieser
Ausstellung nun nicht zum Zuge kamen.
Zu dem Begriff METAMORPHOSEN / lexikalisch knapp gefasst:
Zitat aus einem älteren Lexikon: >>Metamorphosen in Mythologie und Literatur:
Verwandlung von Menschen in Tiere, Pflanzen, Steine, Feuer, Wasser, Sterne und anderes.
Sie begegnet unter anderem im griechischen Mythos >>(Zeus als Stier / als Nebel /als
Goldregen – etwa bei Danae zu beobachten[nach einem Tizian- Gemälde auf der Fahne vor
der Galerie [wobei Sie dort die Formulierung des begrenzenden Vorhanges – bei Windstille
– einmal genauer studieren sollten – Sie werden eine Ikonographie erkennen, die durch die
Reduktion der Malweise durch Frau Jutta Werth überdeutlich wird...)Fortsetzung Zitat:
>>Literarisch wurde die Metamorphose zum Beispiel von hellenistischen Dichtern ebenso
behandelt wie bei den Römern vor allem von Ovid.[ Und wer denkt nicht an Ovid, wenn der
Begriff Metamorphose fällt.?] Literarische Gestaltung von Metamorphose findet sich etwa
auch in der altnordischen Dichtung sowie in Märchen verschiedener Völker. Die
Metamorphose als literarisches Motiv wirkte durch alle Epochen bis in die Gegenwart (zum
Beispiel Franz Kafkas >Die Verwandlung<)<<
Zum Wesen etwa der von Ovid vermittelten antiken Metamorphose-Anschauung gehört es,
dass sie bei allem Wunder der Verwandlung ganz sinnenhaft im diesseitigen, umgrenzten
Bereich der Natur verbleibt und darin existentielle Grenzerfahrungen schildert. Ob zum
Steindasein bestimmt, zur Pflanze entrückt, zum Tier erniedrigt oder zum Gestirn erhöht,
stets wird Ovids Menschen die Verwandlung im Guten wie im Bösen zum Schicksal, dessen
göttliche Bedingtheit und dessen Wirkungen an ihnen selbst beschrieben werden.
2
Wenn heute der Begriff der Metamorphose weitgehend inflationär gehandhabt wird, indem
er für beliebige Aspekte der Veränderung herhalten muss, so bedeutet das einen SinnVerlust und eine Aushöhlung eines großes humanistischen Erbes, dem nur durch verstärkte
Anstrengungen seitens der Geistesgeschichte begegnet werden kann.
Letzteres konstatiert Christa Lichtenstern in ihrem vor zehn Jahren erschienenen Band
>Metamorphosen – Vom Mythos zum Prozessdenken<. Es muss dabei darum gehen – so
weiter Lichtenstern -, >>die ideellen Voraussetzungen zu rekonstruieren, die die
verschiedenen Metamorphose-Anschauungen bestimmen und unter der Führung
bildnerischer Gestaltungsziele in der Kunst zur Wirkung bringen. Immer wieder neu und
anders verbinden die Künstler mit ihren Verwandlungsdarstellungen utopische Entwürfe,
indem sie in der Entgrenzung des menschlichen Körpers bzw. im Übergang von einer
Existenz in die andere einen >Abstieg< oder einen >Aufstieg< signalisieren oder, abstrakter,
ein unendliches künstlerisches Freiheitsbegehren zum Ausdruck bringen.<< So hat zum
Beispiel Marcel Duchamp aus einem Frauenbild eine Männerdarstellung gemacht. Sie kennen
es alle: Die >Mona Lisa< von Leonardo da Vinci hat er so umgeformt, dass er in eine
Radierung dieses Bildes ein Bärtchen eingezeichnet hat. Der Künstler René Magritte hat zum
Beispiel das Bildnis der Madame Recamier von Jacques Louis David so verändert, dass statt
der Madame auf dem Sitzmöbel ein Sarg aufgestellt wurde in körpernaher Abknickung. Der
Künstler Piet Mondrian hat eigene Bilder, die einen Apfelbaum wiedergaben, zu ganz
abstrakten Gitterbildern umgeformt. Von Picasso stammen viele Metamorphosen von
Bildern anderer Künstler, zum Beispiel von Lucas Cranach, Mathias Grünewald, Edouard
Manet und anderen.[ Übrigens wird in Hamburg derzeit eine Ausstellung der
Metamorphosen von Picasso vorbereitet – ein wissenschaftliches Symposion ging voraus ein ewig junges Thema!]
–
Gestatten Sie bitte noch einen weiteren, kleinen historischen Schlenker: Besonders
häufig begegnet die Metamorphose in der deutschen gegenstandslosen Kunst nach 1945.
(Man spricht auch von einer Metamorphosen-Euphorie.) Bei Willi Baumeister etwa,
Wols, Fritz Winter, Karl Otto Götz, Georg Meistermann, Hann Trier, Bernard Schultze
und anderen. Bei ihnen wird das Verwandlungspotential der bildnerischen Mittel in ihrer
inneren Dynamik Leitthema. Künstler wie Betrachter sehen sich in ein wachstumshaftes
Geschehen aufgenommen. Im Vollzug der bildnerischen Arbeit entwickelt sich ein
Prozessdenken, das auf neue, offene Weise Verwandlungsinhalte evozieren kann /
bildnerische Verwandlungsinhalte aufzeigen kann. Es ist demnach in der neueren
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Geschichte der Metamorphose-Darstellung ein großer Spannungsbogen zwischen altem
Mythos und neuerem bildnerischen Prozessdenken festzustellen.
Und genau dieser Spannungsbogen hält auch die Exponate unserer Ausstellung
zusammen – er belebt sie / er ist Klammer und innerer Anspruch zugleich ...
Dies bestätigt bereits ein flüchtiger Blick auf nur wenige Beispiele:
 So etwa auf die Malereien von Jutta Werth – hier Caenis wird zu Caenius hierzu die
literarische Vorlage von Ovid in Kürzestfassung: Caenis, einst die herrlichste Jungfrau
Thessaliens wird von Neptun vergewaltigt. Als Neptun die Freuden der neuen Liebe
genossen hat, verspricht er, ihr einen Wunsch zu erfüllen. Sie wünscht sich, ein Mann zu
werden, um niemals mehr solcherart Gewalt erleiden zu müssen. [Großfigurige Malerei in
abbildnaher Wiedergabe wie auch mit symbolischen Anteilen].
Es ist zugleich auch ein Beispiel solcherart literarischer Figurenmalerei, von der unser hochverehrter
Herr Professor Imiela früher stets betonte: Vor diesen Bildern darf man wieder etwas
wissen!... im Kontrast zu den überbordenden Informellen in der damaligen Zeit war dies
wohltuend...
 Sie können hier eine Brücke schlagen zur Roten Frau von Dagmar Dietz: >Die
abstrakte flächige Malerei wandelt sich um zum konkreten Körper. Der noch unentschiedene
Zustand, eben der Prozess der Metamorphose ist hier festgehalten<. ... Es ist Figurenbild und
auch noch nicht ... aus rottönigen Farbstrukturen wächst etwas Körperhaftes/reine
Farbplastizität – keine abbildnahe Wirklichkeitsschilderung – keine Imitation von Gesehenem
– eher ein von der Farbe pur getragener bildnerischer Prozess – ich denke, der
Spannungsbogen von Ovid zur Geburt der Roten Frau dürfte das eingangs Gesagte
bestätigen ...
Im Bereich der recht stark vertretenen plastischen Arbeiten ist solch ein
Spannungsbogen von mehr Abbildhaftem hin zum Prozess in den Bildformen von Helga
Krause und Renate Ott aufzuspüren: Der Hermaphrodit von Helga Krause spiegelt
dabei eher die klassisch-gegenständliche Auffassung: Die Zweigeschlechtlichkeit setzt sich
über markante Merkmale fort bis zur Halspartie, die zur komplizierten Doppelform
ausgebildet ist – dies kontrastiert /besser: korrespondiert trefflich mit Renate Otts
Lebensbaum Werde, der du bist.
Die Künstlerin hierzu: >>Das Leben eines Menschen ist dem eines Baumes vergleichbar.
Beide sind dem Lebensgesetz des Wachsens und Werdens unterworfen und damit auch der
Veränderung. Jeden Tag drängt sich dem Menschen unbewusst die Forderung entgegen, sich
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neu zu entfalten. Dabei folgt er jenem inneren Urbild von Mensch-sein, das von Anfang an in
ihn hineingelegt ist, das sich aber in seiner genauen Ausformung seinem Zugriff entzieht.
Dass der Mensch sich nicht immer seiner selbst habhaft sein kann, erweckt in ihm die
Sehnsucht und den Drang nach unbeschriebenen Gefilden, deren reales Ausmaß er nicht
kennt.(Jenseits -)Jugend und Alter sind die markantesten Einschnitte jeden menschlichen
Lebens. Bewusstes und Unbewusstes sind auf dem Weg der verschiedenen
Entwicklungsstufen ständiger Begleiter und Antrieb zugleich. Jedoch können sie sich als
heilbringende Kräfte nur dann erweisen, wenn der Mensch sich von einer sichernden Hand
und einer bergenden Schulter geborgen weiß. Beide ermöglichen ihm erst den Sprung ins
eigentliche Mensch-sein, in eine Dimension von Freiheit und Leichtigkeit, wie sie von jeher
dem Menschen innewohnt.<<
Assoziationen, die von dem eingefangenen Prozess stetiger Veränderung ausgelöst werden
können...
 Die Objekte von Heidi Wendling : Fünf Abformungen von einem Fundholz Handgeschöpftes Kozopapier, eingefärbt mit Pastellkreide – diese führen in die
unsichere Region des >trompe l’œil< - oder: ein Objekt vervielfältigt sich / schlüpft in ein
anderes Material, wird federleicht, ohne in solcherart Metamorphose sein ursprüngliches
Aussehen ganz zu verleugnen...
Die Künstlerin zum Gestaltungsprozess:
>>Ich fand das Holzklötzchen im Sand der Nordseeinsel Juist. Beim Abformen von
Fundsachen werden Spuren der Vergangenheit gesichert. Beim Anfassen des >Papierholzes<
werden Erwartungshaltungen nicht erfüllt. Eine neue, spannende Erfahrung entsteht: Etwas,
was schwer aussieht, ist leicht. Vorgefasste Meinungen lösen sich auf, Umdenken muss
einsetzen – ein gedanklicher Prozess... Geheimnisvolle Fragen werden aufgeworfen: Wo
kommt das Holz her? Wozu wurde es gebraucht? Welche Spuren hat das Meer hinterlassen?
Welche die Sonne? Werkzeuge eines Handwerkers?<<
Waren die bisher angesprochenen Arbeiten literarisch- erzählerisch, bildnerisch-formal oder
auch als Mischform begründet, so kann mit der Arbeit von Christine Daschmann eine
weitere Dimension im Metamorphose-Verständnis betreten werden – dies bedarf jedoch der
besonderen Koppelung von Bildform und Text; das Diptychon Gewissheit und Hoffnung
verlässt den rein bildnerischen Interpretationskreis – es ist auf den Begleittext angewiesen:
Zitat der Künstlerin:
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>>Die zentrale Suche des Menschen nach dem Sinn seiner Existenz mündet in fast allen
Heilslehren und Mythologien in der Frage nach der Essenz des Todes. Ist er Endgültigkeit
oder transzendentaler Übergang? Gestalthafte Umwandlung leiblicher in seelische Existenz?
Somit wird die Frage nach dem, was dem Tode folgt, letztlich die Suche nach einer
Metamorphose des Menschen durch den Tod.
Wir erleben die Endgültigkeit des Todes als unwiderlegbare Gewissheit. Den Glauben an
ein Leben nach dem Tode als unbelegbare Hoffnung.
Die Arbeit Gewissheit und Hoffnung versucht, den Kontrast des Spannungsfeldes dieser
>Metamorphose< zwischen Endgültigkeit und Heilserwartung visuell einzufangen. Das
Symbol des Kreuzes bezieht sich dabei auf unseren christlichen Kulturkreis.<<
Wo die Schranken einer abbildnahen Wirklichkeitsschilderung fallen - wie hier -,
wo an die Stelle der Imitation dynamische, evokative Forminhalte treten, - wie
an mehreren Stellen dieser Ausstellung - da kann das Phänomen der
Metamorphose verstärkt Neues inhaltlich wie formal hervorbringen.
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