Pressezentrum Dokument: FEM_2_265 Sperrfrist: 26.05.2005; 15:00 Uhr Programmbereich: Themenbereich 1: Wie können wir glauben? Veranstaltung: Feministisch-theologische Basisfakultät: Das Erbe der Sklaverei im Leben von Mädchen und Frauen überwinden – ein Thema für die weltweite Kirche Referent/in: Brooten, Prof. Dr. Bernadette J. Ort: Pavillon 11 b, Messegelände Programm Seite: 112 Der lange Schatten der Sklaverei über dem Leben von Mädchen und Frauen Am 8. Oktober 1865 machte eine weiße Frau der amerikanischen Südstaaten namens Ella Gertrude Clanton Thomas eine Tagebucheintragung. Der Süden war im Bürgerkrieg besiegt und die Sklaverei abgeschafft worden. Nun war ihr Glaube zutiefst erschüttert. Sie schrieb: Mehr als 90 Neger nannten wir unser eigen mit der Aussicht, noch viele mehr von Papas Landsitz zu erben. - Aber durch die Kapitulation der Südstaatenarmee gehört die Sklaverei nun der Vergangenheit an.... Bis dahin hatte ich nicht gewusst, wie eng mein Glaube an die Offenbarung und mein Glaube an die Institution der Sklaverei miteinander verwoben waren. Zwar hatte ich das Böse in letzterem wahrgenommen, doch wenn die Bibel Recht hatte, dann musste es auch Sklaverei geben. Die Sklaverei ist nun abgeschafft und mein Glaube an das heilige Buch Gottes zutiefst erschüttert. Eine Zeit lang zweifelte ich an Gott.... Wenn ich die Bibel öffnete, sprangen mir zahlreiche Andeutungen auf Sklaverei wie Hohn in die Augen. Unsere Sache war verloren. Gute Menschen hatten an diese Sache geglaubt. (1) (1) The Secret Eye: The Journal of Ella Gertrude Clanton Thomas, 1848-1889, Hrsg. Virginia Ingraham Burr (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1990) 276-77. Diese christliche Frau wurde durch die Besiegung der Sklaverei erschüttert, weil dies für sie einer Besiegung der biblischen Werte gleichkam. Die Bibel akzeptiert Sklaverei und wenn es nun keine Sklaverei mehr geben sollte, hatte sie Schwierigkeiten an die Bibel zu glauben. Für sie gab die Bibel göttlich verfügte gesellschaftliche Institutionen vor. Wenn nun eine Institution aufgehoben wurde, worauf konnte sie da noch vertrauen? Ihre ganze Welt brach Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −2− zusammen. Sie hatte sich darauf gefreut, mehr als 90 Menschen als Eigentum zu erben, aber nun, so schreibt Gertrude Thomas, war sie zur "bloßen Bettlerin" geworden. Sie erzählt weiter, dass sie kein Interesse mehr an der Kirche hatte, "kein Verlangen nach Vertiefung des spirituellen Glaubens". Wie konnte so etwas geschehen? Wie konnte der christliche Glaube eines Menschen von Sklaverei abhängig sein? Das war der Fall, weil im 19. Jahrhundert die Sklaverei für das amerikanische Christentum dem gleich kam, was heute Sexualität, Fortpflanzung und die Ordinierung von Frauen darstellen, d.h. soziale Brennpunkte, auf die Menschen ihren Glauben setzen. An der Brandeis Universität, an der ich die (Abteilung für) Feministische Sexualethik leite, arbeiten wir daran, eine jüdisch-christlich-muslimische (jüdische, christliche und muslimische) Sexualethik zu schaffen, wobei wir uns auf sinnvollen Konsens und gegenseitigen Austausch konzentrieren. Wir streben eine Welt an, in der keine(r) zu Sex gezwungen wird und in der Sex für alle Beteiligten ein Vergnügen ist. Das Tolerieren von Sklaverei in den heiligen Texten des Juden- und Christentums und des Islams weist darauf hin, dass die Werte von gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Einverständnis kein zentrales Thema der Sittenlehre dieser Religionen war. Die Vorstellung, dass ein Mensch den Körper eines anderen Menschen besitzen kann, ist in der Ethik - und damit auch in der Sexualethik - aller drei Religionen eingebettet. Wenn wir von Sexualethik sprechen, so implizieren wir traditionelle Fragen der Sexualmoral. Dazu gehören Entscheidungen des einzelnen Menschen wie vorehelicher Sex oder sexuelle Orientierung. In einer erweiterten Definition schließen wir auch Fragen öffentlicher und religiöser Verhaltensmaßnahmen mit ein, z.B. Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, sexueller Kindesmissbrauch oder sexuelle Übergriffe seitens kirchlich ordinierter Mitarbeiter zu verhindern und darauf zu reagieren ist; weiters wie wir die Fortpflanzungsfreiheit und die Rechte der Frauen gewährleisten. In unserem Projekt 'Feministische Sexualethik' geben wir einen Überblick, wie durch die Geschichte hindurch die Religion die Sklaverei unterstützte und wie die Sklaverei die Religion formte. Wir beschreiben das Leben versklavter Frauen und Mädchen und die moralischen Entscheidungsschwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert wurden. Wir sprechen auch über das Verhalten Sklaven haltender Frauen und über die sexuelle Dynamik der Sklaverei. Wir sind der Ansicht, dass wir ohne das Wissen um diese Geschichte das dunkle Erbe der Sklaverei nicht überwinden können. Im Folgenden konzentriere ich mich auf das Erbe der Sklaverei als einer legalen gesellschaftlichen Institution in den USA. Dies kann uns dann als Grundlage in der Diskussion über gegenwärtige Formen von - tatsächlicher - Sklaverei in Europa und anderswo dienen. Wie ich sehe, betrachten manche EuropäerInnen das Sklaventum in den USA als nicht relevant für die europäische Erfahrung. Trotzdem hoffe ich, dass das genaue Hinsehen, wie amerikanische Christen die Bibel während der Zeit der legalen Sklaverei interpretierten, europäischen ChristInnen helfen kann, in ihrer eigenen Bibelinterpretation kritischer zu werden und dabei mehr über sich selbst nachzudenken. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −3− Die meisten Amerikaner sind der Meinung, dass die Sklaverei der Vergangenheit angehört und ihre Auswirkungen nicht mehr zu spüren sind. Die Sklaverei unserer Geschichte beeinflusst aber immer noch unsere gegenwärtige Gesellschaft. Die Wertvorstellungen der Sklaverei - Eigentum, Macht und Herrschaft - widersprechen den Werten von Einverständnis und Gegenseitigkeit. Trotzdem haben das Juden- und Christentum und der Islam traditionell die Sklaverei akzeptiert, wenn auch in unterschiedlichen Formen. Die Wertvorstellungen der Sklavenhalter haben diese Traditionen beeinflusst, besonders in ihren Lehren über Ehe und Sexualität. In den Tagen der amerikanischen Plantagensklaverei war es dem Sklaveneigentümer vom Gesetz her erlaubt, seine Sklavenfrau zu vergewaltigen, sie dazu zu zwingen, den sexuellen Missbrauch ihrer Kinder zu ertragen und ihre Kinder zu verkaufen. Inmitten all dieses Missbrauchs lehrten weiße Prediger die versklavten Menschen, ihren Herren in allem zu gehorchen - genau so wie es in der Bibel steht. Die versklavte Frau, die ihren Unterdrückern widerstand und ein Familienleben schuf, musste dies gegen gesetzliche und religiöse Hindernisse durchsetzen. Die Nachkommen dieser Frauen kämpfen immer noch mit dem Erbe der Sklaverei, wie ich noch ausführen werde. Die Bibel des Christentums spielte eine führende Rolle im amerikanischen Disput um die Sklaverei und prägt auch weiterhin das kulturelle Verständnis von Frauen und Sexualität. Das Neue Testament predigt die Unterordnung der Ehefrauen, Kinder und versklavten Menschen. Dies hat die christliche Sexualethik zutiefst beeinflusst. Im Hinblick auf unsere Sexualmoral prägt die Bibel immer noch die öffentlichen Verhaltensregeln und Denkweisen, sowie unser Gesetz. Insofern beeinflusst sie Christen und Nicht-Christen in gleicher Weise. So benutzen religiöse und politische Leitfiguren in den USA eine biblische Sprache, um den Keuschheitsgedanken in religiös (alternativ: im Glauben der Menschen) verankerten Initiativen zu unterstützen, um z.B. die Institution der Ehe als einen Teil der Sozialreform zu proklamieren und um sich gegen gleichgeschlechtliche standesamtliche Trauungen zu stellen. Um das Erbe der Sklaverei zu überwinden, müssen wir in den USA neu darüber nachdenken, wie wir die Bibel benutzen. In unserem Projekt Feministische Sexualethik konzentrieren wir uns auf das Erbe der Sklaverei und dessen Auswirkungen auf das Leben und die Sexualität von Mädchen und Frauen. Wir glauben nämlich, dass das Erbe der Sklaverei das größte Hindernis darstellt, eine Gesellschaft zu schaffen, in der beide, sowohl Frauen wie auch Männer, ein verantwortungsvolles, freudvolles und auf gegenseitiger Zustimmung beruhendes Sexualleben führen können. Wir helfen religiösen Gemeinschaften, über die Wertvorstellungen der Sklavenhalter hinaus zu wachsen und ethische und soziale Strukturen zu schaffen, die auf Freiheit und Würde aufbauen. Zur Zeit forschen wir auf folgenden Gebieten: Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −4− - Versklavte Frauen und Mädchen im Urchristentum, im frühen Judaismus und Islam - urchristliche Sklavenhalterinnen - die Auswirklungen der Sklaverei auf die christliche Sexualethik - der christliche Einfluss auf die amerikanische Sklaverei - der religiöse Glaube der versklavten Frauen - das Erbe der Sklaverei in den Vereinigten Staaten - Wie können wir eine Sexualethik schaffen, die von den Wertvorstellungen der Sklavenhalter befreit worden ist. Im Folgenden konzentriere ich mich auf das Christentum, um ein zusammenhängendes Bild geben zu können. Aber innerhalb unseres Projektes haben wir Forscherinnen, die über die Sklaverei im Islam und im Judaismus arbeiten, nämlich die Expertin für das frühe islamische Gesetz Kecia Ali, die Talmudistin Gail Labovitz und die Mittelalterspezialistin Deborah Blumenthal. Die Tagebucheintragung von Ella Thomas über ihre Glaubenskrise bei Abschaffung der Sklavenhaltung, die ich eingangs zitierte, führt uns drastisch vor Augen, wie eng doch im 19. Jahrhundert Bibel und Christentum mit der Sklaverei verbunden waren. In der Tat beriefen sich praktisch alle Befürworter der Sklaverei auf die Bibel und deren Unterstützung dieser Einrichtung. Jefferson Davis, der Präsident der Südstaaten während des amerikanischen Sezessionskrieges, verkündete. "[Die Sklaverei] wurde durch ein Vermächtnis des allmächtigen Gottes eingesetzt...sie wird in der Bibel bestätigt, in beiden Testamenten, vom 1.Buch Moses bis zur Offenbarung... sie existierte in allen Zeitaltern, unter Menschen der höchsten Zivilisationen und in Nationen mit höchster künstlerischer Schaffenskraft." (2) (2) Jefferson Davis, constitutionalist, his letters, papers, and speeches, gesammelt und herausgegeben von Dunbar Rowland (Jackson, MS: Mississippi Department of Archives and History, 1923), Band 1,286. War die Annahme von Gertrude Thomas (immer nur Ella?) und Jefferson Davis falsch, wenn sie dachten, dass die Bibel die Sklaverei unterstützte? Hatten sie die Bibel falsch ausgelegt oder angewandt? Nein, sie lagen nicht völlig daneben. Das Neue Testament gebietet versklavten Christen ausdrücklich, in allen Dingen ihren Herren untertan zu sein (Kol. 3, 2225; Eph. 6, 5-8; Tit. 2, 9-10; 1. Petr. 2, 18-25). Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −5− Weiße Sklavenhalter pflegten weiße Prediger anzustellen, die den versklavten Menschen, die auf ihren Plantagen schwere Arbeit verrichteten, predigten. Oft sprachen sie über diese neutestamentlichen Texte, die Haustafeln genannt wurden. Eine solche Tafel finden wir in dem Brief an die Kolosser 3, 18 -4,1. Sie lautet wie folgt: 18 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie sich's gebührt in dem Herrn. 19 Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie. 20 Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist wohlgefällig in dem Herrn. 21 Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden. 22 Ihr Sklaven, seid gehorsam in allen Dingen euren irdischen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern in Einfalt des Herzens und in der Furcht des Herrn. 23 Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen, 24 denn ihr wisst, dass ihr von dem Herrn als Lohn das Erbe empfangen werdet. Ihr dient dem Herrn Christus! 25 Denn wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und es gilt kein Ansehen der Person. Sie sehen, dieser Brief stellt sich einen Haushalt mit untertänigen Frauen, Kindern und versklavten Menschen vor. Der Schreiber ruft allerdings die Ehemänner, Väter und Sklavenhalter auf, zu lieben und nicht bitter gegen die Schwächeren zu verfahren. Aber nun wollen wir uns auf einen ungewöhnlichen Blickwinkel einlassen. Wir versuchen uns vorzustellen, wie ein Sklavenmädchen oder eine Sklavenfrau des Urchristentums diesen Text gehört haben könnte. Zunächst muss ich aber einige Unterschiede zwischen der Sklavenhaltung in den USA und im römischen Imperium erklären. In der Antike basierte die Sklaverei nicht auf einer bestimmten Rasse. Menschen aller ethnischen Abstammungen wurden versklavt. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten kamen Freilassungen oft vor. Viele Menschen kamen aus der Sklaverei frei, manche konnten dazu selbst während ihrer Sklaverei Geld ansparen. Viele versklavte Menschen waren gut gebildet und besaßen besondere Fertigkeiten. Viele lasen ihren Eigentümern vor oder dienten ihnen als Schreiber. Manche Menschen, besonders Männer, waren Sklaven von Herren mit sehr hohem Rang, z.B. des römischen Kaisers. Sie genossen innerhalb der Gesellschaft sehr hohe Positionen und konnten z.B. als eine Art Botschafter dienen. Wenn solche Menschen die Freiheit erlangten, hatten sie die Möglichkeit, wirtschaftlich aufzusteigen. Befreite Männer und Frauen hatten allerdings ihren früheren HerrInnen gegenüber immer noch Arbeitsverspflichtungen. Mit anderen Worten, es gab drei verschiedene Rangordnungen: versklavt, befreit und frei. Aus Sklaven wurden nicht einfach freie Menschen. Versklavte wurden zunächst befreit und hatten immer noch Arbeiten für ihren früheren Eigentümer zu verrichten. Dieser konnte eine Mann oder eine Frau sein. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −6− Nach dem römischen Gesetz konnten verheiratete Frauen Eigentum unter ihrem eigenen Namen führen und viele Frauen besaßen auch Sklaven. Als das Urchristentum in die römische Welt eindrang, war dieses noch keine Institution. Eine Fülle von Möglichkeiten stand offen. Heute kann man sich schwer vorstellen, dass die frühen Christen ganz andere Wege hätten einschlagen können, als der Fall war. Die Richtungen, die sie wählten, hatten äußert lange Folgen, besonders jene, die als Teil der Bibel kanonisiert und für die kommenden Generationen bestimmend wurden. Eine Wahl allerdings schien ihnen wohl geschichtlich unmöglich: die vollkommene Abschaffung der Sklaverei. Sie hätten aber z.B. die Christen dazu aufrufen können, keine Sklaven zu halten oder den Kirchen verbieten können, Sklaven zu haben. Oder sie hätten Christen dazu anhalten können, sich gegenseitig aus der Sklaverei freizukaufen. Aber mit Ausnahme einiger weniger urchristlicher Gruppen wurde dieser Weg nicht eingeschlagen. Aus dem vierten, fünften und sechsten Jahrhundert haben wir Beweise, dass es zahlreiche christliche Sklavenhalter gab. Ja selbst Kirchen, kirchliche Amtspersonen und sogar ein Mönch besaßen Sklaven. Selbst wenn wir von der Vernunft her nicht erwarten können, dass sich die Urchristen eindeutig gegen die Sklaverei gestellt hätten, bereitet uns die Kanonisierung der Texte, in denen versklavten Menschen befohlen wird, ihren Herren in allen Dingen zu gehorchen, moralische Probleme. Die Sklaverei wurde zu einem Teil der amerikanischen Geschichte und hat das ganze Land beeinflusst, Christen wie Nicht-Christen. Wenn ich Sie bitte sich vorzustellen, wie ein urchristliches Sklavenmädchen oder eine versklavte Frau diesen Text aus dem Kolosserbrief gehört haben könnte, möchte ich das frühchristliche Verständnis von Weiblichkeit beschreiben. Typischerweise wird bei der Interpretation dieser Texte angenommen, dass es sich um männliche Sklavenhalter und männliche Sklaven handelt. Dabei kann das Konfliktpotential bei bestimmten den versklavten Mädchen und Frauen auferlegten Pflichten verloren gehen. Erst wenn wir den Text aus dem Blickwinkel einer Sklavin sehen, können wir die mögliche Härte der Ermahnungen erkennen. Erst dann können wir verstehen, welche Auswirkungen die Tatsache des Geschlechts auf eine Versklavung hat, welche Auswirkungen die Versklavung auf den Menschen je nach Geschlecht hat und wie beides eine Kindheit in der frühen Christenheit bestimmen konnte. Von Anfang an brachte die Befürwortung der Sklaverei seitens der Christenheit mit sich, dass Sklaven große Hindernisse in ihren Lebensweg gestellt wurden. Diese Hindernisse beeinträchtigten Frauen und Mädchen anders als Männer und Jungen. Wenn wir analysieren, wie Sklavenmädchen und -frauen die Haustafeln gehört haben könnten, müssen wir uns zunächst fragen, wie und warum sie Christinnen geworden sind. Im Gegensatz zu anderen religiösen Traditionen, wie z.B. den Mysterienreligionen, war das Christentum den versklavten Menschen gegenüber völlig offen. Hier brauchten sie keine besonderen Ausgaben zu befürchten, wie z.B. für Tieropfer. Manche Gemeinden erlaubten sogar versklavten Frauen, leitende Positionen einzunehmen. (3) (3) Plinius Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −7− Von Anfang an schufen Christen Strukturen, um sich der Armen anzunehmen. Dadurch kamen zahlreiche versklavte Menschen in die Kirche. Die Geißelung Jesu und sein Tod am Kreuz könnte versklavte Menschen besonders berührt haben. Mit dieser Form der Hinrichtung konnten sie sich identifizieren. Wir müssen uns vorstellen, dass die Menschen der römischen Ära wussten, dass Römer ihre Sklaven auspeitschten und dass sie immer wieder Kreuze an öffentlichen Plätzen sahen, an denen niedergeworfene Sklavenrebellenführer hingen. Die Urchristen sangen in der Kirche, dass Jesus "die Gestalt eines Sklaven" angenommen hatte. Darum hatte ihn Gott erhöht.(4) Ich kann mir vorstellen, dass diese Darstellung besonders die Sklaven ansprach, wie es wohl auch in den Vereinigten Staaten vor dem Bürgerkrieg der Fall war. (4) Phil.2, 6-11 "Christus Jesus, 6 der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. 9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist. 10 Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Jetzt stellen wir uns vor, wie ein junges christliches Sklavenmädchen diesen Absatz aus dem Kolosserbrief gehört haben könnte. Wir haben Zeugnisse davon, dass versklavte Kinder manchmal sehr jung ohne ein Elternteil erkauft wurden. Sehr früh an einen neuen Eigentümer ohne Mutter oder Vater verkauft hieß natürlich, dass das Sklavenmädchen diesen nicht gehorchen konnte. Aber selbst wenn ein Sklavenmädchen bei ihrer Mutter oder beiden Eltern wohnte, konnte sie diesen möglicherweise nicht gehorchen. Wir erinnern uns, dass die neutestamentliche Haustafel christliche Kinder das folgende lehrt: "Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist wohlgefällig in dem Herrn. Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden." (Kolosser 3, 2021) Wenn christliche Sklavenkinder und ihre Eltern dieses Gebot so aufnehmen wollten, wie es an sie adressiert war, so war es gut möglich, dass sie es nicht befolgen konnten, da ihr Herr oder ihre Herrin immer vor den Eltern kam. Weiters hatte ein Sklavenkind vor dem Gesetz keinen Vater. Vaterschaft war eine Gesetzeskategorie auf die sie kein Anrecht hatten. Somit kompromittierte die Sklaverei sowohl christliche Eltern wie deren Kinder. Der Herr oder die Herrin konnte dem Kind befehlen, seinen biologischen Eltern nicht zu gehorchen, ja sogar Dinge zu tun, die christliche Sklaveneltern als gegen ihren christlichen Glauben empfanden. Manche Sklavenhalter machten Geld damit, dass sie ihre Sklavenmädchen und -frauen als Prostituierte arbeiten ließen. Wenn ein Sklavenmädchen im Römischen Reich in die Pubertät kam, hatte sie vielleicht bessere Chancen, nicht als Prostituierte arbeiten zu müssen, wenn ihr(e) Eigentümer(in) Christ(in) war. In dem Ausmaß, in dem Christen Bordells betrieben, was in einer christlichen Gesellschaften gang und gäbe war, war die Prostitution von Sklavenjungen wahrscheinlich weniger oft vorzufinden als in der heidnisch römischen Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −8− Gesellschaft. Wenn dies der Fall war, so gehörte es zur geschlechtlichen Identität eines Sklavenmädchens eines christlichen Eigentümers, eher als Prostituierte arbeiten zu müssen. (5) (5) Die frühe Synode von Elvira im 4. Jh., auf der Frauen verboten wurde, andere als Prostituierte arbeiten zu lassen, gibt Zeugnis davon, dass es möglich war, dass christliche Frauen dies tun konnten. Als Mutter und Sklavin hatte das Kind keinen gesetzlichen Vater, obwohl wir Berichte davon haben, dass versklavte Menschen versuchten, Familien zu bilden. Eine Mutter ohne gesetzlichen Ehemann erlebte ihre Mutterschaft ganz anders als eine frei geborene Mutter, dessen Kind die Vorzüge eines legalen Vaters genoss. In mancher Hinsicht könnte die Bindung einer Sklavin zu ihren Kindern und ihre Autorität über sie größer gewesen sein. Andrerseits könnten sich manche versklavten Mütter der Kontrolle ihrer Herren oder Herrinnen über ihre Fortpflanzungsmöglichkeiten und über ihre Kinder widersetzt haben, indem sie Geburtenkontrolle, Abtreibung oder Kindstötung praktizierten oder indem sie sich emotional von Kindern entfernten, die ihnen möglicherweise bei der Geburt weggenommen und einer Amme übergeben wurden. In mancher Hinsicht könnte ihre Erfahrung der Mutterschaft jener armen freien Frauen ähnlich gewesen sein, die wussten, dass ein Gläubiger jeder Zeit ihre Kinder in die Sklaverei schicken konnte. Dies bedeutet, dass Sklaverei und extreme Armut die Frauen durch die Auswirkungen auf die Mutterschaft signifikant prägten. Darüber hinaus hatte die Sklaverei tiefe Auswirkungen auf die Art und Weise, wie eine christliche Sklavenmutter ihrem Kind den christlichen Glauben und christliche Praktiken nahe bringen konnte. Wenn sie das Verbot von Hurerei und Ehebruch als zentrale christliche Lehren ansah, wie hätte sie da ihrem Kind beibringen können, sich davon fernzuhalten? Weiters war es ihr und ihrem Kind möglicherweise nicht erlaubt, regelmäßig Gottesdienste zu besuchen. Die Folge war, dass sie vielleicht nur ein begrenztes Wissen in Glaubensdingen besaß. Waren ihre Herrin oder ihr Herr Nicht-Christen, so hatte sie Schwierigkeiten, ihr Kind vor nicht-christlichen religiösen Praktiken zu bewahren. Schauen wir uns nun die ersten Gebote an, nämlich dass eine Ehefrau ihrem Mann gehorchen und ein Mann seine Frau lieben soll. Wenn eine Sklavin in einer eheähnlichen Beziehung lebte, so konnte es sein, dass sie das neutestamentliche Gebot, ihrem Mann zu gehorchen, nicht befolgen konnte, was wiederum mitten ins Herz der Definition einer Frau im Urchristentum und in dessen kulturellem Umfeld traf. Wir könnten dies als Befreiung ansehen, aber die Beherrschung durch den Herren oder der Herrin war vermutlich viel grausamer als die durch den Ehemann. Ihr Sklaven-Mann war stark eingeschränkt, das neutestamentarische Gebot des Ehemanns zu erfüllen, nämlich seine Frau so zu lieben, wie Christus die Kirche geliebt hat. Nun will ich kurz das Arbeitspensum beschreiben, das versklavte Frauen und Mädchen im römischen Reich zu leisten hatten, die tagtägliche Mühsal, die sie von dem, was wir Kindheit nennen, bis zu deren Tod begleitete. Ein Mädchen konnte in ihren jüngeren Jahren Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. −9− einerseits zu einer Geld einbringenden Tätigkeit ausgebildet werden, wie z.B. dem Weben. Andrerseits verbrachte sie ihre Zeit mit anderen Pflichten, die ein junges Mädchen ausführen konnte. Sklavenmädchen und -frauen waren mit der Lebensmittelherstellung und Konservierung beschäftigt. Sie pflanzten und produzierten die Nahrung, die für die Erhaltung eines Landgutes notwendig war. (Im Gegensatz zu den für Geld verkauften landwirtschaftlichen Produkten wie Olivenöl oder Wein, die im Allgemeinen von männlichen Sklaven erzeugt wurden.) Sklavinnen fertigten Textilprodukte an, arbeiteten im Kunsthandwerk, als Sexarbeiterinnen, als Ammen, im Vergnügungsgeschäft und als Hauspersonal für die Dame des Hauses. (6) Reiche Damen hatten eine Schar von Dienerinnen mit besonderen Aufgaben, wie kunstvoll geflochtene Haarteile herzustellen oder auch laut vorzulesen. Soweit wir feststellen können, wurden Frauen im Allgemeinen nicht zu Sklavenarbeit, die rohe Kraft brauchte, herangezogen, also nicht in den Bergwerken oder als Galeerensklaven auf den Schiffen eingesetzt. Wir haben allerdings davon Zeugnis, dass es Gladiatorinnen gab. Alles in allem war Sklavenarbeit je nach Geschlecht aufgeteilt, basierend auf der größeren Muskelkraft der Männer und der Fähigkeit der Frauen, Kleinkinder zu versorgen usw. (Hier besteht ein Kontrast zur landwirtschaftlichen Arbeit in den Südstaaten vor dem Bürgerkrieg. Damals schufteten die Frauen Seite an Seite mit den Männern in den Baumwoll- und Reisfeldern.) Sklavinnen konnten in einem Backwarengeschäft oder in einer öffentlichen Schenke arbeiten. Höher gestellte geschäftliche Aktivitäten, die mit Buchhaltung und Handel zu tun hatten, wurden jedoch eher von Sklaven männlichen Geschlechts ausgeführt. Dadurch lernten diese Männer wertvolle Fähigkeiten, die sie später als Befreite zum sozialen Aufstieg nutzen konnten.(7) So konnten Sklaven durch Erlernen von Geschäfts- und Handelspraktiken aufsteigen, während die beste Chance zum Aufsteigen für Frauen in ihrer sexuellen Attraktivität und ihrer Fortpflanzungsfähigkeit bestand. (6) Siehe Susan Treggiari, "Domestic Staff at Rome in the Julian-Claudian Period, 27 B.C. to A.D. 68," (usw., sowie andere Artikel derselben Autorin) (7) Siehe Dale B. Martin, Slavery as Salvation: The Metaphor of Slavery in Pauline Chritianity (New Haven, CN: Yale University Press, 1990) 1-49. Welche Auswirkungen konnte dieses Gebot auf Sklavenfrauen und -mädchen in der Gemeinde gehabt haben, z.B. auf ein Sklavenmädchen, das einem Heiden gehörte, der von ihr Sex wollte? In Kol.3, 22 lesen wir: " Ihr Sklaven, seid gehorsam in allen Dingen euren irdischen Herren." Hat sie eine Zuflucht, eine Handhabe, um diese Forderung zu vermeiden? Nach dem Gesetz hat sie keine. Auch in der Gesellschaft hatte sie wenig, denn das Verhalten ihres Herrn stieß auf wenig Ablehnung. Nach der Logik der Sklaverei war die SexArbeit seines Sklavenmädchens sein Eigentum. Er konnte entscheiden, ob er aus ihrer SexArbeit als Prostituierte Profit schlagen wollte oder ob er ihre Sex-Arbeit für sich selbst oder seine Gäste benutzen wollte. So hörte das Sklavenmädchen zunächst in Kol. 3, 5, dass sie alles, was an ihr noch irdisch ist, darunter Unzucht (porneia), Unreinheit (akatharsia), schändliche Leidenschaft (pathos) und böse Begierde (epithymia) töten soll. Daraufhin wird sie in Kol.3, 23 ermahnt, "Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen." Vielleicht versuchte sie diese Widersprüche mit dem Vers 25 zu lösen: "Denn wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat." Vielleicht..., aber sie führte ein Leben voller Kompromisse. Hier sehen wir die mit einander in Konflikt stehenden Anforderungen an ein christliches Sklavenmädchen oder eine Sklavenfrau: einerseits soll sie ein keusches Leben führen, andrerseits muss sie ihrem Herren in allen Dingen gehorsam Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 10 − sein. Um eine tugendreiche Frau zu sein, soll sie sexuell rein bleiben, um eine tugendreiche Sklavin zu sein, soll sie in allen Dingen gehorsam sein. Mit anderen Worten, das christliche Konstrukt des Sklavendaseins einer Frau ist von Grund auf widersprüchlich. Durch alle Kulturen hindurch haben Sklavenhalter versucht, diesen Widerspruch rational damit zu rechtfertigen, indem sie die sexuell aktive Sklavin als inhärent lasziv darstellten, die ja selbst zu Avancen einlud. Zeugnisse für die Benutzung der sexuellen Funktionen ihrer Arbeitssklaven seitens der Sklavenhalter sind sehr unterschiedlich. Das römische Gesetz setzte raschen sexuellen Zugang zu Sklaven voraus. Ein Verbot für sexuelle Beziehungen zwischen männlichen Sklavenhaltern und weiblichen oder männlichen Sklaven gab es nicht. Ein verheirateter Mann, der mit seiner Sklavin Sex hatte, begann rechtlich gesehen keinen Ehebruch gegenüber seiner Ehefrau.(8) Nach römischen Recht war das Kind einer Sklavenfrau ein Sklave und gehörte seinem Eigentümer. Dies bedeutete, dass Sklavenhalter, die ihre Sklavinnen sexuell benutzten, zweifach davon profitieren konnten: sie hatten unmittelbare sexuelle Befriedigung und die Möglichkeit, ihre Sklavenarbeitskraft zu vergrößern.(9) Römischen Sklavenherrinnen verbot das Gesetz, sexuelle Beziehungen mit ihren männlichen Sklaven, jedoch nicht mit ihren weiblichen. (8) Corpus Iuris civilis: Digesta 48.5.6 (Papinian über das lex Iulia de adulteriis). Siehe auch Pauli Sententiae 2.26.16 und Judith Evans Grubbs, Law and Family in Late Antiquity: The Emperor Constantine's Marriage Legislation (Oxford : Oxford University Press, 1999) 94f, 203. (9) Gaius 1.82; vergl. Institutiones Iustiniani 1.3.4; Corpus Iuris Civilis: Digesta 50.2.9pr; Codex Iustiniani 7.14.9. Siehe W.W. Buckland, The Roman Law of Slavery : The condition of the Slave in Private Law from Augustus to Justinian (1908; Neuauflage: Holmes Beach, FL: Gaunt, 1994) 397f. Ähnlich wie im römischen Gesetz nahmen die frühen Rabbiner an, dass eine jüdische Frau bei Gefangennahme im Krieg von ihrem nicht-jüdischen Erbeuter zu Sex mit diesem gezwungen wurde. Ihr Rechtsdenken im Hinblick auf Ehe und Scheidung gestalteten sie um die Annahme herum, dass eine Versklavung von Frauen sexuellen Missbrauch mit einbezog.(10)Weiters nehmen sie als Tatsache an, dass jüdische Männer mit ihren Sklavinnen Sex haben konnten, wie es in einem Ausspruch, der Hillel zugeschrieben wird, heißt: "um so mehr Sklavinnen, um so mehr Wollust". (11) (10) Siehe z.B. m. Ketubbot 4,8, wonach ein Priester seine Frau nicht wieder zu sich nehmen kann, nachdem sie gefangen genommen worden war, denn nach Levitikus 21,7 darf ein Priester keine Frau haben, die eine Prostituierte ist oder beschmutzt worden war. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 11 − (11)M.OEAbot 2,7. Dieser Ausspruch könnte eine rabbinische Ansicht zum Ausdruck bringen, dass Sklavenfrauen und -mädchen moralisch locker waren. Das würde mit der Einstellung durch die Kulturen hindurch übereinstimmen, dass Sklavinnen moralisch locker sind. Darüber hinaus geben eine Reihe von griechischen und lateinischen Quellen, von römischen Komödien, griechischen und römischen Romanen bis zu Traumklassifikationen und landwirtschaftlichen Abhandlungen, Zeugnis davon ab, dass Sklavenhalter die Körper ihrer Sklaven voll und ganz besaßen. So fordern z.B. die landwirtschaftlichen Handbücher von Varro und Columella die Landeigentümer dazu auf, die Fruchtbarkeit ihrer Sklavinnen zu verbessern.(12) Der Traumklassifizierer /-deuter Artemidoros von Daldis (2. Jh. n.Chr.) definiert sexuelle Beziehungen zwischen einem Sklavenhalter und seinen männlichen und weiblichen Sklaven als "natürlich, legal und üblich." (13) (12) Varro, On Agriculture 2.1.26; 2.10.6-8; Columella, On Agriculture 1.8.19. (13) Oneirokritika 1.78. Dokumentarische Quellen geben uns einen Einblick in konkrete Fälle von Sklavenhaltern, die ihre Sklavenfrauen und -mädchen missbrauchten. Papyrusrollen aus dem römischen Ägypten geben uns Beweise, dass Kinder vom Sklavenhalter gezeugt wurden, auch wenn Frauen die besagten Sklavinnen besaßen (14). Eine Inschrift aus Pompeji verkündete öffentlich eine Beziehung zwischen einer Sklavin namens Restituta und ihrem Herrn Secundus.(15) (14) Iza Biezaeun;ska-Malowist, L'esclavage dans L'Égypte gréco-romaine. Teil 2 Période romaine. Übers. Jerzy Wolf (Wroclaw: Ossolineum, 1977) 114-116. (15) CIL 4.1665 (Pompeji, Inschrift): Restituta cum Secunda domno suo (Restituta [befindet sich in einer Beziehung ] mit ihrem Herrn Secundus). Manche Gruppen in der antiken Welt argumentierten gegen solche Beziehungen. So verkündet z.B. eine Inschrift auf einer Marmorstele aus Philadelphia in Kleinasien (2. - 1.Jh. v. Chr.), wer das Haus der Mysterien betreten darf, ob Mann oder Frau, Sklave oder freier Mensch. Dazu werden spezielle Richtlinien für Anbetende aufgezählt, darunter auch: "Neben seiner eigenen Ehefrau, lasst keinen Mann eine Frau verderben, weder freie noch Sklavin, die einen Ehemann hat, noch einen Jungen noch ein Mädchen, noch soll er dies jemandem empfehlen." (16) Somit hieß diese religiöse Gemeinschaft ein sexuelles Verhältnis Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 12 − mindestens zwischen einem freien Mann und einer Sklavin, die in einer Langzeitbeziehung mit einem Mann lebte, nicht für gut. In ähnlicher Weise forderte im ersten Jahrhundert der stoische Philosoph Musonius Rufus Sklavenhalter dazu auf, sich sexueller Beziehungen mit ihren Sklavinnen zu enthalten. (16) Zum Text der Inschrift siehe Franciszek Sokolowski, Lois Sacrées de L'Asie Mineure ((Travaux et mémoires, École franc,aise d'Athènes) 9 ; Paris: de Boccard, 1955) No. 20, Zeilen 25-29 (Sylloge Inscriptionum Graecarum 985) ; besprochen von Angela Standhartinger, « Der Brief an die Gemeinde in Kolossä, » im Kompendium Feministische Bibelauslegung, Hrsg. Luise Schottroff und Marie-Theres Wacker, unter Mitarbeit von Claudia Janssen und Beate Wehn (Gütersloh: Kaiser/Gütersloh, 1998) 642f; Studien zur Entstehungsgeschichte und Intention des Kolosserbriefs ((Supplements to Novum Testamentum 94; Leiden: Brill, 1999) 265-268; und "The Origin and Intention of the Household Code in the Letter to the Colossians," Journal for the Study of the New Testament 79 (2000) 126f. Wie beurteilte die römische Gesellschaft eine Sklavin in der Situation, in der sie sexuelle Dienste anbieten musste? Ihr Sklavenstatus machte sie in den Augen der Gesellschaft unehrenwert. Für eine Sklavin konnte Frausein nicht Keuschheit bedeuten. Eine ehrenwerte, frei geborene Frau brauchte Dienerinnen wie sie, um in der Öffentlichkeit als ehrenwerte Frau anerkannt zu werden und nicht als Prostituierte. Dies bedeutete, dass eine Sklavin, die selbst zwar unehrenwert war, zur Ehre einer anderen Frau beitragen konnte. Für sie selbst aber hieß Frausein penetriert zu werden und möglichst fruchtbar zu sein. Außerdem war sie ungeschützt, denn rechtlich hatte sie keine männlichen Verwandten, die für sie eintraten. Allerdings müssen wir uns daran erinnern, dass in der antiken römisch-heidnischen Gesellschaft auch Sklavenjungen und -männer der sexuellen Penetration ihrer Herren ausgesetzt waren. Somit spiegeln die geschlechtlichen Unterschiede bei den Sklaven und Sklavinnen nicht die geschlechtlichen Gesellschaftskonstruktionen der frei geborenen Frauen und Männer wider. Die tatsächliche Vorlieben des heidnischen Sklavenherrn, der eher dazu geneigt war, Sex mit einem Sklavenmädchen oder einer Sklavenfrau zu haben als mit einem Sklavenjungen, zusammen mit dem strengen Verbot für Herrinnen, sexuellen Umgang mit ihren männlichen Sklaven zu haben, machte versklavte Männer etwas weniger angreifbar. So bedeutete das Konstrukt Sklaventum in der römischen Welt für beide Geschlechter, für Sklaven und Sklavinnen, penetriert werden zu können. Das Sklaventum wird aber durch die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau besonders geprägt, wobei es keine Rolle spielte, wer der Vater war. Obwohl eine Sklavin sowohl in der Gesellschaft als unehrenwert als auch vor dem Gesetz als sexuell penetrierbar galt, waren es ihre Sexual- und Fortpflanzungsfunktionen, die ihr vielleicht die besten Chancen für einen sozialen und rechtlichen Aufstieg gaben. Ein Sklaveneigentümer konnte vielleicht ihre anderen Arbeitslasten erleichtern, ja sie sogar befreien, wenn sie den Reichtum ihres Herrn oder ihrer Herrin durch das Austragen einer Anzahl von Kindern vergrößerte. Noch hoffnungsvoller war die Aussicht, dass eine Sklavin sich ihrem Herrn gegenüber attraktiv genug darstellen konnte, so dass er sich entschied, sie zu befreien und zu heiraten oder dass sie als befreite Sklavin seine Konkubine werden würde. Männliche Sklaven konnten hoffen, ihr Los durch verantwortungsvolle Geschäftspositionen im Haushalt ihres Herrn zu verbessern, Geld zu sparen und sich selbst aus der Sklaverei freizukaufen. Manchmal konnten sie dann als befreite Sklaven sozial Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 13 − aufsteigen. Im Gegensatz dazu schienen Sexualität und Fortpflanzung die größte Hoffnung der Sklavin auf eine bessere Zukunft. Aus diesem Grund standen sexuelle Verfügbarkeit und Fruchtbarkeit zentraler im kulturellen Gesellschaftskonstrukt für weibliche Sklaven als für männliche Sklaven. Kurz zusammengefasst: eine Sklavin, die einem heidnischen Herrn gehörte, hatte alle Anreize, um ihre sexuelle Verletzlichkeit und Fruchtbarkeit einzusetzen, die ihr Geschlecht als Sklavin definierten, um ihr Lebensschicksal zu verbessern. Hatte das Christentum dieses Gesellschaftskonstrukt der Sklaven und ihrer Geschicke je nach Geschlecht verändert? Da die Urchristen sexuelle Beziehungen unter Männern verurteilten, waren christliche Sklaveneigentümer wahrscheinlich weniger geneigt, sexuelle Dienste von ihren Sklavenjungen zu fordern. Allerdings können wir uns nicht vollkommen sicher sein, dass die Praxis der Ideologie entsprach. Was das Los der Sklavinnen betraf, so fordert der stoische Philosoph Musonius Rufus die Sklavenhalter wörtlich auf, keine sexuellen Beziehungen mit Sklavinnen zu haben. Das Neue Testament aber - und das mit weitreichenden Konsequenzen für kommende Generationen - tut dies nicht.(17) Die christliche Lehre verbietet Unzucht und andere Sexualverhalten, wodurch diese Lücke noch bemerkenswerter wird. Eine Reihe von christlichen Autoren wie Lactantius, Ambrosius, Hieronymus und Augustinus rieten christlichen Sklavenhaltern jedoch ab, sexuelle Beziehungen mit ihren Sklavinnen einzugehen.(18) Die kirchlichen Verordnungen, die als Apostolische Konstitutionen bekannt sind (frühes 4. Jh., vermutlich in Syrien oder Ägypten zusammengestellt), gehen tatsächlich einen Schritt weiter und legen solchen Beziehungen Sanktionen auf: "Ein Mann oder eine Frau, die glaubt und sich mit einem Sklaven oder einer Sklavin zusammengetan hat, soll diese Beziehung abbrechen oder er oder sie soll exkommuniziert werden." (19) Dieser Satz sticht als höchst ungewöhnlich innerhalb der frühen christlichen Literatur heraus. Frühe Kirchenväter versuchten oft, frei geborene Christinnen davon abzuhalten, versklavte Männer zu heiraten. Die Apostolischen Konstitutionen unternehmen jedoch den seltenen Schritt, sexuelle Beziehungen zwischen frei geborenen christlichen Männern und versklavten Frauen zu verurteilen - und sie belegen solche Beziehungen mit einer schweren Strafe. Allerdings bestrafen sie freie Menschen, die solche Beziehungen hatten, nur dann, wenn diese auf solchen Beziehungen beharrten. (17) Musonius Rufus, Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 12; Griechisch und Englisch: Cora E. Lutz, Hrsg. und Übers., Musonius Rufus "The Roman Socrates" (New Haven: Yale University Press, 1947) 84-89. (18) zu Lactantius, siehe Divine Institutes 6.23.23; Latein: Samuel Brandt und Georg Laubmann, Hrsg. L. Caeli Firmiani Lactanti Opera omnia, Teil 1 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 19; Wien: Tempsky, 1890) 568; Englisch: Mary Francis McDonald, Übers., Lactantius: The Divine Institutes, Books I-VII (Fathers of the Church 49;Washington, DC: Catholic University of America Press, 1964) 460, siehe dazu Judith Evans Grubbs, Law and Family in Late Antiquity : The Emperor Constantine's Marriage Legislation (Oxford: Oxford University Press, 1999) 90f. Zu Ambrosius siehe On Abraham 1.4.26f; Latein: Karl Schenkel, Hrsg., Sancti Ambrosii Opera, Teil 1 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 32; Wien: Tempsky, 1897) 520522, Englisch: Theodosia Tomkinson, Übers. On Abraham: Saint Ambrose of Milan (Etna, Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 14 − CA: Center for Traditionalist Orthodox Studies, 2000) 14f, siehe dazu EvansGrubbs, Law and Family, 233. Zu Hieronymus siehe Epistles 77.3; Latein: Isidor Hilberg, Hrsg., Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae, Teil 2 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 55; Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften, 1996) 39; Latein und Englisch:F.A. Wright, Hrsg. und Übers., Select Letters of St. Jerome (Loeb Classical Library; Cambridge, MA: Harvard University Press, 1933) 314f, siehe dazu Evans Grubbs, Law and Family, 249. Zu Augustinus, siehe Sermons 9,4; Latein: Cyril Lambot, Hrsg., Sancti Aurelii Augustini Sermones (Corpus Christianorum 41, 115; Tournhout: Brepols, 1961) 115; Englisch: Edmund Hill, Übers., The Works of Saint Augustine: A Translation for the Twenty-first Century, Teil 3.1 (Brooklyn: New City, 1990) 263, dazu siehe Richard Klein, Die Sklaverei in der Sicht der Bischöfe Ambrosius und Augustinus (Forschungen zur antiken Sklaverei 20; Stuttgart: Steiner, 1988) 178f. (19) Apostolic Constitutions 8.34.13. Sage ich, dass das Neue Testament Sklavenhaltern erlaubt, ihre Sklavenmädchen und frauen sexuell zu missbrauchen? Sicher sage ich nicht, dass das NT dazu ermutigt. Ich sage aber, dass durch das Gebot an die Sklaven, ihren Herren in allen Dingen gehorsam zu sein, frühchristliche Sklavinnen in eine kompromittierende Stellung gebracht wurden. Eine religiöse Gemeinschaft kann nicht gleichzeitig das Sklaventum unterstützen und sich gegen sexuellen Missbrauch stellen. Hätte der Autor der Kolosserbriefe und die religiösen Leitfiguren, die auf ihn folgten, jeden Sklavenhalter, der die sexuelle Arbeit seines Sklavenmädchens, Sklavenjungens oder seiner Sklavenfrau benutzte, mit einer konkreten Kirchensanktion belegt, oder hätten sie eine Gemeindestruktur ins Leben gerufen, um einen versklavten Christen, der solche Dienste leisten musste, zu unterstützen, z.B. durch das Sammeln von Gemeindegeldern, um diesen Menschen aus der Sklaverei frei zu kaufen, so hätten sie die Rechte der Sklavenhalter begrenzt. Aber sie entschieden sich nicht, diesen Weg einzuschlagen. Wie sah es mit den Sklavenhalterinnen aus? Der griechische Begriff, den wir mit "Herren" (kyrioi) übersetzen, kann "Herrinnen" (kyriai) mit einbeziehen. Herrinnen konnten auch sexuelle Kontakte zu ihren Sklaven suchen, obwohl es verheirateten Frauen verboten war, Sex mit männlichen Sklaven zu haben. Hier wird ihnen auferlegt, ihre Sklaven nicht übermäßig hart zu behandeln, aber was soll das heißen? Antike christliche und nichtchristliche Quellen geben sicheres Zeugnis davon, dass Sklaveneigentümerinnen zu unglaublicher physischer Brutalität fähig waren. So beschreibt z.B. ein frühes kanonisches Gesetz, ein spanischer Text aus dem frühen 4.Jh., eine relativ leichte Strafe für eine christliche Frau, die ihre Sklavin aus Eifersucht oder aus Jähzorn (das Lateinische ist zweideutig) zu Tode peitschte. Vielleicht hatte der Ehemann eine sexuelle Beziehung mit der Sklavin. Die Zusammenkunft der Bischöfe, die dieses Gesetz veröffentlichte, beschäftigte sich nicht mit der Frage, ob ein christlicher Ehemann mit seiner Sklavin Sex hatte. Das Neue Testament und andere frühe christliche Literatur verbieten weder Frauen noch Männern, ihr Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 15 − menschliches Eigentum auszupeitschen. So konnte das frühe christlich kulturelle Konstrukt des elitären Frauseins auch Auspeitschen mit einbeziehen. Das Problem bei Elvira war nicht das Auspeitschen, sondern die Tatsache, dass sie die Sklavin zu Tode peitschte. Die frühen christlichen Texte verdienen diese intensive Genauigkeit, d.h. sie zu lesen und wieder zu lesen, weil sie für spätere Generationen fundamental und richtungweisend sind. . Zuvor beschrieb ich einige der Unterschiede zwischen dem Sklaventum im römischen Reich und in den USA. Die historische Pflicht beinhaltet die genaue Beschreibung der Besonderheiten von Zeit und Ort. Aber die Menschen, die sich mit den ethischen Fragen zur Überwindung des Sklavenerbes aus der Vergangenheit und mit der Vorbeugung gegen Sklaverei in der Gegenwart und Zukunft beschäftigen, müssen auch Ähnlichkeiten durch alle Kulturen hindurch untersuchen - das, was ich die Logik der Sklaverei nenne. Dazu möchte ich ihnen nun ein Beispiel nennen. Die Sklavenerzählung aus dem Amerika des 19. Jahrhunderts von Harriet Jacobs beschreibt, wie Dr. Flint, der kurz zuvor Mitglied einer Kirche geworden war, ihr befahl, ihm zu gehorchen und Sex mit ihm zu haben. Die sechzehnjährige Harriet hatte ihr bestes getan, um die lüsternen Nachstellungen ihres Herrn abzuweisen. Mrs. Flint, die Ehefrau von Dr. Flint, konnte sehen, wie ihr Mann von der jungen Harriet angezogen wurde und wie er plante, zur Tat zu schreiten. Harriet Jacobs spürte genau die Eifersucht der Frau und die Macht des Mannes. Sie schreibt, "Bis jetzt konnte ich meinem Herrn erfolgreich ausweichen, obwohl schon oft eine Rasierklinge an meine Kehle gehalten wurde, um mich zu zwingen, meine Einstellung zu ändern." (20) Als ihre Herrin Harriet in ihr Zimmer rief, um sie auszufragen, konnte Harriet sehen, wie "sie fühlte, dass ihr Ehegelübde entheiligt und ihre Würde beleidigt wurde. Trotzdem hatte sie kein Mitleid mit dem armen Opfer ihrer Falschheit. Sie bemitleidete sich selbst als Märtyrerin, war aber unfähig, den Zustand der Scham und des Elends zu fühlen, dem ihre unglückliche und hilflose Sklavin ausgesetzt war" (21) Als Mrs. Flint ihren Mann bezichtigte, sexuellen Kontakt mit Harriet zu haben und Harriet als die Quelle dieser Anklage angab, bezichtigte Dr. Flint seine Frau, Harriet gequält zu haben, um ihr diese Information zu entreißen. Harriet, die wusste, dass ihr Herr der Vater von elf Sklaven war, wurde in der Zwischenzeit von ihm bedroht, dass er sie entweder verkaufen oder schlagen würde, wenn sie ihm nicht gefügig wäre. Auch versprach er ihr, "Ich würde dich in Ehren halten, aus dir eine Dame machen. Jetzt geh und denk über alles nach, was ich dir versprochen habe." (22) Harriet sieht, wie die Kinder ihres Herrn, die er von seiner Frau hat, Seite an Seite mit den Kindern spielen, die er mit einem Sklavenmädchen oder einer Sklavenfrau hat. Sie sieht auch, dass die Ehefrauen das meistens wissen und manchmal so darauf reagieren, dass sie die Sklavenkinder, deren Vater der Eigentümer ist, verkaufen, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Sie sah auch die raren Momente, in denen weiße Frauen ihre Ehemänner ermahnten, "jene Sklaven zu befreien, denen gegenüber diese in einer elterlichen Beziehung standen."(23) (20) Harriet A. Jacobs, Incidents in the Life of a Slave Girl: Written by Herself, 32. (21) Jacobs, 33. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 16 − (22) Jacobs, 35. (23) Jacobs, 36 Meinen Vortrag habe ich mit dem Titel überschrieben: "Der lange Schatten der Sklaverei über dem Leben von Mädchen und Frauen." Jetzt möchte ich kurz einige Konturen dieses Schattens aufzeigen. Die Rechtsprofessorin und Mitglied des Projektes 'Feministische Sexualethik' Dorothy Roberts zeichnete eindringlich in ihrem Buch Killing the Black Body eine lange Geschichte nach, in der versucht wurde und wird, die Sexual- und Reproduktionsfunktionen der schwarzen Frauen zu kontrollieren, sehr oft auch erfolgreich. In der Sklaverei taten die Eigentümer alles, auch unter Zwang, damit Sklavinnen so oft wie möglich gebären sollten. Am Vorabend des Bürgerkrieges war die Geburtsrate unter versklavten Frauen höher als die bei weißen Frauen, trotz der schrecklichen Arbeitsbedingungen der Sklavinnen und der daraus resultierenden medizinischen Probleme. Im 20. Jh. versuchten Weiße weiterhin, die Fruchtbarkeit schwarzer Frauen zu kontrollieren. Nun wollten sie die Geburten reduzieren, in dem sie auf schwarze Gemeinschaften abgezielte Geburtenkontrolle und Zwangssterilisation einführten. Robertson zeigt, dass es bis in die heutigen Tage hinein Versuche gibt, die Fortpflanzungsfähigkeit schwarzer Frauen zu kontrollieren: Durch Norplant Implantate in Gefängnissen und durch Vorschläge, Norplant Implantate zur Bedingung für den Erhalt von Sozialhilfe zu machen. In ähnlicher Weise bezeichnet die Rechtsprofessorin und das Projektmitglied Adrienne Davis die Sklaverei als "institutionalisierte sexuelle Belästigung". Während der Sklaverei war es Sklavenhaltern nicht verboten, ihre Sklavinnen zu vergewaltigen. Historikerin, Juristin und Projektmitglied Lisa Cardyn erforscht, wie der Ku Klux Klan Anfang des 20. Jh. systematisch und ungestraft sexuelle Übergriffe als Teil ihrer Terrorkampagnen gegen Afrika-Amerikaner einsetzte. Diese Geschichte von ungestraften Vergewaltigungen findet noch in den modernen Gerichtssälen ihren Widerhall, wenn Afrika-Amerikanerinnen akzeptieren müssen, dass sie für sie weniger günstige Gerichtsurteile im Falle einer Vergewaltigung erwarten müssen als ihre weißen Leidensgenossinnen. (Die Daten wurden von Rechtsanwältin Elizabeth Kennedy zusammengestellt. Sie können diese auf unserer Web Site nachlesen. Die genauen Angaben dazu finden Sie auf dem Deckblatt unserer Projektbroschüre.) Historikerin und Projektmitglied Catherine Clinton, die darüber geschrieben hat, wie das Trauma dieser Geschichte von sexuellen Übergriffen auf Generationen hinaus Auswirkungen hat, forscht nun über weiße Männer, die sexuelle Beziehungen mit schwarzen Frauen hatten, angefangen von Thomas Jefferson bis zu dem kürzlich verstorbenen Senator Strom Thurmond. Welche Rolle spielt hier das Christentum? Wie ich anfangs schilderte, fanden Sklavenbefürworter zunächst in der Bibel Unterstützung für die Sklaverei. Weiters unternahmen die Kirchen - wie die Christenheit durch die Jahrhunderte bevor ihnen - sehr wenig, um Sklavenhalter davon abzuhalten, die Sexual- und Fortpflanzungsfunktionen ihrer Sklavinnen unter ihre Kontrolle zu bringen. Dazu kommt, dass sich mehrere Denominationen, Methodisten, Baptisten und Presbyterianer, aufgrund der unterschiedlichen Einstellung zur Sklaverei spalteten. Der Vatikan ließ am 20. Juli 1866 verlauten, d.h. nachdem die Sklaverei in den USA nicht mehr legal war, " Die Sklaverei an sich, als solche in ihrer eigentlichen Natur betrachtet, ist in keiner Weise gegen das natürliche oder göttliche Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 17 − Gesetz, und es kann verschiedene gerechte Anrechte auf Sklaverei geben und diese werden von anerkannten Theologen und Kommentatoren des heiligen kanonischen Rechts für gut geheißen .... Es ist nicht wider das natürliche und göttliche Gesetz, wenn ein Sklave verkauft, gekauft, getauscht oder geschenkt wird." Die rassistischen Praktiken von protestantischen Kirchen unter weißer Führung, darunter auch solche im Norden, führten dazu, dass sich Afrika-Amerikaner von diesen lösten und ihre eigenen Denominationen bildeten. Obwohl es sicherlich unter Christen die Tradition von ethnischen Kirchen gibt, heißt das christliche Ideal, ethnische Grenzen zu überschreiten, wie Paulus im Brief an die Galater (3,28) schreibt: "Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus." Trotzdem ist heute in den USA der Sonntagmorgen für die Christen die rassisch getrennteste Stunde der ganzen Woche. Die Kirchen sind rassisch getrennter als die Arbeitsplätze, getrennter als die Schulen ihrer Kinder und rassisch getrennter als das Wohnumfeld, in dem sie zur Kirche gehen. Gemäß dem Multirassen-Gemeindeprojekt, das unter der Leitung von Michael O. Emerson steht, sind Gemeinden mit unterschiedlichen Hautfarben (d.h. Gemeinden, in denen die größte Gruppe einer Hautfarbe nicht mehr als 80 % ihrer Mitglieder ausmacht) sehr selten. Sie betragen nur ca. 7 % und dabei sind nicht-christliche Gemeinden miteinbezogen, die eher verschiedene Hautfarben vereinen als christliche.(24) Religiöse Gemeinschaften sind eine unserer lebendigsten gesellschaftlichen Einrichtungen. Sie sind Orte, an denen einzelne Menschen Unterstützung in Zeiten von Stress und Schwierigkeiten finden, wo gegenseitig Probleme angehört werden, ein Ort, der ein Netzwerk für Arbeitsplätze bietet und wo man informelle Hilfe beim Planen der zukünftigen Berufslaufbahn der Kinder bekommt. Gesellschaftliche Trennung aufgrund von rassistischen Einstellungen im Zusammenhang mit Sklaverei führt zu getrennten und ungleichen Ressourcen und die vorherrschende Ansicht unter Nicht-AfrikaAmerikanern, dass die Sklaverei der Vergangenheit angehört, wird nicht in Frage gestellt. Diese Kirchen könnten ein Ort werden, an dem man die Geschichte der christlichen und besonders der biblischen Unterstützung der Sklaverei unverhüllt wahrnimmt und an dem man ernsthaft darüber nachdenkt, wie der dadurch entstandene Schaden behoben werden kann. Obwohl es schwer vorstellbar ist, was wäre, wenn die Kirchen Gespräche darüber führten, wie wir unsere tief rassistischen Einstellungen zur Sexualität neu durchdenken könnten? Was wäre, wenn Gemeindemitglieder zu Geschworenen würden, die Vergewaltigungsfälle nicht mit vorgefassten Denkschemen über schwarze und weiße Sexualität angingen? Kirchen sind doch Orte, wo Menschen über ethische Fragen sprechen. Eine kritische Bestandsaufnahme der Geschichte dieser ethischen Traditionen an sich wird nicht all unsere gegenwärtigen Probleme lösen, aber das Wissen um diese Geschichte ist die Voraussetzung, um Lösungen zu finden. (24) Siehe http://www.congregations.info/facts.html. "Die meisten rassisch gemischten Gemeinden bestehen aus Menschen mit angelsächsischem und hispanischem oder asiatischem Hintergrund." Ich hoffe, ich konnte aufzeigen, dass die christliche Unterstützung der Sklaverei von Anfang an miteinander in Konflikt stehende moralische Vorstellungen für versklavte Mädchen und Frauen mit sich brachte. Einerseits sollten sie sexuell rein sein, andrerseits sollten sie ihrem Herrn absolut gehorsam sein. Darüber hinaus hat das Leibeigentum jedoch seine besondere Logik. Der Gedanke, dass ein Mensch den Körper eines anderen besitzen kann, führt logischerweise zum Zugang zu diesem Körper. Philosophen, die sich darüber Gedanken Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers. − 18 − machten, wie der Stoiker Musonius Rufus und andere frühe Kirchenschriftsteller wie Ambrosius und Augustinus, wollten die Einrichtung der Sklaverei aufrechterhalten, gleichzeitig rieten sie aber den männlichen Sklaveneigentümern ab, Sex mit ihren Sklavinnen zu haben. Ihr Ratschlag könnte vielleicht manche Sklavenhalter davon abgehalten haben, ihre Sklavinnen in dieser Weise zu missbrauchen, aber die Logik hinter der Leibeigenschaft veränderte sich dadurch nicht. Ein einfacher Ratschlag, um Sklavenbesitzer davon abzuhalten, ihr Eigentum nach ihren Vorstellungen völlig auszubeuten, kann manche davon abhalten, dies zu tun, wird aber ohne durchsetzbare Sanktionen als Richtlinie normalerweise nicht greifen. Ich wünschte, das Christentum hätte es als eine Priorität angesehen, sich gegen den sexuellen Missbrauch von Sklaven einzusetzen. Dies war aber nicht der Fall. Tatsache ist, dass schon die Akzeptanz der Vorstellung, den Körper eines anderen Menschen besitzen zu können, die Sexualmoral formt. Wenn Sklaverei erlaubt ist, so kann die sexuelle Ausbeutung von Sklaven nicht verhindert werden, ohne dabei die Institution der Sklaverei zu unterminieren. Darüber hinaus wird dann sexueller Missbrauch jeder Art wahrscheinlich nicht hoch auf der Tagesordnung stehen. Deshalb behaupte ich, dass wir die ethischen Wertvorstellungen, die in den antiken Sklavenhalter-Gesellschaften entstanden waren und die die Bibel produzierten, nicht unhinterfragt übernehmen können. Wir müssen sie hinterfragen und kritisch beurteilen. Die Wertvorstellungen, die der Sklaverei, dem Eigentum von und der Herrschaft und Kontrolle über Menschen zugrunde liegen, können in der Sexualethik nicht akzeptiert werden. Sklaverei zerstört die Moral einer Gesellschaft und damit auch die Moral auf dem Gebiet der Sexualität. Inmitten dieser Korruption gelang es einigen Sklavinnen, ihre Menschlichkeit zu wahren und sich legal sowie auch illegal dem Sklavenregime zu widersetzen. Manchen gelang es, ein Familienleben zu schaffen und innerhalb eines sehr eng begrenzten Rahmens ethische Entscheidungen zu treffen. Die schier ausweglos erscheinenden Schwierigkeiten und Herausforderungen der Sklavinnen stehen im Herzen der Sexualethik: Wie Menschlichkeit aufrechterhalten, wenn man dominiert wird, wie ethische Entscheidungen treffen, wenn man von absoluter moralischer Korruption umgeben ist? Wie eine persönliche Beziehung mit dem Göttlichen leben, während man selbst als Untermensch behandelt wird? - Das heißt: Glauben haben. Dies ist ein sehr guter Ausgangspunkt für eine feministische Sexualethik. Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.