Seminar Sportmedienpsychologie Dozent: J. Hagenah M.A. Referent: Andreas Einbock 12.06.2002 Darstellung und Wirkung des Sports in den Medien II - Gewalt im Mediensport Einführung: - In heutigen Gesellschaft, in der nur Sieg zählt, spielt Vermittlungs- und Informationsfunktion der Medien gerade bei Gewaltdarstellung eine spezielle Rolle - Ist Darstellung von Gewalt im Sport gewaltfördernd, gewaltmindernd oder übt sie keinen nennenswerten Einfluss aus? - Also wie wird Gewalt im und beim Sport in den Medien dargestellt und welche Folgen hat die Darstellung dieser Gewalt bei den Rezipienten? Hypothesen zu Auswirkungen von Gewaltdarstellungen in den Medien: => zwei entgegengesetzte Positionen: 1. Katharsis-Hypothese und Inhibitions-Hypothese: reinigende Wirkung medial vermittelter Gewalt, Gewaltbereitschaft nimmt ab; Gewaltdarstellungen rufen Aggressionsangst hervor; kann empirisch nicht belegt werden; trotzdem kann Gewaltdarstellungen in Medien Effekt im Sinne von Ablenkung, Flucht aus den Ängsten und Zwängen des Alltags haben 2. Stimulations-Hypothese und Habitualisierungs-Hypothese: gegen-kathartischen Effekte; ständiger Konsum von Fernsehgewalt bewirkt Minderung der Sensibilität gegenüber Gewalt; Gewalt als normales und legitimes Alltagsverhalten angesehen und toleriert; bislang nicht empirisch belegt werden 3. Hypothese der Wirkungslosigkeit: Fernsehgewalt sei für Entstehung realer Gewalt bedeutungslos; (mono-) kausale Abhängigkeit von Gewaltdarstellungen in Medien kann nicht eindeutig festgestellt werden - Heute gewisse Annäherung beider Extrempositionen, sozial-schädliche Effekte wahrscheinlicher Gutachten „Darstellung von Gewalt im Sport in den Medien und ihre Auswirkungen“ (Erwin Hahn, Gunter A. Pilz, Hans J. Stollwerk, Kurt Weis): - 1978 auf Empfehlung des Bundesministers des Innern beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Köln Projektgruppe „Sport und Gewalt“ eingerichtet – u. a. Phänomen der Gewaltdarstellung in der Sportberichterstattung untersucht - legten 1981 Gutachten Europäischer Sportkonferenz vor - Neuen Diskussionsstoff lieferte die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion mit 39 Toten (1985) - 1985 Diskussion im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, bei der gesicherte Erkenntnisse über die Auswirkungen von Berichterstattung auf gewalttätiges Handeln von Fans gefordert wurden =>Diverse Teilaufträge verteilt Die Rolle der Printmedien bei der Gewaltdarstellung im Sport (Studie an 73 Arbeiten): 1. Sportler: kein Einfluss durch Medien, eher Professionalisierung und Kommerzialisierung 2. Sportler/Zuschauer: deutlicher Medieneinfluss, gefährliche Manipulationsinstrumente aufgrund ihrer allmächtigen Funktion und würde demzufolge Verhalten maßgeblich beeinflussen, vermittelte Vorbildwirkung der Sportleridole führt zu Feindgruppendenken z. B.: Militärische Fachterminologie („Deutsche Panzer rollten Saudis nieder“, „Der Bomber der Nation“), umgangssprachliche Gewaltbegriffe und Formulierungen aus der Vulgärsprache gehören zum vielgenutzten Repertoire der Sportberichterstattung 3. Zuschauer: deutlicher Medieneinfluss, in Medien geschilderte oder auch im vorhinein warnend befürchtete Ausschreitungen von Zuschauern können Aufforderungscharakter haben =>Fazit: Gewalt im und beim Sport wird verfälscht nicht der Wahrheit entsprechend dargestellt; einzelnen Akten von Gewalt werde übertriebene Aufmerksamkeit gewidmet Darstellung von Gewalt im Sport in den audiovisuellen Medien und ihre Auswirkungen Allgemein: Gewalt im Sport ist in Medien willkommenes Ereignis im Interesse optimaler Dramaturgie der Sportberichterstattung; überwiegend unterhaltenden Charakter, der durch Sprache (gewaltverherrlichende oder -verharmlosende Sprache) und Bildregie (Zeitlupenwiederholungen, Nahaufnahmen von Gewalthandlungen) und durch selektive Auswahl von Sportarten/Sportereignissen, über die berichtet wird, zusätzlich verstärkt wird - Regelverletzungen, werden durch Berichterstattung (Kommentar) medial verstärkend legimitiert=> gefährlich vor allem bei Jugendlichen, die durch Lernen am Modell und durch Vermittlung des Sports durch reines sportmediales Bild, selbst Handlungen anwenden Empirisches Pilotprojekt zur Darstellung von Gewalt im Sport in den Medien und ihre Auswirkungen - Analyse der Sportberichterstattung in drei Medien (Fernsehen, Rundfunk und Printmedien) vom 22. 11. bis 24. 12. 1985, Standard- und Sondersportsendungen von ARD, ZDF, WDR III, sowie der Sportblock innerhalb der Nachrichtensendung APF-Blick (SAT 1.) =>Ergebnisse: 1. Alltäglich wird in der Sportberichterstattung aggressiveres Verhalten gegenüber Gegnern gefordert, speziell in Hörfunk- und Fernsehreportagen und -kommentaren im Fußball, damit wird Basis für „Gewalt“ geschaffen wird bzw. sogar „Gewalt“ gefordert wird =>Doppelmoral und Heuchelei gehören bei der Darstellung von „Sport und Gewalt in den Medien“ zu den alltäglichen Charakteristika in der Sportberichterstattung 2. Tendenzen, Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zwischen Beteiligten der Sportszene, etwa zwischen Athleten, Trainern und Funktionären zum gravierenden Krach, zum Skandal oder Eklat hochzustilisieren => praktisches Beispiel: Innerhalb eines informellen Normensystems im Sport werden selbst „härteren“ Fouls kaum größere Aufmerksamkeit geschenkt, anders wenn Foul Folgen in Form einer besonders schweren Verletzung oder wenn das „Opfer“ ein bekannter Sportler ist. Mit Bekanntheitsgrad des betroffenen Sportlers und steigender Verletzungsintensität steigt Aufmerksamkeitszuwendung der Medien und „Empörung“ mit der der Sportler, der das Foul verursacht hat zum Bösewicht hochstilisiert wird, z. B. argentinischer Abwehrspieler foulte englischen Superstar David Beckham 3. Zunehmend werden Grenzen zwischen Fairness und Unfairness verschoben, teilweise stillschweigend akzeptiert, teilweise verständnisvoll bis wohlwollend durch Sportberichterstatter aller Medien kommentiert 4. Vielfaches Überschreiten oder Missachten des sportlichen Regelwerks allein ist für sie noch kein Indiz für „Unfairness“ - gelegentlich werden sogar unfaire Verhaltensweisen (Beispiel: „ElfmeterSchinden“ im Fußball) positiv bewertet und geradezu bewundernd als „Cleverness“ bezeichnet Zusammenfassung – Diskussion - Intensive, längerfristige Analysen der gesamten Sportberichterstattung dringend nötig - Presseseminare und Fortbildungsveranstaltungen für Sportjournalisten durchführen, wissenschaftlichen Sichtweise ihrer Handelns betrachten - Rückgriff auf Herausstellen von Gewalthandlungen im Interesse der Dramaturgie der Sportberichterstattung muss unterbleiben oder in adäquate Darstellung einbezogen werden - Gedanken des Fairplay ist mehr Rechnung zu tragen - Journalisten müssen in ihrer Verantwortung bezüglich der Informationsmoral bestärkt werden und sich des Konflikts zwischen Informationspflicht und Informationsmoral verstärkt bewusst werden => z. B. sachgerechtere Berichterstattung über Fußball-Fans (z. B. „Randale in Moskau nach WMSpiel) Diskussionsansatz: Soll die Sportberichterstattung weiterhin mehr die Spiegelung der Realität erfüllen oder sich mehr seiner bewertenden und beurteilenden Aufgabe widmen? Literatur: Hahn, E., Pilz, G. A., Sollwerk, H.J. & Weis, K. (1988). Fanverhalten, Massenmedien und Gewalt im Sport. Schriftreihen des Bundesinstitutes für Sportwissenschaften. 1. Aufl.. Schorndorf: Hofmann. Lenk, H. & Pilz, G. A. (1989). Das Prinzip Fairneß. Zürich: Edition Interfrom. Osnabrück. Pilz, G. A. (1983). Sportjournalismus – oder die Unfähigkeit zur kritischen Distanz. In Mentz, S. (Hrsg.), Die Sportberichterstattung im Siegel der Öffentlichkeit (S. 57-83). Loccumer Protokoll 14/1983, Loccum. Volkmar, M. (1981). Der Einfluß der Sportberichterstattung auf Sportler und Zuschauer. In Binnewies, H. (Red.). Sport und Massenmedien (S. 1729). Ahrensburg. Volkmar, M. (1982). Der Einfluß der Sportberichterstattung auf Sportler und Zuschauer. In Pilz, G. A. (Hrsg.). Sport und körperliche Gewalt (S. 9399). Reinbek, 2. Aufl. 1986.