1 Was ist und was soll Ethik heute? Ist "Ethik" wirklich Luxus ? Rainer Born 0. Zeitdiagnosen, Motivationen, Fragen, Probleme In einer Zeit der grellen "Sinnkrisen", auf die viele Menschen mit einer Flucht in die Esoterik reagieren (zumindest in ihrer Freizeit und zum Ausgleich und zur Beruhigung ihres angeschlagenen Seelenfriedens1) , gleichzeitig nach radikaler Selbstverwirklichung verlangen und einem übersteigerten Egozentrismus huldigen, einer Zeit der Skandale in Wirtschaft und Politik -- taucht immer wieder der Ruf nach Ethik und Moral auf -- wobei nie genau gesagt wird, was man darunter versteht, was man sich davon erwartet und wie man das alles meint. Im allgemeinen ist es ein Ruf nach Regeln, an die sich2 vorwiegend die jeweils anderen halten sollen. Man verlangt u. a. , dass Ethik verstärkt unterrichtet wird, man spricht von Ethikkommissionen in der Medizin und in der Biologie (Genethik), man bedauert, dass DER "Markt" keine Ethik zuläßt [Ethik in der Wirtschaft ist Luxus !] und man ist zufrieden, dass man nach einem Selbsterfahrungswochenende gestärkt am Montag so weitermachen kann wie bisher -- solange man nicht selbst von irgendwelchen Maßnahmen im öffentlichen Leben betroffen ist. Zumindest beschreibt das die „Stimmung“ im statistischen Durchschnitt. Ethik gilt in der Wirtschaft solange als unwichtig, als sie keinen Wettbewerbsvorteil am Markt bringt3. Denn in Zeiten der Not (Zeiten die man als solche deklariert und dann auch so empfindet) ist schließlich das Hemd näher als der Rock, ist man vor allem sich selbst immer der Nächste. Andererseits kann man aber auch beobachten, dass gerade in Zeiten echter Not, (zumindestens tendenziell) wesentlich mehr Hilfsbereitschaft vorhanden ist als sonst. Man braucht (im ) Es geht mir hier nicht um zynische Formulierungen sondern um die Sorge und das Bewußtmachen vorhandener Entwicklungen 2 ) Nach dem Floriani-Prinzip 3 ) Im Umweltbereich ist das manchmal durchaus schon der Fall, auch wenn die Tendenz rückläufig ist. 1 2 Kernbereich des vertrauten täglichen Lebens) Nachbarschafts-Hilfe i. a. nicht zu begründen, man handelt gefühlsmäßig (und richtig)! Je weiter wir uns aber von einem solchen mittleren Alltags-Lebensbereich entfernt haben, aus welchen Gründen auch immer, um so unsicherer werden wir, um so eher brauchen wir Argumente/Gründe, um jemanden davon zu überzeugen (oder gar dazu zu überreden), dass es "gut" sei, irgendeine bestimmte Aktion zu unterstützen -- und zwar auch dann, wenn man nicht unmittelbar davon profitiert --, dass es "gut" und wichtig sei, einem Verletzten erste Hilfe zu leisten und die Rettung zu verständigen (auch wenn man wichtige Termine hat)4. Natürlich können wir (nicht nur) in unserem eigenen Kulturkreis so etwas wie ein unbewußtes ethisches Grundempfinden, gewisse ethische Grund-Intuitionen, voraussetzen. Wenn wir uns aber auf diese Grund-Intuitionen berufen wollen, z.B. um jemandem die Konsequenzen irgendeiner Handlung klar zu machen, dann erinnern wir sie/ihn an die Verantwortung für diese Konsequenzen. Dabei entdeckt man leicht, dass es gar nicht so einfach ist, dies durchzusetzen. Man kann allzu leicht Ausflüchte finden und scheint gar nicht so ohne weiteres verpflichtet zu sein , genau das zu tun , von dem wir selbst der Ansicht sind (oder zumindestens das Gefühl haben), dass es jeder mit einem gesunden moralischen Verständnis5 als selbstverständlich empfindet und entsprechend handelt. (Wir empfinden einen gewissen Zustimmungszwang bei der Begründung unserer Handlungen und glauben, dass das auch für andere gilt!) Aber folgt daraus, dass es in der Ethik keinerlei Objektivität gibt? Nein, keinesfalls ! Die Objektivität als solche liegt nicht unmittelbar auf der Hand. Wir können ethische Behauptungen (z.B. Gebote, “Du sollst dies und jenes tun oder auch nicht”) i. a. nicht (unmittelbar) experimentell überprüfen. Die Nachvollziehbarkeit / Nachhaltigkeit ethischer Einsichten/Begründungen/Rechtfertigungen entspricht in ihrem Typus gelegentlich eher mathematischen Behauptungen6, nur dass diese den Anspruch auf ) Wesentlich ist hier, daß Sanktionen oder Gesetze nicht ausreichen. Man muß auch vom Sinn einer Sache überzeugt sein. 5 ) Man spricht gerne vom gesunden Volksempfinden, das dann politisch mißbraucht werden kann, wie wir aus leidvoller jüngster Vergangenheit wissen. Das sollte uns also vorsichtig machen ! 6 ) Schon Platon war der Meinung, dass es so ähnlich wie zu den geometrischen Figuren im heute so genannten "platonischen" Himmel auch die ethischen "Ideen" in diesem Himmel geben müsse. 4 3 “Allgemeingültigkeit” erheben, während man in der Ethik eher von einer “Allgemeinverbindlichkeit” sprechen sollte. Diese kann dadurch eingelöst werden, dass man davon ausgeht, dass jeder Mensch aufgrund seiner Erkenntnisfähigkeit zu denselben ethischen Einsichten gelangen können muss (woraus aber eben leider doch nicht folgt, dass sie dann tatsächlich entsprechend handeln oder handeln müssen). Aber ein Mensch gilt zumindest als für seine Handlungen verantwortlich (!) -- was immer das im Einzelfall auch an Komplikationen bedeuten mag. Ethik/moralisches Handeln Nachschlagewerk mit betrifft vor allem Einzelfälle! Dennoch ist “die” Ethik kein Problemlösungen für Einzelfälle. Die damit verbundene Erwartungshaltung ist ein generelles Mißverständnis vom Funktionieren und der Rolle von Wissenschaft überhaupt. Aber das ist das Thema der nachfolgenden Überlegungen. Zunächst möchte ich nur auf ein paar Probleme aufmerksam machen und aufzeigen, welches Vorverständnis von Ethik eine Rolle spielt, welche falschen Erwartungen man hat und welche Probleme man genaugenommen mit Hilfe von Ethik lösen möchte. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass man gelegentlich versucht, Ethik zur Gewissensberuhigung einzusetzen! Gemeint ist, dass man ethisch gefällige Handlungen setzt, um sich von anderen Sünden „freizukaufen“. Man kauft Ethikpunkte, so wie früher beim Ablasshandel oder heute versuchsweise bei den Ökopunkten, weil ja alles nur über ökonomische Anreize gesteuert werden kann und muss, weil man -- wie oben angedeutet, die Funktionsweise wissenschaftlicher Theorien und Erkenntnisse in bezug auf deren Umsetzung grundlegend mißverstanden hat. Ethik betrifft sicherlich auch unseren Umgang mit Wissen. Letzteres setzt voraus, dass man den Prozess versteht, durch den Wissen "zustandegekommen" ist. Dazu gehört ferner, dass wir wissen, wie Wissen auf die Welt passt , und wie es "verantwortlich" eingesetzt werden kann. Wir müssen lernen, unser Wissen mit "Augenmaß" einzusetzen. Das Problem, das man in sogenannten ethischen Diskussionen allenthalben hat ist, wie man eine Person dazu bringen kann, ein ethisches Argument einzusehen und sich zu einer Handlung verpflichtet zu fühlen (nämlich weil man etwas tun soll aufgrund einer akzeptierten ethischen Voraussetzung und bereit ist danach zu handeln), dass z.B. er/sie nicht von 4 vornherein sagt, Geld ist wichtiger als die Risiken von Genmanipulationen -- der Markt für genmanipulierte Produkte darf nicht verloren gehen [- :) ] . Eine weitere, nicht unwichtige Frage in diesem Kontext ist, ob es tatsächlich etwas nütze, wenn wir mehr Ethik lernen würden, wenn wir -- absolut gesprochen -- zumindest wüßten, was "GUT" IST? Könnte man jemanden durch derartige Einsichten dazu bringen, ein Opfer auf sich zu nehmen (und sei es auch nur ein kleines, aber immerhin eines das tatsächliche Einschränkungen erfordert)? Warum sollte sie/er mir helfen, wenn keine unmittelbare Belohnung dafür winkt? Gibt es (gute) Gründe, auch ohne Belohnung "ethisch" zu handeln? Erhofft man sich insgeheim Langzeit-Vorteile7? Aber selbst dann, wenn wir rational argumentieren und einen Grund angeben könnten, z.B., dass das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht oder die Zukunft unserer eigenen Kinder, selbst dann brauchen wir vorher einen akzeptierten Wert, dass etwa die Zukunft von Kindern wichtig ist und daher Handlungen, die diesem Ziel dienen, sinnvoll sind. Dabei ist natürlich die Frage zu stellen, ob ein Zweck alle Mittel zur Erreichung eines Zieles heiligt -- eine weitere Meta-Regel. Werte (die sich in moralischen Normen niederschlagen können) dienen sicherlich zur Abschätzung und Einordnung von Handlungen, nämlich hinsichtlich der Konsequenzen für alle Betroffenen und vor allem für uns persönlich. "Werte" könnten aber auch als eine gefühlsmäßige Klassifikation aufgefaßt werden (s.u. Emotivismus). Werte8 sind also (so gesehen) Orientierungshilfen in unserem Alltag, für unsere Lebenswelt. -- Auch wenn wir gelegentlich trotz "Wegweiser" in die falsche Richtung gehen können9. Kennzeichnend ist aber sicherlich die persönliche Erfahrung, die hoffentlich schon jeder von uns gemacht hat, dass wir das Verhalten einer bestimmten Person ablehnen, zunächst einmal gefühlsmäßig, weil wir selbst in derselben Situation (nehmen wir einmal an wir hätten 7 8 ) Vielleicht im Jenseits, denn man kann ja nie wissen? Man will sich schließlich absichern! ) Diese Werte können sich aber ändern, so daß wir immer wieder neu argumentieren müssen. 5 tatsächlich dieselben Informationen) anders gehandelt hätten und beim Nachdenken darüber, warum wir die Handlung der anderen Person ablehnen draufkommen, dass Werte unserer Meinung nach verletzt sind, z.B. wenn jemand seiner Pflicht zur ersten Hilfe nicht nachgekommen ist. D. h. es entsteht ein Widerspruch zu unseren eigenen Erwartungen und Einstellungen, ein Widerspruch zu unseren Normen. Die Abschätzungen (von Konsequenzen) oder auch die Abstimmung/Verträglichkeit von Handlungen mit vorhandenen Normen (behinderte Kinder werden in manchen Ländern vorzugsweise in Normalklassen integriert: welche Einstellung ist damit verträglich?) haben sehr oft mit Langzeiteffekten (und deren Bewertung) zu tun. Und das führt zu einem weiteren ethischen Problem im Alltag: zur Wechselwirkung von Wissenschaft und Alltag. Wir verlassen uns auf die Autorität von Wissenschaft und auf sogenannte Experten. Aber ist es wirklich sinnvoll, die Beurteilung von Medikamenten nur der Kontrolle der Pharmaindustrie zu überlassen10? Welche Rolle spielen Interessen und in welcher Weise können diese unsere Sichtweisen beeinflussen, bzw. uns zu einer "Aspektblindheit" verleiten ? Die physikalische Wahrscheinlichkeit eines Unfalles in einem Atomreaktor ist sehr gering. Praktisch gesehen und im "sozialen" Umgang mit Wissen kann ein Unfall schon morgen eintreten (wie wir alle wissen). -- Auch faktische Konsequenzen müssen argumentierbar sein, allerdings nicht ethisch, sondern rational, und sie müssen nachvollziehbar sein und [ sofern es sich um durchführbare Simulations- Experimente handelt] kontrolliert reproduzierbar sein. Das bedeutet eine Art Reduzierbarkeit auf den Alltagsverstand, zumindest an der Oberfläche. Und das ist eines der heikelsten Probleme, denn man braucht sehr viel Toleranz um dem jeweils anderen zuhören zu können. Diese Toleranz ist auf beiden Seiten, in der Wissenschaft und bei den betroffenen Laien erforderlich! -- Sie darf weder dahingehend ausarten, dass nur die Experten sagen wo es lang geht, noch dass man sich in einer gewissen Alltagsarroganz darauf zurückzieht zu verlangen, dass die Erfahrungen der Wissenschaftler auf das argumentative Niveau der Boulevardpresse eines beliebigen Landes (ich denke an Tarock[-anien]) reduziert werden. Aus der Tatsache, dass etwas leicht verständlich ist folgt nicht, dass es deshalb richtig ist, noch umgekehrt, dass etwas Kompliziertes wahr ist. ) Und gelegentlich auch mit Wegweiser in die Irre. ) Verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen ist schwieriger als vorhandenes Vertrauen zu erhalten !! 9 10 6 Ethik erfordert hier eine Einstellung auch im Umgang miteinander und im Bemühen um ein lebenslanges Lernen, die man banal damit umschreiben könnte, dass man verpflichtet ist, sich sachkundig zu machen. Aber auch darüber unten mehr. Ich hoffe diese Einführung in die Problematik hat so viele Probleme aufgeworfen, dass wir nun hinreichend motiviert (oder desorientiert) sind, um uns versuchsweise auf eine Klärung der Grundpositionen in der Ethik einlassen zu können. Grundlegende ethische Position 1) Lehrbuchethik (Das Gute ist das wonach alles strebt / Aristoteles) Nach G. E. Moore (Principia Ethica: 1903) ist Ethik "die allgemeine (theoretische, m.E.) Untersuchung dessen, was gut ist" (Kap 1, §2,2). Die praktische Seite der Theorie aber ist die Moral, die das der Theorie entsprechende konkrete Verhalten von Menschen im Rahmen einer Gesellschaft auf (mehr oder minder) bewußte Normen zurückführt und dadurch erklärt (und gelegentlich auch vorhersagen kann). Was moralisch gut ist kann man spüren und je nach Begabung auch artikulieren, z.B. indem man Menschen als gut oder schlecht und deren Handlungen als richtig oder falsch beurteilt. Wesentlich ist, daß die "Sprache der Moral" nicht nur wertende Ausdrücke enthält , sondern auch das Wörtchen "sollen", also Gebote formulieren und Tugenden benennen kann. Da es aber darum geht, Argumente zur Begründung (als Ersatz für unsere gefühlsmäßigen Bewertungen) ethisch akzeptabler Handlungen zu finden, und Argumente im allgemeinen sprachlicher Natur sind, geht es zunächst darum, die Sprache der Ethik (in der sich ja unser ethisches Denken widerspiegelt) zu untersuchen, und zwar als Beziehungsgefüge von wertenden und normativen Aussagen. Diese Untersuchung(en) nennt man Meta-Ethik, da es sich um Theorien über den Status der wertenden oder normativen Aussagen unserer Sprachen handelt. Zwei dieser Theorien sollen besprochen werden (s.h. auch Tabelle unten), der Kognitivismus und der Emotivismus. Die Meta-Ethik sagt uns also noch nicht, was gut oder schlecht, richtig oder falsch ist, oder was wir tun und lassen soll(t)en. Sie spricht nur über die entsprechenden Aussagen, und das kann 7 sehr nützlich sein, wenn es darum geht uns auf Argumente einzulassen, die uns etwa davon überzeugen sollen etwas zu tun, das wir intuitiv ablehnen. A) Zusammenfassung der Meta-Ethischen Positionen Zunächst eine sehr nützliche (leicht ergänzte und z.T. verkürzte) Tabelle aus Hügli (Lexikon) etc. 8 A.1) Kognitivismus: Nach dem Kognitivismus können ethische/moralische Behauptungen wahr oder falsch sein, sie können mit einer “erfassbaren moralischen Realität/moralischen Tatsache” übereinstimmen oder auch nicht. Die absolute Gültigkeit gewisser moralischer Werte kann durch Berufung auf deren Realität und Objektivität erklärt werden. 9 Als Grundeinstellung entspricht der Realismus in der Moralphilosophie dem gesunden Menschenverstand. Es gibt unbestreitbare Freveltaten, die als solche bestehen bleiben, solange der Mensch Mensch bleibt. Es gibt so etwas wie das „Sehen moralischer Tatsachen“ ähnlich dem der mathematisch-geometrischen Axiome. Der Kognitivismus führt so zu einem Intuitionismus. Nun haben aber moralische Tatsachen auch den Charakter von Normen. Wenn Töten moralisch falsch ist, so folgt daraus (im Rahmen dieser Position), dass man nicht töten soll. Wenn also moralische Urteile Tatsachen zum Inhalt haben, so könnte daraus eine Norm abgeleitet werden. Dies führt aber zu logischen Problemen11. Man nennt es das Humesche Gesetz von der “Unableitbarkeit eines SOLLENS aus einem SEIN”, der Wahrheitsgehalt der Konklusion eines Schlusses darf nicht über den Gehalt der Prämissen hinausgehen. Das Ergebnis der Kritik am moralischen Realismus, Objektivismus und Kognitivismus ist: Wo es keine moralische Tatsachen in der Realität gibt, da gibt es auch keine objektiven moralischen Tatsachen usw. A.2) Emotivismus: Nach Hume dienen daher moralische Behauptungen letztlich nur dazu, unsere Gefühle zu beschreiben. -- Wir können aber widersprüchliche moralische Urteile fällen und uns sogar darüber streiten. Andererseits aber können sich Gefühle nicht im logischen Sinne widersprechen. Damit wird aber der Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit ethischer/moralischer Behauptungen schwierig. Dennoch muss man dem Emotivismus zugute halten, dass er vor allem die handlungsanleitende Funktion moralischer Behauptungen hervorhebt, was moralische Argumentationen gegenüber rein beschreibenden auszeichnet. A.3) Institutionalismus: In seinen “Philosophischen Grundbegriffen”12 betont Ferber als dritte Möglichkeit den “Institutionalismus”. ) Erstmals ausgearbeitet von David Hume in seinem “Traktat über die menschliche Natur”. )Rafael Ferber: Philosophische Grundbegriffe (Eine Einführung), München 1994, pp. 135. Ferber geht von zwei Forderungen aus, die an eine meta-ethische Theorie gestellt werden müssen/können: a)Sie muss einmal dem kognitiven und objektiven Moment moralischer Basispropositionen und der realistischen Sprache der Moral Rechnung tragen. b)Sie muss gleichzeitig auch dem emotiven und subjektiven Moment moralischer Basispropositionen gerecht werden, das im Empfehlen oder Verurteilen besteht, so dass aus moralischen Basispropositionen Normen abgeleitet werden können. Das führt zu folgenden Problemen: 11 12 10 Nach Ferber (p 135) lassen sich moralische Behauptungen, wie z.B. “Es ist richtig , einen Verblutenden zu verbinden, dagegen falsch, ihn verbluten zu lassen”, als die Beschreibung von INSTITUTIONELLEN Tatsachen auffassen. Danach ist dann “Moral weder etwas nur Objektives noch etwas nur Subjektives, sondern wesentlich etwas Soziales, nämlich eine vom Menschen gemachte Institution” (p 136). Es gibt so etwas wie institutionelle Tatsachen, auf die Ronald Searle in seiner Theorie der Sprechakte/speachacts hingewiesen hat. Wenn moralische Tatsachen institutioneller Natur sind, so kann man von der “Existenz moralischer Tatsachen” sprechen, “ohne gegen Humes Gesetz von der Unableitbarkeit des Sollens aus dem Sein zu verstoßen” (p 139). Dadurch kann erklärt werden, dass 1) moralische Tatsachen objektiv und zugleich verallgemeinerungsfähig sind und 2) dass sie ein subjektives Element enthalten und aus ihnen Normen ableitbar sind. Wichtig ist noch, dass nicht alle institutionellen Tatsachen, die moralischer Natur sind, auch rechtlich sanktioniert sind und umgekehrt, wie die Problematik der Euthanasie im Dritten Reich zeigen kann13. Im Rahmen von Institutionen ist es besser zu verstehen, dass Moral die ausschließliche Verfolgung der eigenen Interessen einschränkt, indem sie nämlich auch die Interessen anderer zu berücksichtigen gebietet. Moral kann dann sogar Forderungen an mich stellen, die über die Verfolgung der eigenen Interessen hinausgeht. (p 141) B) Positionen in der Normativen Ethik: In der normativen Ethik geht es darum, das jeweils unbewußte ethische Wissen bewußt zu machen. Das Kernproblem aber ist, Gründe anzugeben, warum man auch ohne Lohn (oder soziale Sanktionen in Institutionen) moralisch sein bzw. handeln soll. i) Wenn moralische Behauptungen kognitiv sind, also eine objektive Komponente enthalten, dann sind sie zwar verallgemeinerungsfähig , man kann aber keine Normen aus ihnen ableiten. ij) Wenn moralische Behauptungen emotiv sind, also eine subjektive Komponente enthalten, dann kann man zwar Normen aus ihnen ableiten, aber diese sind nicht notwendig verallgemeinerungsfähig. 13 )Ferber, loc. cit. p 140: “So war z.B. das durch ein geheimes Ermächtigungsschreiben von Hitler in Kraft gesetzte Recht, gewisse geistig behinderte und kranke Menschen zu euthanasieren, sicher nicht moralischer Natur. Wer so etwas getan hat geriet zwar zur Zeit des Nationalsozialismus nicht mir dem Gesetz in Konflikt. Er wurde aber wohl von den meisten seiner Mitmenschen missachtet, und nach dem Ende des Nationalsozialismus auch mit dem Arm des Gesetzes zu erfassen versucht.” 11 B.1) Teleologische Ethik/Utilitarismus -- Das Gute als Nutzen Eine der einflußreichsten Positionen in der neueren Ethik ist der auf John Stuart Mill zurückgehende Utilitarismus. Bekannt ist die Formel “Gut ist das, was der größtmöglichen Zahl von Menschen nützt bzw. ihnen das größtmögliche Glück bringt”. - “Das Gute ist das, wonach jeder Mensch strebt.” 12 Etwas banaler kann man sagen: Jederman wünscht sich etwas Wünschenswertes. Damit ist klar, das die Grundlage des Utilitarismus keine empirische Hypothese ist, die durch Erfahrung falsifiziert werden könnte. Was “moralisch gut” ist, ist somit kein reales Prädikat und hat keine reale Existenz, sondern wird durch “semantische Regeln” festgelegt. Erst durch solche Regeln wird festgelegt, “inwiefern eine reale Tatsache, die das Glück, die Lust oder den Nutzen befördert, auch moralisch gut ist”. (Ferber: p 153) Dadurch wird der unbedingte Charakter des moralischen Sollens relativiert. Das “größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl” ist in Anlehnung an Kant ein “Ideal der Einbildungskraft”. B.2) Deontologische Ethik/Kant -- Das Gute als Regel Nach Kant wird das, was moralisch gut ist erst durch Regeln gesagt. Die Hauptregel ist die Verallgemeinerung, die Kant als “kategorischen Imperativ” formuliert hat: “HANDLE NUR NACH DERJENIGEN MAXIME, DURCH DIE DU ZUGLEICH WOLLEN KANNST, DASS SIE EIN ALLGEMEINES GESETZ WERDE”14 Der kategorische Imperativ gebietet, nur nach solchen subjektiven Grundsätzen zu handeln, die verallgemeinerungsfähig sind, d. h. dass jeder andere ihn sich auch zu eigen machen kann. D. h. Ziel ist die Intersubjektivität. Beispielsweise ist die Nichtdiskriminierung von Menschen aufgrund von Rasse oder Geschlecht deshalb richtig, weil sie als institutionelle Tatsache verallgemeinerungsfähig ist, was für das Gegenteil nicht gilt. Man nennt die Kantische Position deontologisch, weil uns die aufgrund der Verallgemeinerungsregel erkannten Gebote zu etwas verpflichten, und zwar unabhängig von etwaigen nützlichen Folgen, welche diese Gebote haben können. Dies gilt auch für das Hauptgebot, der Verpflichtung zur Verallgemeinerung selbst. 14 ) Immanuel Kant: Grundlegung der Metaphysik der Sitten. Riga 1785 (2. Abschnitt, p 421) 13 John Stuart Mill reagiert auf Kant folgendermaßen: “Um Kants Prinzip eine Bedeutung zu geben, muss der ihm gegebene Sinn der sein, dass wir unser Verhalten durch eine Regel gestalten sollen, die alle vernünftigen Wesen zum Nutzen ihres allgemeinen Interesses annehmen können”.15 Für beide Positionen, die utilitaristische und die deontologische gilt, dass sie sich von einem Vorverständnis “des Guten” leiten lassen, das auch die Folgen in Erwägung zieht. Beide bezwecken nützliche Folgen nicht nur für den jeweils einzelnen , sondern auch für alle anderen Menschen. Aus der Verallgemeinerungsregel kann man folgende Faustregel gewinnen (Ferber p 161), die auch für unsere Zwecke geeignet erscheint: Diejenigen institutionellen Tatsachen sind moralisch richtig bzw. gut, welche die Lebensinteressen anderer Menschen betreffen, und die sich grundsätzlich jedermann zu eigen machen kann, ohne damit etwas zu wollen, das er bzw. sie nicht wollen können. Diejenigen institutionellen Tatsachen aber sind moralisch falsch bzw. schlecht, welche die Lebensinteressen anderer Menschen betreffen und die sich nicht jedermann zu eigen machen kann, da er dadurch etwas wollen müßte, was er nicht wollen kann. 2. Nach uns die Zukunft - Gedanken zum Ausklang Hilary Putnam hat in seinem Buch “Renewing Philosophy16” eine sehr schöne Bemerkung gemacht: ) John Stuart Mill: Utilitarianism. London 1861/63 (Kap. 5, pp. 78 -79) ) Cf. Hilary Putnam: Renewing Philosophy, Cambridge 1992. pp. 194 [Sehr freie Übersetzung:] Jemand, der nur dann handelt, wenn die geschätzten Nützlichkeitswerte günstig sind, lebt kein sinnvolles MENSCHLICHES Leben (m H). Selbst wenn ich mich für etwas entscheide, dessen ethischer und sozialer Wert völlig außer Zweifel steht, etwa mein Leben dem Wohlbefinden der Sterbenden zu widmen, den geistig Behinderten zu helfen, die Kranken zu heilen, oder die Armut zu lindern, selbst dann habe ich nicht zu entscheiden, ob es gut ist, dass irgend jemand 15 16 14 “Someone who acts only when the ‘estimated utilities‘ are favourable does not live a meaningful HUMAN life (m. H.) Even if I choose to do something of whose ethical and social value there is absolutely no doubt, say to devote my life to comforting the dying, or helping the mentally ill, or curing the sick, or relieving poverty, I still have to decide not whether it is good that someone should do that thing, but whether it is good that I Hilary Putnam, do that thing. The answer to that question cannot be a matter of well-established scientific fact, in however generous a sense of “scientific”. [Übersetzung in der Fußnote; Zitat p194] 3. Umgang mit ethischen Argumentationen- noch ein paar allgemeine Schlußgedanken zu einem konkreten Beispiel (angewandte Wissenschaftsethik oder Ethik heute) Könnte man argumentieren, dass man behinderten Kindern und deren Familien helfen "muss" ? Dass man dazu verpflichtet ist (im Sinne der Erkenntnis/Anerkennung dieser Pflicht als einer moralischen Tatsache!)? Welche argumentativen Dimensionen sollte/könnte man beachten ? Im folgenden diskutiere ich aber nur die “Struktur” von Argumenten, da die eigentlichen konkreten Fakten jeweils situationsbezogen eingesetzt werden müssen, was einerseits historische Änderungen zulässt, andererseits aber -- positiv gewendet -- Offenheit und Flexibilität hinsichtlich möglicher Lösungen garantiert, sofern man ein solches Ziel vor Augen hat. Es geht somit immer um das Verhältnis von verallgemeinerungsfähigen Behauptungen und individueller Betroffenheit, und zwar durch Aufdeckung von Handlungskonsequenzen. Daraus ergeben sich zwei Fehlermöglichkeiten, nämlich unerwünschte Ereignisse, für deren Eintreten wir eine Person als verantwortlich erachten: 1. empirisch/logische Problematik: Ein Verursacher kann den Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Ereignis als Konsequenz dieser Handlung weder empirisch noch logisch erkennen. 2. ethische Problematik: Ein Verursacher erkennt zwar kausale und logische Zusammenhänge für das Eintreten eines Ereignisses, hat aber kein ethisches Empfinden für die Beurteilung dieses Ereignisses, solange es ihm selbst nicht schadet. das tun sollte, sondern ob es gut ist, dass ich, Hilary Putnam, das tue. Die Antwort auf diese Frage kann keine Angelegenheit wohletablierter wissenschaftlicher Fakten sein, auch wenn man 15 Friedrich Nietzsche hat dies einmal sehr gut auf den Punkt gebracht: "Das habe ich getan sagt mein Gedächtnis - das kann ich nicht getan haben sagt mein Stolz...und bleibt unerbittlich!" (Graphik) Es gibt also zwei " Knöpfe" an denen wir drehen können, um negative Konsequenzen von Handlungen zu vermeiden: Einsicht in Kausalität und Logik, Einsicht in ethische und moralische Grundsätze. Die beiden genannten Komponenten können zwar isoliert analysiert werden, müssen jedoch in der Handlungspraxis beide berücksichtigt werden. Nur eine ausgewogene "Bildung" in beiden Bereichen kann das Überleben der Menschheit (sofern das, ethisch gesehen, erwünscht ist) garantieren! 3.1 Kontrafaktische Argumentationen: Was wäre wenn ? Dies kann zu einem “reductio ad absurdum”-Argument benutzt werden, indem man aufzeigt, was daraus folgt, wenn man Leben nicht schützt und Familien mit behinderten Kindern auch noch sozial und ökonomisch bestraft. Das Problem ist, dass man persönliche negative Konsequenzen aufzeigen muss, was dann empirisch gesehen nicht einfach ist, wenn jemand sich z.B. nicht vorstellen kann, dass er direkt in eine ähnliche Lage kommt, oder -- was noch schwieriger ist -- auch nicht die Analogien sehen kann, dass er/sie selbst in eine Notsituation geraten kann und Hilfe benötigt.17 Entscheidend ist, dass man aufdeckt, dass bestimmte Konsequenzen18 in Widerspruch stehen zu persönlichen Erwartungen und unter Umständen auch zu Werten (seien sie bewußt zugrundeliegend oder auch explanantorisch von uns zugrundegelegt). den Begriff “wissenschaftlich” noch so weit fasst.. 17 ) Hier spielt die Notwendigkeit herein, sich den evolutionären Erfolg der Menschheit klar zu machen, der sicherlich davon abhängt, dass wir als soziale Wesen mehr Überlebenschancen haben als andere Gruppen. Sichtbar wird dies heute theoretisch, indem man die logische Situation von “Kooperations-Spielen” (cf. Gefangenen Dilemma) analysiert und daran denkt, dass unsere Lebenssituation ein “Nicht-Nullsummenspiel” ist, was bedeutet, dass wir nicht nur auf Kosten der anderen leben können. Aber auch ein derartiges Argument muss unser Adressat einsehen können (wollen). 18 ) Voraussetzung ist, dass man diese Konsequenzen als Konsequenzen einsieht / akzeptiert, auch wenn sie einem noch so sehr gegen den Strich gehen, und man eine Aversion gegen DIE Wissenschaft hat oder gegen die Personen, die eine Begründung vorbringen. Letztlich folgt noch gar nicht, dass man auch entsprechend der aufgedeckten Konsequenz handeln muss -- es sei denn, man akzeptiert es als (wissenschafts-) ethischen Wert dies zu tun. Mißtrauen und 16 II) Realistische Argumentationen: Hier kann man Konsequenzen direkt argumentieren und dann zeigen, dass etliche u. U. nicht akzeptabel sind, bzw. in Widerspruch zu akzeptierten Werten stehen19. III) Evolutionistische Argumentationen: Hier geht es darum, dass man den Genpool der Menschheit nicht beliebig manipulieren soll, vor allem wenn man die Konsequenzen gar nicht kennen, überschauen und beurteilen kann. IV) Wissenschaftstheoretische Argumentationen: Wir können nicht sicher sein, daß unsere Theorien 100%-ig wahr sind und sollten daher zumindestens vorsichtig sein bei der sozialen/praktischen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse20. V) Problem der Sachzwänge: In der Wirtschaft hört man sehr oft das Argument, dass man ja gerne ethisch handeln möchte aber nicht kann, der Markt sei einfach zu brutal, die ökonomischen Sachzwänge würden nicht gestatten, anders zu handeln. Hier sollte man vielleicht explizit auf John Maynard Keynes verweisen, der sich den Sachzwängen der theoretischen Ökonomie nicht unterworfen hat, sondern aus ethischen Motiven heraus neue Sachlösungen gefunden hat. schlechte Erfahrungen (aber auch eine Gauner-Mentalität) können dazu führen, dass man entgegen der Rationalität handelt. Gelegentlich hat man damit auch recht (und man sollte sich auf alle Fälle die Option dafür offen halten, aber dann die Verantwortung dafür übernehmen). Man muss auch berücksichtigen, dass wissenschaftliche Ergebnisse zu interpretieren sind, und nicht notwendig unmittelbare Handlungsanweisungen für den Umgang mit Realität darstellen. Man sollte (aber das ist ein Thema der Wissenschafts-Ethik) immer auch versuchen zu verstehen, wie wissenschaftliche Ergebnisse zustande kommen, bzw. auf welche Weise wissenschaftliche Ergebnisse bestimmte Ausschnitte unserer Realität zu erfassen trachten. 19) Hier gilt noch in stärkerem Ausmaß die Problematik der obigen Fußnote. Ferner kann man sich klar machen, dass es in totalitären Systemen ein guter Trick ist, das Bildungssystem so anzulegen, dass man für bestimmte Konsequenzen blind ist. Bildung für Frauen wird z.B. in manchen Ländern der Dritten Welt gar nicht gerne gesehen. 20 ) Man denke nur an die katastrophalen Mißverständnisse im Bereich der Atomkraftwerksdiskussionen. Der persönliche Vorteil einzelner Wissenschaftler darf nicht zum Maßstab für Forschung und Umsetzung werden. 17 Keynes war als Mitglied der Bloomsbury Group (bekanntes Mitglied war Virginia Wolfe) beeinflusst von der Ethik von George Edward Moore und hat zeitweise sehr intensiv mit Ludwig Wittgenstein zusammengearbeitet, insbesondere im Zusammenhang mit Überlegungen zum Wahrscheinlichkeitsbegriff. VI) Zeitabhängigkeit: Auch in der heutigen Zeit wissen wir nach wie vor viel zu wenig über die Nebenwirkungen der Anwendung bestimmter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Argumente können immer nur den gegenwärtigen Wissensstand der Menschheit berücksichtigen und dann Handlungen sanktionieren, die früher undenkbar gewesen wären, wie etwa Herztransplantationen, die gegenwärtig den Gehirntod zum Maßstab für die Entnahme eines Herzens nehmen. VII) Soziale/gesellschaftliche Argumente: Was hat die oben angesprochene Problematik für Konsequenzen für die Moral eines Volkes, für Eltern (welche Form von Brutalität kann erzeugt werden), können wir sicher sein, dass sich das ganze nicht gegen uns selbst wendet -- ? Wie steht es um den Generationenvertrag ? -Wie muss man im Alltag argumentieren ? Darf man davon ausgehen, dass ein Argument zur Durchsetzung einer Meinung denselben Status hat wie das Argument zur Begründung ? Darf man Sachprobleme nur mit Rhetorik lösen? Lässt sich wirklich alles auf einen “universellen commonsense” reduzieren? Ich habe schon betont, dass man im Bereich der Ethik keine endgültigen Lösungen geben sollte, sonst kommt es zu sogenannten Endlösungen ! Wir würden unsere Korrekturspielräume zerstören (die Möglichkeit zu einem positiven menschlichen Augenmaß) und die Fähigkeit zur Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an neue Situationen abschwächen -- auch hierin stecken versteckte Wertungen ! 18 Ein Argument setzt sich immer nur in einer Zeit aufgrund konkret akzeptierter Normen durch. Da wir aber prinzipiell nicht sicher sein können, dass sich die Welt (durch unser eingreifen) nicht stark ändert, so dass neue Erkenntnisse für unsere Handlungsentscheidungen relevant werden -- brauchen wir auch im Rahmen ethischer Entscheidungen so etwas wie einen Korrekturspielraum, mit dessen Hilfe wir uns auf Veränderungen einstellen und vorbereiten können. Im Falle einer konkreten Handlung nimmt mir trotzdem niemand meine Verantwortung 21 ab. -Dazu brauchen wir Mut, viel Mut, um uns mit unseren Meinungen (in einer tolerant geführten Diskussion) zu behaupten! Ethik ist also gerade “in Zeiten wie diesen” keinesfalls Luxus, sondern eine notwendige Voraussetzung für das Überleben der Menschheit (sofern man das will) (und zwar das Überleben ALS Menschheit). Ethik kann Menschen dazu anregen sich auf ihr Mensch-Sein zu besinnen und dadurch ihrem Leben einen “menschlichen” Sinn zu geben22. ) >>Selbst wenn ich Scharfrichter bin und ein Gesetz realisiere und ein Todesurteil vollstrecke, selbst dann bin ich zwar (von außen gesehen) außer Obligo, aber meine Tat muss ich letztlich selbst verantworten und ich muss auch dafür geradestehen. Die individuelle 21 Einsicht ist hier entscheidend, und sie ist es, die mich zum Menschen macht und mich persönlich verantwortlich macht, eine Verantwortlichkeit als Individuum, aus der mich niemand wirklich entlassen kann. Das ändert praktisch nichts daran, dass ich unter sozialen Druck geraten kann, und dass es die Nürnberger Prozesse ohne den Sieg der Alliierten gar nicht gegeben hätte. Ethik muss hier als Korrektiv fungieren, so wie die Logik im Bereich des Argumentierens. Ich erinnere nochmals an das obige Zitat von Hilary Putnam. Die Spannung zwischen individuellem, persönlichem Wissen und Allgemeinwissen bleibt bestehen !!! 22 ) In diesem Fall ist es möglich “auch ohne Belohnung” ethisch und (wohl-) überlegt zu handeln!