STIGMA DER KOLLEKTIVEN SCHULD Mit besonderem Interesse habe ich in der Zeitschrift „Danas“ die Polemik über das Schicksal der jugoslawischen Deutschen – der Volksdeutschen, nach dem Weltkrieg, mitverfolgt. Aus der Polemik ist es eindeutig klar, dass es an der Zeit ist über dieses so lange gehaltene Tabuthema zu sprechen. Ich dachte das es an der Zeit ist, nach 58 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, ohne übertriebene Angst, die Fakten verdunkeln könnten, über das Verhältnis der Sieger und Besiegten, des Rechts und Unrechts und natürlich über die Sinnlosigkeit der Kollektivschuld zu sprechen. Ich habe zu naiv daran geglaubt, dass wir dazu bereit wären uns den Fakten die uns persönlich angehen, zu stellen. Doch auch in dieser Polemik sieht man teilweise die Meinung, auch wenn sehr verdeckt, das die Volksdeutschen es verdient haben, was über sie kam. Ich glaube zutiefst daran, dass jede Tat moralisch verboten ist, aber auch dass die begangene Tat an der angegriffenen Seite ihnen nicht das Recht gibt eine neue Tat auszuüben. Polemiker bedienten sich meistens ihrer eigenen Forschungsresultate und nur teilweise der Forschungsresultate der jugoslawischen Wissenschaft. Es ist Fakt das es keine jugoslawischen Forschungsresultate gibt, wenn es um das Schicksal der Volksdeutschen geht und das es meistens keine Archive darüber gibt oder diese immer noch für Untersuchungen geschlossen sind. Der „Staat“ zeigte kein Interesse daran diese Materie durch das Institut für Geschichtsforschung in seiner Bedeutung zu erleuchten. Es gibt selbst nach fast 60 Jahren, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, keine aufgearbeiteten Themen in den Geschichtsbüchern, die objektiv von den ersten Nachkriegsjahren handeln und die das Schicksal der Volksdeutschen, Bürger Jugoslawiens, während dieser Jahre zeigen. Noch immer durchzieht es sich in den Geschichtsbüchern in den Zwischenreihen, dass nur ein toter Deutscher ein guter Deutscher ist. Warum verwendet man zur Forschung dieses Themas nicht die Archive anderer Länder, vor allem die aus Deutschland? Warum befindet sich das Archiv der OZNA (Sektion zum Schutz der Bevölkerung) immer noch unter dem Schutz des MUP (Innenministerium Serbiens) und ist der Bevölkerung nicht zugänglich. Warum ist das Archiv des Geschichtsinstituts der Armee nicht zugänglich für Forschungen? Es ist nicht zu bestreiten das die Deutsche Wehrmacht während des Krieges Straftaten an der zivilen Bevölkerung Jugoslawiens begangen hatten. Der „neue“ Deutsche Staat hat alle Schuld und Greultaten die in ihrem Namen während des Zweiten Wletkrieges begangen worden sind akzeptiert, wovon am besten die Geste der Entschuldigung von Willi Brandt zeigte. Zahlreiche Täter mussten sich verantworten und viele wurden zu Todesstrafen verurteilt, als Lektion für kommende Generationen, dass auch im Krieg keine Greultaten verübt werden dürfen. Auch wenn diese Annahme der eigenen Schuld diese Taten nicht ungeschehen machen kann, so tut es doch gut zu wissen das dieser Staat es geschafft hat die eigene Hochmut und Selbstsucht zu überwinden und der Welt zu zeigen das der Staat nicht mehr derselbe ist, das er mit „anderen Augen“ auf andere Staaten sieht und das er zusammenarbeiten und in Eintracht mit anderen leben möchte. Es hat seine Archive geöffnet und einen Einblick in dieselben für Forscher aus der ganzen Welt erlaubt. In diesen Archiven findet man auch persönliche Details zu zahlreichen Jugoslawen, die während des Krieges umgekommen waren. Man bestreitet nicht, dass Hitler für seine Kriegsplanung auch die Volksdeutschen miteinbezogen hatte. Man vergisst allerdings die Tatsache, dass Hitler diejenigen Volksdeutschen, die ihre nationalistische Aufmachung übertrieben, als Behinderung der sehr guten Beziehungen zu Königreich Jugoslawiens ansah. Auch habe die Volksdeutschen in der Formation der deutschen Armee teilgenommen, aber ihre Zahl ist unscheinbar in der Gesammtzahl der Volksdeutschen. In der SS Einheit „Prinz Eugen“ waren von 27.000 Volksdeutschen aus der Vojvodina und Rumänien lediglich 3.000 Freiwillige. Alle anderen waren unter administrativen und körperlichem Druck regrutiert worden. Man sollte nicht vergessen das Volksdeutsche – Alte, Frauen und Kinder – niemanden „versteckt“ oder an der Politik des Führers teilgenommen hatten, noch irgendwelche Taten begangen haben. Man sollte nicht vergessen das ihnen alle Rechte entzogen wurden: ihr Eigentum und ihre Staatsbürgerschaft, man könnte auch sagen ihre Menschenrechte, und das fast alle nach dem Krieg in Arbeitslager gebracht wurden. Man sollte nicht vergessen das fast 65.000 in den Lagern an Krankheit, Hunger und Kälte gestorben sind. Man sollte nicht vergessen das eine Großzahl der Volksdeutschen, die eine öffentliche Stelle besetzten (Polizei, Armee, Rathaus und Beamte) ohne Gericht, gerichtlichen Beschluss oder Verteidigungsrecht hingerichtet wurden. Man sollte nicht vergessen das „Eugenia“, dh. „das Donauische Dorf“ kein Projekt des Dritten Reiches, sondern das der sogenannten „Erneuerung“ des Deutschtums im Donau Bereich war. Dieses Projekt wurde zu Beginn verworfen, d.h. es wurde nie seitens der Deutschen Regierung ernstlich in Betracht gezogen. In Jugoslawien war 1941 gerade Mal jeder 30. ein Deutscher. Kann es denn sein das eine solch kleine Menschenmasse zum Ende des Staates geführt hatte? Die deutsche Armee hatte nur ein Jahr zuvor Frankreich besetzt und 1939 Polen. Dies wusste jeder jugoslawische Soldat und dafür waren die Volksdeutschen sicherlich nicht verantwortlich. Auch vergisst man gerne den Einfluss der jugoslawischen Komunisten, die Propaganda am wehr geeigneten Teil der Bevölkerung betrieben, damit diese nicht in die königliche Armee gingen sondern diese sabotieren sollten. Wenn man diese Fakten kennt, stellt sich einem der Beschluss ein, dass es die Absicht der neuen Kriegsregierung war die Volksdeutschen vollkommen mit dem Dritten Reich zu identifizieren um dieselbe Aktion an Frauen, Kindern und Alten druchzuführen, die sie bereits im unbarmherzigen Krieg angewendet hatten. Denn die Entscheidung über die Konfiskation des Eigentums der jugoslawischen Deutschen war bereits entschieden worden. Warum war es denn notwendig mehrere zehntausende Menschen, jugoslawische Bürger, in den Tod durch Krankheit, Kälte und Hunger zu schicken? Dies bezeugt auch die Tatsache das der ungarischen nationalen Minderheit, deren Zahl fast so groß war wie der Deutschen, nicht dasselbe Schicksal wiederfahren war, wie das der Deutschen, obwohl man weiß, dass die ungarische Honved Truppe, als sie in Baranja und in die Backa einmarschiert waren, zahlreiche Greultaten verübt hatten. Diese Minderheit hat die neue Regierung verschont, wahrscheinlich aus opportunistischen Gründen und da Deutschland vollkommen am Boden war – und die Soldaten mussten belohnt werden, dafür hatte man ja schließlich das Eigentum der deutschen nationalen Minderheit, das sehr groß war. Es stellt sich natürlich die Frage warum wurde nur in Jugoslawien mit den »Deutschen in der Diaspora« so verfahren, wenn es doch zur gleichen Zeit deutlich mehr Deutsche in Ungarn und Rumänien gab. Warum haben die Ungaren und Rumänen den Deutschen ihr Eigentum nicht konfisziert, sie vertrieben oder liquidiert? Warum kam es zu Arbeitslagern und Vertreibung nur in Jugoslawien? Warum hat nur die neue jugoslawische Regierung eine solche vernichtende Art der deutschen nationalen Gruppe angewendet? Die deutsche nationale Gruppe war in Rumänien deutlich größer und nicht weniger ernst genommen, aber dennoch kam es zu keinen Ausartungen den Deutschen gegenüber. Es ist definitiv eine Straftat, dass man sich für Hitlers Untaten an einer kleinen ethnischen Gruppe rächt. Polen, Frankreich, Dänemark, Griechenland, Norwegen und 15 Millionen Jugoslawen konnten sich Hitlers Agression nicht entziehen. Konnte dies denn eine kleine Anzahl von Menschen, die deutsche nationale Minderheit in Jugoslawien etwa? Millonen Europäer haben mit den Deutschen Anhängern zusammengearbeitet, unter ihnen Franzosen, Rumänen, Ungaren und zahlreiche Angehörige anderer Nationen und Staaten, doch niemandem von ihnen wurde das Eigentum und die persönlichen Rechte entzogen. Die Nachkriegsjahre stellten den Akzent auf die Straftaten der Deutschen Wehrmacht und es ist vollkommen normal, dass sich das Interesse auf die Felder ausbreitet, die bisher noch nicht bearbeitet und erforscht wurden. Ist das Bewusstsein der Menschen gereift um die Bedeutung des Aufrollens der Frage nach den Leiden und Taten die gegen die Volksdeutschen gerichtet waren, zu verstehen? Sind die die Menschen und die Zeit reif um im Frieden damit aufzuhören Menschen nach dem Klischee Freund/Feind zu unterscheiden? Auch wenn es noch heute ein Tabuthema ist, so kommt die Wahrheit über das Sterben mehrerer Hunderttausend Menschen, Volksdeutscher – Bürger Jugoslawiens ans Licht, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Zielscheibe der Befriediging und Rache wurden, für alles Üble das der Krieg den Menschen auf dem Gebiet des damaligen Königreichs Jugoslawiens wiederfahren ist. Die Konfiskation des Eigentums und die Vertreibung waren die leichteren Formen der Befriedigung, im Gegensatz zur Liquidation, Verschleppung in Arbeitslager oder dem Tod im Arbeitslager durch Krankheit, Hunger oder Kälte. Die Demütigung die sie als Persönlichkeiten erlebt hatten und die Verletzung der eigenen Ehre waren nur der Höhepunkt der Machtbezeugung der neuen waltenden Oligarchie, verherrlicht durch den „Besitz“ des Lebens oder durch den Tod dieser Menschen. Warum erklärt der „Staat“ durch das Geschichtsinstitut, wissenschaftlich nicht die Wahrheit über das Schicksal der Volksdeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und informiert die Öffentlichkeit nicht darüber? Warum veröffentlicht man nicht die Wahrheit über die Verschleppung in Arbeitslager, die Namen der Arbeitslager in die Menschen verschleppt wurden, die Namen der Verschleppten und die der Toten, die Daten ihrer Verschleppung und die Daten der Entlassung in die Freiheit, was mit den Freigelassenen später geschehen ist, ob sie Bürgerechte hatten oder wo sie die Toten bestattet haben?Warum veröffentlicht man nicht die Wahrheit über diejenigen die nach den Verhaftungen „verschwunden“ sind? Straftaten gegen Alte, Frauen und Kindern wurden nach dem Kriegsende verübt, als die Kriegseinwirkungen vorbei waren und als die Wehrmacht sich aus Jugoslawien bereits zurückgezogen hatten. Mit dem Rückzug der Wehrmacht, gingen mit ihnen auch doe Volksdeutschen, die an den Kriegsoperationen beteiligt waren. In Jugoslawien blieben ihre Familien: Eltern, Frauen und Kinder, die keine Taten verübt hatten und die alle Kriegsmissstände erlebten wie der Rest der zivilen Bevölkerung. Ihr einzigstes Übel bestand darin, dass sie dem Volk angehörten das Agressionen gegen Jugoslawien ausgeübt hatte. Die neue Regierung zeigte keine Bedeutung der Tatsache der großen Distanz geografisch wie auch zeitlich oder ideologisch vom Vateland. Was sie darüber denken, haben uns weder die Akademie der Wissenschaften, der Verband der Schriftsteller, der Verband der Journalisten noch die Institute zur Geschichtsforschung gesagt... Gilt hier die Devise das Schweigen Zustimmung bedeutet? Es wäre traurig wenn es so wäre. Doch die wichtigste Frage sollten wir an das Verhalten der Serbischen Orthodoxen Kirche richten. Auch wenn sie vom Staat getrennt ist, hat die serbische orthodoxe Kirche wie auch alle anderen großen »Kirchen« einen bedeutenden gesellschaftlichen Einfluss. Die meisten Bürger Jugoslawiens gehören der orthodoxen Glaubensrichtung an. Doch die serbische otrhodoxe Kirche hat nicht einmal versucht diesen wichtigen Einfluss und diese Position dazu zu verwenden ihre Stimme gegen die inhumane Behandlung dieser Menschen zu erheben. War denn der Grund für dieses Schweigen die andersweitige Glaubensrichtung der Volksdeutschen und kann man damit dieses Schweigen rechtfertigen? Wenn dieses Schweigen zur Zeit geschah wo die Religion selbst nicht gutmütig akzeptiert wurde, warum schweigt man denn heute darüber? Das Christentum ruht auf einigen Grundregeln, den Geboten Gottes, unter anderem »Du sollst nicht töten«, »Du sollst nicht stehlen«, »Du sollst keine falschen Eide ablegen« und »Begehre deines Nachbarn Besitz nicht«. Ich bin mir völlig sicher das die Beteiligten in diesen Umgang mit unseren Mitbürgeren mindestens einige gegen die Gebote Gottes verstoßen haben. Dies weiß auch die serbische orthodoxe Kirche, hat dies aber bisher noch nicht gezeigt. Unser Staat hat bisher keine Anzeichen dafür gegeben das man über die Straftaten die an den unschuldigen Bürgern deutscher Nationalität verübt worden sind, nachdenken sollte. Man könnte meinen, das dieses Verhalten gegenüber diesen Menschen auch während dem Zerfall Jugoslawiens auf Verständnis und Gutheißung stieß. Wenn man die Reaktionen der heutigen Volksdeutschen betrachtet, Verwandte derjenigen die liquidiert, verschleppt, vertrieben wurden, verlangt man nur, dass das Stigma der Kollektivschuld von ihnen genommen wird und das man die Wahrheit über das Schicksal ihrer Vorfahren, Verwandten unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt, die vollkommene und ungebeugte Wahrheit. Genauso wie man vom Sterben der Serben, Juden, Roma und Angehörigkeiten anderer Völker schreibt. Ist das zu viel verlangt? Stjepan A. Seder