Leibniz Universität Hannover Fakultät für Mathematik und Physik Prof. Dr. M. Erné, PD Dr. T. Holm 12. Mai 2009 Übungen zu Diskrete Strukturen Sommersemester 2009 Blatt 4 - Lösungshinweise 11. Beweisen Sie induktiv für die Stirling-Zahlen erster Art sn,m : n n (a) sn,n−1 = n2 , (b) sn,n−2 = n3 3n−1 , (c) s = n,n−3 4 4 2 . Lösung: Jeweils mit der Rekursionsformel aus Satz 1.15 (2) des Skripts. (a) Induktionsanfang, n = 1: s1,0 = 0 = 12 X Induktionsschritt: Nach der Induktionsvoraussetzung gilt n n+1 sn+1,n = sn,n−1 + n · sn,n = +n= 2 2 (b) Induktionsanfang, n = 2: s2,0 = 0 = 2 3·2−1 3 4 X X Induktionsschritt: Nach der Induktionsvoraussetzung und Teil (a) gilt n 3n − 1 n sn+1,n−1 = sn,n−2 + n · sn,n−1 = +n· 3 4 2 (n + 1)! n − 2 3n − 1 3n n+1 3n2 + 5n + 2 = · + = · (n − 2)! 3! n + 1 4 n+1 3 4(n + 1) n+1 3(n + 1) − 1 n+1 (n + 1)(3n + 2) = · X = · 4(n + 1) 3 4 3 (c) Induktionsanfang, n = 3: s3,0 = 0 = 3 4 3 2 X Induktionsschritt: Nach der Induktionsvoraussetzung und Teil (b) gilt n n n 3n − 1 sn+1,n−2 = sn,n−3 + n · sn,n−2 = +n 4 2 3 4 n+1 n n−1 (n − 1)(n − 2) 3n − 1 +n· · = · n+1 3(n + 1) 4 2 4 n+1 n n−1 n 3n − 1 = · +2· · 2 4 n+1 3 4(n + 1) n+1 n+1 n−3 n−1 4 3n − 1 n+1 n+1 = · + · = 2 4 n + 1 n + 1 n + 1 2(n + 1) 2 4 12. (a) Geben Sie, analog zu Beispiel 1.19 des Skripts, alle Partitionen einer 6-elementigen Menge an (Typen, Automorphismen, Anzahlen). Bestimmen Sie insbesondere die Stirling-Zahlen zweiter Art S6,m . (b) Finden Sie möglichst einfache Ausdrücke für Sn,2 und Sn,n−1 (n ∈ N). Lösung: (a) X m Partitionen Typ Automorphismen Anzahl S6,m 1 2 (∗ ∗ ∗ ∗ ∗∗) (∗)(∗ ∗ ∗ ∗ ∗) (∗∗)(∗ ∗ ∗∗) (∗ ∗ ∗)(∗ ∗ ∗) (∗)(∗)(∗ ∗ ∗∗) (∗)(∗∗)(∗ ∗ ∗) (∗∗)(∗∗)(∗∗) (∗)(∗)(∗)(∗ ∗ ∗) (∗)(∗)(∗∗)(∗∗) (∗)(∗)(∗)(∗)(∗∗) (∗)(∗)(∗)(∗)(∗)(∗) z61 z11 z51 z21 z41 z32 z12 z41 z11 z21 z31 z23 z13 z31 z12 z22 z14 z21 z16 6! 5! 2!4! 2! · (3!)2 2! · 4! 2!3! 3! · (2!)3 3! · 3! 2!2! · (2!)2 4! · 2! 6! 1 6 6 2 = 15 1 6 2 3 = 10 6 2 = 15 6 52 = 60 1 6 4 3! 2 2 = 15 6 20 3 = 1 6 4 2 2 2 = 45 6 2 = 15 1 1 3 4 5 6 31 90 65 15 1 (b) Die möglichen Zerlegungen einer n-elementigen Menge in genau zwei Blöcke haben die Form (∗| .{z . . ∗})(∗ . . ∗}), wobei 1 ≤ i ≤ n − 1. Für die Wahl des ersten Blocks (damit | .{z i n−i Pn−1 n n ist der zweite auch festgelegt) gibt es i=1 i = 2 − 2 Möglichkeiten (beachte, P dass 2n = (1 + 1)n = ni=0 ni nach der binomischen Formel). Aber damit zählen wir jede Zerlegung doppelt, denn die Reihenfolge der Blöcke spielt ja für uns keine Rolle. n Damit folgt Sn,2 = 2 2−2 = 2n−1 − 1. Die Zerlegungen einer n-elementigen Menge in genau n − 1 Blöcke haben die Form (∗) . . . (∗)(∗ ∗). Jede solche Zerlegung ist durch die Wahl des 2-Zykels eindeutig fest| {z } n−2 gelegt, also Sn,n−1 = n2 = n(n−1) . 2 P 13. (a) Beweisen Sie (durch ein kombinatorisches Argument): Sn+1,m+1 = ni=0 ni Si,m . (b) Zeigen Sie (induktiv oder durch ein kombinatorisches Argument) die Abschätzung Sn,m ≤ m+1 Sn,m+1 für m < n. 2 Lösung: Nach Definition ist Sn,m die Anzahl der Zerlegungen einer n-elementigen Menge in m Blöcke. Ohne Einschränkung sei die n-elementige Menge n = {1, . . . , n}. (a) Jede Zerlegung der n + 1-elementigen Menge n + 1 in m + 1 Blöcke erhält man wie folgt: wähle eine i-elementige Teilmenge von n und zerlege diese in m Blöcke; dafür gibt es Pn n i=1 i Si,m Möglichkeiten. Die restlichen Elemente von n und das Element n + 1 bilden dann den m + 1-ten Block. (b) (i) Beweis durch Induktion nach n: Für n = 1 und m = 0 ist Sn,m = 0 = m+1 Sn,m+1 . 2 Für n = m + 1 haben wir Sn,m = n2 = m+1 S nach 12 (b). n,m+1 2 Für n > m + 1 nutzen wir die Induktionsannahme zu n−1 und die Rekursionsformel: m+1 Im Falle m > 0 gilt Sn,m = Sn−1,m−1 + m · Sn−1,m ≤ m Sn−1,m+1 2 Sn−1,m + m · 2 m+1 m+1 ≤ 2 (Sn−1,m + (m + 1) · Sn−1,m+1 ) = 2 Sn,m+1 . Für m = 0 ist Sn,m = 0. (ii) Beweis durch kombinatorisches Argument. Für m = 0 ist die Aussage klar, da Sn,0 = 0. Sei also m ≥ 1. Betrachte eine beliebige Möglichkeiten, durch Zerlegung von n in m + 1 ≥ 2 Blöcke. Wir betrachten alle m+1 2 Fusionierung zweier Blöcke eine Zerlegung von n in m Blöcke zu erhalten. Hierbei können verschiedene Fusionierungen zur gleichen Zerlegung führen; wichtig für uns ist aber nur, dass offenbar jede Zerlegung von n in m < n Blöcke durch Fusionierung erhalten wird. Daher ist Sn,m ≤ m+1 Sn,m+1 . 2 Knacky 4: Diskrete Mathematik wirkt befreiend Jedes Jahr läßt König Zyklops der Neunte zu seinem Geburtstag 100 Gefängnisinsassen durchnummerieren und gibt ihnen eine Chance zur Freilassung. In den hundert Schubladen des zyklopischen Schlossbriefkastens werden wahllos Zettel mit je einer der Zahlen von 1 bis 100 versteckt. Jeder der Gefangenen darf nun jeweils 90 Schubladen öffnen. Sollten alle Gefangenen ihre eigene Nummer finden, kommen sie alle frei; findet allerdings ein einziger seine Nummer nicht, bleiben alle im Gefängnis. (a) Warum ist die Wahrscheinlichkeit der Freilassung geringer als ein Promille, wenn jeder Gefangene systemlos 90 Schubladen öffnet? Der inhaftierte Mathematiker Binomi empfiehlt in geheimer Zusammenkunft seinen Mitgefangenen, so vorzugehen: Der Gefangene mit der Nummer k öffnet zuerst die k-te Schublade; in dieser findet er eine neue Nummer; danach öffnet er die Schublade mit genau dieser Nummer, und so weiter. (b) Bestimmen Sie die Anzahl der Permutationen der Menge 100, die einen Zykel der Länge > 90 besitzen. (c) Warum ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefangenen mit der vorgeschlagenen Strategie freikommen, ca. 90 Prozent? Lösung: (a) Ohne System ist die Wahrscheinlichkeit der Freilassung (0, 9)100 ≈ 0, 00002656 (jeder einzelne Gefangene hat eine Erfolgschance von 90/100). (b) Wir zählen die Anzahl der Permutationen mit einem Zykel der Länge 90+i für i = 1, . . . 10. Davon gibt es genau 100 100! . (1) · (90 + i − 1)! · (10 − i)! = 90 + i 90 + i Begründung: wähle zunächst die 90 + i Zahlen, die im Zykel auftauchen sollen; dies sind 100 90+i Möglichkeiten; für jede solche Wahl gibt es (90 + i − 1)! verschiedene Zykel (fixiere den ersten Eintrag des Zykels; jede Permutation der restlichen 90 + i − 1 Zahlen liefert eine andere Permutation); es bleiben 10 − i Zahlen, die nicht im großen Zykel auftauchen und beliebig permutiert werden können, d.h. (10 − i)! Möglichkeiten. (c) Die (zufällige) Verteilung der Nummern auf die Schubladen kann als Permutation aufgefasst werden. Die Gefangenen kommen genau dann nicht frei, wenn diese Permutation einen Zykel der Länge > 90 enthält (warum?). Die Wahrscheinlichkeit, dass die GefangeA nen nicht freikommen, ergibt sich als 100! (Anteil der ’schlechten’ Permutationen in der Gesamtheit aller Permutationen), wobei A die Anzahl der Permutationen mit einem Zykel der Länge > 90 ist. Nach (1) gilt ! 10 10 X X 1 100! 1 A= = ≈ 0, 1048. 100! 90 + i 90 + i i=1 i=1 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefangenen nicht freikommen ist also ca. 10 Prozent, die Wahrscheinlichkeit der Freilassung also knapp 90 Prozent.