6 Ca 154/13 - Arbeitsgericht Frankfurt(Oder)

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Arbeitsgericht Frankfurt (Oder),
Urteil vom 07.08.2013 - 6 Ca 154/13 –
(Vorübergehende
Arbeitnehmerüberlassung
-
Pflicht
der
Behörde
zum
Erlaubniswiderruf nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG)
Orientierungssätze:
Der Begriff „vorübergehend“ in der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen
1.
Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit und in § 1 Abs. 1 Satz 2
AÜG in der seit dem 01.12.2011 gültigen Fassung ist rein arbeitsplatzbezogen
auszulegen
und
verbietet
es,
einen
Dauerbeschäftigungsbedarf
durch
Leiharbeitnehmer abzudecken.
Seit dem 1.12.2011 ist die in diesem Sinne verstandene nicht nur „vorübergehende“
2.
Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr erlaubnisfähig. Besitzt der Verleiher die
behördliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach altem Recht, beschränkt
sich diese nicht automatisch. Vielmehr hat die Behörde durch die zum 01.12.2011
eingetretene Rechtsänderung die Erlaubnis zu widerrufen und dem neuen Recht
anzupassen. Das Ermessen reduziert sich insoweit auf Null (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG).
Die für den Widerruf geltende Jahresfrist (§ 5 Abs. 4 AÜG) beginnt allerdings nicht zu
laufen, solange die Reichweite des Begriffs „vorübergehend“ nicht rechtskräftig
geklärt ist.
3.
Der Kläger hat keine Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.498,40 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die
Parteien
streiten
Arbeitsverhältnisses.
um
den
Bestand,
hilfsweise
um
die
Begründung
eines
Der am 00.00.0000 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete
Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 60 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 04.04.2011 (Bl. 10 ff. d. A.) stand er seit
dem 05.04.2011 zu der Fa. T. Personalservice GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fa. T.), einer
Zeitarbeitsfirma, in einem Arbeitsverhältnis als Sortierer/technischer Mitarbeiter im Rahmen
einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zu einer Bruttostundenvergütung in Höhe
von 8,24 Euro mit Arbeitsort in Frankfurt (Oder). Das zunächst bis zum 31.03.2012 befristete
Arbeitsverhältnis wurde bis zum 31.12.2012 verlängert (Bl. 17 f. d. A.) und endete letztlich
mit Ablauf des 31.01.2013. In einer diesbezüglich vor dem Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) –
1 Ca 1706/12 - geführten Bestandsstreitigkeit verständigten sich der Kläger und die Fa. T. in
einem Vergleich auf diesen Beendigungszeitpunkt gegen Zahlung einer Abfindung.
Seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses zu der Fa. T. war der Kläger – bis zum 31.12.2012 an die Beklagte verliehen, die in Frankfurt (Oder) eine Müllsortieranlage nutzt. Die Fa. T., die
eigenen Angaben nach zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit dem Kläger
im Besitz der behördlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung war (Bl. 10 d. A.), hat
ihren Sitz in S., wo sie im Handelsregister des dortigen Amtsgerichts unter der HRB 00000
eingetragen ist. Alleinige Gesellschafterin der Fa. T. ist die im Handelsregister des
Amtsgerichts H. unter der HRB 00000 eingetragene V. Umweltservice BeteiligungsVerwaltungs GmbH mit Sitz in H., der nach dem Organigramm des V.-Konzerns (Bl. 141 d.
A.) u. a. auch die Beklagte nachgeordnet ist.
Der Kläger war auf der Grundlage zweier Arbeitsverträge zu unterschiedlichen Firmen immer
an derselben Müllsortieranlage in Frankfurt (Oder) als gewerblicher Arbeitnehmer tätig,
zunächst vom 04.01.2010 bis zum 31.03.2011 auf Grund eines Arbeitsvertrages zu der Fa.
G. Recycling & Service GmbH (Bl. 47 ff. d. A.) als Kraftfahrer, Staplerfahrer und
Baumaschinenführer
und
zuletzt
vom
05.04.2011
bis
zum
31.12.2012
als
Sortierer/technischer Mitarbeiter (Bl. 10 ff. d. A.) auf Grund seines Arbeitsvertrages zu der
Fa. T.
Der Kläger meint, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (nachfolgend: AÜG) fingiere den
Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten, zumindest sei diese Rechtsfolge aus
dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleiten und bezieht sich hierzu
ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe des Teilurteils des LAG Berlin-Brandenburg vom
09.01.2013 (15 Sa 1635/12). In diesem Zusammenhang behauptet er, die Fa. T. sei
entgegen ihren Angaben im Arbeitsvertrag weder im Besitz der behördlichen Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung noch sei sie werbend am Markt tätig geworden und vertritt die
Rechtsauffassung, ihre dadurch bedingte ausschließlich konzerninterne Überlassung von
Leiharbeitnehmern an die Beklagte stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar. Dies
habe zur Folge, dass zwischen den Parteien unmittelbar ab dem 05.04.2011 ein
Arbeitsverhältnis begründet worden sei, zumindest aber ab dem 01.12.2011 durch den zu
diesem Zeitpunkt eingefügten § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, der nur noch die „vorübergehende“
Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erlaube. Sein ununterbrochener Einsatz an
derselben Müllsortieranlage in Frankfurt (Oder) sei auf einem Dauerarbeitsplatz erfolgt und
dadurch nicht nur vorübergehend gewesen. Hilfsweise sei die Beklagte verpflichtet, ihm
gegenüber ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen des
Arbeitsvertrages zu der Fa. T. abzugeben.
Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 05.04.2011, hilfsweise seit
dem 01.12.2011 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht als Kraftfahrer, hilfsweise
als Sortierer/technischer Mitarbeiter am Dienstort ... 15234 Frankfurt (Oder) im
Rahmen einer regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden zu einer
Bruttostundenvergütung in Höhe von 8,24 Euro und
2. hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, ihm mit Wirkung ab dem 01.02.2013 ein Angebot auf
Abschluss eines Arbeitsvertrages für die Tätigkeit als Kraftfahrer, hilfsweise als
Sortierer/technischer Mitarbeiter am Dienstort ... 15234 Frankfurt (Oder) bei einer
regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Wochenstunden zu einer Bruttostundenvergütung in
Höhe von 8,24 Euro zu unterbreiten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in
Folge der Arbeitnehmerüberlassung durch die Fa. T. lägen nicht vor, und auch für den
Hilfsantrag
auf
Abgabe
eines
Angebots
zum
Abschluss
eines
entsprechenden
Arbeitsvertrages bestehe keine Anspruchsgrundlage. Hierzu behauptet sie, die Fa. T. sei seit
dem 18.03.2008, davon seit dem 18.03.2011 unbefristet, im Besitz der Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung, erteilt von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion R.-P.-
S. in der Fassung des Bescheides vom 26.09.2011 (Bl. 76 d. A.). Von den durchschnittlich
von ihr ca. 1.200 beschäftigten Arbeitnehmern in der Region Ost seien nur 6 bis 8
Leiharbeitnehmer von der Fa. T. entliehen und weitere Leiharbeitnehmer von nicht
konzernangehörigen, regionalen Zeitarbeitsfirmen. Keiner der Leiharbeitnehmer werde ihrer
Rechtsauffassung nach auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt, sondern unterstütze in
Zeiten erhöhten Arbeitsanfalls lediglich die Arbeit der Stammkräfte. Darüber hinaus, so
behauptet die Beklagte, habe die Fa. T. nicht ausschließlich Leiharbeitnehmer an dem V.Konzern angehörige Unternehmen verliehen, sondern sei werbend am Markt tätig geworden.
In diesem Zusammenhang verweist sie auf ein Angebot der Fa. T. auf Abschluss eines
Personalüberlassungsvertrages an die Stadt P. vom 29.10.2010 (Bl. 104 d. A.) sowie eine
Rechnung der Fa. T. an die Fa. M. Städtereinigung GmbH & Co.KG in H. vom 17.12.2012 für
erfolgte Arbeitnehmerüberlassung (Bl. 105 d. A.).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 15.02.2013 (Bl. 30 f. d. A.) und 07.08.2013 (Bl.
125 ff. d. A.), dort insbesondere auf den Antrag der Beklagten auf Einräumung einer
Erklärungsfrist auf den klägerischen Schriftsatz vom 06.08.2013, verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Das für die Feststellungsklage (Antrag zu. 1) erforderliche Feststellungsinteresse i. S. v. § 46
Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495, 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben, da der Kläger den aktuellen
Bestand eines zwischen den Parteien streitigen Arbeitsverhältnisses geltend macht (vgl. zu
dem Erfordernis eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses: BAG, Urteil vom 16.11.2011 – 4
AZR 839/09 – Juris).
2.
Auch der hilfsweise geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch (Antrag zu 2.) ist
zulässig.
a)
Der Antrag ist nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff unter ergänzender
Heranziehung seiner Begründung unzweifelhaft auf die Verurteilung der Beklagten zur
Abgabe eines Angebots gerichtet. Er ist nicht abweichend von seinem Wortlaut dahin
auszulegen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Annahme des
Vertragsangebotes verlangt, das er selbst mit Zustellung des diesen Antrag enthaltenden
Schriftsatzes abgegeben haben könnte.
b)
Der Hilfsantrag ist hinreichend bestimmt i. S. v. § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495, 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO. Der Inhalt des anzubietenden Arbeitsvertrages ist ausreichend konkretisiert.
Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe des Angebots ist ebenso benannt wie die sonstigen
wesentlichen Vertragsbestandteile (Arbeitstätigkeit, Arbeitsort, Dauer der Arbeitszeit und
Höhe der Vergütung).
c)
Der Hilfsantrag verfügt über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Es liegt grundsätzlich
im Interesse des Arbeitnehmers, nicht schon zwingend mit Rechtskraft des seiner Klage
stattgebenden Urteils vertraglich gebunden zu sein, sondern unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände selbst entscheiden zu können, ob er das mit der Klage verlangte
Vertragsangebot des Arbeitgebers annimmt (vgl. zu dieser Problematik: BAG, Urteil vom
19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – AP Nr. 58 zu § 307 BGB m. w. N.; BAG, Urteil vom 21.08.2008
– 8 AZR 201/07 – AP Nr. 353 zu § 613 a BGB). Dies folgt aus dem Umstand, dass im Falle
einer Wiedereinstellungsklage eine Regelung fehlt, die dem in § 12 Satz 1 KSchG
normierten Wahlrecht des Arbeitnehmers entspricht. Der Arbeitnehmer kann sich im Rahmen
einer Wiedereinstellungsklage, die auf Annahme eines von ihm abgegebenen Angebotes auf
Abschluss eines Arbeitsvertrages gerichtet ist, nicht einseitig durch Erklärung von diesem
Arbeitsverhältnis lösen, das mit Rechtskraft des Urteils durch die Fiktion der Abgabe der
Annahmeerklärung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 894 ZPO entsteht (vgl. BAG,
Urteil vom 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – a. a. O., m. w. N.). Ihm bleibt nur sein
Kündigungsrecht, wenn er inzwischen ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist (BAG,
Urteil vom 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – a. a. O., m. w. N.; BAG, Urteil vom 09.02.2011 – 7
AZR 91/10 – AP Nr. 52 zu § 307 BGB; BAG, Urteil vom 27.07.2005 – 7 AZR 488/04 – AP Nr.
2 zu § 308 BGB).
II.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weshalb die Kammer zur Wahrung
rechtlichen Gehörs nicht gehalten war, der Beklagten auf ihren Antrag im Kammertermin
vom 07.08.2013 gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495, 283 ZPO Erklärungsfrist auf den
Schriftsatz des Klägers vom 06.08.2013 einzuräumen.
1.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers vermag die Kammer nicht zu dem Schluss zu
gelangen, dass ein Arbeitsverhältnis der Parteien, gleich zu welchen Bedingungen,
begründet worden ist – und zwar weder mit Wirkung zum 05.04.2011 noch hilfsweise mit
Wirkung zum 01.12.2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt.
a)
Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis auf Grund gesetzlicher Fiktion durch
unmittelbare Anwendung der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 AÜG zustande gekommen.
aa)
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Entleiher und einem
Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und
dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Unwirksam nach § 9 Nr. 1 AÜG
sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und
Leiharbeitnehmern,
wenn
der
Verleiher
nicht
die
nach
§
1
AÜG
zur
Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis hat.
bb)
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, nachdem durch Bescheid der Bundesagentur
für Arbeit – Regionaldirektion R.-P.-S. – vom 26.09.2011 nachgewiesen ist, dass die Fa. T.
die erforderliche behördliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Arbeitsvertrages mit dem Kläger (04.04.2011) und seiner nachfolgenden
Überlassung an die Beklagte für den gesamten Zeitraum der Entleihe (05.04.201131.12.2012) gemäß § 1 AÜG besaß.
(1)
Die in § 1 AÜG geregelte Erlaubnispflicht stellt regelungstechnisch ein gesetzliches Verbot
mit Erlaubnisvorbehalt dar.
(2)
Zum 01.12.2011 ist § 1 AÜG n. F. durch Einfügen des Abs. 1 Satz 2 in Kraft getreten, nach
dem die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher nur noch „vorübergehend“ erfolgt.
Hierdurch wollte der Gesetzgeber die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (nachfolgend: Leiharbeitsrichtlinie)
umsetzen, die in ihrer Präambel (12) einen diskriminierungsfreien, transparenten und
verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer festlegt und unbefristete
Arbeitsverträge als die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses ansieht (15). Art. 2 der
Leiharbeitsrichtlinie schreibt als Ziel fest, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und
die Qualität der Leiharbeit zu verbessern. Art. 3 der Leiharbeitsrichtlinie stellt im Rahmen der
dortigen Begriffsbestimmungen durchgängig auf die „vorübergehende“ Überlassung der
Leiharbeitnehmer an den Entleiher ab und sieht in Art. 5 Abs. 5 vor, dass die
Mitgliedsstaaten „die erforderlichen Maßnahmen gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften
und/oder
Gepflogenheiten
ergreifen,
um
insbesondere
aufeinanderfolgende
Arbeitnehmerüberlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden
sollen, zu verhindern.“ Hieraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass jedenfalls
eine Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher dann nicht mehr der in der
Leiharbeitsrichtlinie geforderten „vorübergehenden“ Überlassung entspricht, wenn hierdurch
ein Dauerbeschäftigungsbedarf gedeckt wird, mag der jeweilige Leiharbeitnehmer auch nur
befristet und damit „vorübergehend“ auf diesem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werden.
Insoweit ist der Begriff der „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung von seinem
Schutzzweck her rein arbeitsplatzbezogen und nicht arbeitnehmerbezogen zu verstehen
(str., diese Frage ist zur Zeit noch nicht rechtskräftig entschieden, wie hier: LAG BerlinBrandenburg, Beschluss vom 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12 – Juris, Rechtsbeschwerde
beim BAG eingelegt unter dem Aktenzeichen 7 ABR 8/13, m. w. ausführlichen Nachweisen
zum Streitstand; in diese Richtung weisend wohl auch BAG, Beschluss vom 10.07.2013 – 7
ABR 91/11 – Pressemitteilung Nr. 46/13).
(3)
Mit dem Willen des Gesetzgebers, durch Einfügen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit Wirkung
zum 01.12.2011 die Leiharbeitsrichtlinie umzusetzen, für die die Umsetzungsfrist gemäß Art.
11 der Leiharbeitsrichtlinie am 05.12.2011 ablief, ist zur Überzeugung des erkennenden
Gerichts
hinreichend
klargestellt,
dass
der
aus
der
Leiharbeitsrichtlinie
wörtlich
übernommene Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit dem Begriff
„vorübergehend“ in der Leiharbeitsrichtlinie identisch ist. Einer richtlinienkonformen
Auslegung des nationalen Rechts bedarf es daher nicht. Die Besetzung eines
Dauerarbeitsplatzes und die Deckung eines dauerhaften Beschäftigungsbedarfs mittels
eines Leiharbeitnehmers ist damit seit dem 01.12.2011 nicht mehr nur „vorübergehend“ und
dadurch nicht mehr erlaubnisfähig i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG (str., wie hier: LAG BerlinBrandenburg, Beschluss vom 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12 – a. a. O., m. w. N.; LAG BerlinBrandenburg, Teilurteil vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12 – Juris, nicht rechtskräftig, Revision
beim BAG anhängig unter dem Aktenzeichen 9 AZR 268/13; in diese Richtung weisend wohl
auch BAG, Beschluss vom 10.07.2013 – 7 ABR 91/11 – Pressemitteilung Nr. 46/13).
(4)
Die Beklagte ist rechtlich so zu behandeln, als habe sie den Kläger während des gesamten
Zeitraumes seiner Entleihe von der Fa. T. (05.04.2011-31.12.2012) an der Müllsortieranlage
in 15234 Frankfurt (Oder) eingesetzt, um einen Dauerbeschäftigungsbedarf zu decken. Denn
der diesbezüglich vertretenen Rechtauffassung des Klägers ist die Beklagte nicht mit
hinreichend substantiiertem Sachvortrag entgegengetreten.
(a)
Der Kläger trägt als anspruchsstellende Partei nach den allgemeinen Regeln des
Prozessrechts und des materiellen Rechts grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für
die Tatsachen, aus denen sich der rechtliche Schluss rechtfertigt, sein Einsatz sei auf einem
Dauerarbeitsplatz zur Deckung eines Dauerbeschäftigungsbedarfs erfolgt. Da ihm im
einzelnen aus eigener Kenntnis die diesbezüglichen Tatsachen nicht vollumfänglich bekannt
sein können, dürfen die Anforderungen an seine Darlegungslast nicht überspannt werden.
Bei einer derartigen Sachlage muss der klagende Arbeitnehmer daher zunächst nur die
Tatsachen vortragen, die ihm aus eigener Kenntnis bekannt sind oder bekannt sein können
und die die von ihm begehrte Rechtsfolge indizieren. Hat er diesen Anforderungen genügt,
stuft sich die Darlegungslast aus Gründen der Sachnähe ab: nunmehr ist es Sache des
Arbeitgebers, detailliert zu den Behauptungen des Arbeitnehmers Stellung zu nehmen, um
diesen in die Lage zu versetzen, seinerseits hierauf substantiiert zu erwidern und sein
Vorbringen unter Beweis zu stellen (§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 138 Abs. 2 und 3 ZPO, vgl.
zu der Problematik der abgestuften Darlegungslast im Arbeitsgerichtsprozess auch: BVerfG,
1. Senat, 2. Kammer – Beschluss vom 06.10.1999 – 1 BvR 2110/93 – NZA 2000, 110 ff., m.
w. N.; BAG, Urteil vom 24.01.2008 – 6 AZR 96/07 – NZA-RR 2008, 405 ff. , m. w. N.; BAG,
Urteil vom 22.05.2003 – 2 AZR 426/02 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, m. w. N.).
(b)
Unter Beachtung dieser Grundsätze genügt vorliegend der Sachvortrag des Klägers, um - in
Ermangelung eigener Kenntnis von der Arbeitsmenge bei der Beklagten - die entsprechende
Darlegungslast der Beklagten zu Ausmaß, Entwicklung und Schwankungen der bei ihr
anfallenden Arbeitsmenge an der Müllsortieranlage in Frankfurt (Oder) auszulösen. Damit
hatte die Beklagte nun ihrerseits zu begründen, dass der Kläger lediglich für Auftragsspitzen
zusätzlich
als
Leiharbeitnehmer
beschäftigt
worden
ist
und
nicht,
um
einen
Dauerbeschäftigungsbedarf aufzufangen. An derartigem Vorbringen fehlt es. Diesbezüglich
ist die Rechtslage vergleichbar zu den Bestandsstreitigkeiten, in denen der Arbeitnehmer
außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes die Treuwidrigkeit und damit
Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung gemäß § 242 BGB geltend macht. Auch hier
genügt für die Schlüssigkeit der Klage - jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer den
Kündigungsgrund nicht kennt - zunächst die Äußerung der Rechtsansicht, die Kündigung
verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da sie willkürlich ausgesprochen sei,
um nach der abgestuften Darlegungslast die Pflicht des Arbeitgebers zu substantiiertem
Sachvortrag auszulösen. Erst wenn dieser einen „einleuchtenden Grund“ für die Kündigung
benannt hat, fällt die Darlegungs- und Beweislast an den klagenden Arbeitnehmer zurück, §
46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 138 Abs. 2 und 3 ZPO (vgl. BAG, Beschluss vom 08.12.2011 – 6
AZN 1371/11 – NZA 2012, 286 ff., m. w. N.; BAG, Urteil vom 24.01.2008 – 6 AZR 96/07 – a.
a. O., m. w. N.; BAG, Urteil vom 22.05.2003 – 2 AZR 426/02 – a. a. O., m. w. N.).
(5)
Dies führt vorliegend allerdings noch nicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis der Parteien in
unmittelbarer Anwendung der §§ 10 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG gesetzlich fingiert würde.
Denn
die
der
Fa.
T.
nach
altem
Recht
erteilte
behördliche
Erlaubnis
zur
Arbeitnehmerüberlassung wird durch Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit Wirkung zum
01.12.2011 ohne ein Handeln der Erlaubnisbehörde nicht automatisch auf eine nur
„vorübergehende“
Arbeitnehmerüberlassung
beschränkt
(für
eine
automatische
Beschränkung der behördlichen Erlaubnis durch Änderung des § 1 AÜG zum 01.12.2011 in
seiner Hilfsbegründung in Anlehnung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur
Fahrerlaubnis-Verordnung unter Verweis auf ein Urteil des VG Münster vom 04.02.2005 – 10
K 3931/03 - Juris: LAG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12 – a.
a. O.; ablehnend bereits Urteil der hiesigen Kammer vom 17.04.2013 – 6 Ca 1754/12 – Juris,
nicht
rechtskräftig,
Berufung
eingelegt
beim
LAG
Berlin-Brandenburg
unter
dem
Aktenzeichen 3 Sa 1092/13). Eine unmittelbare Anwendung der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1
AÜG mit der Rechtsfolge der gesetzlichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses scheitert an
dem
gesetzgeberischen
Willen,
die
einmal
erteilte
behördliche
Erlaubnis
zur
Arbeitnehmerüberlassung (nach altem Recht) durch eine erfolgte Rechtsänderung ohne ein
Handeln der Behörde beschränken zu wollen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 Nr.
4 AÜG, dessen Wortlaut auch durch die letzte Neufassung des AÜG unverändert geblieben
ist. Nach dieser Vorschrift „kann“ die nach altem Recht rechtmäßig erteilte Erlaubnis mit
Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde auf Grund einer
geänderten Rechtslage berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Diese Regelungstechnik
entspricht den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts, wie sie auch in § 49 VwVfG
zum Ausdruck kommt. Auch hier kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nur
unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, so u. a.
dann, wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den
Verwaltungsakt – in der bestehenden Form - nicht zu erlassen (§ 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG).
Damit geht das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes von dem Grundsatz aus, dass der
Bestand eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nicht durch spätere
Änderungen der bei seinem Erlass maßgebenden Rechtslage berührt wird, sondern
allenfalls
(unter
bestimmten
weiteren
Voraussetzungen
und
mit
einer
möglichen
Entschädigungsfolge) widerrufen werden kann (so z. B. zu einer Baugenehmigung, die
ebenfalls als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu qualifizieren ist: BVerwG, Urteil vom
03.02.1984 – 4 C 39/82 – BVerwGE 69, 1 ff.). Die Sonderregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG
trägt diesem Grundsatz Rechnung, auch im Hinblick auf eine mögliche Entschädigungsfolge
(§ 5 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 4 Abs. 2 AÜG). Die § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG als Spezialregelung
vorgehende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG setzt damit für den Wegfall der behördlichen
Erlaubnis ein behördliches Handeln voraus, nämlich den Widerruf der nach altem Recht
erteilten Erlaubnis, verbunden mit der gleichzeitigen Erteilung einer neuen, beschränkten
Erlaubnis zur jetzt nur noch „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung. Ein derartiger
Verwaltungsakt liegt zum Nachteil der Fa. T. nicht vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass § 5
Abs. 1 Nr. 4 AÜG mit seinem vom Gesetzgeber geforderten behördlichen Handeln gegen die
Vorgaben der Leiharbeitsrichtlinie verstößt und diese Vorschrift deshalb nach Ablauf der
Umsetzungsfrist (05.12.2011) unangewendet bleiben müsste (vgl. zu dieser Rechtsfolge der
Nichtanwendung nationalen Rechts bei einem Verstoß gegen eine europäische Richtlinie:
EuGH, Urteil vom 19.01.2010 – C – 555/07 – Kücükdeveci - Juris, m. w. N.). Die
Leiharbeitsrichtlinie kann nach der erfolgten Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG
(„vorübergehend“) mit Wirkung zum 01.12.2011 auch dann hinreichend umgesetzt werden,
wenn die dadurch eingetretene Änderung der Rechtslage (nicht erlaubnisfähiges Verbot der
Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer) über § 5 Abs. 1 Nr. 4
AÜG durch Anpassung der nach altem Recht erteilten behördlichen Erlaubnis erfolgt, also
als weiteren Umsetzungsakt ein nationales Handeln der Erlaubnisbehörde zum Widerruf der
erteilten Erlaubnis nach altem Recht, verbunden mit der gleichzeitigen Erteilung einer
Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach neuem Recht (nur noch zur „vorübergehenden“
Überlassung), erfordert. Soweit § 5 Abs. 1 AÜG der Behörde in diesem Zusammenhang
Ermessen („kann“) einräumt, reduziert sich dieses Ermessen durch das Verbot der
Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern auf Null und wird dadurch zu
einem gebundenen Verwaltungshandeln („muss“). Dass über § 5 AÜG der Erlass eines
gebundenen Verwaltungsaktes notwendig wird, beschränkt als „Maßnahme gemäß den
nationalen Rechtsvorschriften“ i. S. v. Art. 5 Abs. 5 der Leiharbeitsrichtlinie weder deren
Schutzzweck noch führt dies zu einer (letztlich rechtlich unbeachtlichen) übergebührlichen
Belastung der für die Arbeitserlaubnis zuständigen Behörden. Durch die Ermessensreduktion
auf Null werden keine im Einzelfall erforderlichen Gesichtspunkte zu überprüfen sein. Im
Übrigen kennt das deutsche Recht, z. B. im Anwendungsbereich des SGB II, die Änderung
und Aufhebung der Bewilligungsbescheide an die sich ständig verändernden Lebens- und
Rechtsverhältnisse durch die üblichen Instrumentarien des Verwaltungsverfahrensrechts
(Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten gemäß §§ 48 ff. VwVfG). Dass der
Widerruf nach § 5 Abs. 4 AÜG nur innerhalb eines Jahres erfolgen darf, nach dem die
Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die den Widerruf der Erlaubnis
rechtfertigen, steht dem gefundenen Ergebnis ebenfalls nicht entgegen. Die Jahresfrist in § 5
Abs. 4 AÜG ist regelungstechnisch identisch mit § 48 Abs. 4 VwVfG, auf den § 49 VwVfG für
den zukünftigen Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes verweist. Diese
Jahresfrist beginnt erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsakts erkannt hat und ihr außerdem die für die Rücknahmeentscheidung
erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (so zu § 48 Abs. 4 VwVfG: BVerwG, 2.
Senat, Beschluss vom 28.01.2013 – 2 B 62/12 – Juris, m. w. N.). Es kommt nicht darauf an,
ob die die Rücknahme rechtfertigenden Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des
begünstigenden Verwaltungsaktes bekannt gewesen sind. Selbst wenn der Erlass des
begünstigenden Verwaltungsaktes darauf beruht, dass die Behörde den ihr vollständig
bekannten Sachverhalt rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt
hat, beginnt die Jahresfrist erst mit der Kenntnis dieses Rechtsfehlers zu laufen (so zu § 48
Abs. 4 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 – 2 B 62/12, a. a. O., m. w. N.; BVerwG,
Urteil vom 28.06.2012 – BVerwG 2 C 13.11- NVwZ-RR 2012, 933; BVerwG, Großer Senat,
Beschluss vom 19.12.1984 – GrSen 1/84 und 2/84 – BVerwGE 70, 356 ff.). Für die hier zur
Entscheidung anstehende Problematik ist das der Zeitpunkt der rechtskräftigen Klärung der
Rechtsfrage, welche Bedeutung dem Begriff „vorübergehend“ i. S. d. Leiharbeitsrichtlinie und
damit zugleich i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n. F. zukommt.
Hätte der Gesetzgeber die behördliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung durch eine
Änderung der Rechtslage automatisch beschränken wollen, ohne dass ein behördliches
Handeln erforderlich wird, hätte er das behördliche Verfahren, das hinsichtlich der
Aufhebung einer einmal erteilten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung in §§ 4 f. AÜG
ausgestaltet ist und sich damit im Wesentlichen an dem Bundesverwaltungsverfahrensrecht
zur Rücknahme und zum Widerruf von Verwaltungsakten (§§ 48 f. VwVfG) orientiert, ändern
müssen. Hieran fehlt es. Die in § 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG enthaltene Regelung ist, wie bereits
ausgeführt, nicht europarechtswidrig und bleibt damit anwendbar (s. o.). Die nach Änderung
des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zum 01.12.2011 („vorübergehend“) nach bundesdeutschem
Recht in § 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG vorgesehene Verzahnung von Arbeits- und Verwaltungsrecht
vermag dem Schutzzweck der Leiharbeitsrichtlinie, wie er in ihrem Art. 5 Abs. 5 zum
Ausdruck kommt, bei ordnungsgemäßer innerstaatlicher Umsetzung hinreichend gerecht zu
werden.
b)
Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses der Parteien kann des Weiteren nicht mit einer
unmittelbaren Anwendung des § 1 Abs. 2 AÜG begründet werden. Nach dieser Vorschrift,
die auch nach der Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit Wirkung zum 01.12.2011
unverändert geblieben ist, wird vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt,
wenn Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden und der Überlassende
nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 – 3
AÜG) übernimmt.
Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Fa. T. als konzerneigene
Zeitarbeitsfirma habe die üblichen Arbeitgeberpflichten und -risiken nicht übernommen,
nachdem die Beklagte insbesondere deren Kontakte zu der Stadt P. und der Fa. M.
Städtereinigung GmbH & Co.KG zur Arbeitnehmerüberlassung offen gelegt hat.
Selbst wenn diese Annahme gerechtfertigt wäre, ergäbe sich hieraus noch nicht als
Rechtsfolge die Begründung eines Arbeitsverhältnisses der Parteien.
aa)
Ausgehend
von
der
alten
Rechtslage
war
nach
ständiger
Rechtsprechung
des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. hierzu die Nachweise bei BAG, Urteil vom 28.06.2000 – 7 AZR
100/99 - Juris) § 13 AÜG eine § 10 Abs. 1 AÜG ergänzende Regelung, durch die bei einer
als unerlaubte Arbeitsvermittlung anzusehenden Überlassung nach §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 Nr.
6 AÜG kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftigungsunternehmen begründet
wurde.
bb)
Nach ersatzloser Streichung der §§ 13, 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG gibt es keine entsprechende
gesetzliche Grundlage für das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses mehr. Die Entstehung
eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher kann allein mit § 1 Abs. 2 AÜG nicht begründet
werden (so BAG, Urteil vom 28.06.2000 – 7 AZR 100/99 – a. a. O.). Denn § 1 Abs. 2 AÜG ist
keine gesetzliche Grundlage zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses (so auch LAG
Niedersachsen, Urteil vom 03.05.2011 – 3 Sa 1432/10 – LAGE § 10 AÜG Nr. 6 als
Vorinstanz für das Urteil des BAG vom 15.05.2013 – 7 AZR 494/11 – nicht veröffentlicht und
z. Zt. auch als Entscheidungsabdruck über die Pressestelle des BAG noch nicht verfügbar,
daher zitiert nach: Dr. Wolfgang Lipinski und Anne Praß, „Todesstoß für die Zeitarbeit?“,
Deutscher AnwaltSpiegel, Ausgabe 11 vom 29.05.2013, S. 13 ff.). Die Freiheit, ein
Arbeitsverhältnis einzugehen oder dies zu unterlassen, ist Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1
GG geschützten Vertragsfreiheit. In diese wird eingegriffen, wenn ohne die zu einem
Vertragsschluss erforderlichen beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärung (§§ 145
ff. BGB) oder gar gegen den Willen einer oder auch beider Parteien kraft Gesetzes ein
Arbeitsverhältnis begründet werden soll. Die Entscheidung des Gesetzgebers für einen
solchen Eingriff muss daher im Gesetz deutlich zum Ausdruck kommen. Diesem Erfordernis
genügt die Regelung in § 1 Abs. 2 AÜG nicht. Nach ihrem Wortlaut ist die in ihr vorgesehene
Rechtsfolge gerade nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die
Vermutung, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt. Eine gesetzliche Regelung,
nach der in den Fällen vermuteter Arbeitsvermittlung auch ohne Vertrag zwischen Entleiher
und Leiharbeitnehmer kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis entsteht, gibt es nicht (vgl. BAG,
Urteil vom 28.06.2000 – 7 AZR 100/99 – a. a. O., m. w. N.; bestätigt wohl durch BAG, Urteil
vom 15.05.2013 – 7 AZR 494/11 – a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012
– 7 Sa 1182/12 – Juris, m. w. N., nicht rechtskräftig, Revision beim BAG eingelegt unter dem
Aktenzeichen 10 AZR 111/13; LAG Niedersachsen, Urteil vom 03.05.2011 – 3 Sa 1432/10 –
a. a. O., m. w. N. auf die Rechtsprechung des BAG, so u. a. Urteil vom 19.03.2003 – 7 AZR
267/02 – EzA § 1 AÜG Nr. 12). Diese Rechtsfolge lässt sich auch nicht im Lichte einer
richtlinienkonformen Auslegung des § 1 Abs. 2 AÜG unter Beachtung der Vorgaben aus der
Leiharbeitsrichtlinie herleiten. Denn dem Schutzzweck der Leiharbeitsrichtlinie ist durch
Einfügen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG („vorübergehend“) Genüge getan, da § 5 Abs. 1 Nr. 4
AÜG durch die vorgesehene Verzahnung des Arbeitsrechts mit einem gesetzlich
erforderlichen Verwaltungshandeln der Erlaubnisbehörde die notwendigen nationalen
Handlungsvoraussetzungen zum Schutz der Leiharbeitnehmer, wie durch Art. 5 Abs. 5 der
Leiharbeitsrichtlinie gefordert, zur Verfügung stellt (s. o.).
c)
Die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher lässt
sich in den Fällen der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bei Besetzung
eines Dauerarbeitsplatzes und Deckung eines Dauerbeschäftigungsbedarfs mit einem
Leiharbeitnehmer auch nicht mit einer analogen Anwendung der §§ 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG
bzw. in den Fällen der nach § 1 Abs. 2 AÜG vermuteten Arbeitsvermittlung nicht mit einer
entsprechenden Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG begründen.
aa)
Die analoge Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift setzt zunächst eine Regelungslücke,
d. h. eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, voraus (Larenz, Methodenlehre der
Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 373, zitiert nach: BAG, Urteil vom 28.06.2000 – 7 AZR
100/99 – a. a. O.).
bb)
Eine solche ist nicht zu erkennen.
(1)
Eine planwidrige Regelungslücke lässt sich für den Fall der nicht nur vorübergehenden
Arbeitnehmerüberlassung und der Vermutung der Arbeitsvermittlung deshalb nicht
feststellen, da der Gesetzgeber § 1 AÜG und die folgenden Normen seit der Entscheidung
des BAG vom 28.06.2000 (7 AZR 100/99) mehrfach geändert hat, ohne in Bezug auf die
vermutete Arbeitsvermittlung (§ 1 Abs. 2 AÜG) Sanktionen oder Rechtsfolgen einzuführen,
die zu der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher führen. Im Hinblick auf
die ihm bekannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht, mit der eine solche Sanktion
mehrfach verneint wurde, ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bei der letzten
Änderung des AÜG mit Wirkung zum 01.12.2011 bewusst gegen eine entsprechende
Sanktion entschieden hat (so auch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa
1182/12 – a. a. O.).
(2)
Zudem ist die Situation des Leiharbeitnehmers in den Fällen des § 1 Abs. 2 AÜG nicht
vergleichbar mit der des unerlaubt überlassenen Arbeitnehmers, für den § 10 Abs. 1 Satz 1
AÜG das Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert. Die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz
1 AÜG ist erforderlich, weil bei Fehlen der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderlichen
Erlaubnis der Vertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 AÜG
unwirksam ist. Damit der Leiharbeitnehmer in diesem Fall überhaupt in einem
Arbeitsverhältnis steht, fingiert § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein solches zum Entleiher. In den
Fällen der vermuteten Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 AÜG dagegen ist das
Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher gerade nicht unwirksam, weshalb
es eines weiterreichenden Schutzes des Leiharbeitnehmers nicht bedarf (BAG, Urteil vom
28.06.2000 – 7 AZR 100/99 – a. a. O.; so wohl auch BAG, Urteil vom 15.05.2013 – 7 AZR
494/11 – a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 – a. a.
O.). Dass die Leiharbeitsrichtlinie einen derartigen, weiterreichenden Schutz zwingend
erforderte, ist aus ihrer Konzeption ebenfalls nicht ersichtlich.
d)
Letztlich kann auch mit § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) der Bestand eines
Arbeitsverhältnisses
der
Parteien
nicht
mit
der
Begründung
bejaht
werden,
die
Arbeitnehmerüberlassung durch die konzerneigene Zeitarbeitsfirma T. sei nicht nur
„vorübergehend“ erfolgt und stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar.
aa)
Es
ist
anerkannt,
dass
aus
§
242
BGB
als
Rechtsfolge
der
Bestand
eines
Arbeitsverhältnisses hergeleitet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2013 – 7 AZR
225/11 – NZA 2013, 777 ff., m. w. N.; BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – NZA
2012, 1351 ff.; für das Recht der Arbeitnehmerüberlassung i. d. F. vom 01.12.2011: LAG
Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12 – a. a. O., m. w. N.).
bb)
Allerdings setzt der Grundsatz von Treu und Glauben, der als Gebot der Redlichkeit die
allgemeine Schranke der Rechtsausübung und der subjektiven Rechte wie auch der
Rechtsinstitute und Normen beinhaltet (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR
443/09 – a. a. O., m. w. N.; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 242 Rn. 40)
voraus, dass Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vorliegen. Erst dann ist die
umfassende
Missbrauchskontrolle
nach
den
Grundsätzen
des
institutionellen
Rechtsmissbrauchs vorzunehmen (vgl. BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – a. a.
O., m. w. N.).
(1)
Ein Rechtsmissbrauch liegt dann vor, wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtlich
mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise ausschließlich
dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen,
die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind
(„institutioneller Rechtsmissbrauch“, vgl. zu dieser Problematik: BAG, Urteil vom 18.07.2012
– 7 AZR 443/09 – a. a. O., m. w. N.; LAG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 09.01.2013 – 15
Sa 1635/12 – a. a. O.) oder wenn ein sog. Strohmanngeschäft vorliegt, nach dem der
Verleiher lediglich als Scheinverleiher auftritt, weil das Einsatzunternehmen ausschließlicher
Empfänger der Arbeitsleistung ist und sich des Verleihers als Strohmann bedient, um
geltende Gesetze umgehen zu können (vgl. zu dieser Problematik: Schüren, AÜG, 4.
Auflage 2010, § 1 Rnrn. 369 ff.; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa
1182/12 – a. a. O.).
(2)
Anhaltspunkte für einen derartigen Rechtsmissbrauch vermag die Kammer vorliegend nicht
zu erkennen.
(a)
Bei Abschluss des Vertrages zwischen der Fa. T. mit der Beklagten und der erfolgten
Entleihe
des
Klägers
mit
Wirkung
vom
05.04.2011-31.12.2012
bestand
für
die
Arbeitnehmerüberlassung keine zeitliche oder inhaltliche Begrenzung dergestalt, dass ein
Dauerbeschäftigungsbedarf nicht durch Leiharbeitnehmer abgedeckt werden durfte. Der
Überlassung
auf
unbestimmte
Dauer
stand
nach
der
Aufhebung
der
Höchstüberlassungsgrenze in § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a. F. zunächst kein Verbot entgegen
(vgl. hierzu: BAG, Beschluss vom 25.01.2005 – 1 ABR 61/03 – BAGE 113, 218 ff.; wohl auch
BAG, Urteil vom 15.05.2013 – 7 AZR 494/11 – a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 – a. a. O., m. w. N.). Auch wenn dies durch Einfügen des § 1
Abs. 1 Satz 2 AÜG („vorübergehend“) mit Wirkung zum 01.12.2011 in Umsetzung der
Leiharbeitsrichtlinie nunmehr zur Überzeugung der Kammer anders zu beurteilen ist (s. o.)
und die Fa. T. konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung betrieben und den Kläger
ausschließlich an die Beklagte verliehen hat, muss nach dem bisherigen Sachvortrag der
Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Fa. T. als Verleiherin im eigenen Namen,
für eigene Rechnung und im eigenen wirtschaftlichen Interesse tätig geworden ist. Damit hat
sie die üblichen Arbeitgeberpflichten und das Arbeitgeberrisiko übernommen. Dass sie nicht
werbend am Markt tätig gewesen wäre und ausschließlich Arbeitnehmer an konzerneigene
V.-Unternehmen überlassen hätte, ist nicht feststellbar, nachdem die Beklagte ein
entsprechendes Angebot der Fa. T. zur Personalgestellung an die Stadt P. vom 29.10.2010
und eine Rechnung für erfolgte Arbeitnehmerüberlassung an die Fa. M. Städtereinigung
GmbH & Co.KG vom 17.12.2012 zu den Akten gereicht hat. Selbst wenn dem so wäre,
erlaubte dieser Umstand der rein konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung für sich allein
noch nicht die Annahme, der Fa. T. sei es als eigenständige Gesellschaft gleichgültig,
welche Gewinne und Verluste entstünden, auch wenn letztere möglicherweise durch
Gewinn- und Verlustübernahmen innerhalb des Konzerns abgemildert würden (eine
konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung für zulässig erachtend: LAG Niedersachsen, Urteil
vom 03.05.2011 – 3 Sa 1432/10 – a. a. O., m. w. N.; dies bestätigend wohl BAG, Urteil vom
15.05.2013 – 7 AZR 494/11 – a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.10.2012 – 7
Sa 1182/12 – a. a. O.).
(b)
Ob ein von der Rechtsordnung nicht gebilligtes Umgehungsgeschäft i. S. v. § 242 BGB
vorliegt, lässt sich zur Überzeugung der Kammer zudem nur nach der bei Abschluss des
Vertrages gültigen Rechtslage beurteilen. Ein Umgehungsgeschäft setzt die Umgehung von
Rechtsnormen voraus, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes schon
Geltung beanspruchten – ansonsten könnten sie nicht umgangen werden. In dem hier
streitbefangenen
Zeitraum
(05.04.2011-31.12.2012)
lag
selbst
dann,
wenn
die
konzerneigene Zeitarbeitsfirma T. ausschließlich ihre Arbeitnehmer an dem V.-Konzern
angehörige Unternehmen verliehen hätte, kein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor. Denn
Umgehungsgeschäfte, für die typisch ist, dass die alternative Gestaltung ernstlich gewollt ist,
um die unerwünschten Rechtsfolgen zu vermeiden und das erwünschte wirtschaftliche Ziel
dennoch zu erreichen, sind nicht per se unzulässig, sondern nur dann, wenn sie gegen den
Sinn und Zweck bestimmter Normen bzw. die allgemeine Rechtsschranke des Grundsatzes
von Treu und Glauben verstoßen. Ein solcher Verstoß lässt sich aber nur am Maßstab der
bei Abschluss des Vertrages gültigen Rechtslage beurteilen (so auch LAG BerlinBrandenburg, Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 – Juris, a. a. O., m. w. N. und wohl auch
LAG Niedersachsen, Urteil vom 03.05.2011 – 3 Sa 1432/10 – a. a. O. und BAG, Urteil vom
15.05.2013 – 7 AZR 494/11 – a. a. O.).
2.
Der Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebotes zum Abschluss
eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen, wie sie der Kläger zu der Fa. T. inne hatte, ist
ebenfalls unbegründet.
a)
Dies folgt allerdings noch nicht aus dem Umstand, dass die Verurteilung der Beklagten zur
Abgabe der Angebotserklärung zum 01.02.2013 rückwirken soll. Die Abgabe der
Angebotserklärung als der ersten der beiden nötigen, zum Vertragsabschluss führenden
übereinstimmenden Willenserklärungen (§§ 145 ff. BGB) soll es dem Kläger ermöglichen,
darüber entscheiden zu können, ob er ein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten zu den
Bedingungen des Arbeitsvertrages mit der Fa. T. eingehen will. Mit Rechtskraft eines
obsiegenden Urteils gilt die Angebotserklärung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 894
Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe des Antrages wirkt,
beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des § 311 a Abs. 1 BGB in der
Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S.
3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf
eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist.
Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit
diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist
nunmehr in § 311 a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig
ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden konnte (vgl. zu
dieser Problematik: BAG, Urteil vom 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – a. a. O., m. w. N.; BAG,
Urteil vom 09.02.2011 – 7 AZR 91/10 – AP Nr. 52 zu § 307 BGB; BAG, Urteil vom
15.04.2008 – 9 AZR 111/07 – AP Nr. 39 zu § 1 TVG Altersteilzeit m. w. N.).
b)
Der Kläger hat jedoch in Ermangelung der Existenz einer Anspruchsgrundlage keinen
Anspruch auf Abgabe der mit dem Hilfsantrag zu 2. verlangten Angebotserklärung. Weder
gibt es einen vertraglichen Rechtsanspruch noch ist ein Anspruch auf Grund eines
Tarifvertrages oder Gesetzes ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Den gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzenden Wert des Streitgegenstandes hat
die Kammer gemäß §§ 3, 5 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG je Antrag mit dem
Vierteljahresverdienst (35 Wochenstunden x 13 Wochen x 8,24 Euro brutto) in Ansatz
gebracht.
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