Rede

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Rede
anlässlich
100 Jahre Kolpingfamilie Fechenbach
am 18. September 2011
Wolfgang Zöller
100 Jahre Kolping Fechenbach bedeutet auch 100 Jahre
Vermittlung von Grundwerten.
Hierzu möchte ich Ihnen meinen Respekt und meine
Anerkennung aussprechen. Aber auch gleichzeitig feststellen,
dass dies auch Verpflichtung für die Zukunft ist.
Mich bedrückt es, dass es immer weniger Eltern wichtig
ist, ihren Kindern die Werte weiterzugeben, die für sie
wesentlich waren.
Keine Generation hat ihren Kindern mehr an Geld und
Gut vererbt als die heutige. Aber was vererben wir
jenseits dieser materiellen Werte ? Kann es sein, dass
ausgerechnet die reichste Generation in dieser Frage
bettelarm ist ?
Für den Verlust von Werten zahlen wir einen hohen Preis.
Steigende Kriminalität, zunehmende Gewalt, Zerfall von
Familien, Unfähigkeit zu Bindungen und Freundschaft.
An die Stelle klassischer Werte wie Vertrauen, Wahrhaftigkeit,
Demut sind neue Werte getreten. Erfolg,
Effizienz, Lust- und Nützlichkeitsprinzip.
Verantwortung hat der Selbstverwirklichung Platz gemacht.
Es herrscht der Zeitgeist, man hat keine Standpunkte
mehr und meine sehr geehrte Damen und Herren, ohne
Grundwerte und Moral haben wir keine Zukunft, ob in
Politik, Betrieb oder Familie.
Wir brauchen Menschen, die über einen Wertevorrat
verfügen, die aus den Wurzeln des Überlieferten Kraft schöpfen.
Solche Leute sind für unsere Gesellschaft, noch besser,
für eine menschliche Gesellschaft unverzichtbar.
Denn Werte wollen nicht als Worte, sondern als Vorbild
und Begegnung erfahren werden.
Ich wünsche der Kolpingfamilie Fechenbach für die
nächsten Jahrzehnte Menschen mit Wertevorrat.
Wir leben in einer Zeit, in der so schnell wie nie zuvor
die Moden und die Leitbilder in der Gesellschaft wechseln.
Was heute gilt, ist morgen schon überholt.
Jeden Tag werden in der Politik neue Probleme
diskutiert bzw. über neue Hiobsbotschaften geredet,
jeden Tag entstehen neue, meist lose Zusammenschlüsse,
die sich aber kurze Zeit später wieder auflösen.
Und immer mehr Menschen haben das Gefühl, in der
sich immer schneller drehenden Welt nicht mehr zu
recht zu kommen.
Immer mehr Menschen leiden unter Orientierungslosigkeit.
Sinnkrisen breiten sich wie eine Wohlstandsepidemie aus.
Diese Entwicklung macht leider auch vor vielen
Kolpingfamilien nicht Halt.
Viele Kolpingfamilien bekommen nicht mehr genug
Nachwuchs. Es wird auch innerhalb gar nicht weniger
Kolpingfamilien immer schwieriger, Freiwillige zu finden,
die sich für unsere Idee engagieren wollen.
Wo stehen wir als Kolpingweggemeinschaft, welchen
Stellenwert haben wir noch in der Gesellschaft, wie
wichtig sind wir noch für Menschen, können wir ihnen in
der heutigen Zeit noch etwas von unserer Kolping Idee
lebhaft vermitteln ? Ja, ist das Kolping Gedankengut
überhaupt noch zeitgemäß ? Oder hat unsere Idee nicht
mehr die gewünschte große Anziehungskraft ?
Betrachten wir nun die wirtschaftliche Entwicklung in
unserer Zeit, so zeigen sich auffällige Gemeinsamkeiten
mit der Entwicklung z. Zt. des Wirkens Adolph Kolpings.
Was passiert eigentlich heute ?
Große Firmen, vor allem Konzerne verlegen immer mehr
Arbeitsplätze dorthin, wo sie billiger produzieren können,
sie nutzen das Wohlstands- und Lohngefälle zwischen
den einzelnen Staaten aus.
Die neue Managergeneration kennt die Aktienkurse
besser als die eigenen Mitarbeiter. Statt bisher regional
und national begrenzte Produktions- und Arbeitsmärkte,
gibt es jetzt weltweite Märkte.
Das heißt, der Arbeitsmarkt wird internationalisiert, mit
der Konsequenz, dass Arbeitsplätze ausgelagert werden
und im eigenen Land die Sozialkosten steigen.
Was das für unser Sozialsystem bedeutet, bekommen
wir schmerzlich jeden Tag deutlich zu spüren.
Die informationstechnologische Revolution ruft Fortschrittsgewinner,
aber auch Fortschrittsverlierer hervor.
Das hat Auswirkungen auf das Leben jedes einzelnen
Menschen und manche kritische Stimmen sagen auch
schon voraus, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft
gefährdet sei. Es hat den Anschein, dass wir uns erneut
mit völlig neuen Bedingungen beschäftigen müssen.
Nur, wohin die Reise gehen soll, wissen die wenigsten.
Meldungen wie steigende Kriminalität vor allem in den
Großstädten, Drogenkonsum, zerrüttete Familien, verwahrloste,
vernachlässigte Kinder bzw. immer mehr
Kinder, die unter der Scheidung der Eltern leiden. Jede
Horrorvorstellung kann heute durch tatsächliche Ereignisse
bestätigt werden. Was ist eigentlich los in diesem
ehemals von so vielen Menschen als Vorbild
gepriesenem Wirtschafts- und Sozialstaat?
Ich will hier nicht im Einzelnen auf die vielschichtigen
Ursachen dieser Entwicklungen eingehen. Darüber zerbrechen
sich genug Wissenschaftler den Kopf.
Doch auf einen Erklärungsansatz möchte ich doch hinweisen,
und zwar deshalb weil gerade diese Wissenschaftler
ihn zu wenig berücksichtigen und weil unser
Gründer Adolph Kolping immer wieder darauf hingewiesen hat.
Ich zitiere ihn wörtlich: „Das erste was der Mensch im
Leben vorfindet und das letzte, wonach er die Hand
ausstreckt, und das Kostbarste, was er besitzt, auch
wenn er es nicht achtet, ist das Familienleben.“
Wohl gemerkt. Das hat Adolph Kolping geschrieben.
Was hat Kolping damit festgestellt:
Die Familie ist die entscheidende Gemeinschaft für
jeden Menschen, sie vermittelt alle sozialen Kompetenzen.
Und umgekehrt gilt: Wer diese Gemeinschaft aus
welchen Gründen auch immer nicht erlebt, dem fehlt
nicht nur etwas ganz wichtiges, sondern er wird mangels
Erfahrung auch nicht in der Lage sein, sich in andere
Gemeinschaften einzufügen bzw. diese mitzugestalten.
Die Familie ist die natürliche Gemeinschaft zur
Vermittlung und Einübung von notwendigen personalen,
sozialen und kulturellen Werten.
Familie ist damit Keimzelle in der umfassenden
Bedeutung für jegliche menschliche Gesellschaft. Ohne
ein Mindestmaß von sozialer Verantwortung ist
menschenwürdiges Zusammenleben in keiner Gesellschaft
möglich.
Ich kann mich noch gut an eine Inschrift an einem Haus
in unserer Gemeinde erinnern. Dort heißt es:
Familien sind das Jugendland, darin Völker wachsen und gedeihen.
Um die Familie in der heutigen Zeit erleben zu können,
ist u. a. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unbedingt
erforderlich. In diesem Zusammenhang ist die
Politik besonders gefordert. Nämlich sie muss richtige
Weichen stellen, damit die Familien sich primär selbst helfen können.
Es wurde versäumt, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass
Kinder und Beruf miteinander in Einklang gebracht
werden können und einander nicht ausschließen.
Viel Zeit wurde mit der irreführenden Debatte vergeudet,
ob die berufstätige Mutter eine Rabenmutter oder die
Mutter zu Hause ein Heimchen am Herd sei.
Aus ideologischen Motiven wurde die einfache Tatsache
übersehen, dass Eltern, die mit ihrer Lebensperspektive
zufrieden sind, zu meist auch gute Eltern sind. Es geht
hier nicht darum das eine zu begrüßen und das andere
zu verdammen. Es muss uns wichtig sein, dass Frauen
die Freiheit behalten, zu wählen ob sie berufstätig
bleiben oder sich zu Hause ausschließlich um die Kinder
kümmern wollen.
Ich persönlich bin fest davon überzeugt, wenn die
Rahmenbedingungen besser wären würden sich
vielmehr Frauen dazu entschließen ihre Kinder persönlich zu erziehen.
Die Entscheidung für Kinder wird von der Gesellschaft
nicht genügend honoriert.
Man bekommt heute leichter einen Mietvertrag mit der
Genehmigung ein Krokodil als Haustier zu halten als die
Duldung von drei Kindern. Wer sich für Kinder
entscheidet wird mit Lohneinbußen, schwindenden
Berufschancen gekoppelt mit sinkendem Wohlstand
bestraft. Dies sind falsche Signale.
Mittlerweile erkennen auch immer mehr Unternehmen,
dass sich für sie familienfreundliche Maßnahmen
rechnen. Denn so können Sie qualifizierte und
leistungsbereit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten.
Es geht dabei um die Einsicht, dass auch die Unternehmen
mit dazu beitragen müssen, Humanvermögen
nicht nur abzuschöpfen, sondern auch zu bilden. Wir
müssen langsam erkennen, dass eine Gesellschaft, die
sich nicht ausreichend um den Nachwuchs sorgt ihre
eigenen sozialen und ökonomischen Grundlagen zerstört.
Aufwertung der Bedeutung von Ehe und Familien
durch die Massenmedien.
Der Einfluss und die Macht der Massenmedien nehmen
ständig zu. Massenmedien haben nicht nur Einfluss auf
den Ablauf des familiären Zusammenlebens und das
Verhalten der einzelnen Familienmitglieder, sondern die
Darstellung des Wertes von Ehe und Familie für Gesellschaft,
Staat und Kirche hat auch Einfluss auf das Selbstverständnis von
Familien.
Solange stundenlang Life-Berichte von Schwulenparaden
übertragen werden und von Familientagungen
nicht einmal im Nachrichtenüberblick erwähnt werden,
stimmt etwas mit unserem Wertekompass nicht.
Die besondere Schutzwürdigkeit des ungeborenen
Kindes ist für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft
von allerwichtigster Bedeutung. Das Recht auf
Leben ist heute als Menschenrecht unbestritten.
Trotzdem wird das Leben des ungeborenen Kindes
immer öfter der Verfügbarkeit der Eltern ausgesetzt.
Dies ist der Beginn einer verhängnisvollen Entwicklung.
Die Diskussion über PID, das Klonen von Menschen, so
wie der Bericht von Forschern, die sich rühmen, dass
ihnen das Kreuzen von einem Schwein mit einem
Menschen gelungen ist, macht deutlich wohin eine Entwicklung
geht, wenn wir Menschsein nicht mehr von
Anfang an die volle Menschenwürde zugestehen.
Alle Probleme, die mit den Begriffen ungeborenes
Leben, aktive Sterbehilfe, Pflege, Hospiz zusammenhängen
sind mit gut funktionierenden Familien am ehesten menschlich zu lösen.
Familie war und ist ein Raum der Leben und Rückhalt
ermöglicht in einer haltlosen Welt.
Familie erfüllt neben Grundbedürfnissen wie Ernährung
und Versorgung vor allem die Befriedigung der
seelischen Grundbedürfnisse, ohne die ein Mensch nicht
leben kann.
Liebe, Geborgenheit, Annahme, aber auch Ansporn,
Herausforderung, Kritik. Menschen brauchen Familie um
lebenstüchtig zu werden und deshalb möchte ich uns
Alle auffordern, haben wir Mut zu Grundwerten, dann
können wir ein Beispiel geben im Sinne von Kolping, der
sagt:„Wer Mut hat, macht Mut“.
In diesem Sinne
Treu Kolping
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