Übung „Funktionelle Morphologie der Blüten, Früchte und Samen“ (Module B 5C, B 22C; PD Dr. C. Brückner) 7. Ausbreitungsbiologie • Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Konstruktion der pflanzlichen Ausbreitungseinheiten und ihrer Verfrachtung durch abiotische oder biotische Vektoren • Ausbreitung: Prozess der Verfrachtung der Diasporen Verbreitung: Vorkommen der Sippe in einer geografischen Region (Areal) • Ausbreitungseinheiten: Diasporen (Pflanzenteile, die zur Ausbreitung dienen) [diaspeiro = griech. „ich werfe herum“] • Beispiele für vegetativ erzeugte Diasporen: Brutsprosse mit Nebenwurzeln Brutzwiebeln blattbürtige Brutknospen Brutknöllchen (Bulbillen) Ranunculus ficaria (Scharbockskraut, Allium paradoxum (Seltsamer Bryophyllum daigremontianum Ranunculaceae): Seitenspross mit ver- Lauch, Alliaceae): im Blütenstand (Brutblatt, Crassulaceae): am dickter Nebenwurzel als Bildung kleiner Zwiebeln, die sich Blattrand entstehen sprossbürtig Reservestoffspeicher später ablösen bewurzelte Jungpflänzchen, die leicht abfallen • generativ erzeugte Diasporen: - (Meio-)Sporen (Moose, Farne) - Früchte - Fruchtstände - Samenteile - ganze Pflanzen - Samen - Teilfrüchte • die meisten Diasporen sind polychor [griech. chorízein = absondern, ausbreiten] → können auf verschiedene Weise (durch unterschiedliche Vektoren) verfrachtet werden - Fernausbreitung: ab 100 m Distanz (Vektoren: Wind, Wasser, Wirbeltiere) - Nahausbreitung: Diasporen verbleiben in der Umgebung der Mutterpflanze (insbesondere bei Standortspezialisten überlebensnotwendig) • Ausbreitungstypen: - Selbstausbreitung (Autochorie) - Bewegungen der Pflanze bzw. der Diasporen führen zur Ausbreitung in die direkte Umgebung der Mutterpflanze - Windausbreitung (Anemochorie, Meteorochorie) - Ausbreitung der Diasporen durch die Luft unter Windeinfluss - Wasserausbreitung (Hydrochorie) - alle Formen der Ausbreitung durch Wasser inkl. Regen - Tierausbreitung (Zoochorie) - Ausbreitung durch Wirbellose und besonders Wirbeltiere - Ausbreitung durch den Menschen (Hemerochorie, Anthropochorie) - überwiegend Fernausbreitung 1. Selbstausbreitung (Autochorie) 1.1. Selbstschleuderer (Ballochore) 1.1.1. Saftdruckstreuer: Turgormechanismen Impatiens parviflora (Kleinblütiges Springkraut, Balsaminaceae): unterschiedlicher Turgordruck in äußeren und inneren Perikarpschichten bewirkt explosives Öffnen der Saftkapsel Diasporen: Samen Ecballium elaterium (Spritzgurke, Cucurbitaceae): fruchtmusartiges Endokarp steht unter Druck (bis 15 bar!); Trennungsgewebe am Ansatz des gekrümmten Fruchtstiels ist die „Sollbruchstelle“ → beim Abreißen spritzt saftiger Inhalt samt Samen 12 m weit heraus Diasporen: Samen Oxalis-Arten (Sauerklee, Oxalidaceae): Quetschschleuder-Prinzip → subepidermales Schwellgewebe in der Samenschale übt Druck auf den inneren Teil des Samens aus, der aus der Kapsel herausgeschleudert wird Diasporen: Samenteile Dorstenia-Arten (Dorstenie, Moraceae): Quetschschleuder-Prinzip → Schwellgewebe in der Fruchtstandsachse übt seitlichen Druck auf die Steinkerne der Früchte aus, die herausgeschleudert werden Diasporen: Fruchtteile (Endokarp mit Samen) 1.1.2. Austrocknungsstreuer: Spannungen im austrocknenden Perikarp durch unterschiedlich kontrahierbare Bereiche → explosive Öffnung Geranium-Arten (Storchschnabel, Geraniaceae): Katapultkapseln - 5 einsamige Karpelle mit langausgezogener Spitze („Schnabel“); explosive Krümmung der äußeren Karpellteile nach außen/oben schleudert Samen ab Diasporen: Samen Viola-Arten (Veilchen, Stiefmütterchen; Violaceae): dreikarpellige Kapseln öffnen sich längs der Mittelrippen, falten sich beim Austrocknen kahnförmig zusammen und pressen die Samen heraus Diasporen: Samen Hura crepitans (Sandbüchsenbaum, Euphorbiaceae): mehrkarpellige Früchte explodieren mit lautem Knall, schleudern Einzelkarpelle bis 40 m weit Diasporen: Samen 1.2. Selbstableger (Blastochore): aktive Deponierung der Diasporen in der Nähe der Mutterpflanze ∗ Cymbalaria muralis (Zimbelkraut, Plantaginaceae): Fruchtstiele verlängern sich negativ phototrop und schieben die Früchte in Felsspalten bzw. Mauerritzen (Pfeil), wo sie die Samen entlassen ∗ Geokarpie: Arachis hypogaea (Erdnuss, Fabaceae) → Fruchtstiele verlängern sich negativ phototrop und schieben die Früchte tief in den Boden, wo sie in 4-5 Monaten heranreifen ∗ Amphikarpie: Pflanze mit oberirdischen Blüten → Luftfrüchte und mit basalen kleistogamen Blüten → Erdfrüchte Samen aus den beiden Fruchttypen unterscheiden sich in Zahl und Größe amphikarpe Sippen z. B. in Fabaceae, Violaceae, Brassicaceae Schema einer amphikarpen Pflanze 2. Windausbreitung (Anemochorie) 2.1. Windstreuer (Boleochore, Semachore): Diasporen werden aus Behältern an steiffedernden Achsen ausgeschüttelt, Wirkung des Windes nur mittelbar (Samen werden nicht verblasen) Beispiel: Papaver-Arten (Mohn, Papaveraceae) - trockene Kapseln an langen Stielen 2.2. Flieger (Meteorochore): Diasporen mit dem Wind treibend bzw. selbstständig gleitend 2.2.1. Körnchenflieger (Granometeorochore): winzige, leichte Diasporen („Staub-Diasporen“) Beispiel: Orchidaceae - Kapselfrüchte enthalten Tausende bis zu 4 Millionen winzige Samen (0,005 mg) - mit dem Wind über Hunderte km transportierbar Samen von Epipactis palustris (Sumpf-Sitter, Orchidaceae) 2.2.2. Ballonflieger (Cystometeorochore): luftgefüllte, „aufgeblasene“ Strukturen an den Diasporen Trifolium fragiferum (Erdbeer-Klee, Fabaceae) luftgefüllter Kelch persistiert an der Hülse Staphylea-Arten (Pimpernuss, Staphyleaceae) Früchte blasig, leicht Papaver dubium (SaatMohn) 2.2.3. Haarflieger (Trichometeorochore): Diasporen mit Haaren unterschiedlicher Herkunft a) Samenhaare Gossypium-Arten (Baumwolle, Malvaceae) Asclepias-Arten (Seidenpflanze, Apocynaceae) Populus-Arten (Pappel, Salicaceae) b) Federschweifflieger Sammelnussfrüchte, Nüsschen mit langem behaartem Griffel: Dryas octopetala (Silberwurz, Rosaceae) Sammelnussfrüchte, Nüsschen mit langem behaartem Griffel: Clematis vitalba (Weiße Waldrebe, Ranunculaceae) Stipa (Federgras, Poaceae): Karyopse (Bohrfrucht) umschlossen von Deckspelze mit langer, behaarter Granne S. stenophylla c) Perigonhaare Eriophorum (Wollgras, Cyperaceae): Perigonborsten wachsen zur Fruchtreife zu langen Haaren aus, persistieren an der Nussfrucht d) Pappushaare der Asteraceae Typha (Rohrkolben, Typhaceae): Haare an der Nussfrucht in mehreren Etagen Kelch oft zu an der Achäne persistierendem Haarkranz umgestaltet E. angustifolium T. angustifolia 2.2.4. Flügelflieger (Pterometeorochore): Diasporen mit Flügeln unterschiedlicher Herkunft a) geflügelte Samen Alsomitra macrocarpa (früher Zanonia, Cucurbitaceae; Südostasien): symmetrisch geflügelter Same → Gleitflieger mit hervorragenden Flugeigenschaften (bis zu 10 km); Vorbild für die EindeckerFlugzeuge „Etrich-Taube“ (1910, erstes österreichisches Militärflugzeug) und „Rumpler-Taube“ (Deutschland) Die Samen der Pinaceae (Bsp.: Tsuga canadensis, Kanadische Hemlocktanne, rechts, und Pinus wallichiana, Tränen-Kiefer, unten) haben einseitige Flügel →Schraubenflieger Nemesia fruticans (Elfenspiegel, Scrophulariaceae): Samen mit umlaufendem Flügel → Scheibenflieger b) geflügelte Früchtchen: Liriodendron tulipifera (Tulpenbaum, Magnoliaceae): Sammelnussfrucht → Flügelnüsschen einzeln ausgebreitet c) geflügelte Teilfrüchte d) Flügelnüsse Acer-Arten (Ahorn, Sapindaceae): oberständige zweikarpellige Spaltfrucht → geflügelte Teilfrüchte einzeln ausgebreitet (Schraubenflieger) Flügel vom Perikarp gebildet: Fraxinus excelsior (Esche, Oleaceae), Ulmus-Arten (Ulme, Ulmaceae), Betula pendula (HängeBirke, Betulaceae), Ptelea trifoliata (Kleeulme, Rutaceae; Abb.) Ailanthus altissima (Götterbaum, Simaroubaceae): Gynoeceum oberständig, fünfkarpellig, anakrostyl → Spaltfrucht, überhöhter und verdrehter Rücken der Teilfrüchte trägt zur Flügelbildung bei (Schraubenflieger) persistierendes Perigon als persistierender Kelch: Flugapparat: Polygonaceae Dipterocarpaceae: (Knöterichgewächse) mindestens 2 der 5 Sepalen werden zu bis 25cm langen Flügeln Griffelansatz Verwachsungsprodukt aus dem Tragblatt und den beiden Vorblättern der Blüte ergibt Flügel: Carpinus betulus (Hainbuche, Betulaceae) Rheum palmatum (MedizinalRhabarber) e) Fruchtstände Tilia-Arten (Linden, Malvaceae): Stiel des Fruchtstands mit flügelartig vergrößertem Vorblatt verwachsen 2.3. Bodenläufer (Chamaechore): ∗ Teile von Pflanzen (Teilläufer): Bsp. Cotinus coggygria (Perückenstrauch, Anacardiaceae) → Fruchtstand zerfällt in dreidimensionale Einzelteile, behaarte Stiele steriler Blüten sind „windgriffig“ Frucht ∗ ganze Pflanzen (Einzelläufer) - lösen sich im Herbst ab und werden vom Wind übers offene Land getrieben; dabei fallen Früchte bzw. Samen ab - vor allem ChenopodiaceaeSippen (Gänsefußgewächse) Salsola kali (Salzkraut, Chenopodiaceae; heimisch) ∗ Zusammenballungen mehrerer Pflanzen (Massenläufer, „Steppenhexen“) 3. Wasserausbreitung (Hydrochorie) 3.1. Schwimmer (Nautochore): Transport schwimmfähiger Diasporen durch Oberflächenströmungen - Diasporen unbenetzbar, mit Luftsäcken oder Schwimmgeweben (verkorkte, lufthaltige Zellen) - Beispiele: ∗ Cocos nucifera (Kokospalme, Arecaceae, indo-pazifischer Ursprung): Steinfrucht mit faserigem, lufthaltigem Mesokarp; bekannteste Driftfrucht, kann ca. 5000 km schwimmen und dabei keimfähig bleiben, bevorzugt gut drainierte Korallensandstrände tropischer Inseln und Atolle; seltener an kontinentalen Küsten zu finden ∗ Entada-Arten (Fabaceae-Mimosoideae): Lianen („Monkey Ladders“) der alt- und neuweltlichenTropen, Gliederhülsen bis 2 m lang, Samen werden in die Flüsse gespült und driften mit den Meeresströmungen; Entada gigas (Seeherz): tropisches Amerika, Samen gelangen mit dem Golfstrom bis Irland und Norwegen ∗ Calophyllum inophyllum (Clusiaceae): kleiner Baum an fast allen Entada phaseoloides Küsten des Indischen und Pazifischen Ozeans, pingpongballgroße Früchte sind häufige Driftfrüchte im tropischen Pazifik ∗ Caesalpinia bonduc (Molukkenbohne, Fabaceae-Caesalpinioideae): bedornter, kletternder Küstenstrauch mit weiter tropischer Verbreitung, marmorartige Samen gehören zu den häufigsten Driftsamen (→ Wauri-Spiel auf den Kaimaninseln) ∗ Barringtonia asiatica (Fischgiftbaum, Lecythidaceae): großer Küstenbaum des Indischen und westlichen Pazifischen Ozeans; Driftfrüchte zwei Jahre schwimmfähig, gehörten zu den Erstbesiedlern von Krakatau nach der Eruption von 1883 ∗ Merremia discoidesperma (Marienbohne, Convolvulaceae): Kletterpflanze in den Regenwäldern Mexicos und Zentralamerikas mit gelben Trichterblüten und einsamigen Früchten; Samen mit verholzter Schale und internen Lufträumen können Monate bis Jahre driften, gelangen bis Norwegen (24 000 km) - längste dokumentierte Driftdistanz ∗ Mucuna sloanei (Hamburgerbohne, Fabaceae-Faboideae): pantropische Liane, fledermausblütig (Flagelliflorie), Samen oft an den Stränden der südöstlichen USA angespült, auch an niederländischen Küsten gefunden 3.2. Strömungsschwemmlinge (Bythisochore): Transport durch Strömungen am Gewässergrund (auch nicht schwimmfähige Diasporen) 3.3. Regentropfen-Wanderer (Ombrochore) 3.3.1. Regenschwemmlinge: Früchte öffnen sich bei Befeuchtung, kleine Samen werden ausgeschwemmt. Beispiele: Sedum acre (Scharfer Mauerpfeffer, Crassulaceae): Sammelbalgfrucht Eranthis hyemalis (Winterling, Ranunculaceae): Sammelbalgfrucht 3.3.2. Regenballisten: die Wucht der aufprallenden Wassertropfen löst einen Schleudermechanismus aus, der die Diasporen auswirft Beispiel: Prunella vulgaris (Gemeine Braunelle, Lamiaceae) - der zweilippige Fruchtkelch ist trocken geschlossen (links), bei Nässe öffnet er sich (rechts); auf die Oberlippe prallende Tropfen schleudern die Klausen aus Klausen 4. Tierausbreitung (Zoochorie) 4.1. Darmwanderer (Endozoochore): Ausbreitung nach Fraß und Verdauung - erforderliche Diasporenbeschaffenheit: ∗ Reizmittel (Farbe, Duftstoffe) ∗ Lockmittel (Nahrungsstoffe - Kohlenhydrate, Fett, Protein) ∗ Schutzeinrichtungen (harte Schichten gegen Zerstörung in Kauapparat oder Verdauungstrakt) - Für die Keimung ist die Magen-Darm-Passage erforderlich! Verdauungssäfte machen die Hartschichten wasserdurchlässig und die Samen quellfähig - verschiedene Möglichkeiten zur Verwirklichung des Prinzips „Außen fleischig, innen holzig“: fleischiger Anteil äußere Samenschale (Sarkotesta) Hartschicht innere Samenschale (Sklerotesta: Abb. rechts) Beispiel Gymnospermen: Ginkgo (Abb.), Cycadopsida ursprüngliche Angiospermen: Magnolia (Magnoliaceae) Arillus („Samenmantel“), z. B.: - Auswuchs aus der Achse unterhalb der Samenanlage - Auswuchs aus der Mikropylarregion der Samenanlage gesamte Samenschale Taxus (Eibe, Taxaceae - Abb.) gesamte Samenschale Myristica fragrans (Muskatnuss, Myristicaceae) Perikarp → Beerenfrucht gesamte Samenschale Solanum lycopersicum (Tomate, Solanaceae - links.), Vitis vinifera (Wein, Vitaceae Mitte) Vaccinium myrtillus (Heidelbeere, Ericaceae), Ribes rubrum (Johannisbeere, Grossulariaceae - rechts) ursprünglichstes Prinzip! fleischiger Anteil äußere Fruchtwand: Exo- + Mesokarp (Sarkokarp) Hartschicht innere Fruchtwand: Endokarp (Sklerokarp) = Steinfrucht Beispiel Rubus (Himbeere - Abb., Brombeere; Rosaceae) Sammelsteinfrucht, Prunus (Kirsche, Pflaume - Abb., Aprikose, Pfirsich; Rosaceae) Einblattsteinfrucht, Olea europaea (Olive, Oleaceae), Mangifera indica (Mango, Anacardiaceae) Blütenachse gesamte Fruchtwand Fragaria (Erdbeere, Rosaceae: Abb.), Rosa (Rose, [Frucht = Hagebutte], Rosaceae; Abb.) beides Sammelnussfrüchte persistierende Blütenhülle (+ [dünne] äußere Fruchtwand) innere Fruchtwand (Sklerokarp) Morus (Maulbeere, Moraceae) - Diaspore ist ein vielfrüchtiger Steinfruchtstand Fruchtstandsachse gesamte Fruchtwand Ficus (Feige, Gummibaum, Moraceae) - Diaspore ist ein vielfrüchtiger Nussfruchtstand bei unterständigen Steinfrüchten trägt die Blütenachse zum fleischigen Anteil bei (Bsp.: Crataegus [Weißdorn], Malus [Apfel], Cydonia [Quitte] - alle Rosaceae) - wichtige Ausbreiter: I. Vögel (Ornithochorie) → Anpassungen der Diasporen: ∗ entweder rot oder grell- bzw. kontrastfarbig ∗ weichschalig Daphne mezereum (Seidelbast, ∗ mäßig groß Thymelaeaceae) ∗Wintersteher: im Winter nicht abfallend II. Säugetiere (Mammaliochorie -in den Tropen verbreiteter als in den gemäßigten Breiten) → Anpassungen der Diasporen: ∗ größer, abfallend (oft Aufnahme vom Boden) ∗ hartschaliger, Färbung weniger auffallend; duftend Beispiele: Citrus-Früchte (Rutaceae), Cucurbitaceae Viburnum lantana (Wolliger Schneeball, Adoxaceae): Farbkontrast durch unterschiedlich reife Früchte Elaiosomen an Samen: III. Ameisen (Myrmekochorie) ∗ verbreitet bei Sippen der temperaten und tropischen Waldbereiche ∗ Diasporen klein, transportierbar (Mundwanderer = Stomatochore ) Corydalis cava (Hohler Lerchensporn, ∗ Ausbildung von charakteristischen Samen- und Fruchtanhängseln, Papaveraceae), Moehringia trinervia (Nabelmiere, Caryophyllaceae), Luzula die fett- und proteinreich sind (Elaiosomen, Ölkörper) pilosa (Wald-Haarsimse, Juncaceae) ∗ Ameisen transportieren die Diasporen in den Bau, nagen die Ölkörper ab und entfernen den Rest wieder ∗ Ameisengärten der Neotropis: bestimmte Ameisenarten bauen Elaiosomen an Teilfrüchten: Lamium Nester in den Astgabeln tropischer Regenwaldbäume; die Diasporen purpureum (Rote verschiedener epiphytischer Sippen werden zu Futterzwecken ins Taubnessel, Lamiaceae) Nest geholt und keimen dort aus → typische Artenzusammensetzung (Vertreter von Bromeliaceae, Araceae, Gesneriaceae, Piperaceae) 4.2. Dysochorie (Versteck-Ausbreitung): Transport von Diasporen zu Nahrungszwecken ohne Verdauung, Diasporen entgehen nur durch Zufall der Vernichtung - trockene Diasporen werden von Nagetieren und Vögeln als Vorrat gehortet oder vesteckt - nur ein bestimmter Prozentsatz wird wiedergefunden und verzehrt, der Rest dient der Ausbreitung - Beispiel: Symbiose von Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) und Zirbel-Kiefer (Pinus cembra): Der Tannenhäher legt im Sommer zahlreiche Vorratsverstecke mit Samen der Zirbel-Kiefer an. 20 % findet er nicht wieder. Das reicht zur natürlichen Verjüngung der Kiefer aus. 4.3. Anhafter (Epizoochore): Ausbreitung im Fell, am Federkleid oder an den Hufen - unspezialisiert: kleine Diasporen von Sumpf- und Wasserpflanzen schwimmen auf der Oberfläche oder befinden sich im Schlamm → Anheftung an Wasservögel (Füße, Gefieder) ermöglicht Transport von Gewässer zu Gewässer → viele Kosmopoliten (z. B. Binsen[Juncus]- und Hahnenfuß[Ranunculus]-Sippen) - spezialisiert: Kletteinrichtungen - Haare, Emergenzen oder andere Hakenbildungen unterschiedlicher Herkunft Hakenhaare / hakige Emergenzen auf Teilfrüchten und Früchten Galium aparine (Kleb-Labkraut, Rubiaceae): unterständige zweikarpellige Spaltfrucht Cynoglossum officinale (Hundszunge, Boraginaceae): mit Widerhaken besetzte Klausenfrüchte Geum urbanum (Echte Haken aus Griffeln Nelkenwurz, Rosaceae): Sammelnussfrucht; Griffel der Früchtchen zweiteilig: oberer gekrümmter Abschnitt mit Narbe fällt ab, dadurch endet unterer Abschnitt in einem spitzen Haken hakige Kelchblätter bzw. Pappusborsten hakiger Außenkelch hakiges Involucrum Bidens frondosa (Schwarzfrüchtiger Zweizahn, Asteraceae): Achäne mit 2-3 widerhakigen Grannen (entsprechen dem persistierenden Pappus) Agrimonia-Arten (Odermennig, Rosaceae): Außenkelch (Epicalyx [EC] = mit Sepalen [K] alternierender Hochblattkreis, häufig bei Rosoideae-Sippen) in zahlreiche Haken umgebildet, persistiert an der Sammelnussfrucht Arctium lappa (Klette, Asteraceae): Hochblatthülle um die Fruchtstände mit hakigen Spitzen → Schüttelklette: festgehakte Pflanze biegt sich elastisch, beim Zurück schnellen werden Achänen ausgeschleudert K EC Xanthium albinum (Elb-Spitzklette, Asteraceae): klettende Hochblatthülle um die Fruchtstände (2 Achänen enthaltend) verwachsen; Diasporen: abgelöste Fruchtstände - Trampelkletten: robuste Diasporen mit langen Haken von Steppen- und Wüstenpflanzen, bohren sich in die Füße größerer Huftiere; Beispiele: ∗ Proboscidea louisianica (Gemshorn, Martyniaceae; tropisches und subtropisches Amerika): reife Frucht mit langem Griffel spaltet sich in 2 Haken (Abb.) ∗ Harpagophytum procumbens (Teufelskralle, Pedaliaceae; südliches Afrika: Kalahari, Namib) 5. Ausbreitung durch den Menschen (Hemerochorie, Anthropochorie) [hemeros = griech. kultiviert, gezähmt, veredelt] - hat große Bedeutung erlangt! - in manchen Regionen dominieren Menschenwanderer (Hemerochore) gegenüber der heimischen Flora (z. B. Neuseeland, Californien) - Hawaii: in den letzten 200 Jahren über 4 600 Arten eingeführt → davon über 600 Arten dauerhaft eingebürgert → davon 86 Arten aggressiv, stellen eine Bedrohung einheimischer Ökosysteme dar - Agriophyten (Neuheimische): durch menschliche Tätigkeit in ein bestimmtes Gebiet gelangt → zu festen Bestandteilen der natürlichen Vegetation geworden → im Fortbestehen nicht mehr auf menschliche Aktivitäten angewiesen - Mitteleuropa: 54% der Agriophyten stammen aus Europa und Westasien (z. B. Sisymbrium loeselii, Lösels Rauke, Brassicaceae, links), 30% stammen aus Nordamerika (z. B. Symphoricarpos albus, Schneebeere, Caprifoliaceae, rechts), 9% stammen aus Asien - Kategorisierung der Hemerochoren chronologisch: a) Archäophyten: bereits in prähistorischer Zeit nach Mitteleuropa gelangt, Herkunft meist aus dem östlichen Mittelmeergebiet Agrostemma githago (Kornrade, Papaver rhoeas (KlatschMohn, Papaveraceae) Caryophyllaceae) [nach Kowarik 2002] Flora von Deutschland einheimische Sippen nichteinheimische Sippen davon Archäophyten davon Neophyten ausgestorbene Arten etablierte nichtheimische Arten in naturnaher Vegetation etabliert (Agriophyten) spezifisch bekämpfte Arten ohne Ackerunkräuter mit Ackerunkräutern geschätzte Anzahl beabsichtigt oder unbeabsichtigt eingeführter Arten b) Neophyten: Pflanzen, die nach 1492 (Entdeckung Amerikas) eingeführt wurden Galinsoga parviflora (Kleinblütiges Franzosenkraut, Asteraceae): andines Südamerika; um 1800 aus dem Botanischen Garten Paris verwildert, zeitgleich mit dem Heer Napoleons nach Osten gewandert, Unkraut Artenzahl 3062 2375 687 275 412 47 687 177 % 100 % 77,6 % 22,4 % 9,0 % 13,4 % 1,5 % 100 % 40,3 % ca. 30 ca. 50 > 12 000 ca. 4,4 % ca. 7,3 % II) Speirochorie - ungewollte Einführung durch verunreinigtes Saatgut, Aussaat auf vom Menschen vorbereiteten Boden viele Archäophyten Centaurea cyanus (Kornblume, Asteraceae) Matricaria recutita (Echte Kamille, Asteraceae) Robinia pseudoacacia (Robinie, Fabaceae): Nordamerika; 1601 von J. Robin nach Paris eingeführt, etablierter Waldbaum Kategorisierung der Hemerochoren nach der Art der Einführung: I) Ethelochorie - Kulturpflanzen (Nutz- und Zierpflanzen) Bewusste Einführung über Saatgut oder von Jungpflanzen Beispiel: Angelica archangelica (Engelwurz, Apiaceae), Nordosteuropa, im 10. Jhdt. durch die Wikinger in Mitteleuropa eingeführt, wichtige Heilpflanze der Klostergärten, Bestandteil von Kräuterlikören; verwildert längs der Flussläufe dank schwimmfähiger Früchte III) Agochorie - Einführung über ungewollten Transport, keine Ausaat auf vom Menschen vorbereiteten Boden Erstes Auftauchen oft - in Häfen - an Bahnhöfen - entlang von Bahnstrecken - entlang von Autobahnen Besonders problematisch: Ablassen von Ballastwasser (in deutschen Häfen jährlich 10 Mio Tonnen, davon 2 Mio t aus Regionen außerhalb der EU) → Verschleppung kompletter Organismengemeinschaften rund um den Erdball Beispiel: Senecio inaequidens (Schmalblättriges Greiskraut, Asteraceae): Südafrika; Wollimportbegleiter, seit 1977 starke Ausbreitung längs Bahnlinien und Autobahnen, erreichte Berlin anfangs der neunziger Jahre