Generelle Infos Rudolf IV - nach Tod von Albrecht II im Jahr 1358 neuer Herzog hat zwei Brüder: Albrecht III und Leopold III galt als Tyrann viele seiner Projekte mussten wegen Widerständen abgebrochen werden - Wien verliert unter ihm die gute Stellung - Stirbt 1356 und hinterlässt seinen Brüdern viele Schulden als Folge von Kriegen Chronologischer Ablauf des Konflikts - 1358/59 Urkunden entstehen - 1359 Belehnung Rudolfs durch den Kaiser - September 1359 - Bündnis mit württembergischen Brüdern Eberhard und Ulrich gegen den Kaiser - Ende 1359 – Erzbischöfe Wilhelm von Köln und Gerlach von Mainz wehrten sich gegen Verdacht den Kaiser absetzen zu wollen, sagten dies sei eine Erfindung Rudolfs IV - 1360 – erste Aussöhnung, Feldzug gegen württembergische Brüder - Juni 1360 – Rudolf IV ließ Fälschungen vidimieren und legte sie dem Kaiser im September vor - Kaiser ist misstrauisch, lässt Urkunden von Petrarcas überprüfen und verhandelt im November um angemessene Einordung des Habsburgers - Rudolf soll bis Weihnachten Siegel zerbrechen und Titulatur „Herzog von Elsass und Schwaben“ fallen lassen, tut dies aber nicht - April 1361 – Urkunden Neros und Cäsars werden als Fälschungen entlarvt - Anfang 1362 – Rudolf verbündet sich mit König von Ungarn - 1362 – Schwur der Kurfürsten keinen Habsburger als König zu wählen - 1363 – Durch Erwerbung Tirols muss der Habsburger alle politischen Ambitionen endgültig aufgeben Fälschungskomplex - Entstand 1358/59 in der Kanzlei Rudolfs - Insgesamt sieben Urkunden: o Urkunde König Heinrichs IV bestehend aus der Urkunde Neros und Urkunde Cäsars o Urkunde Kaiser Friedrichs I eigentliches „privilegium maius“ (Original= „privilegium minus“) o Urkunde Heinrichs VII o Urkunde Kaiser Friedrichs II „maius-transsumpt“ o Urkunde König Rudolfs - Inhalt der Urkunden/Privilegien: o Reichsdienst wird auf ein Minimum reduziert o Lehen dürfen in Österreich und zu Pferde mit fürstlichem Gewand und Insignien empfangen werden o Alle weltlichen Gerichte unterstehen dem Herzog o Hoftag muss nicht besucht werden o Fehlt männlicher Nachkomme geht das Herzogtum an die älteste Tochter o Herzogtum ist unteilbar o Bei den Reichstagen soll Herzog wie Kurfürst behandelt werden und gleich rechts hinter diesen sitzen - Verfasst von talentierten Schreibern, genaue Planung und juristische Kenntnisse waren vorhanden - Initiative geht von Rudolf aus Fragen für die Lektüre: Auftraggeber/in, Widmung, unmittelbarer Zweck des Privilegium maius? Zusammenhang zwischen der Abfassungszeit und den Besonderheiten des Textes? Hinweise auf das angesprochene Publikum (z.B. höfisch, monastisch, Kleriker, Laien)? Wie wurde der Text in der Forschung verwendet / beurteilt? Wofür diente das Privilegium maius als Quelle? Was versuchte man damit noch im 19./20. Jahrhundert zu legitimieren? Wann und wie wurde das Privilegium maius in die Geschichtsforschung aufgenommen? vgl. dazu Schlotheuber, S. 143f. und div. Angaben zur älteren Forschung in den Fußnoten Was erfahren wir daraus über die Haltungen / Zugänge / Geschichtsbilder der Forschenden? Auftraggeber/in, Widmung Rudolf IV, entstand in der Kanzlei Rudolfs + viele Überschneidungen zwischen der Politik des Herzogs und dem Inhalt der Urkunden, sollen von König Heinrich IV, Nero, Cäsar, Kaiser Friedrich I, Heinrich VII, Friedrich II und König Rudolf verfasst/erlassen worden sein Unmittelbarer Zweck des Privilegium Maius Rechte der Kurfürsten erlangen, obwohl er weiß, dass er nicht alle Rechte haben kann, wollte die Privilegien auf Land und nicht auf Personen haben, Unteilbarkeit (Primogenitur – Erbrecht des Erstgeborenen, wenn kein männlicher, dann weibliche) Es geht nicht darum eine bestimmte, einzigartige Stellung im Reich zu erlangen, sondern eine dynastische Konkurrenz zu den Luxemburgern darzustellen und sich und die habsburgische Dynastie als Königshaus zu repräsentieren Anerkennung als „Mitglied der königlichen Familie“ und möglichen, würdigen Thronfolger Beispiele: Gegenbegriffe „dominium austriae“ = „regnum bohemiae“; ähnliche Beschreibung des Landes; Insignien zeigen königliche Stellung Rudolfs IV, Verwendung des Begriffes „dominium austriae“ im Sinne eines Gesamtbegriffes der habsburgischen Lande Symbole dienen als Zeichen der politischen Ziele der Habsburger Beispiele: Erzfürstenhut, Zepter, fürstliche Gewänder, Siegel, Sitzplatz in der Nähe des Königs, Titel „Herzog von Elsass und Schwaben“ Versuch gleiche Rechte zu sichern wie sie Kurfürsten durch „Goldene Bulle“ erhalten haben Beispiele: Konstruktion des Erzamtes, Sitzplatz rechts hinter den Kurfürsten, Lehensvergabe, Primogenitur, Unteilbarkeit, stellt Kurfürstentum nicht in Frage, aber will ähnliche Rechte Ambivalenz! Zusammenhang zwischen der Abfassungszeit und den Besonderheiten des Textes Verhältnis zur „Goldenen Bulle“ Zahlreiche Parallelen zur damals neu erlassenen Goldenen Bulle, durch die die Kurfürsten bestimmte Privilegien und Vorzüge bekommen hatten (viele Informationen über Goldene Bulle waren durch Besuche des Königs und Kontakt mit Rudolf IV vorhanden): z.B. 1. beim Landesverständnis („dominium austriae“ = „regnum bohemiae“, Land als Einheit, Rechte werden nicht an Person gebunden, sondern als Land oder ein Amt) 2. Primogenitur 3. Unteilbarkeit 4. Die Länder Österreich und Böhmen werden ähnlich beschrieben (= beide römische Wurzeln) 5. Lehensnahme von Pferd herab (gleiches Ritual wie in Goldenen Bulle, aber verkürzt) Habsburger wollen gleiche Rechte wie sie die Kurfürsten in der Goldenen Bulle zugesprochen bekommen haben! Land Österreich – erste Verwendung von „dominium austriae“ in diesem Kontext 1. Vergebene Rechte beziehen sich nicht nur auf bestimmten Habsburger, sondern auch auf Land „Österreich“ (Begriff „dominium austriae“ bezeichnet erstmals Herzogtum mit allen Erweiterungen + Begriff für Gesamtbesitz der Habsburger), 2. Österreich wird als Einheit verstanden 3. Rechte sollen für alle gelten die das Land Österreich regieren, nicht nur für Habsburger Rechte werden so über Dynastiewechsel hinweg erhalten, Herrschaft/Land für Nachkommen nicht gesichert Abhängigkeit von König, damit gleiche Rechte wieder zugeteilt werden Nero-Urkunde als Drohung gegen den Klerus Nero war bekannt als Christenverfolger, in diesem Zusammenhang unterstreicht Bezug auf ihn eher feindseliges Vorgehen gegen den Klerus, sollte dieser die Privilegien des Henricianum („advocati et domini“ von Bistümern Passau und Salzburg) nicht anerkennen Insignien beim Lehensempfang Strebte Rangangleichung an, war aber noch gewillt sich unterzuordnen (Lehensvergabe, aber königliche Insignien) Anspielungen auf königliche Seite Rudolfs IV, gehörte Königsdynastie an, Karl IV war sein Schwiegervater (= Erzherzogshut mit Krone und Kreuz, Staufer-Krone als Vorbild, tragen eines blanken Gerichtsschwertes, ist eigentlich königliches Zeichen, Stellung als oberster Richter Hinweise auf das angesprochene Publikum (z.B. höfisch, monastisch, Kleriker, Laien) Publikum waren vermutlich Kleriker und Mitglieder des Hofes und der Monarchie - Urkunden wurden auf Latein verfasst, für Laien war der Sachverhalt nicht verständlich und auch eher unwichtig, da sich der Inhalt auf die politische Ebene bezog, wo normale Bürger ohnehin nichts zu sagen hatten - Rudolf IV wollte sich eine besondere Stellung und ähnliche Rechte wie die Kurfürsten sichern, der Hof und die Monarchie sollten seinen Platz in der Rangordnung wissen, durch die NeroUrkunde wurde auch der Klerus genauer angesprochen Wie wurde der Text in der Forschung verwendet / beurteilt? - Intention des Herzogs sowie Reaktion des Kaisers steht meistens im Vordergrund Lange in dem Glauben, dass Karl IV und dessen Zeitgenossen die Fälschungen nicht als solche erkannten, da der Herrscher immer sehr überlegt handelte und die Fälschungen nie öffentlich als falsch deklarierte Aber bei Analyse von Petrarcas Gutachten, in denen er dem Kaiser für sein Vertrauen dankt und andeutet, dass dieser bereits von Anfang an Misstrauen gehegt hat Das Gutachten war also nicht aufklärerisch, sondern affirmativ! Karl benötigte Beweise (Verweis der Forschung auf den Codex Justiniani Kaiser ist nicht an Rechtssetzung seiner Vorgänger gebunden) Haltung Karl wurde als ambivalent beurteilt, ließ sich nicht von Fälschung täuschen, vermied große kriegerische Auseinandersetzung, aber blieb standhaft Vorgehen löste viel Unverständnis bei Forschenden aus Besonders aufschlussreich sind Karls Bemerkungen im Verhandlungsprotokoll, in dem die Stellungnahmen und Anmerkungen des Kaisers schriftlich festgehalten sind. - Wer war Auftraggeber und Verfasser der Urkunden? - Bund mit Württemberg Warum verbündeten württembergische Brüder sich mit Rudolf? (Schuler, Regesten zur Herrschaft der Grafen von Württemberg – Königsnähe und Königsferne, Machtausdehnung, etc.) - Die damaligen Mittel, um Fälschungen zu entlarven + das Vorgehen bei der Vidimierung der Dokumente untersucht (Habsburgfreundliche, Vertraute und Legat der kein Deutsch sprechen konnte) - Beziehung zur Goldenen Bulle, Belehnungszeremoniell untersucht 1988 – Peter Moraw, These, dass man in Wien nur ungefähre Ahnung von der Goldenen Bulle gehabt haben soll, aber Sauter lieferte viele Argumente für einen unmittelbaren Bezug zum Privilegium maius Sauter war auch der Meinung, dass bei der Beschreibung der Belehnung im Priv. maius die gleiche Zeremonie wie in der Goldenen Bulle gemeint ist Auch dort wird Absteigen von Pferd nicht beschrieben, aber warum dann die schlechte Reaktion des Königs? - Beanspruchung des Kreuzes auf Erzherzogshut und Taxbefreiung Alphons Lhotsky, sehr kühn, merkwürdig - Politische und soziale Wirkung wird genauer untersucht (1998; Thomas Willich; Zur Wirkungsgeschichte des Privilegium maius) - Herrschaftsrepräsentation und Wichtigkeit von Herrschaftsinsignien im Mittelalter Symbolisch verankerte Privilegierung Sitzordnung, bestimmte Titel für Karl nicht tragbar (phallenz herzogen), mit der Beifügung palatinus hingegen einverstanden Wofür diente das Privilegium maius als Quelle? Was versuchte man damit noch im 19./20. Jahrhundert zu legitimieren? Habsburger Friedrich III erkennt die „österreichischen Freiheitsbriefe“ 1442 als König und 1453 als Kaiser an. Die Kaiser Rudolf II. und Karl VI. bestätigten sie später erneut. Privilegien des Henricianum („advocati et domini“ von Bistümern Passau und Salzburg) werden gestützt, weibliche Erbfolge zusätzlich abgesichert, kaiserliche Herrschaft wird legitimiert, Identität von Land Österreich wird gestärkt + einzelne Teile wachsen zu einem Land zusammen Wann und wie wurde das Privilegium maius in die Geschichtsforschung aufgenommen? vgl. dazu Schlotheuber, S. 143f. und div. Angaben zur älteren Forschung in den Fußnoten 1865, nachdem endgültig als Fälschung entlarvt, Bedeutung verloren, genauere Beschäftigung mit Urkunden (Geschichte des Herzogs Rudolf IV von Österreich; Alfons Huber) Untersuchen von Verzeichnissen von Rudolfs Aufenthaltsorten + Aufzeichnungen seiner Politik, Analyse fürstlicher Herrschaftsrepräsentation, im Rahmen regionaler Identitätsbildung, politischer Integration, Erforschung Karls IV/ des Hauses Habsburg / der Entstehung Österreichs/ des Lehenswesen im hohen und späten Mittelalter, im Rahmen der Urkundenforschung Was erfahren wir daraus über die Haltungen / Zugänge / Geschichtsbilder der Forschenden? Erster Gedanke Fälschung muss so gut gewesen sein, dass es niemand bemerkt hat, sonst wäre sie ja entlarvt und nicht anerkannt worden Erst später Kenntnis von diplomatischem Vorgehen Karls IV (Petrarcas), besonders Cäsar und Nero Urkunden waren leicht als Fälschungen zu erkennen, aber dennoch später nachdem anerkannt wurden nicht mehr hinterfragt worden. Man hat nicht geahnt, welche Mittel man früher zur Verfügung hatte! Weitere Bemerkungen - Anerkennung des „privilegium minus“ für Land Österreich in diesem schon Primogenitur + Erbfolge festgelegt, galt zuvor nur für Geschlecht der Babenberger, will es generell für Land - Höherstellung innerhalb des Reiches/ in der Wahrnehmung seines Reiches - Fälschung nicht hauptsächliches Problem, Problem sind beanspruchte Rechte (Lehenszeremonie, Titel, oberster Richter, Sitzplatz bei Reichstag, dagegen o.k.: Primogenitur, Unteilbarkeit + alles was rein Herzogtum Österreich betrifft) - Humanist Petrarca deshalb hinzugezogen, weil Humanisten geschichtlich sehr interessiert, bildeten sogar den Begriff Mittelalter heraus, Bildung sehr wichtig für sie, war der renommierteste in diesem Feld Text und Siegel von „Privilegium minus“ wurde für „Privilegium maius“ verwendet und angehängt Original, Abschrift ist aber noch verfügbar und als beglaubigte Kopie auch noch gültig 1. 2. 3. Wie hängen verfassungsrechtliche und Politik im Spätmittelalter zusammen Wie können Konflikte entstehen, wie werden sie gelöst? Wie werden sie mit rechtlichen Unterlagen wie Urkunden gelöst?