Spartanische Küche

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Westfälische Wilhelms Universität zu Münster
Seminar für alte Geschichte
Proseminar : Athen und Sparta
Leitung : Dr. G. Weiler
Wintersemester 1999 / 2000
Spartanische Küche
Vorgelegt von :
Martin Stadlbauer
Hans – Böckler- Str. 77
46236 Bottrop
Fachrichtung:
Lehramt Sek II/I
Geschichte, Physik, Russisch
1. Semester
Eingereicht am:
02. März 2000
Inhalt
I.
Einleitung
2
II.
Ursprung
3
III.
Teilnehmer werden und bleiben
4
IV. Ursachen und Funktionen der Mähler
7
V.
8
Ablauf des Mahles
VI. Verfall
11
VII. Schlussbetrachtung
13
VIII. Quellen und Literaturverzeichnis
14
2
I. Einleitung
Schon im Altertum beschäftigten sich viele Autoren mit der Geschichte der
Spartaner und eine wachsende Zahl von Beiträgen zeigt, dass das Interesse an
Sparta auch in unserer Zeit weiterlebt. Dabei fällt jedoch auf, dass die
spartanischen Syssitien im allgemeinen etwas kurz kommen, nun woran könnte
das liegen?
„Über den Gesetzgeber Lykurg kann man schlechthin nichts sagen, das nicht
umstritten wäre.“1, so berichtet Plutarch über den Mann, dem auch die Einführung
der spartanischen Gemeinschaftsmähler, der Syssitien, zugeschrieben wird. Und
genauso möchte man laut ausrufen „Über die Syssitien kann man schlechthin
nichts sagen, das nicht umstritten wäre!“. Dies liegt u. a. – und hier ist man wieder
an Plutarchs Worte erinnert – an ganz verschiedenen Darstellungen, und
außerdem herrscht am wenigsten über die Zeit zu der der Mann die Mähler
eingeführt haben soll Übereinstimmung.
Zwar gewähren die antiken literarischen Zeugnisse von Homer (8. Jh.. v. Chr.) bis
Athenaios (2. / 3. Jh. n. Chr.) eine umfassende Vorstellung über diese Einrichtung,
doch die meisten Quellen, denen wir einen hohen Informationswert zuschreiben
können, sind entweder zu Zeiten entstanden, als von Spartas Einrichtungen der
klassischen Zeit nichts mehr übrig war (z. B. Plutarch) oder als deren Verfall
bereits eingesetzt hatte (wie Xenophon).
Außerdem darf nicht vergessen werden, dass um Sparta zu dieser Zeit viel
Geheimnisvolles rankte, da die Spartaner genauso ungern etwas nach außen
dringen ließen, wie Fremde in ihrer Stadt willkommen waren.
Als Fachliteratur, die sich speziell mit den Syssitien auseinander setzt, sind zum
einen eine von Albert Bielschowsky im Jahre 1869 in Breslau vorgelegte,
lateinische Dissertation mit dem Titel „De Spartanorum Syssitiis“ zu nennen.
Zum anderen ist 1993 in Wien eine Arbeit von Monika Lavrencic, „Spartanische
Küche“, erschienen, die sich ebenfalls sehr mit Bielschowskys Werk beschäftigt,
die antiken Quellen aufarbeitet, jedoch auch Gedanken und Auffassungen von
nachfolgenden modernen Historikern aufzeigt und gegenüberstellt, die sich jedoch
nur mit speziellen Detailfragen befasst haben.
Trotz der etwas schwierigen Lage lohnt es sich dennoch mit diesem Thema
auseinander zu setzen, da so ein Einblick in das Alltagsleben in Spatrta gewonnen
werden kann, das vermutlich seit archaischer Zeit eng an die Institution des
Gemeinschaftsmahles gebunden war.
1
Plut.Lyk.1.
3
II. Ursprung
Schon in der Antike galt die Einrichtung der gemeinsamen Männermahlzeiten als
Charakteristikum der dorischen Staaten Kreta und Sparta, wo sie lange einen
wesentlichen Bestandteil der staatlichen Organisation bildeten.
Während Minos als kretischer Gesetzgeber genannt wird2, gilt Lykurg als
Begründer der spartanischen Ordnung und eben dieser Mähler:
Um aber der Üppigkeit noch mehr zu Leibe zu gehen und das Streben nach Reichtum
auszurotten, tat er [Lykurg] seinen dritten und besten politischen Schachzug: die
Einführung der Syssitien, [...]3
(Ziegler)
Zahlreiche antike Gewährsmänner stimmen darüber überein, dass Lykurg seine
Maßnahmen von Kreta übernommen habe, und dass die gemeinsamen Mahlzeiten
in Kreta früher ausgebildet waren als in Sparta:
Die kretische Staatsordnung verhält sich analog zur spartanischen [...] bei beiden gibt es
Syssitien, und in früher Zeit hießen diese bei den Spartanern nicht Phiditia, sondern
Andria, wie bei den Kretern, so daß klar ist, dass sie von dorther gekomen sind 4. (Gigon)
Zur Bezeichnung der Speisegemeinschaft sind seit dem 7. Jh. v. Chr.
Verschiedene Ausdrücke überliefert, von welchem sich der allgemeine Begriff
Syssition (Syssitia) bzw. speziell für Sparta Phidition durchgesetzt zu haben
scheint.5
Auch die moderne Forschung hat sich darum bemüht, das Phänomen der
gemeinsamen Mähler zu ergründen. Obwohl viele Autoren darin dorische Erbgut
sehen, da sich diese Einrichtung gerade in Sparta und Kreta so lange halten
konnte6, gibt es auch Hinweise, die dagegen sprechen. So lassen die homerischen
Epen vermuten, dass Speisegemeinschaften im archaischen Griechenland
allgemein üblich waren und des weiteren sind Syssitien für einige andere Städte
bezeugt7.
Laut Autoren wie Kiechle oder Schmitt-Pantel sind die Gemeinschaftsmähler der
gesamten Bürger späterer Zeit aus Syssitien Adeliger früherer Zeit
hervorgegangen, und auch viele andere schließen sich der Meinung an, dass hier
eine Reform in Sparta einsetzte, die die Syssitien in ihrer klassischen Form
ausprägte.
Insgesamt ist man hier nicht im klaren, ob in dieser Einrichtung nun das Ergebnis
einer Entwicklung oder „das Eingreifen einer bewusst ordnenden Hand“8 zu sehen
ist.
Als Faktoren, die für die Entstehung von Speisegemeinschaften beitragen
konnten, werden soziale, religiöse, wirtschaftliche und militärische Aspekte
verantwortlich gemacht.
2
Plat.leg.630d.632d. Platon nennt Zeus und den pythischen Apollon als eigentlichen Urheber der
kretischen und spartanischen Gesetze, während Minos und Lykurg nur Ausführende waren.
Ähnlich auch Herodot (1,65) für Sparta.
3
Plut.Lyk.10.
4
Arist.pol.2,1272a.
5
LAVRENCIC: Spartanische Küche 16.
6
GSCHNITZER: Sozialgeschichte 98; DAVID: Syssitia 486; MICHELL: Sparta 281.
7
LAVRENCIC: Spartanische Küche 6.
8
NILSSON: Grundlagen 310
4
III. Teilnehmer werden und bleiben
Die
Syssitien
lassen
sich
als
Fortsetzung
der
spartanischen
Gemeinschaftserziehung, der Agogé, darstellen, die außerdem Voraussetzung für
die Mitgliedschaft war. Dadurch ergibt sich, dass die Teilnehmer nur Söhne von
Vollbürgern sein konnten9. Wie die Jugendlichen meist in der Gemeinschaft
erzogen wurden, so mussten sich auch die erwachsenen Männer täglich für einige
Stunden zum Exerzieren und Speisen versammeln. Nur wer berechtigt war, an den
Syssitien teilzunehmen, hatte den Sprung unter die Vollbürger, als „Gleicher“
(homoios) geschafft. Neben dem Durchlaufen der Agogé war die Erfüllung einer
weiteren Bedingung erforderlich: es müsste nämlich genügend Grundbesitz
vorhanden sein, um die geforderten (Natural-) Beiträge zum Gemeinschaftsmahl
erbringen zu können.
Der Bewerber bewarb sich etwa im Alter von 20 Jahren um die Mitgliedschaft.
Völlige Klarheit herrscht hier wohl nicht; während Wissenschaftler wie Nilsson
20 Jahre als obere Altersgrenze ansahen10, betrachtet Bielschowsky 20 Jahre als
unter Grenze11. Auch darüber, bis in welches Alter eine Teilnahmepflicht bestand,
gibt es keine konkrete Angaben antiker Autoren. Lavrencic zieht ein
Zusammenhang zur Militärpflicht in Erwägung, wonach als Grenzen 20 bzw. 60
Jahre angenommen werden könnten12.
Mitglied wurde man, wie wir von Plutarch erfahren durch ein merkwürdiges
Aufnahmeverfahren:
Über denjenigen, der in die Tischgesellschaft eintreten wollte, wurde, wie es heißt, auf
folgende Weise abgestimmt. Jeder Tischgenosse nahm eine Brotkrume in die Hand und
warf sie wie einen Stimmstein schweigend über den Kopf in ein Gefäß, das ein Diener
herumtrug; der Zustimmende so, wie sie war, der Ablehnende, nachdem er sie kräftig
zusammengedrückt hatte. Die zusammengedrückte Krume gilt wie ein durchbohrter
Stimmstein, und wenn sich auch nur eine solche findet, nehmen sie den Kandidaten nicht
auf, weil sie wollen, dass die ganze Gesellschaft in Freundschaft zusammen ist. Von dem
auf diese Weise Abgelehnten sagen sie: er ist ausgeurnt, denn Urne heißt das Gefäß, in
das sie die Brotkrumen einwerfen13.
(Ziegler)
Sicherlich sind Harmonie und Ausschluss jeglichen Missklanges für eine so
intime Runde wichtig, doch können weitere verschiedene Gründe für dieses
strenge System genannt werden: so besteht laut Bielschowsky der Sinn darin, dass
die einzelnen Tischgemeinschaften nicht nur aus Familienmitgliedern bestehen
sollten14, Jenamaire vermutet darin die Absicht, die Tischgemeinschaften aus
verschiedenen Altersklassen zusammenzusetzen15, ebenso wie Hodkinson16: Das
Allerdings wurde den Mothakes, den „nicht Echtgebürtigen“, ebenfalls zahlreiche Rechte
eingeräumt wurden, womit auch die Möglichkeit der Mitgliedschaft bei den Syssitien nicht
unbedingt auszuschließen ist. Laut KAHRSTEDT: Staatsrecht 42, war ein Mothax, der an der
Agogé teilgenommen hatte, berechtigt das Bürgerrecht zu erlangen, wenn er in den Besitz eines
Kleros kam.
10
NILSSON: Grundlagen 310.
11
BIELSCHOWSKY: De Syssitiis 14.
12
LAVRENCIC: Spartanische Küche 20; Vgl. auch BIELSCHOWSKY: De Syssitiis 16.
13
Plut.Lyk.12.
14
BIELSCHOWSKY: De Syssitiis 16.
15
JENAMAIRE: Couroi 484.
16
HODKINSON: Social Order 251.
9
5
System ungleicher Altersklassen in den Tischgemeinschaften überkreuzte sich mit
denjenigen, die während der Agogé entstanden waren.
Vermutlich wurde man durch einen Ausschluß bloß von dieser einen
Tischgemeinschaft ausgeschlossen, obwohl z.B. Toynbee diese Ausgeschlossenen
mit den Hypomeiones (s.u.) gleichsetzt17.
Vielleicht wurden neue Mitglieder bereits ausgesucht, bevor sie in das
aufnahmefähige Alter kamen18. Gelegenheit dazu bot sich vor allem dann, wenn
Knaben unter 20 Jahren (paidiskoi) das Gemeinschaftsmahl der Erwachsenen
aufsuchten; dass dem so gewesen sei, berichtet Lykurg, um sie „wie in eine
Schule der Weißheit hineinzuführen“19.
Wer aber einmal zum Mitglied der Tischgemeinschaft erkoren war, konnte sein
Privileg wohl nur noch verlieren, wenn er seinen vorgeschriebenen Beitrag nicht
regelmäßig ablieferte, was aber auch den Verlust der Vollbürgerrechte und den
sozialen Abstieg zu den sog. Hypomeiones bedeutete.
Diesem Beitrag liegt ein wirklich egalitärer Zug zugrunde: Ohne Ansehen der
sozialen und politischen Stellung und unabhängig von der Größe seines Kleros,
hatte jeder Vollbürger monatlich die gleichen Mengen beizusteuern, die von
Plutarch und Dikaiarch bei Athenaios genau angegeben werden:
Gerstenmehl
Wein
Käse
Feigen
Zukost
Plutarch (Lyk.12)
1 Medimnos
8 Choen
5 Minen
2,5 Minen
geringer Geldbetrag
Dikaiarch bei Ath.4,141c
1,5 attische Medimnen
12 Choen
?
?
10 äginetische Obolen (ca.)
Der anscheinende Unterschied ergibt sich dadurch, dass Dikaiarch, wie er selbst
bestätigt, attische Maßeinheiten verwendet, während der Version Plutarchs
lakonische Maße zugrunde liegen dürften. Mehrere moderne Autoren haben sich
um die Umrechnug der antiken in moderne Maßeinheiten bemüht. Die Ergebnisse
variieren einwenig. Hultsch errechnet nach den Angaben Plutarchs rund 73 Liter
Gerstenschrot, 36,5 Liter Wein, 3 Kilogramm Käse und 1,5 kilogramm Feigen20,
während die Untersuchung von Foxhall-Forbes 30,9 Kilogramm Gerstenmehl, 24
Liter Wein, 3 Liter Käse und 1,5 Liter Feigen ergibt21. Das diese Mengen auf den
täglichen Bedarf eines Spartiaten umgerechnet wohl zu hoch sein dürfte, lassen
die Wissenschaftler wohl wissen22. Die überschüssigen Lebensmittel könnten
möglicherweise vorsorglich gelagert worden sein; ein Rechenfehler ist natürlich
ebenfalls keineswegs unwahrscheinlich. Doch angenommen, die Beiträge wären
wirklich so bemessen gewesen, dass sie genau zur Deckung der Verbrauchs bei
Tische genügten? Was wäre wenn ein Spartiat nun plötzlich nicht mehr in der
Lage wäre diese –doch wohl für ihn selbst lebensnotwendige Mengeaufzubringen? Mal ganz abgesehen von seiner Familie und den Heloten, die die
Kleroi bewirtschafteten - werden diese Hypomeiones früher oder später
verhungert sein ?
17
TOYNBEE: Growth 261.
HODKINSON: Social Order 253.
19
Plut.Lyk.12.
20
HULTSCH: Metrologie 534.
21
FOXHALL-FORBES:  58.
22
LAVRENCIC: Spartanische Küche 38f.
18
6
Wenn man nun gerade an die Blutsuppe denkt, fällt auf, dass hier das Fleisch in
der Auflistung fehlt. Vermutlich wurden Zutaten wie Fleisch, Fisch, (weil leicht
verderblich) und Gemüse, Oliven von der Zukost bezahlt23.
23
LAVRENCIC: Spartanische Küche 47.
7
IV. Ursachen und Funktionen der Mähler
Nun abgesehen davon, ob es sich bei den Syssitien um dorisches Erbgut handelt,
oder um eine in archaischer Zeit in Griechenland allgemein übliche Einrichtung,
welche Ursachen konnten zur Entstehung von Speisegemeinschaften beitragen?
Zum einen werden häufig soziale Ursachen genannt, wie Relikte aus der
Einrichtung des Männerhauses, des Männerbundes24, oder allgemein das
Gemeinschaftsempfinden der Bürger, ausgelassenes geselliges Zusammenleben25.
Des weiteren religiöse Vorstellungen: Speisegemeinschaften als öffentliche und
heilige Mähler, von denen das Wohl der Stadt abhing26, oder natürlich
wirtschaftliche Vorraussetzungen: Besitzunterschiede werden als negativ
betrachtet, wirtschaftliches Gemeinschaftsempfinden dagegen als nützlich27.
Ebenfalls sind wohl auch militärische Momente zur Ausformung der
Speisegemeinschaften wichtig, so betrachtet z.B. Poland die Syssitien als
Zeltgenossenschaften, worin die alte Volks- und Heeresordnung der Krieger
künstlich festgehalten wurde28.
Durch die Einführung dieser gemeinschaftlichen Speisung gewann Lykurgus für seinen
Zweck sehr viel. Aller Luxus an kostbarem Tafelgeräte hörte auf, weil man an dem
öffentlichen Tisch keinen Gebrauch davon machen konnte. Der Schwelgerei wurde auf
immer Einhalt getan; gesunde und starke Körper waren die Folge dieser Mäßigung und
Ordnung, und gesunde Väter konnten dem Staate starke Kinder zeugen. Die
gemeinschaftliche Speisung gewöhnte die Bürger, miteinander zu leben und sich als
Glieder des selben Staatskörpers zu betrachten. Nicht einmal zu bedenken, daß eine so
gleiche Lebensweise auch auf die gleiche Stimmung der Gemüter Einfluß haben musste. 29
Diese Sätze schrieb Friedrich Schiller in einem Essay über „Die Gesetzgebung
des Lykurgus und Solon“, der ab 1791 in Jena eine Professur für Geschichte
innehatte. Wie dieser schon bemerkte und wie die antiken Quellen erkennen
lassen, liegt die Funktion nicht nur in der gemeinsamen Verpflegung der
Spartiaten, sondern trug auch zum Leben der Gesellschaft bei.
Im übrigen scheinen die Syssitien auch eine Rolle innerhalb des Heeresverbandes
gespielt zu haben; die Männergesellschaft fördert notwendig den
Gemeinschaftsgeist, den Geist der Kameradschaft und die kriegerischen
Tugenden30. „sie waren außerdem Kern politischer Aktivitäten und sollten bei –
zumindest theoretischer – wirtschaftlicher Gleichheit auf den im spartanischen
Leben
so
wichtigen
Gemeinschaftssinn
einwirken“31.
24
SCHURTZ: Altersklassen 331.
GSCHNITZER: Sozialgeschichte 98.
26
FUSTEL: Staat 209ff.
27
SCHURTZ: Altersklassen 111.
28
POLAND: Vereinswesen 515.
29
SCHILLER, Friedrich, Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon, Jena 1789, übernommen aus
WEBER: Die Spartaner 249.
30
GSCHNITZER: Sozialgeschichte 98.
31
LAVRENCIC: Spartanische Küche 124.
25
8
V. Ablauf des Mahles
An den Syssitien mussten alle Bürger täglich teilnehmen. Wenn man sich am
Abend zum Essen traf – vielleicht in einem Zelt oder einem Gebäude am
Hyakinthischen Weg32-, wurden ihnen einheitliche Speisen vorgesetzt33:
Der Reiche unterscheidet sich nicht vom Armen, und in den Syssitien ist die Nahrung für
alle dieselbe [...]34.
(Gigion)
Dass die Mahlzeiten erst abends stattfanden, lässt uns Plutarch vermuten, der
berichtet, dass es nicht erlaubt war mit Licht heimzugehen:
Nachdem sie mäßig getrunken haben, gehen sie ohne Licht nach Haus. Denn es ist nicht
erlaubt, weder bei dieser noch bei anderer Gelegenheit, mit Licht zu gehen, damit sie sich
gewöhnen, nachts im Finstern guten Mutes und ohne Furcht zu wandern. So ist die
Einrichtung der Syssitien35.
(Ziegler)
Die Tischgemeinschaft bestand aus etwa 15 Mitgliedern:
Sie kamen zu fünfzehn, oder auch einige mehr oder weniger, zusammen36.
(Ziegler)
Kopfzerbrechen bereitet allerdings den Historikern eine weitere Angabe Plutarchs,
wonach nach Reformversuchen des Spartanerkönigs Agis IV. eine Aufteilung in
„fünfzehn Phiditien zu je vierhundert und zweihundert Mitgliedern gebildet
werden“37 sollte. Während die einen, wie Bielschowsky38 eine Fehler vermuten,
denken andere wie Clauss39 an eine bewusste Änderung der ursprünglichen
Größe.
Die Teilnahme war für alle verpflichtend, nur Jagd oder ein unaufschiebbares
Opfer galten als Entschuldigung40.
Die Schlichtheit des spartanischen Essens war, wie zahlreiche antike Autoren
bestätigen, im Altertum berühmt41. Bielschowsky spricht sich für eine Trennung
in das eigentliche Hauptgericht und einem mit der Zeit immer üppiger werdendem
zweiten Gang aus. Das Hauptgericht sei es aber, das viele antike Autoren zu
Lobeshymnen veranlasst habe42. Hier gab es nur zunächst Gerstenbrot (Maza) und
anschließend eine schwarze Suppe mit Schweinefleisch (Blutsuppe).
Maza erinnert in groben Zügen an Pizzateig, dessen Grundsubstanz wohl
Gerstenmehl gewesen sein dürfte, und dem letztendlich neben einigen Zutaten der
zum Schluss notwendige Backvorgang fehlt. Orth spricht nur vom Trocknen des
32
LAVRENCIC: Spartanische Küche 103.
Laut LAVRENCIC: Spartanische Küche 83f bestand wohl kein Unterschied in den Speisen,
doch konnte die Quantität durchaus variieren, z.B. Ehrenportionen für Könige oder Geronten;
diese waren jedoch wohl eher dazubestimmt, um durch Überreichung dieser einen anderen zu
ehren.
34
Aristot.pol.4,1294b.
35
Plut.Lyk.12.
36
Plut.Lyk.12.
37
Plut.Agis 8.
38
BIELSCHOWSKY: De Syssitiis 30f.
39
CLAUS: Sparta 79.
40
LAVRENCIC: Spartanische Küche 123.
41
Hdt.9,82. oder auch Xen.rep.Lac.5,1ff.
42
BIELSCHOWSKY: De Syssitiis 18.
33
9
Teiges . Hier dürfte das als Beitrag abzuliefernde Gerstenmehl größtenteils
verbraucht worden sein.
Als dann wurde die schwarze Suppe aufgetischt. Plutarch, dessen Anliegen es
war, die vorbildhafte Bescheidenheit der Spartaner hervorzuheben, schreibt: Nur
Essig und Salz wird den Köchen der Lakedaimonier gegeben; alles übrige nehmen
sie aus dem Schlachtvieh.44
43
Das beliebteste Gericht war bei ihnen die schwarze Brühe, so daß die Älteren sogar auf
das Fleisch verzichteten, es den jungen Leuten überließen und sich selbst nur tüchtig an
die Brühe hielten. Es heißt einer der Könige von Pontos habe sich dieser Brühe wegen
sogar einen lakonischen Koch gekauft; aber als er kostete, habe sie ihm gar nicht
geschmeckt. Darauf habe der Koch gesagt: ‚Ja, Herr König, diese Suppe muß man essen,
nachdem man vorher im Eurotas gebadet hat.’45.
(Ziegler)
Aus dieser Schilderung der Wirkung der Suppe auf Nichtspartaner ist es nicht
verwunderlich, dass viele moderne Autoren diese als ekelhafte Brühe
bezeichnen46, doch liegt dies wohl weniger an den Zutaten, als am Mangel an
erlesenen Gewürzen und Beigaben. Den so waren schlachtplattenartige Gerichte,
wie es auch die Blutsuppe ist, im griechischen Raum durchaus beliebt. Orth
schreibt gar, dass die attische Version der Suppe,  , bloß von den
Spartanern nachgemacht und –das ausschlaggebende- verfeinert wurde47.
Während entsprechende Gerichte im außerspartanischen Raum allerdings nur
gelegentlich serviert wurden, war die schwarze Suppe in Sparta tägliches
Hauptgericht48.
Nun folgte eine Nachspeise, die aus den monatlich vorgeschriebenen
Naturalbeiträgen erschlossen werden kann. Athenaios berichtet von Käse und
Feigen, doch auch Oliven, die von der Zukost bezahlt worden sein dürften, sind
auf Grund der griechischen Essgewohnheiten wahrscheinlich. Neben diesen
einfachen Lebensmitteln wurde das Mahl durch das Mitbringen spezieller Extras
verfeinert und im Laufe der Zeit kontinuierlich variantenreicher, um schließlich in
einer üppigen Nachspeise zu gipfeln49. Das zunächst freiwillige Mitbringen dieser
Köstlichkeiten – Weizenbrot, oder verschiedene Fleischsorten, z.B. von der Jagd –
wurde allmählich für reiche oder jagdfreudige Spartaner durch Zuweisung eines
Ehrenplatzes in der Runde verpflichtend50.
Bei den Gemeinschaftsmählern wurde, wie die Überlieferung zeigt, ausschließlich
Wein getrunken. Die in der Sekundärliteratur berechnetren Mengen der
Weinabgaben liegen im Rahmen von 24 bis 36,5 Litern. Dies ergäbe eine leicht
gesundheitsschädigende Menge von ca. einem Liter pro Tag. Zwar bescheinigt
Xenophon den Spartiaten wohl mäßiges Trinken51, doch weist Phylarch bei
43
ORTH: RE XI 1 (1921) 948 s.v. Kochkunst.
Plut.mor.128C.
45
Plut.Lyk.12.
46
WEBER: Spartaner 245.
47
ORTH: RE XI 1 (1921) 958 s.v. Kochkunst.
48
LAVRENCIC: Spartanische Küche 69.
49
LAVRENCIC: ibid. 70f.
50
LAVRENCIC: ibid. 124.
51
Xen.rep.Lac.5,4.
44
Athenaios, der die Verfallserscheinungen in der spartanischen Gesellschaft
darstellt, auf exzessiven Weinkonsum hin52. Auch hier galt aber die allgemein
10
griechische Sitte den Wein mit Wasser zu mischen, wobei der Wasseranteil immer
höher war, da der Alkoholgehalt der meisten griechischen Weine beachtlich
gewesen sein dürfte53. Wein völlig pur wurde nur im Opferbereich verwendet54.
Zwar sprechen viele Eigenheiten gegen den Charakter eines Trinkgelages - so gab
es weder Gemeinschaftsbecher noch Trinksprüche, auch nahmen ja Knaben teil
und waren Essen und Trinken nicht getrennt voneinander -, doch da die Spartiaten
sich erst bei Nacht vom Gemeinschaftsmahl entfernten, ist anzunehmen, dass sie
den geselligen Teil des Essens zu schätzen wussten55.
Athenaios berichtet, dass für den Wein eine Schale neben jeden hingestellt wurde,
die bei Bedarf angefüllt wurde56.
Die Spartiaten kochten für die Mahlgemeinschaften in der Regel nicht selber,
sondern hatten dafür Personal; so weist ja Plutarch auf einen König von Pontos
hin der sich einen lakonischen Koch gekauft hat; man kann also wohl von Heloten
ausgehen.
52
Ath.4,142b.
BLANCK: Essen 23.
54
HAGENOW: Weingarten 113.
55
LAVRENCIC: Spartanische Küche 81.
56
Ath.4,141b.
53
11
VI. Verfall
Wenn wir von teils unterschiedlichen Nachrichten antiker Autoren hören, so darf
man auch keinesfalls die zeitliche Komponente außer Acht lassen. Ein gutes
Beispiel ist die oben erläuterte Diskussion um den Weinkonsum. Während
Plutarch über die klassische Zeit zu berichten scheint und von den großen Taten
des Lykurg erzählt, weist Phylarch bei Athenaios auf Verfallserscheinungen in der
spartanischen Gesellschaft hin. Und obwohl beide deutlich später als die
klassische Zeit selbst, aber zeitlich nicht weit auseinander schreiben, doch so
unterschiedliche Berichte.
Nach Plutarch wurden die Gemeinschaftsmähler zwar lange Zeit eingehalten,
doch als Folgeerscheinung des Peloponnesischen Krieges veränderte sich auch die
Lebensweise und die strengen Sitten wurden gelockert.
Möglicherweise lernten die Spartaner durch Aufenthalte in fremdem Gebiet
verfeinerte Esskultur kennen und waren nicht mehr damit einverstanden zur
strengen spartanischen Kost zurückzukehren57.
Mit dem Verfall der militärischen Macht mussten sich folglich auch die darauf
aufgebauten Instiutionen, wie auch die Syssitien, ändern58.
Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Verarmung zahlreicher Spartiaten,
die die vorgeschriebenen Abgaben zum Gemeinschaftsmahl nun nicht mehr
aufbringen konnten und so auch die Teilnahmeberechtigung am
Gemeinschaftsmahl verlohren. Die Folge war die Bildung exklusiver Clubs, die
nahezu aus ausschließlich vermögenden Spartiaten bestand. Das Mahl hatte so
natürlich kaum mehr etwas mit den ursprünglichen Syssitien zu tun59. Auch die
Teilnahmepflicht scheint aufgehoben worden zu sein:
Die Spartaner hörten auf, in alter Manier zum gemeinsamen Mahl zu gehen60. (Gulick)
Es wird auch vermutet, dass das einfache Mahl – wenn nur zum Schein – nach
alter Sitte beibehalten wurde, anschließend an diesen „Pflichtakt“ man jedoch
kulinarischem Luxus frönen konnte61. Dieser Luxus könnte aus den ehemals
freiwilligen Spenden resultieren.
Antike Autoren berichten zwar von Reformversuchen des Spartanerkönigs Agis
IV. im Sinne der „Lykurgischen“ Disziplin, doch erst Kleomenes III. scheint eine
Wiedereinrichtung geglückt zu sein62. Ob davon aber auch die Syssitien betroffen
waren, ist zweifelhaft. Bielschowsky hält jedenfalls eine Rückkehr zu den
einfachen Lebensgewohnheiten der Vorfahren für nicht mehr möglich, da die
Bürger schon der luxuriösen Lebensweise zu sehr verfallen seien63.
Philopoem, der Sparta 188 v. Chr. zwang, dem Achäischen Bund beizutreten, hob
die „Lykurgische“ Ordnung wieder auf, weil er sich ausrechnete damit den Stolz
der Spartaner zu brechen64.
57
LAVRENCIC: Spartanische Küche 118.
MICHELL: Sparta 297.
59
LAVRENCIC: ibid. 119.
60
Ath.4,141f.
61
BIELSCHOWSKY: De Syssitiis 31.
62
Plut.Kleom.11.
63
BIELSCHOWSKY: ibid. 31.
64
Plut.Phil.16.
58
12
Es ist unwahrscheinlich, dass die täglichen Mahlgemeinschaften noch unter
römischer Herrschaft stattfanden, zumal die Römer entsprechenden
Vereinigungen skeptisch gegenüber standen. Wenn in römischer Zeit
Gemeinschaftsmahlzeiten in alter Manier stattfanden, so geschah dies mehr, um
die Sensationsgier spartabegeisterter Touristen zu befriedigen.
13
VII. Schlussbetrachtung
Die Syssitien waren die Gemeinschaftsmähler der Spartiaten, für dessen
Einführung antike Autoren Lykurg verantwortlich machen. Die Teilnahme war für
alle verpflichtend. Um in den Status eines Vollbürger kommen zu können, musste
man die vorgeschriebenen Naturalienbeiträge zu den Mählern leisten können,
andernfalls drohte ein Ausschluss. Das Alter der Bewerber lag ungefähr bei 20
Jahren; zur Aufnahme kam es nur, wenn die Mitglieder der Tischgemeinschaft
einstimmig zustimmen. War die Aufnahme geglückt, so gehörte man nun zu den
Vollbürgern.
Man traf sich etwa zu fünfzehn Mann abends, vielleicht in einem Zelt oder
Gebäude am Hyakinthischen Weg.
Gerstenbrot und die Blutsuppe stellten das Hauptgericht dar, während beim
Nachtisch Mitbringsel der Mitglieder, z.B. von der Jagd, aufgetischt wurden. Als
Getränk wurde ausschließlich Wein gereicht. Das Hauptgericht wurde sicher
seinem Ruf gerecht, nicht sehr wohlschmeckend zu sein, doch entwickelte sich
die Nachspeise besonders nach Einsetzen der Verfallserscheinungen immer mehr
zum kulinarischen Genuss.
Die Abgaben der Spartiaten bestanden aus Gerstenmehl, Wein, Käse, Feigen und
einem geringen Geldbetrag. Die abzuliefernden Mengen waren für jeden
Spartiaten, ganz unabhängig von seinem Besitz und seinen Möglichkeiten, gleich.
Der Grundbesitz musste groß gewesen sein, um sowohl für die Familie als auch
für die Heloten und die für das Gemeinschaftsmahl vorgeschriebenen Abgaben
genug abzuwerfen.
Für die Entstehung der Mahlgemeinschaften werden soziale, religiöse,
wirtschaftliche und militärische Ursachen verantwortlich gemacht. Die recht lange
Beibehaltung der Sitte wird häufig auf die dorischen Wurzeln zurückgeführt. Eine
wichtige Funktion der Syssitien lag in der Förderung des spartanischen
Gemeinschaftssinnes.
Im Laufe der Zeit machten sich aber Verfallerscheinungen bemerkbar und ein
erhöhter Luxus scheint Folge dieser Entwicklung gewesen zu sein. Spätestens als
gegen Ende des 3. Jh. v. Chr. die Teilnahmepflicht gänzlich aufgehoben wurde,
war den schlichten Mahlzeiten nach „Lykurgischer“ Disziplin ein Ende gesetzt.
Die Syssitien verschwanden mit dem Erlöschen von Spartas militärischer Macht.
14
VIII. Quellen und Literaturverzeichnis
Quellen
Aristoteles, Politik, hrsg. v. Olof Gigon, Zürich 1955
Athenaios, The Deipnosophists, hrsg. v. Charles Burton Gulick, London 1928
Herodot, Historien, gr.–dt., 2 Bde., übers. u. hrsg. v. Josef Feix, München
4
1988
Platon, Laws, hrsg. v. R. G. Bury, London 1926
Plutarch, Große Griechen und Römer, hrsg. v. Konrat Ziegler, Zürich 1965
Xenophon, Staat der Lakedaimonier, hrsg. v. E. Marchant, Oxford 1900
Sekundärliteratur
Bielschowsky, Albert, De Spartanorum Syssitiis, Diss. Breslau 1869
Blanck, Horst, Essen und Trinken bei Griechen und Römern, Antike Welt
11,1 1980, 17-34
Clauss, Manfred, Sparta. Eine Einführung in seine Geschichte und
Zivilisation, München 1983
Foxhall-Forbes, Robert James, . The Role of Grain as a Staple
Food in Classical Antiquity, Chiron 12 1982, 41-90
Fustel de Coulanges, Numa Denis, Der antike Staat. Kult, Recht und
Institutionen Griechenlands und Roms, Stuttgart 1981 (Original: La Cité
antique, Paris 1864)
Gschnitzer, Fritz, Griechische Sozialgeschichte. Von der mykenischen bis
zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden 1981
Hagenow, Gerd, Aus dem Weingarten der Antike. Der Wein in Dichtung,
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