Inhaltsverzeichnis

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Philipps- Universität Marburg
FB Chemie
Protokoll zum Experimentalvortrag (OC)
Leitung: Prof. Dr. Neumüller, Dr. Reiss
WiSe: 2011/ 2012
Die Natur Ein System der Gleichgewichte
(30.11.2011)
Tobias Rocksloh
[email protected]
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Inhaltsverzeichnis
1. Ziel des Vortrags
2. Der Gleichgewichtsbegriff
3. Phasengleichgewichte
3.1 Der Aggregatzustand
3.2 Das Einkomponentensystem „ Wasser – Wasserdampf“
3.2.1 Demonstration 1: Die Dampfmaschine
4. Lösungsgleichgewichte
4.1 Verteilungsgleichgewichte zwischen Lösungen
4.2 Kombinationen von Lösungsgleichgewichten
4.2.1 Versuch 1: Nernstsches Verteilungsgesetz
4.2.2 Demonstration 2: Chromatographie
5. Das chemische Gleichgewicht
5.1 Umkehrbarkeit von Reaktionen
5.1.2 Versuch 2: Iod-Stärke-Reaktion
5.2 Das Massenwirkungsgesetz
6. Steuerung von Gleichgewichten
6.1 Das Prinzip von Le Chatelier
6.1.1 Versuch 3: Das Henry-Dalton-Gesetz
6.1.2 Versuch 4: Die Gleichgewichtsreaktion von Anthracen mit Pikrinsäure
6.2 Katalyse
6.2.1 Versuch 5: Katalysierte Umsetzung von Harnstoff mittels Urease
7. Die Lehrplanrelevanz des Themas
8. Literatur- und Abbildungsverzeichnis
9. Verzeichnis der Versuchsvorschriften
-2-
1. Ziel des Vortrags
Ziel des Vortrags ist es zu zeigen, dass das Phänomen des Gleichgewichts eine
zentrale Eigenschaft der belebten und unbelebten Natur ist. Es gilt zu
veranschaulichen, dass dieses sehr abstrakte Thema eine unerwartet hohe
Schulrelevanz hat und man mit gezielt ausgewählten Versuchen einen hohen
Alltagsbezug für Schüler herstellen kann. Das Leitmotiv dieses Vortrags stammt
von dem deutsch-österreichischen Naturforscher Freiherr von Feuchtersleben
(1840) und beschreibt eine fundamentale Eigenschaft der Natur:
„Wahre Ruhe ist nicht Mangel an Bewegung. Sie ist Gleichgewicht der
Bewegung.“ (Freiherr von Feuchtersleben, Mediziner und Naturforscher)
Einige Versuche sind so gewählt, dass Effekte beobachtet werden sollen, die den
Erwartungen der Zuhörer widersprechen. Mit Hilfe dieser Widersprüche soll
Interesse geweckt und gezeigt werden, wie wissenschaftliche Entwicklung
zustande kommt. Zunächst wird der Gleichgewichtsbegriff erläutert. Anschließend
werden
mit
Hilfe
von
(Phasengleichgewichte,
schulnahen
Versuchen
Lösungsgleichgewichte,
drei
Gleichgewichtstypen
chemisches
Gleichgewicht),
sowie deren Steuerbarkeit (Das Prinzip von Le Chatelier, Katalyse) betrachtet.
Abschließend wird die Rolle des Themas im Lehrplan analysiert.
2. Der Gleichgewichtsbegriff
Befindet sich ein System in einem ausgeglichenen Zustand, so spricht man von
einem Gleichgewicht. Grundsätzlich wird dabei zwischen statischen und
dynamischen Gleichgewichten unterschieden. Bei einem System im Ruhezustand
handelt es sich um ein statisches Gleichgewicht. Als Beispiel lässt sich eine
Balkenwaage heranführen. Beide Waagschalen ziehen mit gleicher Kraft an dem
waagerechten Balken, beide Kräfte heben sich gegenseitig auf und das System
befindet sich im Gleichgewicht. Gleichen sich zwei gegenläufige Prozesse aus, so
bezeichnet man dies als ein dynamisches Gleichgewicht. Ein oft verwendetes
Beispiel hierfür ist eine Straße, die in eine Stadt führt. Verlassen genauso viele
Autos die Stadt, wie in diese hineinfahren, so ist die Anzahl an Autos in der Stadt
konstant und das System befindet sich im Gleichgewicht. In der Natur lassen sich
-3-
sowohl dynamische als auch statische Gleichgewichte beobachten. Betrachtet
man die Natur unter chemischen Gesichtspunkten, so bekommt man es
ausschließlich mit dynamischen Gleichgewichten zu tun.
3. Phasengleichgewichte
3.1 Der Aggregatzustand
Grundsätzlich kann Materie drei Zustände annehmen: gasförmig, flüssig und
fest. In Abbildung 1 werden die Zustände am Beispiel von Wasser mit Hilfe des
Teilchenmodells dargestellt.
Abb.1 : Die Aggregatzustände des Wassers [1]
Je nach Druck und Temperatur kann Wasser einen gasförmig, flüssigen oder
festen Zustand einnehmen. Im gasförmigen Zustand sind die Wassermoleküle
homogen vermischt und bewegen sich ungerichtet im Raum. Der zur Verfügung
stehende Raum wird durch die Moleküle vollständig ausgefüllt. Verringert man die
Temperatur bzw. verringert man das Volumen, so sinkt der Abstand zwischen den
Teilchen. Die intramolekularen Anziehungskräfte werden wirksam und die
Teilchen bleiben aneinander haften. Man sagt, das Gas kondensiert zu einer
Flüssigkeit. Im flüssigen Zustand bewegen sich die Teilchen langsam genug, um
-4-
von den intramolekularen Anziehungskräften in einem definierten Volumen
zusammengehalten zu werden. Allerdings besitzen die Teilchen noch genügend
Energie, sodass sich nicht eine definierte Position im Raum einnehmen. Werden
Temperatur bzw. Volumen weiter verringert, wird die Energie der Teilchen und
somit der Abstand zwischen ihnen geringer, die Wirkung der intramolekularen
Anziehungskräfte steigt. Dies hat zur Folge, dass die Teilchen sich nicht mehr
bewegen und eine fixierte Position im Raum einnehmen. Dabei sind sie nach
einem sich wiederholenden Muster angeordnet („Kristallgitter“). Der Übergang
vom flüssigen zum festen Zustand wird als Erstarren bezeichnet. Wenn ein
Feststoff, eine Flüssigkeit oder ein Gas eine einheitliche „Portion“ bilden (z.B.
Dampfwolke, Eiswürfel) und innerhalb dieser Portion keine Grenzflächen erkennen
lassen, so wird diese Portion als Phase bezeichnet. Die Grenzfläche zwischen
zwei Phasen wird als Phasengrenzen bezeichnet.
3.2 Das Einkomponentensystem „ Wasser – Wasserdampf“
Unter natürlichen Bedingungen liegt eine reine Substanz in der Regel in Form von
zwei
Phasen
vor.
Abbildung
2
zeigt
das
Zweiphasensystem
Wasser/
Wasserdampf in einem geschlossenen Gefäß, d.h. bei einem definierten Volumen.
Abb.2 : Einkomponentensystem „Wasser - Wasserdampf“ [2]
Schließt man eine bestimmte Menge an Wasser bei 20°C in das Gefäß ein, so
zeigt sich, dass sich der freie Raum über Flüssigkeit bis zu einer bestimmten
Konzentration mit dem Dampf der Flüssigkeit anreichert. Im Hinblick auf das
Teilchenmodell (siehe 3.1.) bedeutet dies, dass ein gewisser Anteil der
-5-
Wassermoleküle in der Lage ist die molekularen Anziehungskräfte zu überwinden,
die Flüssigkeit zu verlassen und in den freien Raum überzutreten. Betrachtet man
eine flüssige Phase, so zeigt sich, dass die Flüssigkeitsteilchen ungerichtet in der
Phase umherwandern. Entscheiden hierbei ist, dass die Teilchen nicht alle die
gleiche kinetische Energie haben, d.h. sich mit gleicher Geschwindigkeit bewegen,
sondern deren Werte um einen Mittelwert schwanken. Dieser Zusammenhang
wird durch die Maxwell-Boltzmann-Verteilung beschrieben (siehe Abb. 3).
Abb. 3 : Maxwell-Boltzmann-Verteilung [3]
Die Häufigkeit von Teilchen wird gegen ihre Geschwindigkeit aufgetragen. Es zeigt
sich, dass einige wenige Teilchen (Abb. 3: → blaue Fläche) sehr energiereich
sind,
d.h.
hohe
Geschwindigkeiten
Geschwindigkeiten
sind
die
Teilchen
haben.
in
der
Aufgrund
Lage
dieser
die
hohen
molekularen
Wechselwirkungen zu überwinden. Somit ist der Übergang in den freien Raum
möglich. Dieser Prozess ist temperaturabhängig Je höher die Temperatur der
Flüssigkeiten ist, desto mehr Teilchen gibt es mit hoher kinetischer Energie. Mehr
Teilchen sind somit in der Lage die Anziehungskräfte zu überwinden und in die
Gasphase überzugehen (Abb. 3: → rote Fläche). Rückblickend auf das Modell des
Einkomponentensystems (Abbildung 2) bedeutet das, je höher die Temperatur,
desto mehr Teilchen sind in der Gasphase und desto höher ist der Druck. Die in
den Gasraum gelangten Moleküle schwirren ungerichtet umher. Ein gewisser
Anteil von Teilchen in der Gasphase prallte zurück auf die Flüssigkeitsoberfläche
und wird von dieser wieder aufgenommen. Ist die Anzahl an Teilchen, die die
Flüssigkeitsphase verlassen, genauso groß wie die Anzahl an Teilchen, die von
der Flüssigkeit wieder aufgenommen werden, so spricht man von einem
-6-
Phasengleichgewicht. Wird die Temperatur verändert, so stellt sich ein neues
Gleichgewicht ein. Mit zunehmender Temperatur ist die Anzahl an Teilchen in der
Gasphase höher und somit auch der sogenannte Dampfdruck. In Abb.4 wird der
Begriff Druck bzw. Dampfdruck mit dem Teilchenmodell verknüpft.
Abb. 4 : Teilchenmodell: Der Druck [4]
Druck ist die Kraft, die auf eine definierte Fläche ausgeübt wird. Dabei wird die
Kraft durch die Anzahl der Teilchen bestimmt, die auf diese Fläche stoßen. Je
höher die Temperatur, desto mehr Teilchen befinden sich in der Gasphase, desto
mehr Teilchen stoßen gegen die Fläche und somit steigt der Druck. Der Druck, der
ausgeübt wird, wenn Flüssigkeit und Gasphase im Gleichgewicht stehen, wird als
Dampfdruck bezeichnet.
Abb. 5 : Das Zustandsdiagramm des Wassers [5]
-7-
Mit Hilfe von Zustandsdiagrammen lässt sich darstellen, bei welchen
Druck/Temperatur Bedingungen eine Verbindung gasförmig, flüssig oder fest ist.
In Abbildung 5 ist dies am Beispiel von Wasser dargestellt. Grundlage für das
Diagramm ist das Einkomponentensystem (siehe Abbildung 2). Zur Erstellung
eines solchen Zustandsdiagramms ist die obere Wand des Zylinders flexibel, d.h.
es kann Druck vom System genommen werden bzw. auf das System ausgeübt
werden. Trägt man alle Sättigungsdampfdrücke als Funktion des Drucks gegen
die Temperatur auf, so ergibt sich die sogenannte Dampfdruckkurve. Beim
Sättigungsdampfdruck stehen gasförmige und flüssige Phase im Gleichgewicht,
d.h. entlang dieser Kurve stehen beide Phasen im Gleichgewicht. Wird bei einer
bestimmten Dampfdrucktemperatur der Druck erhöht (Kolben wird nach unten
gedrückt), so liegt Wasser ausschließlich als Flüssigkeit vor, im umgekehrten Falle
ausschließlich als Gas. Die Gleichgewichtsbedingungen zwischen Feststoff und
Flüssigkeit werden durch die Schmelzpunktkurve dargestellt. Durch Veränderung
von Druck und Temperatur ergibt sich das charakteristische Zustandsdiagramm
des Wassers. Im Hinblick auf unsere Lebenswelt sind die Punkte der Funktion bei
1,013 bar (Druck der Erdatmosphäre auf Meeresspiegelniveau) von Interesse.
Stehen bei 1,013 bar feste und flüssige Phase im Gleichgewicht, so spricht man
dabei
vom
Gefrierpunkt.
Stehen
gasförmige
und
flüssige
Phase
im
Gleichgewicht, spricht man dabei vom Siedepunkte. Am Tripelpunkt stehen alle
drei Phasen im Gleichgewicht. In Demonstration 1 wird ein historisches Beispiel
für ein Einkomponentensystem betrachtet.
3.2.1 Demonstration 1: Die Dampfmaschine
Chemikalien:
Tabelle 1: Chemikalien für Demonstration 1
Eingesetzter Stoff
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Trockenbrennstoff
(Esbit)
Wasser
-
-
-
-
-
-
-8-
Einsatz in der
Schule
Schülerversuch
S I und S II
Schülerversuch
S I und S II
Summenformel
HO
2
Materialien:
Dampfmaschine D10 von Wilesco
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 10 Min.
Durchführung: 2 Min.
Nachbereitung: 2 Min.
Versuchsaufbau:
Abb.6 : Dampfmaschine D10 von Wilesco [6]
Versuchsdurchführung:
Kessel wird vollständig mit Wasser gefüllt und mittels Trockenbrennstoff (Esbit)
erwärmt.
Beobachtungen:
Sobald das Wasser heiß genug war und ausreichend Dampf gebildet wurde,
begann sich das Schwungrad zu drehen.
Entsorgung:
Sämtliche Materialien können beliebig oft verwendete werden.
Fachliche Analyse:
Dampfmaschinen
sind
aus
vier
wesentlichen
Feuerstelle, Wasserkessel, Zylinder und Schwungrad.
-9-
Komponenten
aufgebaut,
Abb.7 : Schema: Funktionsweise einer Dampfmaschine [7]
Durch das Erhitzen des Wassers im Kessel gehen viele Wassermoleküle von der
flüssigen Phase in die Dampfphase über. Der entstehende Dampf kann den
geschlossenen
Kessel
(Abb.
7:
→
Bild
1)
ausschließlich
über
die
Dampfdruckleitung verlassen und wandert somit in die linke Seite des Zylinders
ein (Abb. 7: → Bild 2). Sobald der Druck ausreichend ist, wird der Kolben nach
links gedrückt und der Abdampf aus dem vorherigen Prozess nach außen
abgestoßen. Kurz vor dem Totpunkt des Kolbens (Abb. 7: → Bild 3) wird die
Schiebstange umgeschaltet. Es gelangt kein Dampf mehr in den Zylinder. Mit Hilfe
der Schwungmasse des Antriebsrads wird der Totpunkt überwunden. Kurz nach
dem Totpunkt (Abb. 7: → Bild 4) wird die Schiebestange erneut umgeschaltet,
wodurch die rechte Seite des Zylinders für den Wasserdampf freigegeben wird.
Der Druck erhöht sich, der Kolben wird nach links gedrückt und der Prozess
beginnt von neuem. Letztendlich dient die Phasenumwandlung des Wasser zur
Umwandlung von thermischer Energie in mechanische Energie. Ein Phasengleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Dampf ist zumindest theoretisch dann
erreicht, wenn der Dampfdruck im Kessel bzw. im Zylinder minimal bzw.
infinitesimal kleiner ist, als die Kraft die man benötigt, um den Kolben zu bewegen.
- 10 -
4. Lösungsgleichgewichte
4.1 Verteilungsgleichgewichte zwischen Lösungen
Eine Lösung ist ein einheitliches/ homogenes Gemisch mehrerer reiner Stoffe.
Die Komponente mit dem größten Mengenanteil wird als Lösungsmittel
bezeichnet. Der Begriff Lösung ist dabei unabhängig von Aggregatzustand, d.h.
auch Gas- oder Feststoffgemische können Lösungen sein (z.B. Legierungen). Der
Bildungsprozess von Lösungen wird als Solvatation bezeichnet. Abbildung 8 zeigt
die Wechselwirkung zwischen zwei Reinsubstanzen, einem polaren Lösungsmittel
und einem Salzkristall.
Abb.8 : Der Solvatationsprozess [8]
Der Salzkristall ist aus positiven Kationen und negativen Anionen aufgebaut. Im
Inneren des Kristalls sind die Ionen gleichmäßig aus allen Richtungen durch
entgegengesetzt geladene Ionen umgeben. An der Kristalloberfläche ist die
Anziehung für die Ionen unausgeglichen. Das hat zur Folge, dass die Ionen die
Lösungsmittelmoleküle anziehen, Kationen das negative Ende der Teilchen,
Anionen das positive Ende der Teilchen. Schließlich lagern sich mehrere
Lösungsmittelmoleküle um ein Ion und brechen es aus dem Kristallverband. Ist ein
Ion vollständig von Lösungsmittelteilchen umgeben, so bezeichnet man es als
solvatisiert. Wie gut ein Feststoff von einem Lösungsmittel solvatisiert wird, wird
durch die Löslichkeit beschrieben. Die Löslichkeit ist dabei von drei Faktoren
abhängig:
a)
Art
und
Stärke
der
Anziehungskräfte
zwischen
den
Lösungsmittelmolekülen, den Lösungsmittelmolekülen und den gelösten Teilchen
und den gelösten Teilchen untereinander, b) Verhältnis von Lösungsmittel und den
gelösten Teilchen und c) der Temperatur. Die Art der Anziehungskräfte wir durch
den Aufbau des Moleküls bestimmt. Dabei wird zwischen polaren und unpolaren
- 11 -
Verbindungen unterschieden. Polar bedeutet, dass die Elektronendichte an einem
Ende des Moleküls größer ist als am anderen Ende. Dies hat zur Folge, dass an
einem Ende eine positive und am anderen Ende eine negative Partialladung
vorliegt. Bei unpolaren Verbindungen ist die Elektronendichte gleichmäßig
verteilt, d.h. positive und negative Partialladung befinden sich im Zentrum des
Moleküls. Es gilt die Regel „Similia similibus solvuntur“ bzw. „Ähnliches löst sich in
Ähnlichem“, d.h. polar löst polar bzw. unpolar löst unpolar. Betrachtet man ein
zwei Phasensystem aus zwei unterschiedlich polaren Substanzen, so wird sich ein
dritte Verbindung, je nach Polarität in einer der Phasen besser lösen (Abb. 9).
Abb.9 : Verbindung in Zweiphasensystem [9]
Gibt man eine Verbindung in Phase α, so stellt man nach einiger Zeit fest, dass
eine gewisse Menge der Verbindung in Phase β übergeht. Der Endzustand dieses
Prozesses zeigt ein ungleichmäßige Verteilung des Stoffes, wobei das Verhältnis
der Verteilung des Stoffes zwischen den Phasen konstant bleibt. Diese Konstanz
wird
durch
ein
dynamisches
Gleichgewicht
verursacht,
dem
Lösungsgleichgewicht. Im diesem Gleichgewichtszustand wandern genauso
viele Teilchen von der Phase α nach Phase β, wie von der Phase α zurück zur
Phase β. Die Lage des Gleichgewichts ist dabei von der Löslichkeit der
Verbindung in der jeweiligen Phase abhängig.
In Abbildung liegt das
Gleichgewicht auf Seiten der Phase β, da die Konzentration der Verbindung in
dieser Phase größer ist.
4.2 Kombinationen von Lösungsgleichgewichten
Prinzipiell gibt es drei Arten von Lösungsgleichgewichten: a) die Verteilung eines
Stoffes zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten, b) die Verteilung eines
Stoffes zwischen einer Gasphase und der Lösung und c) die Verteilung des
Stoffes zwischen einer festen Phase und der Lösung. In Versuch 1 wird die
Verteilung eines Stoffes zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten betrachtet.
- 12 -
4.2.1 Versuch 1: Nernstsches Verteilungsgesetz
Chemikalien:
Tabelle 2: Chemikalien für Versuch 1
Eingesetzter
Stoff
Rhodamin b
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Xi (Reizend)
R 42
1-Butanol
Xn (Gesundheitsschädlich)
10-22-37/3841-67
Wasser
-
-
S 22-2639-61
(2)-7/913-2637/39-46
-
Einsatz in der
Schule
Schülerversuch
S I und S II
Schülerversuch
S I und S II
Summenformel
Schülerversuch
S I und S II
HO
C28H31ClN2O3.
C4H10O
2
Materialien:
U-Rohr, Tropfpipette
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 10 Min.
Durchführung: 5-7 Tage
Nachbereitung: 10 Min.
Versuchsaufbau:
Abb.10 : Versuchsaufbau von Versuch 1 [10]
Versuchsdurchführung:
Ein U-Rohr wird zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Die wässrige Phase wird mit
Butanol überschichtet (pro Schenkel die gleich Menge). Die organische Phase
eines Schenkels wird mit Rhodamin b versetzt. Das System wird mehrere Tage
beobachtet.
- 13 -
Beobachtungen:
Abb.11 : Versuch 1: Zustand des Systems nach 2-3 Tagen [11]
Der Farbstoff löste sich gut in der organischen Phase, ging aber zunächst nicht in
die wässrige Phase über. Nach 2-3 Tagen war der Farbstoff teilweise in die
wässrige Phase übergegangen (Abb.11). Es ließen sich bereits geringe Mengen
der Farbstoffs in der zweiten organischen Phase erkennen (Tipp: Beobachtung
unter UV-Licht, da Rhodamin b fluoresziert und so schon kleinere Mengen
wahrgenommen werden können).
Abb.12 : Versuch 1: Zustand des Systems nach 5-7 Tagen [12]
Im Endzustand war die Farbstoffkonzentration in beiden organischen Phasen
gleich groß. Die Farbstoffkonzentration in der wässrigen Phase war geringer als in
den organischen Phasen.
- 14 -
Entsorgung:
Der Inhalt des U-Rohres wird vollständig im organischen Abfall entsorgt.
Fachliche Analyse:
Zur Interpretation der Beobachtungen werden zunächst die Strukturformeln der
beteiligten Verbindungen betrachtet (Abbildung 13).
Abb.13 : Versuch 1: Strukturformeln [13]
Wasser ist polarer als Butanol. Folglich bildet sich ein Zweiphasensystem mit einer
oberen, butanolischen Phase und einer unteren, wässrigen Phase. Rhodamin b
hat mit der Carbonsäuregruppe und dem Sauerstoffatom polare Komponenten, ist
aber ist in der Gesamtheit eher unpolar, d.h. der Farbstoff löst sich besser in
Butanol als in Wasser. Nach Zugabe des Rhodamins in die organische Phase löst
sich dieses sehr gut und verteilt sich entsprechend (Abbildung 14). Erreichen die
Farbstoffteilchen die Phasengrenze, so gehen einige Farbstoffteilchen in die
wässrige Phase über. In der wässrigen Phase diffundieren die Teilchen
ungerichtet umher. Einige Teilchen treffen dabei erneut auf die Phasengrenze und
gehen dabei erneut in die organische Phase über. Treten genauso viele Teilchen
von der organischen Phase in die wässrige Phase über, wie von der wässrigen
- 15 -
Phase in die organische Phase übergehen, so spricht man hierbei von einem
dynamischen Gleichgewicht bzw. von einem Lösungsgleichgewicht.
Abb.14 : Versuch 1: Herleitung des Verteilungskoeffizient [14]
Die Formel v = k • c beschreibt die Geschwindigkeit mit der die Teilchen von einer
Phase in die andere übertreten. Im Gleichgewicht sind die Geschwindigkeiten in
beide Richtungen gleichgroß. Setzt man die Geschwindigkeiten für beide
Prozesse gleich, so erhält man Ausdruck 5. Die Konstanten können im
sogenannten Verteilungskoeffizient zusammengefasst werden. In diesem Beispiel
ist K < 1, da die Konzentration an Rhodamin b in der organischen Phase größer
ist. Folglich liegt das Gleichgewicht auf Seiten der organischen Phase.
Abb.15 : Versuch 1: Konzentrationsgradient vs. Löslichkeitsgradient
- 16 -
[15]
Die Ursache für das im Versuch beobachtete Wanderverhalten wird in Abbildung
15 dargestellt. Die Einstellung des Gleichgewichts erfolgt an zwei Phasengrenzen.
Die Einstellung der Gleichgewichte an jeder Phasengrenze wird durch zwei
Faktoren bestimmt. Der Konzentrationsgradient treibt den Farbstoff von der linken,
organischen Phase über die wässrige Phase in die rechte organische Phase. Der
Löslichkeitsgradient „drückt“ aufgrund der besseren Löslichkeit des Farbstoffs in
Butanol den Farbstoff in Richtung beider organischen Phasen. Zu Beginn des
Versuchs ist die Konzentration in der linken organischen Phase maximal. An der
ersten
Phasengrenze
überwiegt
der
Konzentrationsgradient
den
Löslichkeitsgradient. Der Farbstoff geht trotz schlechterer Löslichkeit in die
wässrige
Phase
über.
An
der
zweiten
Phasengrenze
gehen
sowohl
Konzentrationsgradient, als auch der Löslichkeitsgradient in Richtung der
organischen Phase. Der Farbstoff reichert sich in der rechten organischen Phase
an, bis sich Konzentrationsgradient und Löslichkeitsgradient ausgleichen und sich
an beiden Phasengrenzen ein Gleichgewicht einstellt.
Lösungsgleichgewichte können sich auch bei der Verteilung eines Stoffs zwischen
einer Gasphase und einer Lösung bzw. zwischen eines Feststoffs und einer
Lösung einstellen. Letzteres wird im folgenden Versuch betrachtet.
4.2.2 Demonstration 2: Chromatographie
Chemikalien:
Tabelle 2: Chemikalien für Demonstration 2
Eingesetzter Stoff
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Methanol
T (giftig),
F (leichtentzündlich)
11-23/24/2539/23/24/25
(1/2)-7-1636/37-45
Einsatz in der
Schule
Lehrerversuch
Summenformel
CH3OH
Materialien:
Föhn,
Becherglas,
Uhrglas,
Mörser,
Pistill,
Kapillarröhrchen,
Seesand,
Pflanzenblätter, Tafelkreide
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 10 Min.
Durchführung: 2 Min.
- 17 -
Nachbereitung: 2 Min.
Versuchsaufbau:
Abb.16 : Demonstration 2: Versuchsaufbau [17]
Versuchsdurchführung:
Zunächst wurde ein Chlorophyllextrakt erstellt (vgl. Abb. 16). Dazu wurden grüne
Pflanzenblätter mit Seesand und Methanol gründlich zerrieben. Sobald das
Methanol intensiv grün gefärbt war, wurde ein Stück Tafelkreide (zuvor bei 120° C
getrocknet) in das Extrakt gehalten (wichtig: die Kanten der Querseite der Kreide
vorher
abstumpfen,
damit
Extrakt
besser
wandern
kann).
Sobald
die
Laufmittelfront die obere Kante der Kreide erreicht hatte, wurde die Kreide aus
dem Extrakt genommen und mit einem Fön getrocknet.
Beobachtungen:
Mit zunehmender Zerreibung der Pflanzenblätter färbte sich das Methanol intensiv
grün. Stellte man die Kreide in das Extrakt, so wanderte eine Laufmittelfront das
Kreidestück empor. Die Laufmittelfront spaltetete sich dabei in drei Linien auf, zwei
grüne Linien, sowie eine schneller wandernde gelbe Linie (vgl. Abb. 17).
Entsorgung:
Die Kreide und das Extrakt werden im organischen Abfall entsorgt.
Fachliche Analyse:
Durch die mechanische Einwirkung von Seesand und Pistill auf die Pflanzenblätter
werden Zellwand und Zellmembranen aufgebrochen, die Blattfarbstoff freigesetzt
und in Methanol gebunden.
- 18 -
Abb.17 : Demonstration 2: Fachliche Auswertung [17]
Wie in Abbildung 17 dargestellt wird das Extrakt aus den gewonnen
Pflanzenfarbstoffen in drei Banden aufgespaltet (Pfeil zeigt Wanderrichtung des
Extrakts an). Die Banden sind unterschiedlich weit voneinander entfernt, wobei
jede Bande einem Farbstoff entspricht. Stellt man Wanderverhalten und die
entsprechende Strukturformel jeder Bande gegenüber, so erkennt man, dass
Polarität und Wanderungstendenz in Abhängigkeit zueinander stehen. Je geringer
die Polarität, desto ausgeprägter der Wanderverhalten. Carotin ist am wenigsten
polar, die Wandertendenz ist am größten. Chlorophyll b ist aufgrund der
Formylgruppe minimal polarer als Chlorophyll a und folglich ist die Wandertendenz
minimal
geringer.
Ursache
für
diese
Aufspaltung
sind
die
abgestuften
Wechselwirkungen der unterschiedlich polaren Farbstoffe mit der Lösung bzw. mit
der Kreide (vgl. Abbildung 18). Tafelkreide besteht aus polarem Calcit. Wandert
das Extrakt der Kreide empor, wechselwirken polare Verbindungen wie
Chlorophyll stärker mit der Kreide. Chlorophyll haftet demnach stärker an der
Kreide, die Wandertendenz ist geringer. Die Wechselwirkung zwischen dem
unpolaren Carotinoid und der polaren Kreide ist folglich gering und der Farbstoff
wandert dem entsprechend weiter. Umgekehrt ist die Wechselwirkung mit dem
eher unpolaren Methanol groß.
- 19 -
Abb.18 : Demonstration 2: Fachliche Auswertung [18]
Die Wechselwirkung zwischen Farbstoffen und Kreide bzw. Lösungsmittel beruht
auf einem Verteilungsgleichgewicht (vgl. Abbildung 19). Ist die Wechselwirkung
mit der polaren Kreide höher, so liegt das Gleichgewicht auf der Seite der
stationären
Phase
und
die
Wandergeschwindigkeit
ist
gering.
Ist
die
Wechselwirkung mit der Kreide gering, liegt das Gleichgewicht auf Seiten der
mobilen Phase und die Wandergeschwindigkeit ist ausgeprägter.
Abb.19 : Demonstration 2: Fachliche Auswertung [19]
5. Das chemische Gleichgewicht
- 20 -
5.1 Umkehrbarkeit von Reaktionen
Eine chemische Reaktion ist ein Vorgang bei dem eine oder mehrere
Verbindungen in eine andere umgewandelt werden. Die Ausgangsverbindungen
haben dabei andere Eigenschaften als die entstandenen Verbindungen.
Graphisch werden diese Prozesse mittels Reaktionsgleichungen dargestellt. Im
Hinblick auf dynamische Gleichgewichte ist ein bestimmter Reaktionstyp von
Bedeutung, der im folgenden Versuch gezeigt wird.
5.1.2 Versuch 2: Iod-Stärke-Reaktion
Chemikalien:
Tabelle 4: Chemikalien für Versuch 2
Eingesetzter Stoff
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Iod
Xn
(gesundheitsschädlich)
N
(Umweltgefährdend)
-
20/21-50
(2)-23-25-61
-
-
Kaliumiodid
Einsatz in der
Schule
Lehrerversuch
Summenformel
Schülerversuch
S I und S II
KI
I2
Materialien:
Reagenzglasständer,
3
Reagenzgläser,
Reagenzglashalter,
Heizplatte
mit
Wasserbad, Becherglas (250 mL), Eis, Stärke
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 5 Min.
Durchführung: 5 Min.
Nachbereitung: 2 Min.
Versuchsdurchführung:
In einem Becherglas wurde verdünnte Stärkelösung angesetzt und bis zum blauen
Farbumschlag Iod-Kaliumiodidlösung zugeführt. Diese Lösung wurde gleichmäßig
auf zwei Reagenzgläser aufgeteilt. Ein Reagenzglas diente als Vergleichsprobe.
Die Probe im zweiten Reagenzglas wurde zunächst im Wasserbad erhitzt (2
Minuten; 60°C) und anschließend in Eis abgekühlt (2 Minuten). Zwischen jedem
Teilschritt wurde mit der Vergleichsprobe verglichen.
Beobachtungen:
- 21 -
Nach Zugabe der Iod-Kaliumiodid-Lösung verfärbte sich die Stärkelösung blauviolett. Nach Erwärmung der Probe entfärbte sich die Lösung bzw. die Intensität
der Farbe nahm erheblich ab. Mit zunehmender Abkühlung der Lösung trat der
Farbeffekt wieder ein.
Entsorgung:
Die Lösungen werden mit Thiosulfat neutralisiert und im Abfluss entsorgt.
Fachliche Analyse:
Der beobachtete Prozess bzw. die Reaktion ist umkehrbar/ reversibel
(blau/farblos/blau). Diese Umkehrbarkeit lässt sich nur dann erklären, wenn man
davon ausgeht, dass zwischen Edukten und Produkten ein dynamisches
Gleichgewicht besteht. Es finden folgende Reaktionen statt:
1. Bildung von Polyiodidketten
2. Reversible Einlagerung der Polyiodidketten in das Stärkepolymers
Die
gebildeten
Polyiodide
werden
reversibel
Stärkepolymers eingelagert (Abbildung 20).
- 22 -
in
die
Doppelhelix
des
Abb.20 : Versuch 2: Iod-Stärke-Komplex
[20]
Die Reversibilität wird durch die Doppelpfeile dargestellt, je einen Pfeil für die Hinbzw. die Rückreaktion. Befindet sich das System im Gleichgewicht, so werden in
der Hinreaktion genauso viele Iod-Stärke-Komplexe gebildet, wie durch die
Rückreaktion zerfallen.
5.2 Das Massenwirkungsgesetz
Die Eigenschaften von Gleichgewichtszustand und Reversibilität lassen sich gut
veranschaulichen, wenn man die Konzentrationsänderungen von Edukten und
Produkten als Funktion gegen die Zeit betrachtet (vgl. Abb. 21).
Abb.21 : Versuch 2: Reaktionsverlauf
- 23 -
[21]
Tendenziell gilt, in dem Maße, wie die Produktbildung abläuft, d.h. die
Produktkonzentration steigt, werden Edukte verbraucht. Die Änderung der
Konzentration eines Stoffes pro Zeit wird als Reaktionsgeschwindigkeit betrachtet.
Zu Beginn kann keine Rückreaktion stattfinden, da das Produkt noch nicht
vorhanden ist. In dem Maße, wie jetzt das Produkt gebildet wird, setzt die
Rückreaktion ein. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist Konzentrationsabhängig, d.h.
mit
zunehmender
Produktkonzentration
steigt
die
Geschwindigkeit
der
Rückreaktion. Gleichzeitig nehmen die Eduktkonzentration und damit auch die
Geschwindigkeit der Rückreaktion ab. Am Zeitpunkt tg hat die Geschwindigkeit der
Hinreaktion soweit abgenommen und die der Rückreaktion soweit zugenommen,
dass beide Teilreaktionen gleichschnell ablaufen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich
das sogenannte chemische Gleichgewicht eingestellt. Die Konzentration von
Edukten und Produkten bleibt konstant, weil das Produkt durch die Hinreaktion
genauso schnell gebildet wird, wie es durch die Rückreaktion verbraucht wird.
Nimmt man an, dass Hin- und Rückreaktion in einem Schritt stattfinden, dann
kann man für Hin- und Rückreaktion die Geschwindigkeitsgesetze formulieren
(vgl. Abb. 22).
Abb.22 : Versuch 2: Herleitung der Gleichgewichtskonstante
[22]
Da im Gleichgewicht beide Reaktionen gleichschnell ablaufen, können die
Geschwindigkeitsgesetze beider Reaktionen gleichgesetzt werden. Da Kr und Kh
Konstanten sind, kann man diese in der sogenannten Gleichgewichtskonstante
- 24 -
zusammenfassen. Allgemein lässt sich das Massenwirkungsgesetz wie folgte
formulieren (siehe Abbildung 23):
Abb.23 : Das Massenwirkungsgesetz [23]
Die Verbindungen auf der rechten Seite der Gleichung entsprechen dem Zähler,
die Verbindungen auf der linken Seite der Gleichung dem Nenner. Die
stöchiometrischen
Koeffizienten
werden
als
Potenzen
den
jeweiligen
Verbindungen zugeordnet. Diese Gesetzt gilt für alle ein- und mehrstufigen,
reversiblen Reaktionen.
6. Steuerung von Gleichgewichten
6.1 Das Prinzip von Le Chatelier
Von besonderem Interesse für die Naturwissenschaften ist es, dynamische
Gleichgewichte zu steuern. Diese Steuerung beruht auf dem Prinzip von Le
Chatelier, das besagt: „Übt man auf ein System, das im Gleichgewicht ist, durch
Druck,- Temperatur-, oder Konzentrationsänderungen einen Zwang aus, so
verschiebt sich das Gleichgewicht. Es stellt sich ein neues Gleichgewicht ein, bei
dem der Zwang vermindert ist.“ Im folgenden Versuch wird die Steuerung von
Lösungsgleichgewichten betrachtet.
6.1.1 Versuch 3: Das Henry-Dalton-Gesetz
Chemikalien:
Tabelle 5: Chemikalien für Versuch 3
Eingesetzter Stoff
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Rhodamin b
Xi (Reizend)
R 42
S 22-26-3961
- 25 -
Einsatz in der
Schule
Schülerversuch
S I und S II
Summenformel
C28H31ClN2O3.
Materialien:
Sodawasser, Kolbenprober, Verbindungsstück mit Hahn, Glasgefäß mit seitlichem
Ausgang, Gummistopfen, Stativmaterial
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 5 Min.
Durchführung: 15 Min.
Nachbereitung: 2 Min.
Versuchsaufbau:
Abb.24 : Versuch 3: Versuchsaufbau [24]
Versuchsdurchführung:
Das Glasgefäß wurde zu etwa 2/3 mit Mineralwasser gefüllt, das Mineralwasser
mit wenigen Milligramm Rhodamin gefärbt und anschließend das Glasgefäß
vollständig verschlossen (Gummistopfen; Hahn geschlossen). Sobald die CO 2Entwicklung des Sodawassers beendet war, wurde der Hahn geöffnet und der
Kolben des Kolbenprobers auf 10 mL eingestellt, d.h. dem System standen 10 mL
mehr Volumen zur Verfügung.
Beobachtungen:
Etwa 5-10 Minuten nachdem das System abgedichtet wurde, endete die
Gasentwicklung des Sodawassers. Die Vergrößerung des Volumens mittels
Kolbenprober bewirkte,
dass kurzfristig eine
weitere
beobachten war.
Entsorgung:
Die Lösungen werden im organischen Abfall entsorgt.
- 26 -
Gasentwicklung
zu
Fachliche Analyse:
Die getroffenen Beobachtungen lassen sich mithilfe des Henry-Dalton-Gesetzes
erklären (vgl. Abbildung 25).
Abb.25 : Versuch 3: Versuchsaufbau [25]
Sobald nach Zugabe des Sodawassers und Abdichten des Gefäßes die
Gasentwicklung beendet ist, besteht zwischen dem im Wasser gelösten
Kohlendioxid und dem Kohlendioxid in Lösung ein dynamisches Gleichgewicht.
Der Dampfdruck des Kohlendioxids in der Gasphase ist proportional zu seiner
Konzentration in Lösung. Wird das Volumen durch Bewegung des Kolbens
vergrößert, so verringert sich der Partialdruck des Gases. Da dieser Druck
proportional zur Konzentration des Gases im Wasser ist, sinkt mit dem
Partialdruck auch die Konzentration im Wasser (→ CO2 Entwicklung). Dabei geht
so viel Kohlendioxid von der wässrigen in die Gasphase über, bis der Partialdruck
wieder der Konzentration des Gases im Wasser entspricht. Es hat sich ein neues
Gleichgewicht eingestellt. Wie sich die Gleichgewichte bei reversiblen Reaktionen
steuern lassen wird im folgenden Versuch gezeigt.
- 27 -
6.1.2 Versuch 4: Die Gleichgewichtsreaktion von Anthracen mit Pikrinsäure
Chemikalien:
Tabelle 6: Chemikalien für Versuch 4
Eingesetzter Stoff
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Anthracen
Xn
(gesundheitsschädlich)
N
(Umweltgefährdend)
E
(explosionsgefährlich)
T
(giftig)
Xn
(gesundheitsschädlich)
36/37/3850/53
26-60-61
3-4-23/24/25
22-38-4048/20/22
Pikrinsäure
Chloroform
Einsatz in der
Schule
Schülerversuch
S I und S II
Summenformel
(1/2)-28-3536/37-45
In der Schule
verboten!!
C6H3N3O/
(2)-36/37
Schülerversuch
S I und S II
CHCl3
C14H10
Materialien:
Reagenzgläser, Reagenzglasständer, Spatel, Tropfpipette
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 5 Min.
Durchführung: 5 Min.
Nachbereitung: 2 Min.
Versuchsdurchführung:
Zunächst wurde mit Chloroform 0,2 molare Anthracen- bzw. Pikrinsäurelösung
hergestellt, Anthracenlösung und Pikrinsäurelösung im Verhältnis von 1:1
zusammengegeben
und
auf
zwei
Reagenzgläser
verteilt.
In
eines
der
Reagenzgläser wurde zusätzlich Anthracen im Überschuss zugegeben.
Beobachtungen:
Nach Zugabe Anthracenlösung zu Pikrinsäurelösung kam es zu einer rot-braunen
Verfärbung des Gemisches. Das Zuführen von zusätzlichen Anthracenkristallen
führt zu einer Intensivierung des Farbeindrucks.
Entsorgung:
Die Lösungen werden neutral im organischen Abfall entsorgt.
Fachliche Analyse:
Anthracen bildet mit Pikrinsäure eine rot-braunen Charge-Transfer-Komplex. In
diesem
Komplex
dient
Anthracen
als
Elektronendonor,
Elektronenakzeptor. Diese Reaktion ist reversibel.
- 28 -
Pikrinsäure
als
OH
OH
+
O 2N
O 2N
NO 2
NO 2
e-Akzeptor
e-Donor
NO 2
NO 2
Anthracen
Pikrinsäure
Anthracenpikrat
Da beide Verbindungen im Verhältnis 1:1 zugegeben wurden und entsprechend
der Reaktionsgleichung ein Anthracenmolekül mit einem Pikrinsäuremolekül
reagiert, sollte der Farbeindruck maximal sein. Da es sich hierbei um eine
Gleichgewichtsreaktion handelt, liegt im Reaktionsgemisch noch eine gewisse
Menge an Edukten vor. Gibt man Anthracen im Überschuss zu, weicht das
System dem Druck aus, das Gleichgewicht verschiebt sich noch mehr auf die
Seite der Produkte und damit nimmt der Farbeindruck zu. Die erhöhte Anzahl an
Anthracen Molekülen in Relation zu den Pikrinsäuremolekülen erhöht die
Wahrscheinlichkeit, dass die restlich Prikrinsäuremoleküle nahezu aufgebraucht
werden. Die Katalyse ist neben dem Prinzip von Le Chatelier eine weitere
Möglichkeit reversible Reaktionen zu steuern. Diese wird im folgenden Versuch
betrachtet.
6.2 Katalyse
6.2.1 Versuch 5: Katalysierte Umsetzung von Harnstoff mittels Urease
Chemikalien:
Tabelle 7: Chemikalien für Versuch 5
Eingesetzter Stoff
Gefahrensymbol
R-Sätze
S-Sätze
Harnstoff
-
-
-
Urease
-
-
-
Wasser
-
-
-
Thymolblau
-
-
-
Materialien:
2 Erlenmeyerkolben (250 mL), Spatel, Tropfpipette
- 29 -
Einsatz in der
Schule
Schülerversuch
S I und S II
Schülerversuch
S I und S II
Schülerversuch
S I und S II
Schülerversuch
S I und S II
Summenformel
N 2H 4CO
H2O
C27H30O5S
Zeitbedarf:
Vorbereitung: 10 Min.
Durchführung: 2 Min.
Nachbereitung: 2 Min.
Versuchsdurchführung:
In einem Erlenmeyerkolben wurden zu 50 mL 1%-Harnstofflösung einige Tropfen
Thymolblau gegeben. Nach kurzer Beobachtung wurden 50 mL Ureaselösung
(20mg/ 10 mL Wasser) zugeführt.
Beobachtungen:
Die zunächst gelbe Lösung färbte sich nach Zugabe der Ureaselösung blau.
Entsorgung:
Die Lösungen werden neutral im Abfluss entsorgt.
Fachliche Analyse:
In diesem Versuch wird Harnstoff hydrolytisch gespalten. Das Wassermolekül
greift mit einem freien Elektronenpaar am elektrophilen Carbonyl-Kohlenstoffatom
an. Es bildet sich eine tetradedrische Zwischenstufe, bei der ein Proton des
ursprünglichen Wassermoleküls auf eine Aminogruppe übertragen wird, die sich
dann als Ammoniak abspaltet. Die entstandene Carbamidsäure zerfällt spontan zu
Kohlendioxid und Ammoniak
H
O
H2N
O
H
O
H2N
NH2
O
+
+
H2O
NH 4
NH2
H2N
OH
+
NH3
alkalisch
H
H
NH 3(aq)
O
-
spontan
+
(aq)
+
OH
(aq)
CO 2
+
NH3
Ammoniak reagiert im wässrigen System zu basischen Hydroxidionen. Der
Übergang von neutral zu basisch wird durch den Farbumschlag des Indikators von
gelb nach blau erkennbar. Der Farbumschlag ist nur in Gegenwart von Urease
sichtbar. Um diese Tatsache zu verstehen, betrachtet man ein allgemeines
Energiediagramm für diesen Reaktionstyp.
- 30 -
Abb.26 : Versuch 5: Energiediagramm Katalyse [26]
In diesem Diagramm ist die potentielle Energie gegen den Reaktionsverlauf
aufgetragen. Die gestrichelte Linie zeigt den Verlauf der Reaktion ohne
Katalysator, die durchgehende Linie mit Katalysator. Die Aktivierungsenergie für
die unkatalysierte Reaktion ist relativ hoch, d.h. die Reaktion läuft langsam ab,
bzw. die Einstellung des Gleichgewichts dauert sehr lange. Im katalysierten
Reaktionsverlauf bilden Urease und Harnstoff einen Komplex, der leichter mit
Wasser reagiert (geringere Aktivierungsenergie). Dieser Komplex ist im Diagramm
als „Zwischenstufe“ gekennzeichnet. Die geringere Aktivierungsenergie führt dazu,
dass die Reaktion schneller abläuft bzw. sich das Gleichgewicht schneller einstellt.
Dabei wird sowohl die Hin- als auch die Rückreaktion katalysiert. Im Hinblick auf
das Prinzip von Le Chatelier bedeutet das, dass ein Katalysator die
Geschwindigkeit mit der sich das Gleichgewicht einstellt, beeinflusst jedoch nicht
die Lage des Gleichgewichts.
- 31 -
7. Die Lehrplanrelevanz des Themas
Tabelle 8: Lehrplanrelevanz[
Versuch:
Lehrplanrelevanz
Verteilung von Rhodamin zwischen Butanol
und Wasser
9 G1: Wassermolekül als Dipol
Q4 LK/GK: Angewandte Chemie: Farbstoffe
Iod-Stärke-Reaktion
Q3 GK: Das chemische Gleichgewicht
Q3 LK: Antrieb und Steuerung chemischer
Reaktionen
Fächerübergreifender Unterricht mit der
Biologie
Kohlensäure im Mineralwasser:
Das Prinzip von Le Chatelier
Q3 GK: Das chemische Gleichgewicht
Q3 LK: Antrieb und Steuerung chemischer
Reaktionen
Darstellung von Anthracenpikrat
Q3 GK: Das chemische Gleichgewicht
Q3 LK: Antrieb und Steuerung chemischer
Reaktionen
Q4 LK/GK: Angewandte Chemie: Farbstoffe
Katalyse: Zersetzung von Harnstoff durch
Q3 GK: Das chemische Gleichgewicht
Urease
Q3 LK: Antrieb und Steuerung chemischer
Reaktionen
Fächerübergreifender Unterricht mit der
Biologie
Demonstration
Lehrplanrelevanz
Dampfmaschine
7 G1: Stoffe unterscheiden und isolieren: Der
Aggregatzustand
Fächerübergreifender Unterricht mit der Physik
Säulenchromatographie:
Q4 LK/GK: Angewandte Chemie: Farbstoffe
Auftrennung der Blattfarbstoffe
Fächerübergreifender Unterricht mit der
Biologie
- 32 -
8. Literatur- und Abbildungsverzeichnis
Literatur
[1] Hessisches Kultusministerium. Lehrplan Chemie für die Jahrgangsstufen G7
bis G12
http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/HKM_Internet?uid=3b43019a8cc6-1811-f3ef-ef91921321b2 (Zugriff 11.11.2010)
[2] Hollemann, A. F., Wiberg, E., Wiberg, N. (2007). Lehrbuch der Anorganischen
Chemie. 102. Auflage. Berlin, New York: de Gruyter.
[3] Jander, Blasius (2006). Lehrbuch der analytischen und präparativen
anorganischen Chemie. 16. Auflage. Stuttgart: S. Hirzel Verlag.
[4] Mortimer, C. E. (2001). Chemie – Das Basiswissen der Chemie. 7. Auflage.
Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag.
[5]
Unfallkasse
Hessen,
Hessisches
Kultusministerium.
Hessisches
Gefahrstoffinformationssystem Schule - HessGISS. Version 11. 2006/2007.
Abbildungen
[1]
http://bertlnetz.de/chemie/lehre/ntg817.html (1.10.2011; 15:21Uhr)
[2]
Rocksloh, T; Eigene Zeichnung
[3]
Mortimer, C. E. (2001). Chemie – Das Basiswissen der Chemie. 7. Auflage.
Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag.
[4]
http://www.cornelsen.de/teachweb/1.c.1549213.de (4.10.2011; 16:34 Uhr)
- 33 -
[5]
http://portal.unifreiburg.de/fkchemie/lehre/grundvorlesung/uebungen/stunde6/pdwasser/view
(5.10.2011; 10:01 Uhr)
[6]
http://bilder.german-toyshop.de/Bilder/200019737.jpg (6.10.2011; 8:00 Uhr)
[7]
http://www.kaufhaus-horn.de/blog/wpcontent/uploads/2008/02/dampfmaschine1.jpg
(4.10.2011; 9:57 Uhr)
[8]
http://www.chemie-master.de/lex/begriffe/img/hydratation.jpg (2.10.2011; 9:41
Uhr)
[9]
http://www.chemgapedia.de/vsengine/tra/vsc/de/ch/4/cm/chemmed.tra/Vlu/vsc/de/
ch/4/cm/phasen.vlu/Page/vsc/de/ch/4/cm/phasen/verteilungsgleichgewicht.vscml.h
tml
(1.10.2011; 7:35 Uhr)
[10]
Rocksloh, T; Eigene Photographie
[11]
Rocksloh, T; Eigene Photographie
[12]
Rocksloh, T; Eigene Photographie
- 34 -
[13]
Rocksloh, T; Eigene Zeichnung
[14]
Rocksloh, T; Eigene Zeichnung
[15]
Rocksloh, T; Eigene Zeichnung
[16]
http://www.axel-schunk.de/experiment/edm0909a.jpg (6.11.2011; 21:05 Uhr)
[17]
http://www.grg23-alterlaa.ac.at/science/SCIENCE/Images/kreide.gif
(5.11.2011: 9:21 Uhr)
[18]
Rocksloh, T; Eigene Zeichnung
[19]
Rocksloh, T; Eigene Zeichnung
[20]
http://www.bs-wiki.de/mediawiki/images/Amylose-Wendel.JPG
(6.11.2011; 15:11 Uhr)
[21]
Mortimer, C. E. (2001). Chemie – Das Basiswissen der Chemie. 7. Auflage.
Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag.
[22]
Rocksloh, T.; Eigene Zeichnung
- 35 -
[23]
Rocksloh, T.; Eigene Zeichnung
[24]
http://www.hamm-chemie.de/k9/k9ab/NaHCO3-Projekt.htm (6.11.2011; 17:23 Uhr)
[25]
Mortimer, C. E. (2001). Chemie – Das Basiswissen der Chemie. 7. Auflage.
Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag.
[26]
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f6/EnergiediagrammEnzymreaktion.svg/260px-Energiediagramm-Enzymreaktion.svg.png
(8.11.2011; 10:27 Uhr)
9. Verzeichnis der Versuchsvorschriften
Aggregatzustände: Die Dampfmaschine
[1]
Rocksloh, T; Eigenes Konzept
Lösungsgleichgewichte: Nernstsches Verteilungsgesetz
[1]
Rocksloh, T; Eigenes Konzept
Lösungsgleichgewichte: Chromatographie von Blattfarbstoffen
[1]
http://www.axel-schunk.de/experiment/edm0909a.jpg (6.11.2011: 21:05 Uhr)
Umkehrbare Reaktionen: Bildung des Iod-Stärke-Komplexes
[1]
http://www.seilnacht.com/Lexikon/orgstaer.html (9.11.2011; 23:10 Uhr)
- 36 -
Steuerung von Lösungsgleichgewichten: Henry-Dalton-Gesetz
[1]
Chemikum Marburg
Steuerung von reversiblen Reaktionen: Bildung von Anthracenpikrat
[1]
http://chids.online.uni-marburg.de/dachs/expvortr/624.pdf
(9.11.2011; 12:03 Uhr)
Katalyse: Hydrolytische Spaltung von Harnstoff durch Urease
[1]
http://www.demochem.de/chembox_urease.htm (3.11.2011; 15:23 Uhr)
- 37 -
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