Einführung in die Fehlerrechnung

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Fachschaft Physik / KSL
Einführung in die Fehlerrechnung
Verfasst von Ott Daniel
modifiziert: W. Fuchsberger
Allg. Physik
Physikpraktikum Schwerpunktsfach
Fachschaft Physik / KSL
Inhaltsverzeichnis
Einführung in die Fehlerrechnung .......................................................................................... 1
Inhaltsverzeichnis...................................................................................................................... 2
1.
Grundbegriffe .................................................................................................................... 3
1.1.
Was sind Fehler? .................................................................................................................. 3
1.2.
Warum Fehlerrechnung? .................................................................................................... 3
1.3.
Nomenklatur......................................................................................................................... 3
Aufgabe 1 ...................................................................................................................................................... 4
1.4.
2.
Fehlerarten: systematische und zufällige Fehler............................................................... 4
Fehlerrechnung mit systematischen Fehlern .................................................................. 6
2.1.
Allgemeines ........................................................................................................................... 6
2.2.
Abschätzung des grösstmöglichen Fehlers ........................................................................ 6
Aufgabe 2 ...................................................................................................................................................... 7
Aufgabe 3 ...................................................................................................................................................... 8
Aufgabe 4 ...................................................................................................................................................... 8
3.
2.3.
Nützliche Faustregeln für die Praxis .................................................................................. 8
2.4.
Fehlerbestimmung der Messgrösse .................................................................................... 9
Fehlerrechnung mit zufälligen Fehlern ......................................................................... 10
3.1.
Kennwerte einer Stichprobe ............................................................................................. 10
Aufgabe 5 .................................................................................................................................................... 10
Aufgabe 6 .................................................................................................................................................... 11
3.2.
Fehlerfortpflanzungsgesetz für zufällige Fehler ............................................................. 11
Aufgabe 7 .................................................................................................................................................... 12
4.
Lösungen zu den Aufgaben ............................................................................................ 12
5.
Weiterführende Literatur: ............................................................................................... 13
PS-Praktikum SF
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1. Grundbegriffe
1.1.
Was sind Fehler?
Fehler im Sinn der Fehlerrechnung sind unvermeidliche Ungenauigkeiten, die bei jeder
Messung auftreten. Über Fehlerarten siehe Abschnitt 1.5. Sogenannte Grobe Fehler
(Ausreisser, Böcke) wie Ablesen auf falscher Skala, Kommafehler, Vertippen beim Rechnen,
falsche Einheiten, sind nicht Fehler im Sinne der Fehlerrechnung, es hat deshalb keinen Sinn,
derartige Fehler in die Fehlerrechnung einzubeziehen. Grobe Fehler müssen durch
sorgfältiges und systematisches Vorgehen, kritische Überprüfung von Zwischen- und
Endergebnissen, Plausibilitätsüberlegungen oder Wiederholung zweifelhafter Messungen
beseitigt werden.
1.2.
Warum Fehlerrechnung?
Es gibt viele Gründe für die Durchführung der Fehlerrechnung.
Nach Beendigung der Messung und nach der Berechnung des Schlussergebnisses möchte man
natürlich gerne wissen, mit welchem möglichen Fehler beim Schlussergebnis zu rechnen ist.
Vielleicht muss beispielsweise ein Apparatehersteller bei Abnahmeversuchen an Geräten und
Maschinen sogar für die Messgenauigkeit garantieren. Oft wird für das Endergebnis im
Voraus eine gewisse Genauigkeit vorgeschrieben. Alle Messungen sind deshalb im Voraus so
zu planen, dass die gewünschte Genauigkeit auch erreicht wird. Schliesslich muss man für
eine rationelle Versuchsplanung wissen, welchen Anteil die verschiedenen gemessenen
Grössen an den Fehler des Schlussergebnisses beitragen, denn es wäre nicht sinnvoll, eine
Grösse, die nur wenig zum Schlussfehler beiträgt, mit grossem Aufwand noch genauer zu
messen, während man vielleicht mit geringem Aufwand eine andere Grösse, die viel zum
Schlussfehler beiträgt, genauer messen könnte.
1.3.
Nomenklatur
Der ‘Wahre Wert’ einer Grösse ist ein fiktiver Wert, der sich grundsätzlich nicht ermitteln
lässt (sonst wäre der Fehler null, was nicht möglich ist). Mit statistischen Methoden lässt sich
für eine Grösse der beste Schätzwert oder Erwartungswert (z.B. als arithmetisches Mittel)
angeben. Nach C.F.Gauss wird die Differenz zwischen dem Messwert und dem Wahren Wert
als Messfehler oder kurz Fehler bezeichnet. Dieser Fehler ist grundsätzlich nicht bestimmbar,
da ja der wahre Wert unbekannt ist. Bekannt und als ‘Fehler’ bezeichnet sind nur die
Abweichungen zwischen Messwert und Erwartungswert. Nach neueren Normen (z.B. DIN
1319) verwendet man statt 'Fehler’ den Begriff ‘Messabweichung’. Wir verwenden aber den
althergebrachten Begriff 'Fehler'.
Explizite und implizite Fehlerangabe
Je nach Problemstellung werden die Fehler absolut oder relativ angegeben.
absolute Fehlerangabe: s = 1.041 m  0.003 m oder s = (1.041  0.003) m.
Die letzte Ziffer (rechts) des Nennwertes und des Fehlers müssen den gleichen Stellenwert
haben!
relative Fehlerangabe: s = 1.041 m  3 0/00
Auch beim relativen Fehler ist auf eine sinnvolle Stellenzahl zu achten:
3 0/00 von etwa 1 m sind etwa 0.003 m, also wird der Nennwert auf mm genau angegeben.
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Zur Genauigkeit von Fehlerangaben: die angegebenen Fehler sind empirische Schätzwerte
und deshalb auch mit Fehlern behaftet, die wiederum berechenbar sind (was nicht Thema
dieser Anleitung ist). Bei unseren Labormessungen kann man davon ausgehen, dass die
Fehlerangaben mit relativen Fehlern nicht unter 10 % behaftet sind, d.h. es hat keinen Sinn,
Schlussfehler genauer als auf 10 % des Fehlers anzugeben (bei Zwischenergebnissen ist
wegen möglicher Kumulierung von Rundungsfehlern etwas Vorsicht beim Runden
angebracht). Eine Fehlerangabe von ± 2.5 % kann sinnvoll sein, 9.7 % oder 10.5 % sollen auf
jeden Fall auf 10 % gerundet werden.
Implizite Fehlerannahme: Oft unterzieht man sich nicht der Mühe, jeden einzelnen
Nennwert mit einer Fehlerangabe zu versehen. Der Leser oder Anwender kann sich aber
sofort ein Bild über die Genauigkeit der Nennwertangabe machen, wenn eine
stillschweigende Übereinkunft beachtet wird: grundsätzlich ist bei jeder Nennwertangabe mit
einem Fehler von mindestens einer halben Einheit der letzten (rechten) bedeutsamen Stelle
und höchstens einigen (vielleicht 3 oder 4) Einheiten der letzten bedeutsamen Stelle zu
rechnen. Bei genauer bekannten Werten, die freiwillig auf eine geringere Stellenzahl gerundet
wurden, z.B. Funktionswerten in Tabellen, ist der maximal mögliche Fehler natürlich nie
grösser als eine halbe Einheit der letzten Stelle.
bedeutet möglicher Fehler
t =  0.005 s
bis etwa
 0.04 s
t = 15.3 s
bedeutet möglicher Fehler
t =  0.05 s
bis etwa
 0.4 s
t = 15.320 s
bedeutet möglicher Fehler
t =  0.0005 s
bis etwa
 0.004 s
So gilt: t = 15.32 s
Wie das letzte Beispiel zeigt, müssen also nachlaufende gemessene oder berechnete Nullen
unbedingt auch aufgeschrieben werden, sonst wird Genauigkeit verschenkt!
Wie ist s = 2000 m zu interpretieren? Welche Nullen sind explizit als solche angegeben,
welche sind Füllnullen? Völlig offen! Solche Angaben sind unbedingt zu vermeiden. Die
korrekte Schreibweise ohne explizite Fehlerangabe lautet: s = 2000.0 m oder 2.0000103 m
(gemeint ist  einige 0.1 m), 2.000103 m (gemeint ist  einige m), 2.00103 m (gemeint ist 
einige zehn m). Meistens wird der Nennwert mit nur einer Stelle links vom Komma und der
entsprechenden Zehnerpotenz angegeben.
Aufgabe 1
Gegeben ist der Kreisdurchmesser d = 1.85 cm. Wie gross ist der korrekte Kreisumfang? Sie
geben also nur die bedeutsamen Ziffern des Resultates an. Begründen Sie das Resultat indem
Sie folgende schriftliche Multiplikation durchführen:
1.85??  3.1416
1.4.
Fehlerarten: systematische und zufällige Fehler
Systematische Fehler treten bei Wiederholung einer Messung unter identischen
Bedingungen immer mit gleichem Betrag und gleichem Vorzeichen auf. Sie lassen sich also
durch Wiederholung der Messung grundsätzlich nicht erkennen. Erkannte systematische
Fehler können mit meist mühsamen Berechnungen mehr oder weniger genau korrigiert
werden. Eichfehler von Messinstrumenten können durch Vergleich mit genaueren oder anders
gebauten Instrumenten festgestellt werden.
Beispiele von systematischen Fehlern:

Eichfehler von Messinstrumenten, Nullpunktfehler
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Vernachlässigung gewisser Einflüsse auf die Messung, wie Eigenverbrauch elektrischer
Messinstrumente, Reibung oder Luftwiderstandskraft bei Bewegungen, Auftrieb bei
Wägungen, Lufttemperatur und Kapillardepression beim Quecksilberbarometer,
Gebrauchslage von Quecksilberthermometern, Temperatur von Vergleichswiderständen,
Referenztemperatur bei Temperaturmessungen mit Thermoelementen, Fehler von
Referenzspannungsquellen, Abweichung der örtlichen Fallbeschleunigung vom Normwert
,usw. Die Liste lässt sich bis zu beliebiger Länge fortsetzen.
Grundsätzlich muss immer mit versteckten, d.h. nicht erkannten systematischen Fehlern
gerechnet werden. Mit entsprechenden Fachkenntnissen und kritischem Überdenken einer
Versuchsanordnung kann man meistens eine vernünftige Obergrenze für mögliche
systematische Fehler angeben, und bei Präzisionsinstrumenten wird immer für einen maximal
möglichen Eichfehler garantiert. Sehr häufig ist es möglich, durch eine geschickte
Versuchsanordnung systematische Fehler zu vermindern oder ganz zu beseitigen. Beispiele:
führt man eine Wägung im Vakuum durch oder verwendet man Wägestücke mit gleicher
Dichte wie das Wägegut, so kann bei Wägungen mit einer Balkenwaage kein Auftriebsfehler
entstehen; wägt man mit einer Balkenwaage und nicht mit einem Kraftmesser (Federwaage,
elektrische Waage), wirken sich Abweichungen vom Normwert der Fallbeschleunigung nicht
aus; misst man beim Drehpendel (Versuch Massenträgheitsmoment) nicht halbe, sondern
ganze Schwingungsperioden, so kann sich ein Nullpunktsfehler der Pendellage beim
Zeitstoppen nicht auswirken; misst man eine elektrische Spannung mit einem Kompensator,
so stört kein Eigenverbrauch des Messinstrumentes.
Zufällige Fehler variieren bei Wiederholung der Messung unter identischen Bedingungen in
zufälliger Weise, d.h. Betrag und auch Vorzeichen können von Messung zu Messung
verschieden sein. Zufällige Fehler sind ebenso unvermeidlich wie systematische Fehler, jede
Messung ist also damit behaftet. Zufällige Fehler haben aber die angenehme Eigenschaft, dass
sie bei genügend häufiger Wiederholung einer Messung eindeutig erkannt werden und
berechenbar sind.
Beispiele von zufälligen Fehlern:
Rundungsfehler beim Ablesen von Analoginstrumenten; wenn der Strichabstand auf einer
Skala z.B. eine Einheit beträgt, kann die Zeigerstellung auf 1/10 Einheit geschätzt werden.
Genau gleiche Zeigereinstellungen (z.B. auf Fotos) werden vom gleichen Beobachter nicht
immer gleich abgelesen, von verschiedenen Beobachtern erst recht nicht.

Parallaxenfehler der Zeigerablesung bei variierender Kopfhaltung (mit Spiegelskala
weitgehend vermeidbar)

dämpfungsbedingte Einstellfehler bei Zeigerinstrumenten; je nachdem, aus welcher
Entfernung, von welcher Seite und mit welcher Geschwindigkeit der Zeiger die
Endstellung anfährt, kann er reibungsbedingt an verschiedenen Stellen stehen bleiben.

Rundungsfehler bei Digitalinstrumenten: die letzte Stelle ist auf eine ganze Zahl gerundet;
bedingt durch das Messverfahren (vielfach eine Zeitmessung) muss mit einem
Rundungsfehler bis zu  einer ganzen Einheit der letzten Stelle gerechnet werden (wozu
noch systematische Fehler kommen)

bei gewissen Messungen tritt der stochastische Charakter der Messgrösse selbst zutage;
bei der Messung schwacher Radioaktivitäten misst man in gleichen Zeiten nicht gleiche
Zerfallszahlen; bei der Messung sehr kleiner Ströme, z.B. eines Fotodedektors, macht sich
die Quantelung (‘Körnigkeit’) des Stromes bemerkbar; die Genauigkeit gewisser
mechanischer Messungen ist durch die Brown'sche Bewegung begrenzt, z.B. bei sehr
empfindlichen Galvanometern oder Gravimetern.
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2. Fehlerrechnung mit systematischen Fehlern
2.1.
Allgemeines
F ist eine Funktion von N gemessenen Variablen x1 ... xN. Durch Einsetzen der Messwerte in
F erhält man den Nennwert F0:
F 0 F ( x1 , x2 ,..., xi ,..., x N )
(1)
Jetzt stellt sich die Frage, wie kleine Änderungen xi der Messwerte xi den Wert von F
beeinflussen.
Gedanklich am einfachsten ist die Einsetzungsmethode, bei der die Funktion F mit den
veränderten Variablen xi +  xi berechnet wird. Der korrigierte Wert Fk ist demnach
Fk  F ( x1  x1 ,..., xi  xi ,..., x N  x N )
(2)
Falls die Formel auf dem Taschenrechner oder PC programmiert ist, kann diese Methode
sogar recht bequem sein. Sie ermöglicht aber häufig keinen klaren Einblick in die tieferen
Zusammenhänge.
In dieser Hinsicht aussagekräftiger ist die Entwicklung von F in eine Taylorreihe der N
Variablen mit Abbruch der Reihe nach dem linearen Glied, d.h. die Funktion wird in der
Umgebung von x1 bis xN linearisiert, was für relativ kleine Änderungen xi meistens sinnvoll
ist. Man erhält dann für die Änderung
N
 F  Fk  F0  
i 1
F
 xi
xi
(3)
Dabei ist zu beachten, dass die Summanden verschiedene Vorzeichen haben können; sowohl
für F / xi wie für  xi sind beide Vorzeichen möglich.
Die beschriebene Rechnung ist in folgenden Fällen sinnvoll:

Ermittlung des Einflusses einer Grösse auf das Endergebnis, z.B. Umgebungstemperatur,
Luftdruck, Versorgungsspannung, usw. Dies ist bei der Planung von Versuchen besonders
wichtig, denn man sieht dann sofort, auf welche Grössen besonders zu achten ist.

Korrekturen, die am Endergebnis für im Laufe einer Versuchsreihe eingetretene
Änderungen gewisser Parameter angebracht werden müssen. Dieses Vorgehen kann
bequemer sein als das mehrmalige Einsetzen aller Parameter in die Formel für F.
2.2. Abschätzung des grösstmöglichen Fehlers
Eine Grundaufgabe der Fehlerrechnung ist die Abschätzung des grösstmöglichen Fehlers von
F, wenn die grösstmöglichen Beträge  xi gegeben sind. Bei dieser Berechnung geht man
also davon aus, dass sich die Produkte in ungünstigster Weise, d.h. alle mit gleichem
Vorzeichen summieren.
N
Damit gilt für den maximalen absoluten Fehler
Fmax  
i 1
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F
 xi (4)
xi
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Fmax
1 N F


 xi
F0
F0 i 1 xi
und für den maximalen relativen Fehler
(5)
Die Einsetzungsmethode ist für die Berechnung des maximal möglichen Fehlers weniger
geeignet, weil zuerst für jedes einzelne  xi das zutreffende Vorzeichen abzuklären ist, was
nicht immer ganz einfach ist.
Kennt man Fmax , dann kann man mit Sicherheit sagen, dass der Wert von F im Bereich
F0  Fmax
liegt.
(6)
Die Anwendung von (4) und (5) auf die Grundoperationen und andere einfache Fälle ergibt
folgende praktische Regeln; dabei werden die  xi immer positiv vorausgesetzt, die
Erweiterung auf mehr als zwei Posten ist trivial:
Summe und Differenz
F  x1  x 2
Fmax  x1  x 2
(7)
Bei der Summen- und Differenzbildung summieren sich die absoluten Fehler aller Posten zum
absoluten Fehler des Resultates.
Lineare Funktion
F  a  x1  b  x 2
Fmax  a  x1  b  x 2
(8)
Produkt und Quotient
F  x1  x 2 
x1 
F
x 2 
Fmax
x 1
x 2


F
x1
x2
(9)
In Produkten und Quotienten summieren sich die relativen Fehler aller Posten zum relativen
Fehler des Resultates.
Fmax
x
 p
F
x
F  xp
Potenz
(10)
Der relative Fehler der Potenz ist gleich dem relativen Fehler der Basis multipliziert mit dem
Exponenten.
Aufgabe 2
Leiten Sie die Formeln (11) und (12) her!
x1 1  x 2
p2
 x4
p4
p
a)
b)
F
F
x3
p3
a  x1  b  x 2
c  x3  d  x4
Fmax

F
(11)
Fmax

F
(12)
Wenn im letzten Beispiel ax1bx2, kann der relative Fehler sehr gross werden! Die Linearisierung der Funktion F ist dann sehr fragwürdig, und es ist besser, in solchen Fällen die
Einsetzungsmethode zu verwenden. Die praktische Folgerung daraus lautet, dass Versuche
wenn immer möglich so anzulegen sind, dass nicht kleine Differenzen fast gleich grosser
Grössen berechnet werden müssen. Oft ist dieses ungünstige Vorgehen aber unvermeidlich,
z.B. bei der Messung von Wärmekapazitäten durch Mischversuche (Versuch
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Wärmemessung). In solchen Fällen muss dann besonders sorgfältig gemessen werden, wenn
man überhaupt ein sinnvolles Resultat erhalten will.
Aufgabe 3
Fehlerfortpflanzung von systematischen Fehlern. Ein Fadenpendel mit der Länge
l = 784 mm  2 mm führt 10 Schwingungen in 17.7 s  0.1 s aus. Wie gross ist die
Fallbeschleunigung g?
a) Wie bestimmt man g aus der Schwingungsdauer und der Fadenlänge?
Berechnen Sie g.
b) Fehlerrechnung: Bestimmen Sie formal den maximalen relativen Fehler von g. Berechnen
Sie den maximalen relativen und absoluten Fehler von g.
c) Welche Messung müsste man verfeinern um die Genauigkeit zu verbessern?
Aufgabe 4
Berechnen Sie für die abgebildete Schaltung den
Widerstand und die Widerstandstoleranz. R1 = 510   2
%, R2 = 1000   10 %, R3 = 1500   5 %.
2.3. Nützliche Faustregeln für die Praxis
Das Ergebnis einer Summation oder Differenzbildung kann in Festkommadarstellung nicht
mehr Nachkommastellen haben als der Posten mit der kleinsten Nachkommastellenzahl.
Sinngemäss gilt dasselbe für die Vorkommastellen, falls links vom Komma Füllnullen
vorkommen. In den Beispielen sind Füllnullen bzw. Füllziffern unterstrichen.
28.495
+ 0.08394
+
6’371’000 m
2’132 m
= 28.57894
 28.579
=

6’373’132 m
6.373106 m
Ein Produkt oder Quotient hat höchstens so viele bedeutsame Ziffern wie der Posten mit der
kleinsten Zahl an bedeutsamen Ziffern. Je nach Wert der führenden Ziffer kann diese Zahl um
 1 variieren.
9.8110.845 = 106.38945  106.4
9.81 und 106.4 sind beide auf Promille genau.
10588.481 = 9290.505  9.3103
105 und 9,3 sind beide auf Prozent genau.
4.18512.7523.1415934.2 = 704.16... 7.0102
Welcher Faktor muss genauer bestimmt werden, wenn die Genauigkeit des Endergebnisses
nicht genügt?
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2.4. Fehlerbestimmung der Messgrösse
Die Bestimmung der Fehler xi der gemessenen Grössen xi kann mitunter Mühe bereiten.
Dazu einige nützliche Hinweise:
1) Aus technischen Daten zu Messinstrumenten
Für die meisten Präzisionsinstrumente garantieren die Hersteller für eine gewisse
Genauigkeit; die Angaben findet man in der Gebrauchsanleitung. Dies gilt insbesondere
für elektrische Instrumente (Spannungsmesser, Strommesser, Leistungsmesser),
elektronische Uhren, Universalzähler (Perioden- und Frequenzmesser), PräzisionsLängenmessgeräte, usw. Dabei wird natürlich vorausgesetzt, dass das Instrument
technisch in Ordnung ist, wovon man sich periodisch durch einen Instrumentenservice
oder Vergleich mit anderen, wenn möglich genaueren Instrumenten überzeugen sollte!
2) Durch vernünftige Abschätzung
Bei Präzisionsinstrumenten mit sehr feiner Teilung ohne Herstellerangaben zur
Genauigkeit kann man als Messfehler mindestens eine Ableseeinheit einsetzen (also 1/50
mm bei einer Schiebelehre mit Nonius mit 1/50 mm Teilung). Dies gilt z.B. für
Schiebelehren und Mikrometerschraube. Dabei sollte man es nicht versäumen, mit den
Instrumenten etwas zu spielen, z.B. Schiebelehre an verschiedenen Stellen ansetzen.
Beim 1.5 m Werkstatt-Massstab mit ziemlicher grober mm-Teilung und Ablesung mit
Lupe auf 1/10 mm kann man schätzen (intelligent raten), dass der Messfehler
wahrscheinlich nicht grösser ist als z.B. 0.3 mm. Diese Abschätzung ist sehr subjektiv und
widerspiegelt die Grundhaltung des Messenden (Optimist, Pessimist), dementsprechend
ist eine grössere Schwankungsbreite zu tolerieren, es handelt sich um keine exakte
Wissenschaft. Immerhin ist eine solche grobe Abschätzung besser als gar keine, bei der
man keine Ahnung über mögliche Fehler des Endergebnisses hat.
3) Aus einer Fehlerstatistik
Wie in Kap. 3.1 gezeigt wird, kann man durch Wiederholung von Messungen unter
gleichen Bedingungen eine Aussage über den wahrscheinlichen Fehler eines Mittelwertes
gewinnen. Es kann sinnvoll sein (wenn auch vom strengen Standpunkt der
Fehlerrechnung aus nicht ganz korrekt), diese Angaben in die Abschätzung des maximal
möglichen Schlussfehlers einzubeziehen. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die
Statistik nur die zufälligen Fehler erfasst, allfällige systematische Fehler nicht! Dabei
besagt der Standardfehler sn , dass der ‘wahre Wert’ mit 68.3 % Wahrscheinlichkeit im
Bereich n  sn liegt, eine zu geringe Wahrscheinlichkeit, wenn es um die Abschätzung
des maximal möglichen Fehlers geht, der sicher nicht überschritten werden soll. Erweitert
man den Fehlerbereich auf  2  sn , so ist die Eintreffenswahrscheinlichkeit bei 95 %, bei
 2.6  sn bereits 99 %. Für unsere Laborzwecke kann man die letzte Fehlerangabe als
‘sicher’ ansehen.
Beispiel: im Versuch ‘Massenträgheitsmoment’ messen Sie die Laufzeiten verschiedener
Körper auf einer schiefen Ebene mit einer Handstoppuhr. Die Messung ist nicht ganz
einfach, die Messwerte streuen entsprechend. Die Abschätzung des maximal möglichen
Fehlers der Laufzeit nach der eben beschriebenen Methode ergibt für die anschliessende
Fehlerrechnung einen sehr vernünftigen und vertretbaren Wert.
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3. Fehlerrechnung mit zufälligen Fehlern
3.1. Kennwerte einer Stichprobe
Die Grösse x sei n mal unter identischen Bedingungen gemessen worden; die Messwerte x1 ...
xn stellen eine Stichprobe dar, d.h. eine zufällige Auswahl aus einem unendlich grossen
Datenvorrat. Infolge zufälliger Fehler streuen diese Messwerte. Das arithmetische Mittel
ergibt meistens den besten Schätzwert für die Stichprobe:
x
1 n
xj
n j 1
(13)
Die Varianz s2 der Stichprobe (auch Streumass, mittlere quadratische Abweichung) ergibt ein
sehr zweckmässiges und aussagekräftiges Mass für die Streuung der Messwerte um ihren
Mittelwert:
s2 
1 n
x j  x 2

n  1 j 1
(14)
Die empirische Standardabweichung, das ist die mittlere Abweichung der Einzelmessungen
vom Mittelwert, ist
 x
n
s
j 1
 x
2
j
(15)
n 1
Bei normal verteilten Messwerten, d.h. bei einer Verteilung gemäss dem Gesetz von Gauss,
und bei genügend grosser Stichprobe (n > 30), liegen 68.3 % der Messwerte im Bereich
x  s , 95 % im Bereich x  2  s , und 99 % im Bereich x  2.6  s . Man kann davon
ausgehen, dass die im Physiklabor ermittelten Messwerte normal verteilt sind. Aus dem
Statistikunterricht kennen Sie einen Test zum Prüfen von Verteilungen auf Normalität.
Die empirische Standardabweichung ist unabhängig von der Zahl n der Messungen! Sie
beschreibt die Breite des Histogramms.
Aufgabe 5
Eine Untersuchung der Festigkeit einer Drahtsorte ist an 402 Drähten vorgenommen worden
(Angaben in 10 N/mm2):
Festigkeitsklasse
Häufigkeit absolut
36...37 37...38 38...39 39...40 40...41 41...42 42...43 43...44 44...45
3
6
47
84
127
91
37
4
3
Die folgenden Aufgaben können Sie auch mit dem Taschenrechner direkt lösen. Vielleicht
müssen Sie dazu Ihre Taschenrechneranleitung studieren.
a) Erstellen Sie ein Histogramm. Die relative Häufigkeit soll in Prozent angegeben werden.
b) Bestimmen Sie den Mittelwert x und die empirische Standardabweichung s.
Die Stichprobe mit n Messungen kann mehrmals erhoben werden. Infolge der zufälligen
Fehler sind für die Messwerte xj und für den Mittelwert x für jede Stichprobe andere Werte
zu erwarten. Mit Hilfe der Statistikgesetze kann man bereits aus einer Stichprobe abschätzen,
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wie die Mittelwerte streuen. Der mittlere Fehler des Mittelwertes, der Standardfehler (auch
Standardabweichung des Mittelwertes) ist
 x
2
n
sx 
s
n

j 1
j
 x
(16)
n  n  1
Der Standardfehler nimmt also mit 1 / n ab, d.h. der Mittelwert wird um so genauer
bestimmt, je grösser die Zahl der Messungen ist. Wegen der Abhängigkeit von n ist die
Verbesserung der Messgenauigkeit durch Erweiterung der Stichprobe allerdings sehr
mühsam; so muss die Zahl der Messungen verhundertfacht werden, um den Fehler auf 1/10
zu reduzieren. Die Verminderung des Standardfehlers durch Erweiterung der Stichprobe ist
nur insoweit sinnvoll, als der Standardfehler nicht wesentlich kleiner ist als allfällige
systematische Fehler. Wie oft man auch misst, die Mikrometerschraube lässt sich nicht durch
den Doppelmeter ersetzen!
Der ‘wahre Wert’ der Messgrösse liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 68.3 % im Bereich
x  s x , mit 95 % Wahrscheinlichkeit im Bereich x  2  sx , und mit 99 % Wahrscheinlichkeit
im Bereich x  2,6  s x .
Aufgabe 6
Die Messung eines Widerstandes R hat ergeben: 36.1 ; 38.0 ; 37.2 ; 36.3 ;
37.5 ; 37.4 ; 37.1 ; 37.1 ; 36.2 ; 37.9 .
a) Berechnen Sie den Mittelwert x und den mittleren Fehler, also die empirische
Standardabweichung s.
b) Berechnen Sie den mittleren Fehler des Mittelwertes, also den Standardfehler s x 
s
n
3.2. Fehlerfortpflanzungsgesetz für zufällige Fehler
F sei eine Funktion von N statistisch unabhängigen Variablen x1...xN, die alle n mal gemessen
werden. Die j-te Wiederholung der Messung von xi heisst xij. Der Schätzwert von F kann nun
auf zwei Arten bestimmt werden:
1. Bequemer und üblicher Weg: man setzt in F die Mittelwerte xi ein, um Fm zu erhalten:
Fm  F x1 ,..., x N 

(17)

2. Man kann auch für jede Messreihe den Funktionswert F j  F x1 j ,..., x Nj berechnen und
diese Funktionswerte zu F mitteln:
F
1 n
1 n
F j   F ( x1 j , x2 j ,..., x Nj )

n j 1
n j 1
(18)
Man kann zeigen, dass beide Verfahren den gleichen Wert liefern, d.h. F  Fm .
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2
 F 
  s x2i
s   
i 1  xi  x
i
N
2
F
Die Varianz von F ist
(19)
Daraus ergibt sich für den Standardfehler von F :
 F
s F   
i 1  x i
N
2

  s x2i
 xi
(20)
Anwendung auf Grundoperationen:
Summe und Differenz
s F  s x21  s x22
F  x1  x 2
Produkt, Potenz und Quotient
F  x x
P1
1
P2
2
 sx
 P   1
F
 x1
sF
2
1
(21)
2

s
  P22  x2

x

 2




2
(22)
Bei der Berechnung des zufälligen Fehlers des Endwertes werden demnach die Beiträge der
verschiedenen Variablen nicht algebraisch addiert wie bei den systematischen Fehlern (Gl. 4
bis 12), sondern geometrisch. Da die geometrische Summe stets kleiner ist als die
algebraische, kommt dadurch zum Ausdruck, dass sich die zufälligen Fehler teilweise
aufheben.
Aufgabe 7
Fehlerfortpflanzung von zufälligen Fehlern. Bestimmen Sie für die folgenden Funktionen F
s
den Standardfehler s F bzw. den relativen Standardfehler F .
F
a) gegeben: F x1 , x2 , x3   ax1  bx2  cx3
b) gegeben: F  x1 , x 2 , x3 , x 4  
gesucht: s F
a  x1 1  x 2 2
b  x3  c  x 4
p
p
gesucht: s F und
sF
F
4. Lösungen zu den Aufgaben
1. Es zeigt sich, daß schon über die zweite Dezimalstelle des
Produktes nichts Sicheres mehr ausgesagt werden kann.
Wird der Fehler d zu 0.01 cm angenommen, so ist schon die
zweite Dezimalstelle des Umfangs auf  3 Einheiten
unsicher!
2. a)
b)
x
x
x
x
F
 p1 1  p2 2  p3 3  p 4 4
F
x1
x2
x3
x4
cx3  dx4
F ax1  bx2


F
ax1  bx2
cx3  dx4
PS-Praktikum SF
1. 8 5 ? ?  3. 1 4 1 6
??????
??????
157080
251328
31416
5. 8 ? ? ? ? ? ? ?
Seite 12/13Einführung in die Fehlerrechnung / Version 2/2003
Fachschaft Physik / KSL
3. a) g 
42l 42  0.784 m

 9.88
2
T2
1.77
s


m
c) Die Zeitmessung
s2
b)
g
T l
2
  1.38  102  1.38 % g  9.88
g
T
l
4. R1  10 
R2  100 
m
R3  75 
s2
 1.4 %  9.88
R  R1 
m
s2
 0.14
m
s2
R2 R3
 1110 
R2  R3
R R1
R32
R2
R22
R3





 5.2  102  6 % R  1100   6 %
2
2
R
R
R2  R3  R R2  R3  R
Histogramm
35
31.6
5. x  405 N mm2 s  13.2 N mm2
30
25
22.6
rel. Häufigk. in %
20.9
20
15
11.7
9.2
10
5
0.7
1.5
1.0
0.7
43...44
44...45
0
36...37
37...38
38...39
b) sx  0.21 
6. a) x  37.1  s  0.68 
39...40
40...41
41...42
42...43
Festigkeitsklasse in 10 N/mm2
7. a) s F  a 2 s x21  b 2 s x22  c 2 s x23
sF
F
 sx
p  1
 x1

2
1
b)
sF 
2
 sx
p F  1
 x1
2
1
2
2
b 2 s x23
c 2 s x24

s 
  p 22  x2  


x 
bx3  cx4 2 bx3  cx4 2

 2 
2

s
  p 22 F 2  x2

x

 2
2
F 2 b 2 s x23
F 2 c 2 s x24

 


bx3  cx4 2 bx3  cx4 2

5. Weiterführende Literatur:
Gränicher Heini W.H.: Messung beendet - was nun? Hochschulverlag AG an der ETH Zürich
PS-Praktikum SF
Seite 13/13Einführung in die Fehlerrechnung / Version 2/2003
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