Aus Handelsblatt September 6/7/8

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Aus Handelsblatt September 6/7/8. September 2013
Stahlgewitter
Das Vorgehen der USA in Syrien zeigt:
Der Westen greift zögerlicher zu den Waffen.
Denn er lernt vom effektivsten Antikriegsmittel
-dem Taschenrechner.
Ein Essay von Torsten Riecke.
Wenn es nach Barack Obama geht, wird Amerika niemals in einen Krieg gegen das
Assad-Regime in Syrien ziehen. Seine Drohungen gegen Damaskus ist ganz bewusst
keine Kriegserklärung. Der US-Präsident spricht lieber von einem „Schuss vor dem
Bug“. Und selbst vor diesem warnt der US-Präsident zunächst, bis der Kongress aus
dem Urlaub zurück ist und berät sich ausführlich seit Donnerstag mit den Staatschefs
der G20-Staaten.
So klingt Säbelrasseln in Zeiten der Sparsamkeit.
Obamas verhaltene Offensive gegen den Diktator aus Damaskus hat viele Gründe,
vor allem auch viele gute. Über einen der wichtigsten wird aber kaum gesprochen:
das Geld-oder besser, das fehlende Geld. Amerika ist hoch verschuldet. Die
gesetzliche Schuldengrenze von 16,7 Billionen Dollar wird Mitte Oktober erreicht.
Das Land erholt sich langsam von einer Rezession und denkt nicht daran, erneut das
Leben seiner Soldaten und das Geld seiner Bürger für einen langen Bodenkrieg in
einem fernen Land aufs Spiel zu setzen.
Denn die Amerikaner haben Lehren gezogen. Sie haben, wie sie das auch in anderen
Bereichen so machen, das Kriegsgeschehen der vergangenen Jahrzehnte einer
nüchternen ökonomischen Analyse unterzogen. Ergebnis: Ob Vietnam,Irak oder
Afghanistan waren moralische und ökonomische Desaster.
Vor allem Letzteres ist überraschend: Krieg wird selten nach den Maßstäben der
Ökonomie beurteilt. Dabei könnte eine Abwägung von Krieg oder Frieden nach
ökonomischen Kriterien sehr hilfreich sein. Die meisten Kriege würden dann von der
Agenda der Weltpolitik gestrichen-zu teuer ,zu aufwendig, zu selten erreichen sie die
gesetzten Ziele.
Beispiel Irak und Afghanistan: Die USA hatten die Kosten auf maximal 60 Milliarden
Dollar beziffert. Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph kam 2010 auf mehr als drei
Billionen Dollar. Denn nach dem eigentlichen Krieg folgt die nächste Rechnung: das
„nation building“ im Zielland, die Versorgung und Wiedereingliederung der eigenen
Soldaten und das Nachholen von Investitionen , zum Beispiel in Infrastruktur,
Bildung, oder soziale Absicherung, die während des Krieges wegen der
Militärausgaben aufgeschoben wurden. Deutschland etwa hat laut einer Studie des
Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung statt zehn Milliarden Euro mindestens
36 Milliarden Euro für den Afghanistan-Krieg gezahlt. Und diese Kostenexplosion,
ist kein Phänomen der Jetzt zeit. So war es in Vietnam, so war es im Irak, so war es
auf dem Balkan. Und so würde es auch in Syrien sein.
Obamas Zurückhaltung scheint so vernünftig, als gehörten solche Überlegungen seit
langem zum politischen Common Sense. Das Gegenteil ist der Fall. Tatsächlich
spielte die Finanzierung militärischer Abenteuer in der Geschichte der Menschheit
meist nur eine untergeordnete Rolle. Bislang konnten Kriegs-führende Staaten zum
Beispiel einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen und dabei auch
die Opportunitäskosten- sprich die entgangenen Friedensdividende-zu
berücksichtigen ist allerdings neu. So wird erstmals klar, was Krieg kostet. Für
Deutschland hat das DIW das in einer Studie am Beispiel Afgahinstan ausgerechnet.
Ergebnis: Die Bundesrepublik zahlt mindestens drei Milliarden Euro jährlich, die
Regierung ging von einer Milliarde Euro aus. Der Einsatz wird Deutschland
mindestens 36 Milliarden Euro kosten. Im Unterschied zur Bundesregierung
berücksichtigen die Ökonomen nicht nur die zusätzlichen Ausgaben des
Verteidigungsministerium, sondern auch indirekte Kosten wie die Ausgaben anderer
Ministerien für Afghanistan, Finanzierungskosten, die gesellschaftlichen Kosten
durch tote und verletzte Soldaten sowie die Opportunitätskosten durch unterbliebene
Investitionen zum Beispiel in Bildung Forschung oder Entwicklungshilfe.“ schreiben
die Forscher.
Für die USA hat Nobel-Ökonom Stiglitz am Beispiel Irak eine ähnliche Rechnung
gemacht. Demnach unterschätzt die Regierung vor allem die sozialen Folgekosten für
Krieg, etwa durch die Versorgung von Veteranen . Allein die betragen in den USA aus
dem zweiten Irakkrieg bis heute schon 50Millarden Dollar. Mit jedem gefallenen
oder schwer verletzten Soldaten verliere die US-Wirtschaft zudem ein Produktiv
kapital von etwa sechs Millionen Dollar. Zusätzlich belastet jeder Waffengang die
globale Wirtschaft: Der Mensch ist eben produktiver, wenn er sich nicht anderen
Menschen den Kopf einschlägt, sondern seine Zeit mit dem Entwickeln neuer
Technik, dem Bereitstellen von Dienstleistungen oder der Pflege von Ackerland
verbringt. Ein neues iPad bringt die Weltwirtschaft weiter vorran als ein neuer
Tarnkappenbomber. Am Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri arbeiten
Ökonomen derzeit an einer Kostenübersicht aller globalen Kriege. Ihr erstes
Ergebnis: Ohne Kriege wäre das Welt-Bruttoinlandsprodukt seit dem Zweiten
Weltkrieg um eine zweistellige Prozentzahl stärker gewachsen, ein zweistelliger
Billionen-Dollar-Betrag. Einen der Gründe für die negativen Auswirkungen auf die
Weltwirtschaft nennt auch US-Ökonom Stiflitz:teures Öl. Er geht davon aus, dass der
Irak-Konflikt allein den Ölpreis um zehn Dollar pro Fass nach oben getrieben hat.
Auf die acht Jahre des Krieges hätte sich die Ölrechnung allein für die USA in dieser
Zeit um 400 Milliarden Dollar erhöht. Auch nach der Ankündigung eines
Militärschlages gegen Syrien schnellte der Preis für das schwarze Gold dieser Tage in
die Höhe. Stiglitz geht außerdem davon aus, dass die Schuldenexplosion in den USA
die Kosten ihrer Feldzüge meist günstig abwälzen:über Schulden oder
Zwangsabgaben auf die eigenen Bürger, auf andere Staaten oder auf die
nachfolgenden Generationen. Auch die USA trieben durch Kriege in den vergangenen
Jahrzehnten ihre Staatsverschuldung in die Höhe. Der Vietnamkrieg kostete
inflationsbereinigt etwa 690 Milliarden Dollar, der zweite Weltkrieg 4,4 Billionen
Dollar. Folglich lag der Schuldenstand der USA nach dem zweiten Weltkrieg bei
mehr als 120 Prozent damaliger Wirtschaftsleistung.
Krieg koste es was es wolle-damit scheint es nun vorbei. Obama hat das bereits 2009
signalisiert. In einer wenig beachteten Rede vor der amerikanischen Militärakademie
in West Point zeigte der Comandant in Chief dem Krieg erstmals ökonomische
Grenzen auf. Obama verwarf Kriegsziele, die über das hinausgehen , was zu
vernünftigen Kosten erreichbar ist.“ Für eine Supermacht eine unerhörte Feststellung.
Wurde der Krieg doch erstmals dem Diktat des Taschenrechners unterworfen. Nie
wieder Krieg-weil keiner es bezahlen will.
Dabei ist die ökonomische Betrachtung des Krieges keineswegs neu. Karl Marx
erklärte den Krieg als Ausdruck des kapitalistischen Expansionsdrangs. John Keynes
rechnete in seinem Klassiker The economist consequences of the pease“ den
Siegermächten des ersten Weltkrieges vor, dass ihre Reperationsforderungen
gegenüber dem Deutschen Reich nur neues Unheil stiften würde. Millitärische
Feldzüge mit spitzem Bleistift einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse zu
unterziehen und dabei auch die Opportunitätskosten-prich die entgangene
Friedesdividende -zu berücksichtigen ist allerdings neu.
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