Predigt zum Nachbarschaftsfest

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Predigt beim Nachbarschaftsfest, 1.7.12, Altstadt
Liebe Gemeinde,
Schriftlesung und Predigttext: Matthäus 6, 26-33
in der Lesung haben wir gehört, wie Jesus über die
Sorge denkt. Er weiß ganz genau: Wir Menschen
machen uns manchmal zu viele Sorgen. Manche
davon sind gar nicht nötig, weil das Befürchtete nie
eintreffen wird. Manche davon sind durchaus
berechtigt, weil es einen realistischen Grund dafür
gibt, z.B. eine unklare Diagnose oder Zukunftsangst.
Was wird herauskommen bei den Untersuchungen,
die noch anstehen ? Werde ich mein Leben komplett
umstellen müssen ? Wird meine Rente ausreichend
sein, um mich über Wasser zu halten ? Ist meine
Altersvorsorge noch sicher bei der gegenwärtigen
Finanzlage ? Was wird aus meinen Kindern ? Müssen
die die Zeche zahlen ?
„Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht,
sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in
Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid
ihr nicht viel mehr wert als sie ? Wer von euch kann
mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine
kleine Zeitspanne verlängern ? Und was sorgt ihr euch
um eure Kleidung ? Lernt von den Lilien, die auf dem
Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht.
Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner
Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber
Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf
dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird,
wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen ! Macht
euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir
essen ? Was sollen wir trinken ? Was sollen wir
anziehen ? Denn um all das geht es den Heiden. Euer
himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht.
Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um
seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles
andere dazugegeben.“
Fragen über Fragen, die nicht zur Ruhe kommen und
einen bis in den Schlaf verfolgen können. Jesus hat
Verständnis für unsere Sorgen und weiß, wie sie uns
umtreiben und beschäftigen können. So sehr, dass wir
unseren Kopf gar nicht mehr frei bekommen und
gefangen sind in diesem Gedankenkarussell.
Jesus will, dass wir den Kopf frei kriegen und sagt:
„Schaut Euch doch einfach mal um. Macht Eure
Augen auf und schaut Euch die Schönheit der Welt
an. So vieles hat Euch Euer Schöpfer geschenkt, an
dem Ihr Freude haben könnt – Ihr müsst nicht dauernd
in Euren Sorgengedanken steckenbleiben. Ihr dürft
Euer Leben immer wieder leichten Herzens genießen.
Die Vögel beobachten, die weder säen noch ernten
und doch Nahrung haben. Die Lilien und all die
anderen Blumen auf dem Feld bewundern in ihrem
prachtvollen Blütenkleid. Sie arbeiten nicht und
spinnen nicht – und doch sind sie angezogen wie
Königinnen. In leuchtenden oder zarten Farben, mit
seidigen Blättern und papierdünnen Blüten, kostbar
und duftend, jede einzelne für sich ein kleines
Wunder. Mit Liebe hat Gott diese Tiere und Pflanzen
erschaffen – mit Liebe umsorgt er sie. Obwohl die
meisten Vögel kein langes Leben haben und die
Blumen gepflückt werden und das Gras abgeerntet.
Überlegt doch: Ihr seid doch mindestens genauso
wichtig wie die Vögel, die am Himmel fliegen und die
Blumen, die am Wegesrand blühen. Ihr seid Gott so
wichtig, dass er sich höchstpersönlich um Euch
kümmert. Habt Vertrauen zu ihm. Er weiß, was Ihr
braucht und wird es Euch zukommen lassen. Nicht
immer nach Euren Wünschen, das nicht, aber so,
dass Ihr leben könnt – und ab und zu eine himmlische
Leichtigkeit empfinden dürft, die Euch die
Erdenschwere ein bisschen vergessen lässt.“
Ja, Gott hat die Welt schön gemacht. Dass auf ihr
viele unschöne Dinge passieren, ist wohl auch war,
aber ein anderes Thema, das ich heute nicht vertiefen
will. Manchmal ist es einfach dran, sich zu freuen,
einfach und schlicht – im Moment zum Beispiel über
die liebevolle Dekoration auf den Tischen, über die
beschwingte Musik, über die herrlichen Gerüche, die
aus den Pfannen der kochenden Männer zu uns
herüberwehen und uns das Wasser im Mund
zusammenlaufen lassen. Über dieses Fest, das
Menschen zusammenbringt, aus dem Haidach, aus
der Altstadt, aus dem Kappelhof und aus der
Hörgeschädigtengemeinde. Evangelische und
katholische Christen, unterschiedliche Nationalitäten,
Jung und Alt, Gemeindeglieder und Zaungäste. Alle
zusammen feiern wir heute – und dürfen die Sorgen
des Alltags dabei ein wenig vergessen. Singen, reden,
gebärden, lachen, essen, trinken, spielen, fröhlich sein
– darum geht es jetzt. Die Leichtigkeit des Seins
genießen, nichts anderes steht auf dem Programm.
Natürlich lösen sich unsere Sorgen damit nicht in Luft
auf. Wir tragen unser Sorgenpäckchen immer noch mit
uns herum. Es verschwindet nicht einfach so, mit
einem Fingerschnippen. Aber Sorgen kann man ja
auch teilen. Und schon wiegen sie weniger schwer
und es wird uns leichter ums Herz. Dafür ist auch Zeit
am heutigen Tag. Sie finden ein offenes Ohr und
hören ein freundliches Wort, davon bin ich fest
überzeugt.
SorgenFREI leben, das können wir halt nicht. Nicht
einmal an einem Tag wie diesem.
So gerne würden wir unser Sorgenpäckchen einfach
abgeben, es loswerden, damit wir leichtfüßig und
unbelastet durchs Leben gehen können. Mit diesem
Wunsch stehen wir nicht alleine da. Eine alte
Geschichte erzählt davon. Ich will sie Ihnen heute
weitererzählen.
GESCHICHTE:
Eines Tages wurde einer Frau ihr Sorgensack zu
schwer. Sie schien fast darunter zu zerbrechen. Sie
wusste nicht mehr, wie sie es schaffen sollte, ihn
weiter zu tragen.
Irgendwann hatte sie von einer Stelle tief im Wald
gehört. Dort gab es eine verschlossene Höhle, in der
man unter bestimmten Voraussetzungen seinen
Sorgensack loswerden konnte.
Heimlich machte sie sich auf den Weg. Nach nicht
allzu langer Zeit fand sie den Ort. Vor der Höhle saß
ein alter Mann, der sie freundlich willkommen hieß.
„Ich möchte hier bei dir meinen Sorgensack
loswerden“, bat sie ihn. Er schaute sie eindringlich an
und sagte: „Das möchten viele und das können sie
hier auch tun. Aber es gibt eine Bedingung: In diesem
Raum stehen viele Sorgensäcke. Du kannst deinen
nur loswerden, wenn du ihn gegen einen anderen
umtauschst.“
Die Frau willigte ein und der Alte führte sie in ein
riesiges Gewölbe. Erleichtert stellte sie ihren
Sorgensack ab. Dann versuchte sie, ihn gegen einen
passenden einzutauschen. Eilig rannte sie von Sack
zu Sack uns schaute hinein. Enttäuscht band sie jeden
schnell wieder zu.
Nach langem Suchen schlich sie zu ihrem Sack
zurück, packte ihn wieder auf die Schultern und
verließ nachdenklich den Raum. Ihr Sorgensack
schien ihr plötzlich so leicht, das sie ihn gar nicht mehr
auf ihren Schultern spürte und so ging sie leichtfüßig
und guten Mutes davon.
Und jedem, den sein Sorgensack fast zu erdrücken
schien, erzählte sie von ihrem Erlebnis.
Soweit die Geschichte. Ja, das kann ich gut
nachvollziehen, dass sie am Ende doch wieder zu
ihrem eigenen Sorgensack gegriffen hat. Es heißt
zwar oft genug: „Deine Sorgen möcht' ich haben !“
Aber möchte ich das wirklich ? Die Annahme dahinter
ist ja: Deine Sorgen sind garantiert leichter als meine.
Ich muss mich gerade schwer herumplagen, da
erscheinen mir Deine Probleme vergleichsweise
gering. Aber stimmt das ? Kann ich das richtig
einschätzen ? Wohl kaum. Ich sehe immer nur die
Spitze des Eisbergs, was darunter noch alles zu
finden ist, das bleibt mir erst mal verborgen. Da würde
es mir gehen wie der Frau in der Geschichte: Könnte
ich drunterschauen und das Ganze überblicken, dann
würde ich nichts davon übernehmen wollen. Dann
bliebe ich auch lieber bei meinen eigenen Sorgen: Die
kenne ich wenigstens. Die sind mir nicht fremd. Die
gehören irgendwie zu mir, wie vertraute Wegbegleiter
auf einem Stück meines Lebensweges. Ich bin
überzeugt davon: Ich selbst kann auch am Besten
umgehen mit meinen Sorgen. Denn Gott hat mir die
Fähigkeiten gegeben, sie zu bewältigen. Oder kann
mir Hilfe schicken, die ich dankbar annehmen darf. Er
lässt mich doch nicht im Stich, wenn ich ihn brauche.
Er ist da – mit Rat und Tat und seiner Stärke.
Martin Luther hat dazu etwas sehr Überzeugendes
gesagt. Er hat gesagt: „Du kannst es nicht verhindern,
dass die Sorgen wie Vögel über deinem Kopf kreisen
und dich beunruhigen. Aber du kannst es verhindern,
dass sie sich häuslich bei dir niederlassen und auf
deinem Kopf ein Nest bauen.“
Wie recht er doch hat: Ein Leben OHNE Sorge können
wir in der Welt nicht führen. Wir werden immer wieder
Anlass zur Sorge haben. Nicht nur für uns selbst,
sondern auch in Bezug auf die Menschen, die wir
lieben und die uns nahestehen. Aber wir dürfen es
auch nicht zulassen, dass die Sorgen überhand
nehmen und uns völlig mit Beschlag belegen. Sonst
geht Lebensqualität verloren. Manche Sorgen lösen
sich ja tatsächlich irgendwann in Wohlgefallen auf.
Oder werden im Vergleich mit manchem anderen, das
auf der Welt so los ist, ganz klein. Oder verwandeln
sich – in Hoffnung.
Hören wir noch einmal, was Jesus dazu sagt – ich
übertrage jetzt ein bisschen: „Macht euch keine
Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen ? Was
sollen wir trinken ? Wie soll es weitergehen ? Euer
himmlischer Vater weiß, was ihr braucht und kennt
eure Bedürfnisse. Glaubt es nur und verlasst euch
darauf: Gott wird euch zukommen lassen, was
notwendig ist. Er trägt euren Sorgensack mit. Damit er
euch nicht zu schwer wird. Und fordert euch auf, ihn
auch mal abzustellen. Den Blick zu heben. Zum
Himmel, wo die Vögel fröhlich ihre Kreise ziehen. In
die Wolken, die sich zusammenballen und wieder
auflösen. Auf die Erde, auf der die Blumen blühen, die
Bäume euch mit ihrem Blätterdach Schatten spenden
und die Sträucher euch ihre frischen Früchte
anbieten.Tauscht den Ernst des Lebens ab und zu
gegen die himmlische Leichtigkeit, die aus dem Spiel
der Kinder spricht. Die Euch umhüllt, wenn Ihr Euch
mal für eine Stunde ins Gras legt und einfach nur da
seid, völlig zweckfrei, nur den Moment in Euch
aufnehmt. Die Augen entspannt und die Welt ist voller
Farben. Die Ohren offen und die Welt ist voller Klang.
Die Nase bereit und die Welt ist voller Duft.
Ihr werdet es spüren: Euer Sorgensack wird leicht und
Ihr spürt seine drückende Last nicht mehr. Könnt
leichtfüßig springen und guten Mutes sein. Weil Gott
selbst für Euch sorgt – in allen Dingen. Amen.
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