Lösung ZA 64 - bei der Kanzlei Dr. iur. Alexandra Loock

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Rechtsanwältin Dr. jur. Alexandra Loock-Nester
Lösungsvorschlag Klausur ZA 64
A. Mandantenbegehren
1. Prüfung der Erfolgsaussichten eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil
und einer Verteidigung gegen die Klage;
2. Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen;
3. Prüfung, ob nach Zahlung des Klagebetrages ggf. höhere Kosten bei Durchführung der
Reparatur von der Klägerin geltend gemacht werden können;
4. Prüfung eines Ersatzanspruchs des Mandanten gegen die Reinoel GmbH und dessen
Durchsetzung.
B. Gutachten
I. Prozessuales Gutachten
1. Zulässigkeit eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil
Soweit die Verteidigung gegen die Klageforderung Erfolg verspricht, ist gern. § 338 ZPO
-' Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Fraglich ist, ob ein Einspruch überhaupt
zulässig ist.
a) Gern. § 339 Abs. 1 ZPO beträgt die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil zwei
Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Urteils. Ausweislich des
Zustellvermerkes wurde das Versäumnisurteil Rechtsanwalt Henning bereits am 4.1 .2 008
zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist endete gern. § 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2
BGB mit Ablauf des 18.1.2008, so dass ein Einspruch ausgehend vom Zeitpunkt der
Bearbeitung (4.3.2008) grundsätzlich zu spät käme und keine Aussicht auf Erfolg hätte.
b) Der Beginn der Einspruchsfrist setzt jedoch eine wirksame Zustellung voraus, § 339 Abs. 1
ZPO. Sollte die vom Landgericht Berlin an Rechtsanwalt Henning vorgenommene Zustellung
des Versäumnisurteils fehlerhaft gewesen sein, fehlte es an einem gesetzlich notwendigen
Umstand für den Beginn der Einspruchsfrist mit der Folge, dass ein Einspruch noch jederzeit
eingelegt werden könnte.
Der Mandant hatte Rechtsanwalt Henning mit seiner anwaltlichen Vertretung in dem
Rechtsstreit beauftragt. Dies wurde dem Landgericht Berlin mit Schriftsatz vom 03.12.2007
angezeigt. Gern. § 172 Abs. 1 ZPO hat das Gericht danach alle Zustellungen (ausschließlich)
an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten vorzunehmen. Die Anzeige der
Mandatsniederlegung vom 18.12.2007 führt nicht dazu, dass alle nach diesem Zeitpunkt
anfallenden Zustellungen und damit auch die Zustellung des Versäumnisurteils vom
28.12.2007 an die Partei direkt vorzunehmen sind. Vielmehr verbleibt es bei der in § 172 Abs.
1 ZPO getroffenen Regelung. Denn vorliegend handelt es sich gern. § 78 Abs. 1 ZPO um
einen Anwaltsprozess. In diesem Fall bewirkt die Kündigung des Mandats durch den
Mandanten zwar die Beendigung der Prozessvollmacht. Doch wird dies dem Gericht
gegenüber erst dann gern. § 87 Abs. 1 ZPO wirksam, wenn sich für die Partei ein anderer
zugelassener Rechtsanwalt anstelle des bisherigen namentlich bestellt hat. Bis zum Zeitpunkt
des Erlöschens der Vollmacht gern. § 87 Abs. 1 ZPO können sowohl der Prozessgegner als
auch das Gericht dem bisherigen Prozessbevollmächtigten gegenüber wirksam handeln. Das
Gericht ist sogar gern. § 172 Abs. 1 ZPO gehalten, an den bisherigen Rechtsanwalt
zuzustellen. Erst nachdem sich ein neuer Prozessbevollmächtigter bestellt hat, kann an den
bisherigen Rechtsanwalt nicht mehr wirksam zugestellt werden.
Zwischenergebnis: Das Versäumnisurteil ist Rechtsanwalt Henning wirksam am 4.1. 2008
zugestellt worden. Die erfolgte Zustellung ist für den Mandanten verbindlich.
c) Erfolgsaussicht eines Wiedereinsetzungsantrages
2.— Nach der Schilderung des
Mandanten war dieser an der Einlegung des Einspruchs gehindert, well Rechtsanwalt
Henning ihn nicht über die Zustellung des Versäumnisurteils und damit über die
Möglichkeiten des Einspruchs bzw. die mit dem Ablauf der zweiwöchigen Notfrist
verbundenen Rechtsnachteile informiert hat. Dieser Umstand könnte einen ausreichenden
Grund für einen Wiedereinsetzungsantrag gem. § 233 ZPO darstellen.
aa) Voraussetzung ist, dass der Mandant ohne sein Verschulden verhindert war, eine Notfrist
oder eine andere der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten. Diese Voraussetzungen
dürften vorliegen. Die zweiw6chige Einspruchsfrist stellt gem. § 339 Abs. 1 ZPO eine
Notfrist dar. An deren Einhaltung war der Mandant gehindert, weil Rechtsanwalt Henning ihn
nicht über die Zustellung des Versäumnisurteils und die sich -hieran anschließenden
Rechtswirkungen informiert hat. Dem Prozessbevollmächtigten erwächst aus dem beendeten
Vertrag jedoch die nachwirkende Pflicht, seiner früheren Partei über eine an ihn erfolgte
Zustellung zu unterrichten, worauf die Partei vertrauen darf. Zwar stellt dieses Versäumnis
ein schuldhaftes Fehlverhalten des Bevollmächtigten dar, das gem. § 85 Abs. 2 ZPO
grundsätzlich dem Verschulden des Mandanten gleichsteht. Doch ist die vertragliche
Beziehung zwischen dem Mandanten und Rechtsanwalt Henning zumindest im
Innenverhältnis aufgrund des Entzugs der Vollmacht beendet. § 85 Abs. 2 ZPO gebietet eine
Zurechnung anwaltlichen Fehlverhaltens aber nur, solange das Innenverhältnis währt, also
von der Annahme des Mandats bis es vom Mandanten gekündigt wird. Auf den Fortbestand
der Vollmacht gem. § 87 Abs. 1 ZPO kommt es dabei nicht an. Denn die Haftung der Partei
für das Verschulden ihres Anwalts beruht auf dem nach Beendigung des Mandats nicht mehr
tragfähigen Gedanken, dass sie für die Person ihres Vertrauens einzustehen hat.
Dass der Mandant es unterlassen hat, einen neuen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, kann
einen Schuldvorwurf i.S.d. § 233 ZPO nicht begründen. Denn wenn bis zur Bestellung eines
neuen Prozessbevollmächtigten das Versäumnisurteil Rechtsanwalt Henning zuzustellen war,
hatte der Mandant keinen Anlass, einen anderen Anwalts allein deswegen einzuschalten,
damit dieser hätte klären können, ob und gegebenenfalls wann die Zustellung an Rechtsanwalt
Henning erfolgt war. bb) Gem. §§ 236 Abs. 1,234 Abs. 1 ZPO ist innerhalb von zwei Wochen
ein
Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, wobei die Frist gem. § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag
beginnt, an dem das Hindernis behoben wurde. Dies war vorliegend der 29.2.2008, als der
Mandant durch den Gerichtsvollzieher von der Existenz des Versäumnisurteils erfahren hat.
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist daher spätestens mit Ablaut des 14.3.2007 zu stellen, wobei
gem. §
236 Abs. 2 ZPO der Mandant diejenigen Angaben, welche die Wiedereinsetzung begründen,
gem. § 294 Abs. 1 ZPO in Form einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft zu machen hat
2. Zulässigkeit der Klage
Die beim Landgericht Berlin erhobene Klage ist zulässig. Das angerufene Gericht ist gem. §
13 ZPO örtlich und gem. § 23,71 GVG sachlich zuständig, da der Beklagte seinen
allgemeinen Gerichtsstand im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Berlin hat und die
Klageforderung 5.000 € übersteigt.
II. Materielles Gutachten
Die Erfolgsaussichten einer Verteidigung gegen die Klage sind schlecht.
1.Anspruch der Klägerin gem. den § 634 Nr. 4,280 Abs. 1 BGB
a) Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag über die Durchführung der Inspektion zustande
gekommen. Der herzustellende Erfolg liegt in der Gebrauchs- und Fahrtauglichkeit des
Wagens für die nähere Zukunft.
b) Das von dem Mandanten hergestellte Werk ist mangelhaft. Mit dem Einfüllen eines
ungeeigneten Öls liegt ein Sachmangel i.S.d. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB vor, da der Wagen nicht
für die nähere Zukunft fahrtauglich ist; die vereinbarte Beschaffenheit ist nicht erreicht
worden.
Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatz fällt in den Anwendungsbereich des §
280 Abs. 1 BGB. Dieser erfasst den sog. Mangelfolgeschaden und erstreckt sich auf die
Schäden, die durch die Pflichtverletzung eingetreten sind und unabhängig von einer
Beseitigung des Mangels fortbestehen. Demgegenüber erfasst § 281 BGB den Schadensersatz
statt der Leistung und damit das Erfüllungsinteresse. Für die Abgrenzung des
Anwendungsbereichs von § 281 BGB neben § 280 Abs. 1 BGB wird darauf abgestellt, ob
durch eine Nachholung der ordnungsgemäßen Erfüllungshandlung der geltend gemachte
Schaden noch abgewendet werden könnte; in diesem Falle ist § 281 BGB anwendbar. Der
Anspruch auf Ersatz der Kosten, die unabhängig von dem Nachholen der Leistungshandlung
bestehen bleiben, fällt unter § 280 BGB und steht selbständig neben dem Anspruch auf
Mängelbeseitigung. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Reparatur des
Motors, Erstellung des Gutachtens und das Abschleppen können durch die Verwendung eines
für den Wagen der Klägerin geeigneten Motoröls nicht mehr abgewendet werden.
c) Das Vertretenmüssen des Mandanten wird gern. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet, d.h. der
Mandant muss sich in dem Prozess entlasten.
aa) Nach der Version des Mandanten sind die Umstände für eine Entlastung geeignet. Er hat
die Arbeiten ordnungsgemäß erledigt und das vermeintlich richtige Motorenöl verwendet.
Anhaltspunkte dafür, dass der Mandant den Befüllungsfehler an der Flasche oder ihrem Inhalt
erkennen musste oder er aus anderen Gründen die Qualität des Öls hätte überprüfen müssen,
liegen nicht vor.
Ein Verschulden des Öllieferanten müsste sich der Mandant gern. § 278 BGB nicht zurechnen
lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass dieser als Gehilfe bei der Erfüllung der dem
Mandanten gegenüber der Klägerin obliegenden Verbindlichkeiten tätig geworden ist.
Maßgeblich ist, ob der Dritte in dem konkreten Pflichtenkreis des Schuldners tätig geworden
ist. Der Pflichtenkreis des Mandanten gegenüber der Klägerin erstreckte sich nur auf die
Herstellung bzw. Erhaltung der Fahrfähigkeit des Wagens. Er hatte nicht das dafür
erforderliche Öl herzustellen. Dessen Beschaffung liegt außerhalb des eigentlichen
Herstellungsprozesses. Die Tätigkeit der Reinoel GmbH kann daher nicht mehr dem
maßgeblichen Pflichtenkreis in dem Verhältnis des Mandanten zu der Klägerin zugerechnet
werden. Der Zulieferer ist in dem Verhältnis zwischen Werkunternehmer und Auftraggeber
grundsätzlich ebenso wenig als Erfüllungsgehilfe anzusehen wie der Hersteller in dem
Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer.'
bb) Fraglich ist, ob der Mandant auch den Entlastungsbeweis für fehlendes eigenes
Verschulden führen könnte. Er müsste nachweisen können, dass er 01 aus einer Flasche mit
dem Aufdruck »Synthetiköl 0W 40" verwendet hat. Dies dürfte zu seiner Entlastung im
Zusammenhang mit dem Produktionsfehler bei der Reinoel GmbH, der wohl unstreitig
bleiben wird, ausreichen,
‚- (1) Ein Zeuge, der die Verwendung einer Ölflasche mit dem Aufdruck 0 W 40 bestätigen
kann, dürfte nicht zur Verfügung stehen.
Unabhängig von der Frage, wie die Reinoel GmbH sich im weiteren Verlauf verhält, kann
von dort kein Zeuge zu der Frage aussagen, welches Motorenöl aus welcher Flasche der
Mandant verwendet hat. Ein Zeuge von Seiten der Reinoel GmbH könnte nur den
Produktionsfehler und die Bestellung durch den Mandanten in dem fraglichen Zeitraum
bestätigen.
Eine Benennung des Mitarbeiters Heinz Buckowski als Zeuge für die Verwendung einer
Flasche aus der fehlerhaften Produktion dürfte gern. § 138 Abs. 1 ZPO unzulässig sein. Aus §
138 Abs. 1 ZPO folgt das Verbot, im Prozess bewusst unwahre Angaben zu machen. Dies gilt
nicht nur für die Partei selbst, sondern auch für den Prozessbevollmächtigten. Mit der
Benennung des Mitarbeiters
l(vgl. Palandt/Heinrichs § 278 RZ 14 m.w.N.; Staudinger/Löwisch, 2004 § 278; RZ 90). Nach
anderer Auffassung ist auch der Zulieferer im Werkvertrag unter § 278 BOB zu subsumieren,
da der Leistungsbereich des Unternehmers den gesamten Bereich der Werkherstellung
umfasse (vgl. Grundmann in Münchener Kommentar, 5. Aufl. 2007, § 278 RZ 34; Wolf ZIP
1996, 1657). Unabhängig davon, welcher Auffassung man sich anschließt, gilt es zu
erkennen, dass dem Interesse des Mandanten die wohl herrschende und auch in der
Rechtsprechung vertretene Meinung, nach der § 278 BGB hier nicht einschlägig ist, gerecht
wird.
Buckowski als Zeuge würde eine Tatsache in dessen Wissen gestellt, obwohl der Mandant
und sein Prozessbevollmächtigter wissen, dass der Zeuge über diese Kenntnisse nicht verfügt.
Darin läge eine bewusste Lüge. Ferner dürfte ein solcher Beweisantritt im Fall der
Vernehmung des Zeugen - eine Anstiftung zu der nach den § 153, 154 StGB strafbaren
uneidlichen oder eidlichen Falschaussage sein. Der Tatbestand der Falschaussage dürfte
unabhängig davon vorliegen, dass der eigentliche Kern der Aussage über die Verwendung
einer Flasche aus der fehlerhaften Produktion wohl wahr ist. Denn jedenfalls die näheren
Umstände, zu denen das Gericht den Zeugen befragen wird (z.B. woher der Zeuge sein
Wissen bezieht), werden unwahr sein.
(2) Fraglich ist, ob der Zusammenhang zwischen dem Fehler bei dem Ölwechsel durch den
Mandanten und dem Produktionsfehler bei der Reinoel GmbH in einer Beweiserleichterung
für den Mandanten führen.
In Betracht kommt die Annahme eines Anscheinsbeweises. Es handelt sich um eine
Vermutung, die nicht auf einer Norm, sondern auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruht.
Danach kann bei typischen Geschehensabläufen nach der allgemeinen Lebenserfahrung
regelmäßig von einem bestimmten Ereignis auf einen bestimmten Erfolg geschlossen werden
und umgekehrt. Die Annahme, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, erfordert
zunächst die Feststellung eines allgemeinen Erfahrungssatzes als einer aus allgemeinen
Umständen gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerung, die dann auf den konkreten
Sachverhalt angewendet werden kann. Ein solch typischer Geschehensablauf dürfte hier nicht
vorliegen. Aus den Umständen, dass ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht wurde
und dass sich bei dem Erwerber eine für den Fehler typische Gefahr realisiert hat, kann nicht
geschlossen werden, dass gerade dieses fehlerhafte und nicht ein daneben vorhandenes
mangelfreies. Produkt falsch verwendet wurde; letztere Möglichkeit liegt ebenso im Rahmen
der allgemeinen Lebenserfahrung. Bei mehreren möglichen Ursachen kommt nur dann der
Anscheinsbeweis zu Anwendung, wenn für die eine Ursache konkrete Anhaltspunkte
vorliegen, während für die anderen tatsächlichen Anhaltspunkte völlig fehlen. Hier liegen
konkrete Anhaltspunkte far den Vortrag des Mandanten mit der Rückrufaktion durch Reinoel
vor. Die. andere mögliche Ursache - fahrlässige Verwendung des Mineralöls 15 W 40 - kann
aber nicht als ausgeschlossen gelten. Für den Anscheinsbeweis ist es nicht ausreichend, wenn
von mehreren tatsächlichen Möglichkeiten eine wahrscheinlicher ist. Denn in diesem Fall ist
kein regelmäl3ig wiederkehrender Vorgang gegeben, der Grundlage einer den
Anscheinsbeweis stützende Schlussfolgerung sein kann.
(3) Einer Vernehmung des Mandanten als Partei wird die Klägerin voraussichtlich nicht
zustimmen, § 447 ZPO.
(4) Die amtswegige Vernehmung des Mandanten als Partei gemäß § .448 ZPO dürfte nicht in
erreichen sein, weil es dem Mandanten mangels eines brauchbaren Beweismittels nicht
möglich sein wird, das von ihm behauptete Geschehen im Ansatz in beweisen. Die
Vernehmung der beweispflichtigen Partei von Amts wegen, § 448 ZPO), dient nicht dazu,
eine beweisfällige Partei von den Folgen der Beweislosigkeit zu befreien.
cc) Erstattungsfähigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen
Die Verteidigung des Mandanten gegen die Forderung der Klägerin dürfte nur in Höhe von
4422,60 € (1.793,69 € Mehrwertsteuer, 2.400,- € Abzug neu für alt sowie 229,- € fiktive
Abschleppkosten) Aussicht auf Erfolg versprechen.
(1) Kosten für die Reparatur des Motors
Die Kosten für die Reparatur des Motors sind grundsätzlich erstattungsfähig; die Klägerin
kann statt Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Zahlung des erforderlichen
Geldbetrages verlangen. Dabei ist anerkannt, dass die Berechnung auf der Grundlage eines
Gutachtens fiktiv erfolgen kann und eine tatsächliche Ausführung der Reparatur nicht
erforderlich ist. Probleme der Begrenzung der Reparaturkosten durch den
Wiederbeschaffungswert bzw. die Berücksichtigung des
Restwertes stellen sich nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht.
Die Klägerin kann allerdings von dem ermittelten Betrag die Umsatzsteuer jedenfalls derzeit
nicht geltend machen, da die Umsatzsteuer - mangels Ausführung der
Reparatur - nicht angefallen ist, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Forderungsbetrag ist daher um
die in dem Gutachten ausgewiesene Umsatzsteuer i.H.v. 1.793,60 € zu reduzieren.
Ferner muss die Klägerin einen Abzug neu für alt hinnehmen. Nach dem Gutachten liegt der
Wert des Wagens nach dem Einbau eines Austauschmotors 2.400 € über dem
Wiederbeschaffungswert. Es ist auch plausibel, dass ein neuer Motor gegenüber dem
bisherigen mit einer Laufleistung von 65.200 km eine Wertverbesserung mit sich bringt. Der
Abzug der Wertsteigerung von dem Ersatzbetrag rechtfertigt sich aus dem
schadensersatzrechtlichen Grundsatz, dass der Geschädigte sich durch das Schadensereignis
nicht bereichern soll. Liegt eine messbare Vermögensmehrung vor, die sich für den
Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt, ist der Abzug vorzunehmen, es sei denn, dies
ist dem Geschädigten nicht zumutbar. Eine solche messbare Vermögensmehrung liegt
regelmäßig bei dem Einbau eines Austauschmotors vor und wird hier durch die Angaben in
dem Gutachten deutlich. Wegen der zu erwartenden längeren Lebensdauer des Wagens wirkt
sich die Werterhöhung auch für die Klägerin günstig aus, Umstände, die den Abzug
unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind nicht erkennbar.
(2) Sachverständigenkosten
Die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten für das Sachverständigengutachten ist
unproblematisch zu bejahen. Als Kosten der Schadensfeststellung sind die
Sachverständigenkosten Teil des Schadens. Sie sind gemäß § 249 BGB zu ersetzten, soweit
ein verständig, wirtschaftlich denkender Mensch aus Sicht des Geschädigten die Zuziehung
eines Sachverständigen zur Schadensfeststellung für zweckmäßig und notwendig halten
durfte. Das ist hier der Fall, weil die Klägerin mangels eigener Sachkunde den Schaden und
die Ursache des Schadens ohne Zuziehung des Sachverständigen nicht hätte feststellen
können.
(3) fiktive Abschleppkosten
Ein Anspruch auf Zahlung der Kosten, die für das Abschleppen bei der Klägerin angefallen
wären, wäre sie nicht Mitglied im ADAC, dürfte nicht gegeben sein. Die kostenfreie Leistung
des ADAC ist die Leistung eines Dritten. Ob diese bei der Schadensberechnung zu
berücksichtigen ist, hängt davon ab, ob sie dem Schädiger oder dem Geschädigten zukommen
soll.
Mit der Mitgliedschaft hat die Klägerin selbst Vorsorge für den Fall getroffen, dass sie einen
Unfall oder eine Panne mit ihrem Fahrzeug hat. Diese Vorsorge soll sie selbst absichern, nicht
aber den Schädiger entlasten.
Entscheidend dürfte aber sein, dass der Ersatzanspruch gerichtet auf Übernahme der
Abschleppkosten gern. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den ADAC übergegangen ist. Bei dem
ADAC handelt es sich um eine Versicherung, da der Verein dem Mitglied für den Fall des
Eintritts bestimmter Ereignisse die Erbringung einer Leistung zusagt
(Schutzbriefversicherurig). Die von dem Mitglied in Anspruch genommene
Schutzbriefversicherung kann den Schädiger in Regress nehmen. Der ADAC hat den Schaden
hinsichtlich des Abschleppens in natura ersetzt. Insoweit tritt die Legalzession ein. Der
Klägerin fehlt für die Geltendmachung des Anspruchs die Aktivlegitimation.
2. Anspruch der Klägerin gegen den Mandanten nach 823 BGB
Ein Anspruch der Klägerin aus § 823 BGB ist nicht gegeben. Wie ausgeführt, steht der
Klägerin der vertragliche Schadensersatzanspruch aus dem Gewährleistungsrecht zu. Soweit
der vertragliche Anspruch wegen einzelner Schadenspositionen nicht besteht, wäre ein
Ersatzanspruch aus § 823
Abs. 1 BGB aus denselben Gründen zu verneinen. Im Rahmen der Haftung wegen unerlaubter
Handlung müsste die Klägerin zudem das Verschulden des Mandanten beweisen, was ihr
nicht möglich sein wird.
3. Ersatzanspruch des Mandanten gegen die Reinoel GmbH
a) Nach der Schilderung des Mandanten dürfte ihm gem. §§ 434, 280 BGB ein
Schadensersatzanspruch gegen die Reinoel GmbH in Höhe des von ihm an die Klägerin zu
leistenden Schadensersatzes zustehen, weil der bei der Reinoel aufgetretene Produktionsfehler
ursächlich far die Schadensersatzhaftung des Mandanten gegenüber der Klägerin wegen der
an deren Pkw aufgetretenen Schäden sein dürfte.
aa) Zwischen dem Mandanten und der Reinoel GmbH ist ein Kaufvertrag geschlossen
worden, §§ 433 ff BGB.
bb) Das von der Reinoel GmbH an den Mandanten Ende Juli 2007 gelieferte 01 war
mangelhaft, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Reinoel hat nicht das bestellte Synthetiköl 0 W 40,
sondern Mineralöl 15 W 40 mit unzutreffender Kennzeichnung „0 W 40" geliefert. Das stellt
einen Mangel i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB dar. Die Reinoel GmbH hat den Mangel zu vertreten, §
280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Ersatzpflicht setzt eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht
voraus, denn der eingetretene Schaden kann durch Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden.
cc) Die fehlerhafte Lieferung, mit anderen Worten der Mangel, hat zum Schadenseintritt
geführt. Nach Darstellung des Mandanten hat er den Motor des Pkw der Klägerin mit dem
dafür ungeeigneten und fehlerhaft ausgezeichneten Mineralöl befüllt. Infolge davon ist es zur
Beschädigung des Pkw gekommen. Wegen der Beschädigung des Pkw ist der Mandant seiner
Kundin, der Klägerin gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. In der Belastung mit der
Schadensersatzverbindlichkeit liegt der Schaden des Mandanten Der Ersatzanspruch des
Mandanten gegen die Reinoel GmbH geht zunächst auf Freistellung. Der
Freistellungsanspruch kann nach § 250 BGB in einen Geldanspruch übergehen. Solange der
Mandant allerdings den Anspruch der Klägerin bekämpft, hat er kein berechtigtes Interesse,
bereits Zahlung zu verlangen. In einem solchen Fall ist die Klage auf Feststellung der
Ersatzpflicht der richtige Weg.
2. Der Mandant kann aber gegenwärtig den von ihm zu beweisenden Ursachenzusammenhang
zwischen Pflichtverletzung (Mangel) und Schaden nicht beweisen.
Dem Mandanten steht gegenwärtig kein geeignetes Beweismittel für die Tatsache, dass er in
den Motor des Pkw der Klägerin das falsch gekennzeichnete Öl aus der Fehllieferung der
Reinöl GmbH eingefüllt hat, zur Verfügung. Es gibt für diesen Vorgang keinen Zeugen.
Allerdings könnte er seinen Anspruch aus prozesstaktischen Gründen an einen Dritten
abtreten (§ 398 ff. BGB), um damit selbst als Zeuge zur Verfügung zu stehen.
Die Wirksamkeit einer Abtretung wird grundsätzlich nicht davon berührt, dass sie dazu
dienen soll, dem Zedenten im Prozess um die Forderung die Zeugenstellung zu verschaffen.
Eine zu diesem Zweck vorgenommene Abtretung verstößt weder gegen die guten Sitten, noch
lässt sie sich als Scheingeschäft ansehen. Allerdings wird das starke Eigeninteresse des
Zeugen bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein. Da die zu erwartende
Zeugenaussage des Mandanten allerdings konkrete Bezugspunkte in dem auf andere Weise
festzustellenden Sachverhalt (durch Urkunden beweisbare Falschauszeichnung des Öls sowie
unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen fehlerhafter Lieferung und Befüllung des
Motors der Klägerin) finden dürfte, erscheint ein derartiger Beweisantritt durchaus Erfolg
versprechend.
Demnach ist dem Mandanten zu raten, die Reinoel GmbH durch einen Zessionar in Anspruch
nehmen zu lassen.
C. Oberlegungen zum weiteren Vorgehen
I. Einspruch und Wiedereinsetzung
Wie oben ausgeführt, verspricht die Rechtsverteidigung des Mandanten gegen die Forderung
in
Höhe von insgesamt 11.788,30 E nur in Höhe von 4.422,60€ Aussicht auf Erfolg. Aufgrund
der vorstehenden.Erwägungen ist gegen das Versäumnisurteil Einspruch einzulegen, soweit
der Mandant zur Zahlung von mehr als 7.365,70 ,6 nebst anteiliger Zinsen verurteilt wurde.
Insoweit ist zu beantragen, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zudem sollte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden.
Soweit die Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg verspricht, sollte dem Mandanten
geraten werden, zur Vermeidung weiterer Kosten der Zwangsvollstreckung schnellstens an
die Klägerin zu zahlen.
II. Einstellung der Zwangsvollstreckung
Mit dem (Teil-)Einspruch und dem Antrag auf Wiedereinsetzung sollte ein Antrag gern. § 719
Abs. 1 ZPO auf Einstellung der Zwangsvollstreckung verbunden werden. Denn die Klägerin
verfügt über ein vorläufig vollstreckbares Urteil, aus dem nach den Informationen des
Mandanten vollstreckt, wird. Der Mandant sollte darauf hingewiesen werden, dass die
Zwangsvollstreckung gern. § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO voraussichtlich vom Gericht nur gegen
Sicherheitsleistung vorläufig eingestellt werden wird. Zwar ist das Versäumnisurteil
jedenfalls insoweit nicht in gesetzlicher Weise ergangen, als das Gericht der Klägerin die
Kosten des Abschleppens zugesprochen hat, da es das Fehlen der Aktivlegitimation hätte
erkennen müssen. Die Einbeziehung der Mehrwertsteuer und den Abzug neu für alt hätte es
gleichfalls beachten müssen. Ist jedoch - wie vorliegend - die Einspruchsfrist versäumt und
Wiedereinsetzung beantragt worden, müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 707 Abs. 1
S. 2 ZPO vorliegen, der direkt anwendbar ist. Denn der begehrte Aufschub der
Zwangsvollstreckung richtet sich auch gegen die Folgen der formellen Rechtskraft des
Versäumnisurteils, die nach. Ablauf der Einspruchsfrist eingetreten sind. Der Mandant
begehrt Vollstreckungsaufschub auch bis zur Entscheidung über den
Wiedereinsetzungsantrag. Die nach Eingang eines solchen Antrages mögliche
Vollstreckungseinstellung ist in § 707 ZPO geregelt, der damit unmittelbare Anwendung
findet. Danach kann eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung nur erfolgen, wenn glaubhaft
gemacht wird, dass der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die
Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Hierfür liegen nach der
Schilderung des Mandanten keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.
III. Inanspruchnahme der Reinoel GmbH / Einbeziehung der Reinoel GmbH in den Prozess
Zu erwägen ist die Streitverkündung ( 72 ff ZPO) gegen die Reinoel GmbH. Die Erhebung
einer Drittwiderklage, die hier auf Freistellung oder Feststellung der Schadensersatzpflicht
lauten müsste, erscheint nicht angezeigt. Abgesehen davon, dass die isolierte Drittwiderklage
(Widerklage gegen einen bisher am Prozess nicht beteiligten Dritten) hier schon nicht zulässig
sein dürfte, ist dem Mandanten davon jedenfalls deshalb abzuraten, weil eine
Inanspruchnahme der Reinoel GmbH durch ihn selbst keine Erfolgsaussicht hat.
Streitverkündung
Eine Streitverkündung ( 72 ffZPO) dient dazu, sich einen späteren Prozess gegen einen
Dritten dadurch zu erleichtern, dass die Feststellungen im Erstprozess Bindungswirkung
zulasten des späteren Prozessgegners erlangen ( 68 ZPO). Ein Streitverkündungsgrund i.S.d. §
72 Abs. 1 ZPO dürfte dam Mandanten zur Seite stehen, weil im Falle seines Unterliegens im
Prozess gegen die Klägerin ein Anspruch auf GewhrleistungISchadlosha1tung gegen die
Reinoel GmbH in Betracht kommt.
Die Streitverkündung ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits möglich, § 72
Abs. 1 ZPO. Daraus folgt, dass die Streitverkündung nur dann Sinn macht, wenn und soweit
der Mandant gegen das zugunsten der Klägerin ergangene Versäumnisurteil Einspruch
einlegt, Legt der Mandant keinen Einspruch ein, ist der Rechtsstreit nämlich rechtkräftig
entschieden. Mithin ist zu überlegen, ob der Mandant der Reinoel GmbH den Streit verkünden
sollte, soweit der Einspruch in der Sache Erfolgt verspricht. Ferner ist zu prüfen, ob der
Mandant, soweit seine Rechtsverteidigung
keine(Aussicht auf Erfolg verspricht, dennoch zum Zwecke der. Streitverkündung Einspruch
einlegen sollte, um die Streitverkündungswirkung zu erreichen.
a) Soweit die Rechtsverteidigung des Mandanten gegen die Klage Erfolg verspricht, besteht
far eine Streitverkündungswirkung gegen die Reinoel GmbH an sich kein Bedürfnis. In dem
Umfang, in dem der Mandant gegen die Klägerin obsiegt, hat er letztlich keinen Grund, die
Reinoel GmbH in Regress zu nehmen. Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass das
Gericht in einzelnen Punkten der Rechtsansicht des Mandanten nicht folgt, erscheint es auch
gut vertretbar, von der Streitverkündung Gebrauch zu machen. In diesem Fall könnte sich die
Reinoel GmbH im Folgeprozess nicht darauf berufen, der Rechtsstreit sei falsch entschieden.
Ferner fahrt die Streitverkündung zur Hemmung der Verjährung (204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).
b) Zu überlegen ist, ob dem Mandanten anzuraten wäre, trotz der nur teilweise bestehenden
Erfolgsaussicht in der Sache Einspruch in voller Höhe einzulegen, um dadurch die Grundlage
far eine umfassende Streitverkündung und die damit verbundene Interventionswirkung zu
erreichen. Hier sind die unter a) angeführten Oberlegungen anzustellen. Zudem ist der
Mandant darauf hinzuweisen, dass eine Streitverkündung ein Kostenrisiko birgt. Bei einer
Streitverkündung wird die Kostenfolge durch § 101 Abs. 1 ZPO geregelt. Danach hat der
Gegner der vom Streitverkündeten unterstützten Hauptpartei die Kosten des
Nebenintervenienten insoweit zu tragen, als er in der Hauptsache unterliegt. Nur soweit dies
nicht der Fall ist, sind die Kosten dem Nebenintervenienten aufzuerlegen. Da zu erwarten ist,
dass die Reinöl GmbH dem Rechtsstreit im Fall einer Streitverkündung auf Seiten der
Klägerin beitreten wird, um die Schadensverantwortlichkeit allein dem Beklagten anzulasten,
müsste der Mandant im Fall der Verurteilung auch die Kosten der Reinoel GmbH in vollem
Umfang tragen.
Eine Streitverkündung macht auch dann Sinn, wenn der Gedanke der Abtretung verfolgt wird.
Denn in diesem Fall erstreckt sich die Interventionswirkung gegen die Reinoel GmbH
entsprechend § 325 ZPO auch auf den Zessionar, sofern, der Anspruch des Mandanten gegen
die Reinoel GmbH nach Rechtskraft der Entscheidung im Prozess zwischen ihm und der
Klägerin an den Dritten abgetreten wird.
D Schriftsatz
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