Neuerungen Gut zu wissen: Aktuelle Rechtsprechung zum Thema Behinderung Ständig entscheidet die Rechtsprechung neu über verschiedene Bereiche, die Menschen mit Behinderung betreffen. Zumeist geht es dabei darum, ob Betroffene ein Recht auf eine Kostenerstattung von notwendiger Hilfe und Unterstützung im Alltag haben. Lesen Sie hier die neuesten Entscheidungen: Kostenbeteiligung des Integrationsamts Gebärdensprachdolmetschers im Betrieb für Beanspruchung eines Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Beschluss vom 25.05.2012 – Az.: 12 ZB 11.152 Im vorliegenden Rechtsstreit ging es um die Frage, ob das Integrationsamt an den Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher für eine gehörlose Arbeitnehmerin zu beteiligen ist, soweit diese im Betrieb die Aufgaben eines Betriebsratsmitglieds und der Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen wahrgenommen hat. Das Gericht verneint einen solchen Anspruch und erkennt auch keinen Ermessensfehler der Behörde im Rahmen des § 102 Abs. 3 SGB IX, wenn diese einen Zuschuss ablehnt. Vor allem sei auch keine außergewöhnliche Belastung für den Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gemäß § 27 der Schwerbehinderten-Ausgleichabgabenverordnung erkennbar. Vielmehr setze die Förderung eines Arbeitgebers im Rahmen der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben voraus, dass es sich um eine Maßnahme handele, die der unmittelbaren Arbeits- und Berufsförderung des Schwerbehinderten diene, woran es vorliegend aber mangele. Keine Kostenübernahme für Fahrrad mit Hilfsmotor Sozialgericht Oldenburg – Urteil vom 01.06.2012 – Az.: S 61 KR 204/11 Nach der vorliegenden Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg besteht kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Versorgung mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor. Die Klägerin, die auf dem Land lebt, hatte ihren geltend gemachten Anspruch damit begründet, dass sie aufgrund ihrer beidseitigen Gonarthrose und den damit verbundenen Schmerzen keine längeren Wegstrecken zurücklegen könne, auch nicht mit ihrem vorhandenen Rollator. Das Gericht weist in seiner Entscheidung jedoch darauf hin, dass im Rahmen eines mittelbaren Behinderungsausgleichs ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen sein muss. Dagegen handele es sich bei einem Fahrrad mit Hilfsmotor um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, der keine individuell, für die Bedürfnisse von Kranken und Behinderten angefertigte Konstruktion darstellt und der deshalb von der Sachleistungspflicht ausgenommen ist. Unzulässigkeit einer Klage auf Kostenerstattung, wenn während des Verfahrens ein anderes Hilfsmittel beschafft wird als ursprünglich beantragt Landessozialgericht Baden-Württemberg – Beschluss vom 11.06.2012 – Az.: L 10 R 5385/11 Die Klägerin hatte sich während eines laufenden Klageverfahrens, in welchem es um die Versorgung mit Hörgeräten der Marke „Shape“ ging, andere Hörgeräte der Marke „Flash FLm“ selbst beschafft. Damit konnte sie jedoch, so das Landessozialgericht, nicht mehr geltend machen, in Bezug auf die Versorgung mit den Hörgeräten der erstgenannten Marke in ihren Rechten verletzt zu sein. Hinsichtlich der Hörgeräte der Marke „Flash FL-m“ hatte die beklagte Krankenkasse indessen noch gar keinen Bescheid erlassen, weshalb es an der erforderlichen Klagebefugnis mangelte und es der Klage an ihrer Zulässigkeit fehlte. Ungeachtet dessen wäre ein Anspruch auch daran gescheitert, dass der Selbstbeschaffung des Hörgerätes der Marke „Flash FL-m“ keine Ablehnung der Leistung seitens der Beklagten vorausgegangen ist und es sich auch nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat. Denn es sei nicht erkennbar, dass es der Klägerin unzumutbar gewesen wäre, vorab einen entsprechenden Antrag zu stellen und eine Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Eine Unzumutbarkeit könne sich im Übrigen auch nicht aus der Dauer des gerichtlichen Verfahrens ergeben. Kostenübernahme für ein Gebärdensprachlernprogramm für ein behindertes Kind Sozialgericht Oldenburg – Gerichtsbescheid vom 31.05.2012 – Az.: S 61 KR 244/11 Nach der vorliegenden Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg kann ein gehörloses Kind einen Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Versorgung mit einem Gebärdensprachlernprogramm für Kinder geltend machen. Denn bei dem Programm handele es sich um ein Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V, das dem Behinderungsausgleich dient. Es soll das Erlernen von Gebärdensprache ermöglichen und damit die Kommunikation des hörbehinderten Kindes sicherstellen. Das hier betreffende Gebärdensprachlernprogramm richtet sich an gehörlose, schwerhörige und lernbehinderte Kinder sowie Kinder mit Down-Syndrom und mit Cochlea Implantat zum Erlernen eines Grundwortschatzes in Gebärdensprache und diene der Herstellung und Erleichterung der Verständigungsmöglichkeit ohne normale Lautsprache. Es gehe nicht um die Wiederherstellung des Hörens, sondern um den Ausgleich der durch den Hörverlust eintretenden Kommunikationslosigkeit. Eine notwendige Kommunikation gehöre aber gerade bei Alltagssituationen zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und unterfalle daher der Leistungspflicht der Krankenversicherung. Der Autor Holger Borner ist Leiter des Referats Recht und Sozialpolitik bei der BAG SELBSTHILFE